Irische Wochen :
Die „North West 200“ und die „TouristTrophy“ 2003
Fotos + Text: Jörg Lüdtke

Als ich bei der Jahrtausend TT von Iren zur „North West“ eingeladen wurde um „richtiges Roadracing“ anzusehen, wusste ich bei meiner Zusage nicht, dass bis zur Verwirklichung noch 3 Jahre vergehen würden.

Der Dreieckskurs, 1928 zum ersten Mal als echte 200 Meilen (x1,61) Tortur gefahren, verbindet die Küstenstraße zwischen Portrush und Portstewart mit Coleraine im äußersten Norden Nordirlands. Bushmills distilleries und die „World heritage sight“ Giant`s Causeway waren von meinem Guesthouse (B&B) in Portrush nur einige Kilometer entfernt, sodass ich sofort die vom englischen „BIKE“ Magazin zu den besten Strecken Englands gekürte A2 (Portrush - Glenarm – Larne) ständig befuhr. Alternative Deviation war die A44 über Armoy nach Ballymoney, wo die Dunlop Familie in „Joey`s Pub“ am Bahnhof mit Guinnes und Malt Whiskey bewirtet.

Schon Tage vor dem Rennsonnabend ging es in den Pubs hoch her, sodass man fast vergaß, dass es immer wieder vom Nordatlantik her zu heftigen Schauern neigte. Auch die Fahrer hatten so ihre Schwierigkeiten, sich und ihre Motorräder auf die Wetterkapriolen einzustellen. Adrian Archibald aus Ballymoney und bei TAS Suzuki neuer Teammate von David Jefferies hatte Ian Lougher, der zu Honda gewechselt war, ersetzt und löste diese Aufgabe zuerst, wurde dann aber von Michael Rutter, BSB Fahrer für Ducati, noch abgefangen. Da Honda eine Collin Edwards SP2 für Lougher und auch noch Steve Plater aus der BSB aufbot, waren bekannte Fahrer wie der Ire Ryan Farquhar, Richard Britton, Jason Griffiths, Jim Moodie, John Mc Guinness oder Vorjahressieger Ian Duffus anscheinend Staffage für die Bemühungen und letzten Tests der großen Werke vor der TT. Noch etwas angeschlagen gingen wir wie ca.100.000 andere dann zur Rennstrecke und mussten dann noch etwas warten, bis endlich das erste Superbikerennen startete .

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Ryan Farquhar and Ian Lougher 

Michael Rutter and Adrian Archibald 

Ganz im GP-Stil preschten die Fahrer auf dem nur 9 Meilen langen Kurs auf die ersten Schikanen los. Zwei lange Schenkel des Dreiecks erlauben dabei Geschwindigkeiten bis an die 300 Km/h. Es wird dabei von anscheinend gelangweilten Fahrern eine rege Aussprache (Daumen/Zeigefinger oder Mittelfinger) betrieben, und auch schon mal der Killschalter des Gegners betätigt ... Ausgezeichnete Abwechslung wird bis zur letzten Runde geboten, da auf den langen Geraden das „Slipstreaming“ auch schwächeren Maschinen die Chance bietet, „dran“ zu bleiben und im letzten Moment vor der „Metropole“ Kurve auf der Bremse den Gegner niederzuringen. Es sind dann nur noch knappe 2 Km voll aus gedrehten Kurvengeschlängeln bis zum Zielstrich...

