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MV AGUSTA - Museum
- Serienmaschinen - |
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600 Quattro |
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Der traditionelle MV Vierzylinder-Rennmotor
wurde 1965 vom Dreizylinder 350er und 1966 vom Dreizylinder 500er verdrängt. Trotzdem wurde er noch einige Male eingesetzt, meistens bei weniger wichtigen Rennen, bis er zu seinem
letzten Einsatz ausgerechnet von John Hartle zur Senior TT 1968 angeschoben wurde, der Nummer Zwei im Team zur Zeit des siebenfachen Weltmeisters John Surtees, die nun schon ca. ein Jahrzehnt zurücklag.
In der Zwischenzeit stellte MV jedoch die 600er Quattro Cilindri als Serienmotorrad vor. Geplant war sie als das Motorrad für den Jet Set, und folglich ließ sich Conte Domenico mit einigen prominenten Kunden ablichten, wie zum Beispiel mit Reza Schah von Persien, der die Quattro als nette Dreingabe für seine Armee-Hubschrauber-Bestellung bekam. Ansonsten
war dieser Quattro im Gegensatz zu all ihren Vierzylinder-Schwestern kein rechter Erfolg beschieden. Sie schien irgenwie zu bieder geraten zu sein. Das änderte sich, als die 750 S vorgestellt wurde, doch sie ist leider nicht im Museum vertreten. Daher wird sie hier nur erwähnt, aber leider nicht gezeigt. |
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In der Reihe der Serienmaschinen steht die 600er hier als Zweite von rechts
neben ihren kleineren Serien-Schwestern der 70er Jahre und einem der letzten Serien-Vierzylinder, einer
750 „America“ sowie der R19, die nun vorzustellen ist. |
500 Quattro R19 |
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Als die 750 S und ihre Nachfolgerinnen dann in den 70er Jahren bewundert wurden, erinnerte sich kaum jemand daran, dass der allererste MV Quattro Racer bereits eine Schwester für den Straßenverkehr bekommen sollte, die „Quattro Turismo R19“, doch es blieb bei einem auf etlichen Ausstellungen gezeigten Prototyp. Wer hätte 1950 auch so ein Luxus-Motorrad kaufen können? Vielleicht war es auch besser so, dass die R19 nicht das Serien-Stadium erreichte, denn Luigi
Canziani, Pietro Remor’s Assistent bei der Konstruktion stattete das Getriebe mit zwei exotischen Details aus:
Es gab je einen Schalthebel auf beiden Seiten des Getriebes! Einen zum Hochschalten, und einen zum Runterschalten! Ob die Luxus-Klientel der R19 damit klargekommen wäre, hätte es das Motorrad zu kaufen gegeben? So kam nur ein Derivat der R 19 auf die Straße, nämlich eine Langstrecken-Rennmaschine, die 1951 mit Arciso Artesiani im Sattel das werbeträchtige, auf öffentlichen Straßen ausgetragene Rennen Milano -Taranto gewann. Allerdings nur in der Klasse „500 Corsa“, denn drei in der Klasse „Sport“ homologierte Guzzis mit Francisci, Giannettoni und Bottini holten die Podestplätze der Gesamtwertung vor der MV. |
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MV feierte den Erfolg dennoch ausgiebig in der Werbung. Auf diesem Plakat wird allerdings der Erfolg in der Klasse 125 „Sport“ als wichtiger erachtet, denn dort belegten MVs die ersten fünf Plätze. |
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Die R19 übernahm viele Konstruktions-Details
von der gerade auf die Piste gebrachten 500er GP-Maschine wie zum
Beispiel die Parallelogramm-Hinterrad-Schwinge.
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Beim Emblem auf dem Kurbelgehäuse muss sich MV wohl
am Logo einer ebenfalls traditionell in der Luftfahrttechnik
engagierten, nördlich
der Alpen angesiedelten Firma orientiert haben? |
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98 Lusso |
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Mitten im Krieg überlegte man bei Agusta bereits, was man denn nach dem Krieg produzieren und verkaufen könne, denn dass es mit der für Agusta traditionellen Produktion von Flugzeugen nicht weitergehen würde, auf jeden Fall nicht in den ersten Jahren, war allen klar. So fand man wie zum Beispiel auch bei Firmen des deutschen Flugzeugbaus, dass kleine motorisierte Zweiräder einen guten Markt haben müssten. Folgerichtig begannen noch mitten im Krieg die Konstruktion des ersten MV Agusta Leichtmotorrades sowie auch bereits die Fertigungsvorbereitungen. So war MV bereits im Herbst 1945 in der Lage, das Modell „98“ vorzustellen, und die Serie lief im Frühjahr 1946 an.
