Du
brauchst für deinen Zweitakt - Renner aus den 70er oder 80er Jahren
einen Kolben, den es schon lange nicht mehr beim Händler zu
kaufen gibt? Kein Problem, der Martin hat ihn bestimmt.
Wenn
ich gegen Abend in Klausur gehe und den Tag mit eigenen Gedanken
ausklingen lassen möchte, dann will ich meine Ruhe haben. Also
bewege ich mich nach unten in meine Werkstatt und schraube an
meinen beiden Yamaha Rennmaschinen herum. Ab und zu packt mich der
technische Ehrgeiz, ich werde ganz mutig, gelange ins Motorinnere
und dann zwangsläufig zu den Kolben: Wie ist ihr Tragbild? Wie
frei sind die Ringe? Haben sie noch genug Spannung? Hat ein Lager
Luft? Ein Mordsthema ist das!
Es ist bei uns
Hobby-Veteranen-Rennfahrern ja wirklich so, dass wir unsere alten
Rennmaschinen nur deswegen lieben und mit ihnen fahren, um unsere
eigene Schraubkunst der staunenden Öffentlichkeit vorzuzeigen und
nicht die Fahrkunst. Um nach dem „Rennen“, das nach VFV-Regeln in Wirklichkeit keines ist, sondern eher eine
Gleichmäßigkeitsprozession, sagen zu können: „Seht alle her,
mein altes Schätzchen hat mal wieder durchgehalten! Was bin ich
doch für ein genialer Schrauber!“
Vielleicht ist es auch nicht so und wir fahren um des fahrens
willen, um des rasens auf der Rennstrecke? Egal. Ehrlich: Es
macht doch großen Spaß, das Motorinnere zu erkunden und es mit
der ganzen Fülle an Erfahrung eines beinahe gelebten
Motorradfahrerlebens zu betrachten, das Ansaugen und das
Verdichten und das Zünden und das Auspuffen nachzuvollziehen, das
hektische Auf und Ab des Kolbens in „11500 mal pro Minute!“
sich vorzustellen. Wow. Technik. Echte Renntechnik. Zwar von
damals, aber heute haben wir etwas mehr Zeit, wo wir kurz vor dem
echten Rentenalter nicht mehr so viel arbeiten müssen und uns dem
Hobby „alte Rennmaschinen“ mit aller Hingabe widmen können.
Und ab und zu kommt dann der Punkt, wo ich dasitze mit der Pulle
Tannenzäpfle in der einen und der Lucky Strike in der anderen
öligen Hand und sinniere, warum wohl in dem einen Kolben unten
ein Loch drinnen ist und in dem anderen nicht. Nein, ich meine
kein von einer defekten Zündung reingebranntes Loch oben im
Kolbenboden, sondern ein sauber unten in das Kolbenbolzenauge
reingebohrtes. Zur Schmierung?
In solchen Momenten trinke ich mein Bier aus und lege mich ins
Bett. Mit dem festen Vorsatz, morgen zu Martin Ziegler zu fahren
und ihn zu fragen, ob das Loch zur Schmierung sein muss und ob
damit mein Yamaha-Motor vielleicht sogar 0,05 PS mehr leistet.
Ronald Reagan ist für Martin Ziegler ebenso ein Held wie James
Dean und Kenny Roberts. Man sieht es an den Postern und Bildern,
die in seiner kleinen, sauber aufgeräumten Drei-Raum-Werkstatt in
Stuttgart Bad Canstatt hängen. Und der amerikanische
Schützenpanzer auf dem Sideboard verdeutlicht ebenso Martin
Zieglers Lebensmotto „Rauh, aber herzlich, immer direkt und
gerade heraus“ wie seine selbstgebaute 500er Straßenmaschine
mit dem liegenden 500er Einzylinder Guzzi-Motor, für die er sogar
eine echte Abnahme vom TÜV bekommen hat.
Unter Beachtung der
amerikanischen Lebensweisheiten gibt’s bei Martin kein Pardon:
„Nur deutlich sagen, was Sache ist, führt dich zum Ziel!“.
Wie die Cowboys im Wilden Westen – Martin trägt ihre
Mentalität in Form einer großen, gegossenen Schnalle mit dem
amerikanischen Adler als eingelegtem Motiv am Ledergürtel, mit
dessen Hilfe er sich den Bund der Levis’ 501 knapp unterm Wams
hält. „Die hat mir Wayne Rainey einmal geschenkt“, sagt er
leuchtenden Auges, „und die hat so gute Qualität, das gibt’s
nur in Amerika!“
Zehn Jahre lang war er in den 60er Jahren bei Porsche im Versuch,
danach mehrere Jahre beim Holländer van Veen im Rennmotorenbau,
betreute Eugenio Lazzarini auf dessen Weg zur 50er
Weltmeisterschaft, baute 1984 für die 80er Klasse eigene
Rennmotoren, die unter Fahrern wie Rainer Kunz, Richard Bay und
Kurfiss bis 1988 in der DM, EM und WM erfolgreich vorne mitfuhren,
um sich dann einem Thema ganz zu verschreiben: Kolben, nix als nur
Kolben.