Die North West hat große Fahrer geboren und begraben, und irgendwie waren alle sehr froh, dass diesmal außer ein paar Stürzen nichts passierte. Für mich besonders schön, dass Benny Jerzenbeck und Axel Rauch ihre Rennen erfolgreich beenden konnten. Michael Rutter, Sohn des aus den 70ern bekannten Tony stellte zwar nach 22 .25 Minuten seine Ducati als erster ab, muss die 999 aber wohl so geschunden haben, dass er später aus Sorge um die noch raren Superbikes nach England abreiste und wie schon im letzten Jahr der TT absagte. 
Archibald, knapp um 4 Sekunden geschlagen, lag vor Plater, der wiederum knapp Farquhar geschlagen hatte. Dieser konnte im anschließenden Junior 600 Rennen den nachfolgenden Callum Ramsey um 0.37 Sekunden und Ian Lougher um 0.56 Sekunden schlagen. Die ersten elf Fahrer waren dabei innerhalb von acht Sekunden ins Rennen gekommen. Triumph mit den neuen aus der BSS Serie von Valmoto (früher V&M) eingesetzten Daytona belegte den 4.(Mc Guinness), 6. und 7. Platz. Dass bei diesem Rennen Lougher und Farquhar aneinander gerieten, hatte dann später noch für Kontroversen zu sorgen. 
Erst einmal konnte sich der nach Nordirland „ausgewanderte“ britische Haudegen beim gesammelten 125/400 ccm Rennen abreagieren. Auf den letzten Metern des Rennens konnte er Michael Wilcox überholen. Wie alle anderen 125er auf einer Honda, fuhr Paul, Sohn des legendären „Armoy Armada“ Fahrers Mervin Robinson trotz der schnellsten Rennrunde nur auf einen dritten Rang – Vater und Sohn Robert und William Dunlop wurden Achter und Elfter. 
David Madsden-Mygdal von der Isle of  Man wurde bei den 400ern vor A.Donaldson und B.Wark Sieger, sie belegten den 9., 13. und 14. Gesamtplatz. Anita Buxton wurde als einzige Frau mit dem 24. Gesamtplatz Fünfte auf einer Kawasaki.

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Die strengere Regelauslegung bezüglich der nicht Produktion Klassen (Veränderungen „über“ der Kopfdichtung d.h. flowing, Wellen, Kompression, Auspuff ,Vergaser) hatte bis jetzt gezeigt, dass die Triumphs gut im Futter standen, und mit der Hoffnung auf deren ersten Erfolg seit fast 30 Jahren fuhr ich schon eine Woche später nach Douglas.