Die kleine MV war ursprünglich als „Vespa“ bezeichnet worden, aber dummerweise hatte Piaggio den Typennamen schon zum Warenzeichen angemeldet. So bekam dann die MV keinen neuen Namen mehr, sondern wurde nur mit dem Hubraum genannt.
Das Motorrad war sehr konventionell konzipiert mit hinten starrem Einschleifen-Rohrrahmen, Rohrtrapezgabel und einem typischen kleinen Zweitaktmotor, zuerst
nur mit Zweigang-, aber sehr bald bereits mit Dreigang-Getriebe. Die bescheidene Leistung von 3,5 PS reichte damals für diese „Nutzfahrzeuge“ völlig, denn Kraftstoffökonomie und Langlebigkeit spielten noch eine große Rolle bei der Kaufentscheidung. Bereits nach einem Jahr in Serie wurde ein besser ausgestattetes Modell angeboten, die „98 Lusso“, wohingegen das Standardmodell nun „Turismo“ genannt wurde.
Das Museum besitzt eine „Lusso“, die in der damals für MV charakteristischen Farbe „Marrone“ lackiert ist. Das Tankemblem zeigte noch Bezüge zur Luftfahrt-Vergangenheit von MV, denn das neue MV-Emblem, das bis heute die T-Shirts und Lederkombis der Fans ziert, entstand erst 1947. Der Lusso spendierte man eine Telegabel, und hinten sorgte die Geradwegfederung für Komfort. Die „98“ blieb bis 1949 im
Verkaufsprogramm. |
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125 TEL |
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Sofort nach dem Krieg wurde die 125er Klasse enorm populär in Italien, und bei MV Agusta war klar, dass man so schnell wie möglich in dieser Klasse präsent sein müsste. Erstaunlicherweise wurde 1947 ein viel zu teurer 125er Zweitakt-Viergang-Twin konzipert, der aber über das Prototypenstadium nicht hinauskam. Aufgrund dieses zeitraubenden Intermezzos dauerte es bis 1948, als MV den 98er Motor folgerichtig auf 125 ccm brachte. Der bescheidene, 4,5 PS leistende Dreigangmotor wurde bereits auf Flachkolben umgestellt, und das machte ihn tauglich für die ersten Renneinsätze.
Es war aber klar, dass diese erste „125“ nur ein Lückenbüßer war, denn man brauchte nur etwas Zeit, einen völlig neu auszulegenden zukunftstauglichen Motor zu konzipieren und in die Serie zu bringen. So blieb die Dreigang-125er auch nur zwei Modelljahre in Serie, denn 1949 war es soweit:
Die „125 TEL“ erschien am Markt, und sie brachte nun den dringend benötigten Viergang-Motor, der nicht nur viel moderner aussah als der sehr konservativ gezeichnete Vorgänger, sondern der auch damals konkurrenzfähige 6 PS in der Sportversion leistete.
Beim Rahmen hatte MV sich für ein Konstruktionsprinzip entschieden, das über 25 Jahre lang bei den Serien-MVs beibehalten wurde: die „Mixtur“ von Rohr-Partien mit Pressblech-Komponenten. Vorn gab’s immer noch eine Rohrtrapezgabel, hinten nun aber bereits eine Schwinge. Bis 1954 blieb die TEL im Verkaufsprogramm. |
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Ganz links in dieser Reihe der Serien-MVs steht die 125 TEL, daneben der CGT-Scooter, der Pullman, das
Ciclomotore-Moped und die 175 AB, die noch vorgestellt werden. Das Foto hinten an der Wand zeigt Conte Agusta bei einer seiner
Lieblingsbeschäftigungen: Rundenzeiten seiner geliebten Rennmotorräder mit dem Chronometer kontrollieren. |
125 Carter Lungo |
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Bereits ein Jahr nach dem Debut der „TEL“
erscheint aber die nächste Weiterentwicklung des 125er
MV-Zweitaktmotors:
1950 brachte MV das Modell „125 Carter Lungo“,
und das war mit 9 PS bei über 8000 1/min eigentlich bereits ein „Production
Racer“ für die italienische Szene des Straßenrennsports.
