Motorräder auf dem Lahnring

Fast ein Osterrennen in Marburg

Text + Fotos: Wolfgang Fromm

Nachdem das letzte Osterei gesucht, der Osterhase als Braten in die Pfanne gewandert ist, bleibt in der nordhessischen Provinz das österliche Motorradwandern als gewohntes Biken für die kleine Lust zwischendurch.- So war es!

Dieses Jahr die Sensation: in the middle of nowhere ein Motorradrennen in fast allen Klassen. In Nordhessen, in Marburg. Das muss man erleben.

Leider sind die ersten Läufe schon gestartet, als wir uns bei frischen Temperaturen aber blauem Himmel und Sonnenschein einen guten Platz zum Fotografieren suchen. Die kleinen zornigen Motorroller fegen mit den SuperMoto um die Ecken. Das Scheppern der Zweitakter klingelt in den Ohren, deutet damit an, dass zwischen Renngeschehen und Zuschauer lediglich ein Strohballen und ein Stahlgitter trennt. Da kann man riechen, was der Zweitakter verbrennt. Nach dem Lauf wird die Strecke an verschiedenen Stellen von den Ordnungshütern zum Passieren freigegeben. So kommen wir in den inneren Teil des Rings. Auch hier ist die Grundversorgung gesichert: Würstchen, Getränkebuden und Herzchenhäuschen! Das erinnert wirklich an die alten Straßenrennen vergangener Zeiten. Heute noch so zu erleben auf der Isle of Man.

Der Streckensprecher fordert die Fahrer des nächsten Laufs an den Start. Hat er nicht was vergessen? Zwar sind die Namen der Fahrer genannt, die vorne weg über die Ziellinie preschten, die üblichen Zeiten oder Zeitabstände aber verschwiegen worden. Der Streckensprecher klärt auf: kein Rennen heute wie geplant, sondern nur Demo-Läufe. Das Starterfeld setzt sich aus etwa 70 Teilnehmern in den jeweiligen Klassen von Hobby-Racern über Lizenz-Fahrer bis zu TT-Teilnehmern zusammen. Nennungen für Roller, Oldtimer, Sound of Classic, Gespanne, Supermoto, Supersport 600, Superbikes und Quads sind möglich. Je nach Leistungsstärke werden einige Klassen in einem Lauf zusammengelegt. Die Vielfalt wird im Originalsound geboten.

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Und was für ein Sound, der sich jetzt entwickelt. Es ist der Lauf der klassischen Motorräder. Ein buntgemischtes Starterfeld. NSU Max, CZ, Brough, Aermacchi, Norton, Rickman, BMW, Maico, Kreidler, Honda und was sich sonst noch auf den Nachkriegsrennstrecken bis in die 70er Jahre tummelte. Wunderschön zu sehen und zu hören, die sich nach hinten abgesetzte Brough Superior SS 80 1000 ccm von 1939. Kompliment an den Besitzer Kurt Harries, gute Vorstellung! Trotz Demo-Lauf sind die Fahrer auf dem Micky-Maus-Parcour flott unterwegs. Der olympische Gedanke beflügelt auch hier.

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Das Fahrerlager ist für alle Besucher frei zugänglich, Rennfahrer und Motorräder zum Anfassen! Statt Rennen nur Demo-Lauf und trotzdem gute Stimmung? - Die Fahrer sehen die kleine Korrektur gelassen. „Wir machen das für unseren Sport, wir sind nun mal eine Randgruppe im Sport, da sollten wir jede Chance nutzen, uns positiv darzustellen," sagt uns Henning Holdinghausen  und posiert vor seiner 250er Yamaha. Jochen Wagner  aus Marburg prüft die Vorderradbremse seiner Norton Commando mit Straßenzulassung und freut sich, überhaupt in seiner Heimatstadt an einer Motorrad-Veranstaltung teilnehmen zu können. 

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Der Gespannfahrer Eckart Rösinger  bereitet mit seinem Beifahrer Bastian Born die Baker Suzuki GSX R 600 vor. Er lacht und erzählt uns von der Schwierigkeit der Abstimmung von Fahrwerk und Triebwerk für die TT auf der Isle of Man. Das ist hier genau eine gute Gelegenheit. Verwinkelte Kurven, ausgebesserter Straßenbelag, grobe Fahrbahnübergänge gepflastert, da geht schon was. - Die Strecke im Marburger Einkaufszentrum Wehrda ist wirklich eine Herausforderung. Schmale Spur, zwei Gerade von ca. 8oo Metern, ansonsten Kurven, Ecken und nochmals Kurven. 

Im Fahrerlager treffen wir den Organisator Hinrich Hinck, 1. Vorsitzender des MSG Weserland e.V. und Veranstalter des legendären Fischereihafen-Rennens in Bremerhaven. Ein traditionelles Rennen aus den Jahren 1952 bis 1991, 2000 wieder aufgelebt und gut angekommen. 2006 sollen es in Bremerhaven 26 000 Besucher gewesen sein. Der Marburger Superbike-Fahrer Reinhard Strack fragte sich, ob so was nicht auch in Marburg gehen könnte. Die Erfahrungen von Hinck, die Beziehungen von Strack zum Stadtrat und Oberbürgermeister ließen das Werk gedeihen. Die Strecke konnte in Wehrda zwischen Supermarkt, Bauhaus und weiteren 40 Anliegern gefunden werden. Die Sportkommission des DMSC nahm die Strecke ab. Aber dann: 14 Tage vor dem Rennen zog einer der Anlieger seine Zustimmung zurück. Damit brach das Unternehmen ein. Neuer Streckenverlauf, keine Genehmigung des DMSC mehr möglich, daher Rückzug des Versicherers. Was blieb, waren die Demoläufe mit einem weltbekannten Versicherer aus England und der sicherlich nicht freudig erregten Fahrergemeinschaft. Dann der Aufbau des Parcours am Ostersamstag nach Schließung der Geschäfte. 

Leitung.jpg (60604 Byte) Hatte Hinrich Hincks eigentlich
schon vor den Ostertagen weiße Haare?

Gegen Abend fährt er eine Ehrenrunde auf einer Rickman Kawasaki mit den beiden verbliebenen Gespannen. Erleichterung, Entspannung nach diesem Nervenkrieg, der hier im Detail nicht weiter dargestellt werden soll. Keine nennenswerten Unfälle, zufriedene Zuschauer und eine allgemein gute Stimmung runden den Tag ab. Die Stadt Marburg, der Veranstalter, die Fahrer und die 3500 Zuschauer hoffen auf ein erfolgreiches Rennen 2008 auf dem Lahnring.


weitere Fotos der Veranstaltung gibt es in der Galerie bei classic-motorrad.de:


 Lahnring/Marburg



www.classic-motorrad.de