Zuerst organisierte er für Mahle den Renndienst im GP-Zirkus,
nahm Mahle-Kolben zu den Rennen mit und die Wünsche und Ideen der
Fahrer, Teamchefs und Techniker zurück zu Mahle, deren Renn- und
Service-Abteilung damals ein paar Straßen weiter in seiner
Nachbarschaft angesiedelt war. Doch als vor rund 20 Jahren immer
mehr große Industriefirmen (und Mahle ist groß!) die Mode der
innerbetrieblichen „Controller“ kultivierten, die allen
Mitarbeitern ausschließlich unter Kostengesichtspunkten auf die arbeitenden Hände
schauen und jegliche Kreativität im Keime ersticken, machte es
dem Martin keinen Spaß mehr.
Bei italienischen Herstellern und
Lieferanten fand er mehr Gehör für seine Ideen: „Nix gegen
Mahle, aber bei denen zog in den 80er Jahren die Idee der
Gewinnmaximierung ein, der Service für den kleinen Mann blieb
dabei auf der Strecke“, blickt Martin ganz ohne Groll zurück.
Mit den Italienern zusammen war es ihm möglich, einige seiner
Ideen zu versuchen und die, die funktionierten, als Patent
anzumelden und diese dann in die Produktion der Kolben einfließen
zu lassen: „Ich habe es geschafft, leichte und doch standfeste
Kolben herstellen zu lassen, die verschleißfester waren als
andere, besonders der aus Japan!“ Diese Technik half mit, dass
Kenny Roberts Weltmeister wurde mit seinen Kolben und auch Eddie
Lawson, Wayne Rainey und John Kocinski – teils gegen den
erbitterten Widerstand der japanischen Techniker, die lieber ihre
landeseigenen Kolben einbauen und siegen sehen wollten.
Im aktuellen Renngeschehen wurde es in letzter Zeit ruhiger um die
Nachfrage nach Rennkolben aus Martin Zieglers kleiner
Macho-Werkstattwelt, denn erstens sind die Rennzweitakter auf
einem raketengleichen Rückzug zugunsten der Viertakter (dass die
neuen Renn-Viertakter in der MotoGP den doppelten Hubraum
brauchen, um schneller zu sein als die 500er Rennzweitakter, ist
wieder eine andere Geschichte!) und zweitens sind die heutigen
Kolben für die modernen Zweitakt-Straßen- und
Cross-Rennmaschinen wie Aprilia, Honda und Yamaha besser denn je,
also fast so gut wie Zieglers GP-Kolben. Aber nur fast. Ergo
läuft der Laden nicht mehr so gut wie noch zu Roberts
GP-Siegerzeiten.
Zuerst kamen dem Martin die vielen Anrufe meiner VFV-„Renn“-Kollegen,
die im letzten Jahr nach der Klassenöffnung für GP-Maschinen bis
Baujahr 1978 Martin Zieglers Nummer wählten, eher ungelegen: „Die
fragen mir Löcher in den Bauch nach diesem und jenem Kolben, da
ist vor lauter zeitintensiver Beratung nix verdient“, mimt er
ganz den Geschäftsmann. Aber er wäre ein schlechter, hätte er
nicht angefangen zu überlegen: „Ich hatte in meinem früheren
Sortiment 54er Kolben für die 125er Renn-Maicos, die Yamaha TD
und TZ Serie und die Suzuki RG der ersten Baujahre. Auch gab’s
54,25er für die letzten TZ’s mit Blockzylinder und 56,4er für
die späten RG’s. 64 mm maßen die Kolben der Vierzylinder TZ
700, 66,4 mm die der TZ 750. Alle Formen und Werkzeuge sind noch
da, also mache ich doch wieder Kolben und bin wieder der
Kolben-Ziegler!“ Und darüber bekam er Freude am Kolben machen
für alte Rennkisten und jetzt ist sein Angebot komplett.
"Sogar für die seltene
Dreizylinder 500er Honda habe ich jetzt wieder frisches Material
da“, sagt er, und der Macher-Stolz ist ihm ins verschmitzte
Gesicht geschrieben: „Ich habe gegossene und geschmiedete
Kolben, beide Sorten sind für leichten Lauf und höhere Standfestigkeit
graphitiert. Kolbenringe gibt es auch dazu, Stahlringe für
Chromlaufbahnen oder verchromte für Nikasil. Nadellager für die
Kolbenbolzen habe ich bei INA besorgt und Sicherungsclipse aus
hochfestem Federdraht ebenfalls. Und falls einer seinen Zylinder
neu mit Nikasil beschichten lassen möchte, egal in welchem
Durchmesser, auch das kann ich organisieren. Damit die alten Buben
wieder fahren können!“
Halt, Martin, bremse Deine
Begeisterung, ich habe noch eine wichtige Frage: Wie ist das
wirklich mit den kleinen Löchern unten im Kolbenbolzenauge? „Das
sind die sogenannten Beruhigungslöcher, die macht man rein, wenn
man Angst hat, dass der Kolbenbolzen fest geht, dann macht man
zwei Löcher rein. Bei meinen Schmiedekolben braucht’s keine
Zusatzlöcher, denn die Bohrungen für den Bolzen sind harteloxiert, da
geht der Bolzen selbst nach hunderten von Rennkilometern leicht
mit der Hand wieder raus!“
Wer nun genau wissen will, ob es bei Ziegler Kolben gibt für sein
Schätzchen, der klicke www.ziegler-gp-service.de
an, da steht alles drin, was es an Kolben und Zubehör gibt und
was es kostet. Und falls er dann noch Fragen hat, dann rufe er an
unter (0711) 546190 und frage nach Präsident Ronald Reagan - äh
Martin Ziegler.
Fotos
und Text: F.J. Schermer
SCHERMER VERLAG GmbH
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