Dort empfingen mich Marj und Geoff Turner, mein B&B Homestay seit Jahren, abends mit, ihr ahnt es, Guinnes und Malt, und als ich in der Woche alle Freundschaftsbesuche erledigt hatte, waren die Teams für das „Southern 100“ auf dem Billown Circuit bei Castletown schon fast alle eingetroffen. Neben Deutschen wie Werner Mölders waren viele Freunde mit ihren klassischen 50er, 60er und 70er Jahre Maschinen und ihrer großartigen Gastfreundlichkeit und einer Tasse englischen Tees superbe Unterhaltung. Man sprach über die fantastischen Maschinen, deren Fortschritte und Rückschläge. 
Bei Church Bends waren wir dann auch Zeugen für das harte Renngeschen, als es am Ausgang der Kurven bei den Seitenwagen zu einem heftigen Unfall kam. Zum ersten Mal waren Freunde dem Tode so nahe, und wir waren alle betroffen, aber auch erleichtert, Tage später zu hören, dass alle überlebt hatten.
Wer die Zeit hat, die Forthnight zu buchen, darf dieses Spektakel nicht verpassen! Als am Sonnabend das TT Training begann, war schon eines klar; diesmal waren deutlich weniger Motorräder an der Promenade aufgereiht als im Rekordjahr 2002. 
An den beliebten „view points“ traf man alte Bekannte, diskutierte über die Siegchancen des einen oder anderen Fahrers und kam überein, dass David Jefferies wohl wieder mindestens drei Siege wie schon bei den letzten drei TTs erringen würde. Ich war überzeugt, er könnte sogar Phillip Mc Callens 4-fach Sieg Rekord brechen. Newcomer`s award Sieger 1996 (seine erste TT), war er der Rekordhalter in mehreren Klassen. Sein Großvater, Vater und Onkel schon fuhren zu Ehren und er war, für einen Roadracer selten, in der WM als Wildcard-Fahrer. 
„DJ“, Macao Sieger und BSB Fahrer, war der Titan, den nichts erschütterte, umsomehr waren wir es, als am Dienstag Abend klar wurde, dass wir unseren Besten verloren hatten. Als nach der ersten Runde des Nachmittagstrainings die Session abgebrochen wurde, war es noch ein Gerücht, am Abend aber war die Nachricht durch das Fahrerlager zu mir gedrungen. Der 30jährige war in Crosby in eine Auffahrtsmauer gerast. Im vorzüglichen „Island Racer“ Magazin schon als einer der zehn größten TT Fahrer genannt, hatte er versucht, mit fast 300 Km/h in die Kurve am Ortseingang zu fahren. 
Die Presse hatte ihn immer wieder zu seinem 127 mph Rekord und dessen Steigerung auf 130 mph (209 Km/h Rundendurchschnitt) bedrängt, sodass seine Unbekümmertheit und seine Entschlossenheit über die fahrerische Klasse siegte und er etwas versuchte, was derzeit nicht möglich ist. Das schon schäbige Verhalten der Presse wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass es ganze zwei Tage dauerte, um offiziell einen Unfall einzuräumen. Der bei dem Vorfall leicht verletzte Jim Moodie war, wie sehr viele Fahrer und Zuschauer, nicht in der Lage, mit dem Verlust umzugehen, und konnte die Tränen nicht zurückzuhalten. 
Die offensichtlich ignorante Lüge, dass Öl als Ursache anzusehen war, machte es nur noch trauriger. David war, den Hügel auf Croby zu herunterkommend, der Mauer zu nahe gekommen und angesaugt worden, sodass am Scheitelpunkt der einsetzende Luftstau und ein Patschen etwas neueren Teers es ihm unmöglich machte, die Richtung erfolgreich zu ändern. Er schlug so hart ein, dass die Suzuki GSX-R 1000 wie eine an der Bande auftreffende Billardkugel (Einfallswinkel=Ausfallswinkel) zurück über die Straße flog und einen Telegraphenmast fällte. Zwei durch Streckenposten gewarnte Fahrer stoppten, aber Moodie wurde von den herumhängenden Leitungen fast geköpft. 
David hatte bei Mitstreitern und Fans durch seine heitere Art viele Freunde und Bewunderer und ist der größte Verlust für das Roadracing seit Joey Dunlops Renntod. 
Dass Peter Järmann durch seine festgegangene 250er Bultaco TSS bei der „Lap of honour“ 500 Meter nach dem Start getötet wurde, holte uns in der Mitte der Rennwoche noch brutaler auf den Boden der Tatsachen. Peter, immer besser platzierter Privatfahrer, war seit vielen Jahren fester Bestandteil der historischen (Billown) und TT Szene und seine Hilfsbereitschaft gerühmt. Er hatte mehrere Maschinen gemeldet, und sein schwarz-roter Bus war Ankerpunkt im Fahrerlager. Die Schweiz hat einen großen Sportsmann und guten Menschen verloren. 
Erfreulich aus deutscher Sicht war der Einstand Karsten Schmidts. Im Training noch in Ramsey gestürzt, presste er seine Ducati zu klasse Ergebnissen.

So war es kein Wunder, dass Adrian Archibald, der seines TT Formula 1 Sieges seinem Teamgefährten widmete, auch I.Lougher, Mc Guinness als Zweiter und Dritter sowie Geoff Duke, Star der 50er und Hauptsponsor (Duke Video), ein sehr trauriges Podiumbild abgaben. Insbesondere der schwere Sturz von Publikumsliebling „Milky“ Richard Quale, letztjährig 400er Gewinner, der nachher seinen Abschied vom Rennsport bekanntgab, besorgte die Offiziellen.

Das anschließende Sidecar “A“ sah Ian Bell /Neil Carpenter vor Crowe/Hope und Norbury/Smith. David Molyneux/Craig Hallam mussten in Ramsey aufgeben, konnten sich aber später im „B“ Rennen mit einem Sieg revanchieren. Da Bell in diesem Rennen ausschied, wurden „Manxmen“ Nick Crowe und Darren Hope wieder Zweite, als Gesamtsieger der Sidecar Class mit Kind und Kegel gefeiert. Dritte im „B“ Rennen waren Lambert/Sayle.