Der neue Viergangmotor von 1949 hatte mit dem Schwunglicht-Magnetzünder ein Handicap als Sport-Motor, denn das massive Polrad stand der Drehzahlsteigerung im Weg. Also
musste ein Standmagnetzünder für den 125er-Motor her, und der wurde genauso untergebracht wie bei der im gleichen Jahr erschienenen 125 Bialbero GP-Werksmaschine, nämlich im speziell zu diesem Zweck entsprechend konzipierten Kurbelgehäuse vor der Kurbelwelle.
Die „Carter Lungo“ war sofort erfolgreich im Sport, und zu der dazu notwendigen Leistungsfähigkeit trug auch der nun für den reinen Sportzweck kompromisslos aus Rohren aufgebaute moderne Doppelschleifenrahmen mit der Telegabel vorn und der Schwinge hinten mit hydraulisch gedämpften Federbeinen sowie großen Bremsen entscheidend bei.
Bis 1953 konnte man die „Carter Lungo“ erwerben, doch ab dem Jahr war die Monoalbero natürlich der bessere Kauf. |
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Die „125 Carter Lungo“ steht hier rechts in einer Reihe mit der
„125 Disco Rotante“, der „125 Monoalbero“ und der 53er „500 Quattro“. |
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Ciclomotore 48 |
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Die Motorisierung der Bevölkerung Italiens nach dem Krieg vollzog sich ganz ähnlich wie
in der Bundesrepublik Deutschland:
Zuerst wurden entweder die Vorkriegs-Modelle erneut produziert, oder es wurden nur leicht modifizierte Weiterentwickungen neu auf den Markt gebracht in den wichtigen Hubraumklassen, und das waren in den ersten Jahren natürlich die preiswerten „Nutzfahrzeuge“, die der Beförderung von Personen dienten, und nicht etwa Sport-Motorräder oder Reise-Motorräder mit großem Hubraum. Folgerichtig platzierte MV seine Serien-Motorräder bei den 100ern und den
125ern. In den frühen 50er Jahren entstand jedoch ein neues „Nutzfahrzeug“, das Moped mit 50 ccm Hubraum.
Classic-Motorrad.de hat ja bereits ausführlich über die Entwicklung des Mopeds in Deutschland berichtet, und in Italien verlief die Entwicklung weitestgehend analog.
Der Unterschied zum deutschen Markt war, dass sich
in Italien fast ausschließlich kleinere Hersteller oder Neulinge
im Motorrad-Markt für die Mopeds interessierten, wohingegen die
großen etablierten Marken wie Guzzi oder Gilera sich erst einmal
bei dem „Kleinzeug“ nicht engagieren mochten, ja sogar fürchteten,
dass der Ruf der Marke darunter leiden könnte, wenn man auch bei
den Mopeds dabei sein würde.
MV war ja auch keine alte traditionelle Marke, und obwohl die Firma in ihrem früheren Betätigungsfeld, der Luftfahrt, wirklich etwas galt, scheute sich die Familie Agusta nicht, auf dem Moped-Markt aktiv zu werden. Als bewusst ökonomisch orientierte Firma brachte MV also ein Moped auf den Markt, als dieser noch eine große Zahl kleinerer Anbieter aufwies, deren Markenname kaum etwas bedeutete. Allerdings wartete MV bis 1955, ehe die „Ciclomotore 48“ vorgestellt wurde. In Deutschland gab es nach 1953, nach der gesetzlichen Definition des „Mopeds“, einen enormen Boom dieser neuen Fahrzeug-Gattung, und so konnte MV erst einmal in Ruhe beobachten, welche sinnvollen Konstruktions-Trends sich herauskristallisieren würden. Wenn man sich das MV-Moped anschaut, dann wird klar, dass man sich in Gallarate sehr intensiv mit der NSU Quickly beschäftigt haben
muss, denn das MV „Ciclomotore“ hat die wesentlichen Konstruktionsmerkmale wie den
Pressblechrahmen, die Kurzschwinge vorn und das eigentliche Styling bis hin zum tropfenförmigen Tank übernommen. Allerdings besaß diese kleine MV von Anfang an eine Geradweg-Hinterradfederung, doch gab es dann in Neckarsulm kurze Zeit später die Quickly „L“ sogar mit Hinterradschwinge.
Bis 1959 blieb die kleine 3 PS-50er im MV-Katalog, und auch darin unterschied sie sich von der Quickly, die viel länger produziert wurde, und die völlig andere Dimensionen bei der Gesamtstückzahl erreichte.
