Seitdem ich motorisierte Zweiräder
bewegen kann, habe ich eine Leidenschaft für sie. Insbesondere
interessieren mich die Motorräder der „Golden Seventies“.
Stolz und zum Leidwesen meiner Frau besitze ich auch einige davon.
Zudem bastele ich meinem Spieltrieb folgend seit 35 Jahren
Modellmotorräder zusammen.
Eines Tages kam
der Wunsch auf, sich doch einmal ein Modell einer 3-Zylinder
zuzulegen, egal ob Bausatz oder Fertigmodell.
Ich „googelte“
mich durch die virtuelle Welt und stellte erschreckend und voller
Unverständnis fest, dass die virtuelle Welt nichts, aber auch gar
nichts, was meinem Suchobjekt entsprach, zu bieten hatte.
Ergänzende
Versuche im größten Marktplatz der Welt waren ebenso
niederschmetternd.
Bei meiner
Sucherei stellte ich fest, dass es nicht nur von keiner der
Triples ein entsprechendes Modell mehr gibt, sondern auch der
Bereich „Klassische Rennmaschinen“ sträflich vernachlässigt
wird.
Langsam,
schleichend kam eine Idee in mir hoch: Es müssten doch noch mehr
Leute da sein, welche dieselben Interessen an diesen Miniaturen
haben, wie ich. Warum sollte es nicht möglich sein, diese
Miniaturen selbst zu produzieren, wenn andere es schon nicht tun?
Aber..., gedacht
ist noch lange nicht getan. Erst einmal ein wenig mehr
Informationen einholen.
Ich habe mich dann
mit einigen H2-Clubmitgliedern unterhalten und auch die englische
Fachpresse kontaktiert. Die Herausgeber von „Classic Racer“
und „Classic Motorcycle Mechanic“ haben mir Mut gemacht und
mich bei meiner Idee nicht nur moralisch, sondern auch mit
wichtigen Informationen unterstützt.
Die Schnapsidee,
übrigens ganz ohne Alkohol geboren,
festigte sich in 2004 zu einem Projekt.
Der nächste
Schritt war die Untersuchung von existierenden Modellen, denn: Wer
fertigt denn überhaupt solche Dinger?
Das Resultat war
erst einmal etwas überraschend, wenn auch bei näherer Überlegung
nachvollziehbar. Alle Modelle, die mir untergekommen sind, sind
„Made in China„ oder „Made in Macau“. Der
Lohnkostenvorteil gegenüber Europa hat sich auch hier
durchgesetzt.
Doch wie findet
man entsprechende Unternehmen in Asien?
In solchen
Situationen ist es sehr von Nutzen, wenn der Freundes- und
Bekanntenkreis groß ist. Ein Freund von uns ist mit einer
Chinesin verheiratet, die in ihrem Heimatland arbeitet. Ihre sehr
guten Kontakte halfen mir, und
so ging es für mich in dieser Phase recht problemlos.
Um alles auch
professionell vernünftig auf die Beine zu stellen, ich hatte zu
diesem Zeitpunkt schon die Vorahnung, dass eine Umsetzung dieser
Idee nur mit erheblichen Investitionen verbunden war, musste eine
Firma gegründet werden.
Da dies einen
neuen Abschnitt in meinem Leben kennzeichnen würde, konnte das
ohne Mitwirkung der Familie nicht gehen.
Also tagte der
Familienrat: Unsere Tochter Anna Lisa hat mit 13 Jahren noch nicht
den richtigen Zugang zu 70er Jahre Motorrädern, interessierte
sich nur für ein Modell von Valentino Rossis Motorrad und hatte
ansonsten ein eher neutrales Verhältnis zu dieser Idee. Sollte
ich später ihre Hilfe aber benötigen, würde sie mehr gern
helfen, ... wenn sie Zeit hätte.
Heike, meine Frau,
stellte sich als praktizierende Bilanzbuchhalterin zur Verfügung.
Damit war der kaufmännische und buchhalterische Part (ohne zusätzliche
Kosten) besetzt.
Meine Aufgabe
bestand dann darin, die Idee umzusetzen.
Ein Unternehmen
braucht einen Namen. Diskussionen, Brain-Storming führten zu
keinem Ergebnis, bis dann durch Freunde die Frage auftauchte:
„Was heißt eigentlich „Scale“, und warum nennst Du die
Motorräder „Bikes“?“ Scale ist das englische Wort für Maßstab,
und Bike ist das fast eingedeutschtes englisches Wort für
Zweirad.
„Scale-Bikes“
als Unternehmensname war geboren.
Unsere chinesische
Freundin Yi hatte mit mehreren Unternehmen in China Kontakt
aufgenommen und diese Informationen an uns weitergegeben. Nachdem
wir dann das für uns in Frage kommende Unternehmen ausgesucht
hatten, begannen die Verhandlungen über die Produktion. Die
Schwierigkeiten, die sich in dieser Phase und auch im weiteren
Verlauf des Projektes herauskristallisiert haben, sind dem Grunde
nach die folgenden:
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Die chinesischen Partner verstehen leider noch sehr
wenig von Motorrädern und konnten daher unseren Enthusiasmus für
diese Klassiker nicht so richtig nachempfinden.
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Die von uns gewünschten Stückzahlen waren gegenüber
anderen im chinesischen Unternehmen laufenden Modellprojekten
„Fliegenfurz“.