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Roger Birkenhead Pre-TT Classic Races 2003

Am 2.Juni wollte der Nebel so gar nicht weichen, sodass wir bis mittags warteten, als endlich 125er (Ultra Lightweight) und 400er (Lightweight) nacheinander starteten. „Manxman“ Chris Palmer, dem Zweiten M.Wilcox im Training noch hoffnungslos unterlegen, konnte mit Hilfe von J. Lilley einen neuen Zylinder für seine Maschine ergattern und gewann umjubelt. Lougher wurde vor R.Dunlop Dritter. 
Die 400er konnte John Mc Guinness, bester Freund Jefferies, auf einer Honda gewinnen, die er nur Tage vor dem Rennen erwarb. R.Britton konnte mit seiner Honda die Kawasaki Farquhars auf den dritten Platz verdrängen, beide nur jeweils um 20 Sekunden getrennt. Anschließend begann die Production 1000 und endete mit einer Überraschung. Shaun Harris, seit einigen Jahren ohne Maschine anreisend und dann doch bei allen größeren Klassen startend, schaffte es endlich, sich seinen Wunsch eines TT Sieges zu erfüllen. Der Neuseeländer lag 16 Sek. vor seinem Landsmann B. Anstey, und wieder wurde der Ire Farquhar Dritter. Die Suzukis auf den ersten 5 Plätzen, Dirk Kaletsch als 23ster bester Deutscher, waren in der Überzahl.

Die Junior TT(600er) war endlich auch für die Insel der erste Höhepunkt. Bruce Anstey, Sohn einer „Manx“ und letztjähriger 250er Sieger, wurde als Sohn der Insel aufgenommen, als er die Val Moto Triumph mit ca. 11 Sek. vor der Honda I. Loughers und Archibalds Suzuki ins Ziel brachte. Gereift auf den Straßen Irlands hatte der Durchhaltewillen und die exquisite Vorbereitung durch Jack Valentine und Steve Mellor die Triumph zum Sieg geführt. Die 5 verschiedenen Fabrikate unter den ersten Sechs zeigten die außerordentlichen Bemühungen, die die Werke in der heißumkämpften Klasse bemühen, um dem Interessenten einen Kauf nahezulegen. Dass seit Jahrzehnten der Roadracesport von Händlern wie Padjett`s oder Val Moto lebt und überlebt, hat auch die Produktion 600 TT gezeigt. Das Blacks Team hatte für Shaun Harris wieder eine Siegermaschine; Lougher und Farquhar konnten dem entfesselt fahrenden Rotschopf nichts entgegensetzen.

Wie schon im Jahre 2000 waren viele abgereist, als am Sonnabend das abgesagte Senior TT Rennen bei herrlichem Wetter begann. Adrian Archibald konnte nach einiger Zeit doch noch die Monster Mob Ducati von Mc Guinnes auf Distanz halten; Lougher auf der Edwards Honda lag vor der Road & Track Yamaha Jason Griffiths. Überglücklich konnte er seinen zweiten Sieg feiern. Balsam auch auf die Seelen des TAS Suzuki Teams nach soviel Unglück.

Hinter den Kulissen aber war zu sehen, was die TT schon immer zu “Dem“ Rennereignis machte: die unzerstörbare Liebe der Fahrer zum Rennsport. Wie hatte die Jefferies Familie das Suzuki Team gebeten das Training und die Rennen wieder aufzunehmen? “David hätte es nicht anders gewollt, und er hätte nicht anders gehandelt ...“ Es war tröstlich, die beiden jungen Kiwis ausgelassen ihre Siege feiern zu sehen, ich habe aber in ein paar Jahren TT keinen besseren Fahrer auf der Insel gesehen, und die Momente in seiner Nähe werden mich wohl nie verlassen. Nicht zu vergessen: Der TT Kurs ist 37,73 miles lang und sicher eine der schwierigsten Rennstrecken der Welt.

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Fotos + Text: Jörg Lüdtke


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