Ist eigentlich schon einmal jemand mit einem Ciclomotore beim MV Agusta Ownersclub-Meeting vorgefahren? |
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Scooter |
Piaggio’s „Vespa“ war ein enormer Erfolg auf dem italienischen Zweiradmarkt direkt nach dem Krieg, und das ganz besoders deshalb, weil es ein völlig neues „Nutzfahrzeug“-Konzept auf zwei Rädern war, weil es sich vom traditionellen konzeptionellen Denken, wie ein motorisiertes Zweirad auszusehen habe, komplett löste.
Selbstverständlich brachte das sofort die Kopisten und die Verkaufs-„Trittbrettfahrer“ auf den Plan, und Scooter-Modelle erschienen kurz- oder mittelfristig bei allen wichtigen Anbietern motorisierter Zweiradfahrzeuge am italienischen Markt. MV Agusta konnte da natürlich keine Ausnahme machen,
und so brachte man 1949 den ersten Typ unter dem
Namen „B“ in Serie, wobei man auf den 125er Viergang-Motor
der TEL zurückgreifen konnte, dessen Produktion gerade
gestartet war.
Leider zeigt das MV-Museum das Modell „B“ nicht, der als einziger MV-Scooter mit einem reinen Blechrahmen ausgestattet war, und der Einarm-Schwingen bei der Vorder- und bei der Hinterrad-Federung aufwies.
1950 kam dann bereits der Nachfolger, das Modell „C“, und bei dem setzte MV erstaunlicherweise nun einen reinen Rohrrahmen ein. |
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Zwei Jahre lang, von 1950 bis 1952, wurde das Modell „CGT“ vom Modell „C“ abgeleitet, wobei diese preiswerte Version ohne Blechverkleidung des Motors nicht unbedingt für „Gran Turismo“ geeignet schien. Als der 150er Motor verfügbar wurde für den Nachfolger der
TEL 125, wanderte der natürlich auch in den Scooter-Rahmen der „C“-Modelle. |
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Das bis heute berühmte MV-Logo prangte natürlich auch stolz an der „CGT“. |
Kaum war das Scooter Modell „C“ mit seinen verschiedenen Varianten am Markt, erschien nur ein Jahr später schon wieder ein neu konzipierter MV-Roller:
Der „Ovunque“ trug der Tatsache Rechnung, dass ein knallharter
Verdrängungs-Wettbewerb am italienischen Markt entbrannt war, und dass jeder Hersteller, der überleben wollte, die
Produktions-Kosten senken musste.
So entstand bei MV schon wieder ein neuer Rohrrahmen, der nun Rohre großen Durchmessers verwendete. |
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Beim
Ovunque brachte MV erstmals das Rahmenkonzept,
das dann auch beim Pullman verwendet wurde. |
Den 125er Motor hatte man schon von den Vorgängern, aber man reduzierte das Getriebe auf nur drei Gänge, so sehr regierte der Rotstift der Kostenrechner. Der im Museum ausgestellte Ovunque stammt aus der ersten Serie, als der 125er Motor mit Einportzylinder aus den Vorgänger-Modellen optisch unverändert übernommen worden war. Ausgerechnet bei diesem preiswerten Scooter machte MV später in der Serie eine Konzession an die gerade grassierende Zweirad-Mode:
Man spendierte dem Ovunque-Motor einen Zweiport-Zylinder mit der zugehörigen doppelten Schalldämpfer-Anlage.
Doch das nutzte auch nicht mehr viel, und so wurde der Ovunque 1955 aus dem Verkaufsprogramm von MV Agusta genommen.
Das heißt aber nicht, dass es nun keine Scooter mehr gab im MV-Programm:
1953 machte MV einen weiteren Anlauf im Markt mit einem speziellen motorisierten Zweirad, denn es wurde in der Zeit allgemein versucht, die Vorteile von Motorrad und Scooter in
einem „Zwitter“ zu vereinen, und da musste MV natürlich mitmischen.
So stellte MV das Modell „Pullman“ vor, das mit seinen 15’’-Rädern motorradähnliche Fahrstabilität bieten sollte, aber mit der Scooter-typischen Sitzposition immer noch den Roller-Komfort garantieren würde. Der Name Pullman, der ursprünglich zu den bequemsten Eisenbahn-Reisewaggons der Welt gehörte, suggerierte schon unendlichen Komfort.