-
Meine Vorstellungen eines höchst detaillierten
Zinkdruckgussmodells in 1:18 waren in der Realität nicht in allen
Punkten umsetzbar.
Nachdem die Verhandlungen dann
abgeschlossen waren, erhielten wir pünktlich im April ein erstes
Muster (ein sog. „Tooling Model") im Maßstab 1:12, also 50 % größer
als das endgültige Modell. Vorlage waren lediglich Fotos des
Motorrades, die ich beim deutschen H2-Clubmitglied Detlev
dankenswerter Weise machen konnte.
Dieses Muster habe
ich dann Kawasaki Europe vorgestellt, um eine Lizenz zu erhalten.
Natürlich haben Heinz (Vorsitzender des H2-Clubs) und ich
zusammengesessen und dieses Modell „analysiert“. Unsere
Bestandsaufnahme ergab rund 30 Punkte, die überarbeitet werden
mussten.
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Tooling Modell, die ersten Fotos |
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Also Muster zurück,
mehrseitige Kommentare mit Fotos beigefügt und gehofft, das 2.
verbesserte Handmuster kurzfristig in den Händen halten zu dürfen.
Nichts passierte
..., 2 Wochen, 3 Wochen, 4 Wochen. So langsam wurden wir
ungeduldig. Unsere chinesische Freundin Yi hatte wieder ihren
Einsatz, und danach lief es wieder rund. Was sie mit dem
Hersteller besprochen hat, wissen wir bis heute nicht, aber
chinesische und deutsche Mentalitäten sind halt sehr
unterschiedlich.
Im Juni erhielten
wir das 2. Handmuster (Tooling Model II), welches nur noch einige
wenige Punkte zur Verbesserung hatte.
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Tooling Model II, überarbeitet |
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Diese Punkte aber
schienen für den Hersteller nicht nachvollziehbar (Warum sollte
der Schriftzug „Continental“ auf den Reifen erscheinen?) oder
schlecht umsetzbar zu sein, sodass ich mich kurzfristig
entschloss, meine erste Geschäftsreise nach China anzutreten.
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Hong Kong |
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Diskussion mit den Ingenieuren |
Fertigung |
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Fertigung eines Getriebes für einen Bus |
Fertigung von Autofelgen |
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Dinner nach getaner Arbeit |
Hong Kong und
China um diese Jahreszeit bedeuten Hitze und hohe
Luftfeuchtigkeit. Als Brillenträger war ich es im Winter gewohnt,
aus der Kälte von draußen kommend, einen beheizten Raum wie eine
Nebelbank zu betreten. Dort war es jetzt umgekehrt: Verließ ich
einen klimatisierten Raum, beschlug mir im Freien erst einmal die
Brille.
Nach dem dreitätigen
Besuch im chinesischen Unternehmen war ich voller Erlebnisse und
Eindrücke:
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Die chinesischen Arbeiter waren mit einer stoischen
Ruhe und Gelassenheit an Detailarbeiten, die ich nur bewundern
konnte.
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Der Herstellungsprozess eines Diecast Fertigmodells
ist doch erheblich umfangreicher und durch viel mehr
Zwischenstufen gekennzeichnet, als ich mir bis dahin vorgestellt
habe. Unser Modell selbst besteht aus über 60 Einzelteilen, die
entweder als Zinkdruckguss, in Kunststoff gespritzt oder aus gummiähnlichem
Material hergestellt und zusammengepasst wurden.
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Nachts bin ich oft aufgewacht mit dem Gedanken:
„Bloß nichts vergessen. Die ganze Aktion kostet dich sowieso
schon genug.“
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Chinesisch ist eine verdammt schwere Sprache!
Ich denke, ich
habe den chinesischen Partnern ein wenig unseres Enthusiasmus
wiedergegeben. Oft erntete ich aber trotz asiatischer Zurückhaltung
ein Stöhnen und Augenverdrehen.
Im Oktober stand
ein weiterer Besuch an, um die dann fertigen Werkzeuge und die
ersten Vorserienmodelle abzunehmen.
Dort wurde auch
der Liefertermin abgestimmt: Dezember 2005, rechtzeitig vor
Weihnachten!
Wie einige
vielleicht wissen, hat es damit überhaupt nicht geklappt.
Andauernde Verschiebungen seitens des Lieferanten haben uns schon
ziemlich mürbe und ärgerlich gemacht.
Unsere letzte
Rettung war mal wieder unsere Freundin Yi, die sich vehement
einschaltete und eine Teillieferung für Anfang Februar 2006
heraushandeln konnte.
Diese Lieferung
haben wir dann persönlich am Düsseldorfer Flughafen abgeholt und
konnten stolz am 3. Februar 2006 unsere ersten Modelle in
den Händen halten:
72er Ausführung
in Blau und Gold
74er Ausführung
in Purple und Gold
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Produktionsresultat |
Wir hoffen jetzt nur, dass diese ganzen
Anstrengungen und Investitionen nicht gänzlich für „die
Katz“ waren. Sollte sich das aktuelle Projekt auch kaufmännisch
rechnen, sollen weitere klassische Modelle folgen. Gedacht ist
dabei an eine AJS 7R Rennmaschine aus den 50ern, vielleicht eine
Ducati 750 SS. Ihr wisst, die silber-blaue, von der es nur rund
200 Exemplare gegeben hat (natürlich mit runden Deckeln). Hier
sind wir aber offen und freuen uns über jeden Vorschlag.
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