Der Motor wurde vom Ovunque übernommen, und so auch anfangs die
Scooter-typische Drehgriff-Schaltung, die aber dann doch später einer Fußschaltung wich.
Am im Museum ausgestellten Pullman sieht man den vom Ovunque übernommenen Doppelport-Motor, doch besitzt er eine MV-typische Besonderheit:
Bei MV experimentierte man in den 50er Jahren intensiv mit Benzin-Einspritzung, und das nicht nur bei den Rennmodellen, sondern auch bei den Serien-Motoren, und das schließt sogar die Zweitakt-Modelle ein. Dieser Pullman ist ein solcher Einspritzz-Prototyp! |
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1956 wurde der Pullman dann aus der Produktion genommen, und da das von 1955 bis 1957 gebaute Modell „Superpullman“ nun doch eher zu den Motorrädern gehörte als zu den Scootern, gab es eine Scooter-Denkpause bei MV, die bis 1960 dauerte. |
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1960 waren dann zwei neue MV-Scooter fertig, um auf Ausstellungen gezeigt zu werden.
Einer davon war ein exotischer Viertakt-Roller, der bald wieder in der Versenkung verschwand, doch der ziemlich konservative „Chicco“ ging in Serie. Sein gebläsegekühlter Zweitakt-Motor mit 155ccm war völlig neu und extra für dieses Modell konzipiert worden.
So blieb MV Agusta bis 1965, als der Chicco aus dem MV-Katalog verschwand, unter den Roller-Produzenten. In dieser Zeit verschwanden viele von den traditionellen italienischen Roller-Marken,
und schließlich sah auch Domenico Agusta ein, dass
es nicht das Roller-Marktsegment sein könnte, in dem er seine
Serien-Fahrzeuge platzieren müßte, damit sie von den
glorreichen Rennerfolgen der Marke profitieren könnten. |
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175 Disco Volante |
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1952 war MV im Motorradrennsport in Italien und in der WM eine feste Größe. Conte Domenico war es gelungen, seine Marke im Sport zu etablieren. Seine Serienmotorräder waren aber immer noch am „Nutzfahrzeug“, am „Fortbewegungsmittel“ orientiert, doch das sollte sich nun ändern:
In Italien setzte sich ein starker Trend zum Sportmotorrad (mindestens optisch!) durch bis zu den kleinsten Hubraum-Klassen, und da Zweitakter in der WM kaum etwas zu melden hatten, verlangte der sportlich orientierte Kunde immer stärker Viertaktmotoren. So entstand bei MV im Laufe des Jahres eine Viertakt-175er, die sich an diesen Markterfordernissen orientierte: die 175 CS mit einem sportlichen ohc-Motor.
Zwar wurde natürlich bei der Markteinführung Ende 1952 auch ein preiswertes Modell „Tipo Normale“ mit 8 PS vorgestellt, doch parallel dazu gab es das Model „Sport“ mit 11 PS, und etwas später die „Turismo Lusso“ (CSTL).
1955 wurde das Modell Sport überarbeitet, schließlich war es die Homologations-Basis für die Racer der Rennsport-Klasse „175
Sport“. Die Zylinderkopf-Verrippung wurde vergrößert, und ein Jahr später erschien das Modell „Supersport“ (CSS) mit echter Racer-Optik. Wegen des breiten Tanks wurde sie von den Fans sofort „Disco Volante“ („fliegende Untertasse“) genannt. Der Motor war auf 15 PS bei 8800 1/min gebracht worden, und bei 105 kg Masse mit leerem Tank (Prospektangabe!) ging die Disco Volante damals wirklich gut. Es gab sie sogar in einer Version mit Langschwinge vorn, und genau das Modell steht im Museum.
Von der CSS wurde dann auch noch ein Production Racer abgeleitet, der nun nicht mehr nur mit Racer-Optik aufwartete, sondern der mit einem MV-typischem Rennfahrwerk mit filigraner Langschwinge vorn ausgestattet wurde. Daran ist ersichtlich, dass drei Jahre nach Les Graham’s Unfall auf der Ilse of Man seine starke Vorliebe für Earles-Gabeln immer noch die Entwicklung bei MV Agusta beeinflusste. Der CSS-Production Racer bekam auch einen liebevollen Namen von den Tifosi: „Squalo“ (Hai). Obwohl der Rennmotor mit einem Standmagnetzünder ausgestattet wurde, waren seine Erfolge in der heiß umkämpften italienischen 175er Rennszene eher bescheiden. Besser stand eine nach MV-Tradition auf 203 ccm gebrachte Version für die 250er Klasse
da. Auf einem derartigen Exemplar startete immerhin ein gewisser Mike Hailwood seine Racer-Karriere. |
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175 AB |
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Die 175 CS mit dem ohc-Motor war zweifellos von der Konzeption her zu teuer, um auf einem Markt, der bedenklich geschrumpft war, in einer sinnvollen Stückzahl absetzbar zu sein. So blieb die CS nur solange im Programm, wie MV sie als Homologations-Modell für den Sport brauchte. Zuvor wurde aber ein preiswerter Ersatz entwickelt: die „175 AB“ mit dem ohv-Motor, die die Präsenz von MV in der in Italien besonders beliebten 175 ccm-Klasse sicherte, und die zu diesem Zweck auch optisch sehr an die „CS“ angelehnt wurde.
Das MV-Museum stellt nicht nur die ruhmvollen Racer aus, sondern auch die „Brot&Butter"-MVs, die das Geld für den Rennsport verdienen mussten:
Links ist eine 175 AB „Turismo“ zu sehen.
Die AB hatte aber kein langes Produktions-Leben, denn sie brachte es auf nur drei Modelljahre und verschwand dann lautlos. |
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Checca |
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Das Ende des italienischen Motorradbooms in der zweiten Hälfte der 50er Jahre und die dadurch ausgelösten Veränderungen der Marktbedingungen wurden oben schon erwähnt, und die Reaktion der verbliebenen Marken am Markt, preiswerte Modelle anzubieten, führte bei MV Agusta unter anderem zur „Ottantatre“. Doch MV krempelte in den Jahren 1959 und 1960 sein Serien-Programm radikal um, und es wurde ein „Einheitsmodell“ für die kleinen Hubraum-Klassen entwickelt: MV Agusta hatte den „Baukasten“ entdeckt. So erschien 1960 das Modell „Checca“, das die drei Klassen mit ca. 80, mit 100 und 125 ccm abdeckte.
Nun hatte man endlich ein Konzept, das einige Zeit in Serie gehalten wurde, und zwar bis 1969, obwohl zu dem Zeitpunkt der ursprüngliche Modell-Name „Checca“ kaum noch oder gar nicht mehr erwähnt wurde.
Links ist das Modell „99 SGT“ zu sehen, das mit 5 PS in den frühen 60er Jahren gerade noch konkurrenzfähig war im Wettbewerb mit den Zweitaktern der Konkurrenz-Marken. Seine Modellbezeichnung verdeutlicht auch noch einmal die vermutlich auf Conte Domenico selbst zurückgehende Eigenart, nicht die Hubraum-Klasse, sondern den exakten Hubraum anzugeben. |
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Bicilindrica |
Als die Depression in der europäischen Motorradindustrie am tiefsten war aufgrund der geringen am Markt unterzubringenden Stückzahlen, nämlich im Jahr 1963, überraschte MV Agusta mit einem völlig neuen Modell, nämlich einem ohv-Twin mit knapp über 160 ccm Hubraum,
der sich nach der italienischen Gesetzgebung für die Zulassung auf der „Autostrada“ richtete. Die nette Sportmaschine, die „Arno“ getauft wurde, war erwartungsgemäß kein Knüller, aber sie bahnte den Weg für die zukünftigen Serien-MVs in den
mittleren Hubraum-Klassen, nämlich als ohv-Twins.
Nach zwei Modelljahren wurde der Hubraum auf 250 ccm gebracht, und 1969 wurde auf der Mailänder Ausstellung die 350er Version vorgestellt, die so bis 1974 im Verkaufs-Programm blieb. Sowohl von der 250er als auch von der 350er wurde eine Behörden-Version abgeleitet, und das Museum zeigt eine Polizei-Version, die seinerzeit von der Polizia Urbana in Gallarate gefahren wurde. Warum der Auftrag für deren Lieferung an MV ging, kann man sich sicherlich denken, aber hat irgendwer schon einmal einen MV-Twin als Behörden-Motorrad in einer anderen italienischen Gemeinde gesehen?
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Die Behörden-Bicilindrica steht im Museum zwischen
der
„125 Carter Lungo"
und der „350er Ipotesi". |
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1974 wollte MV die Optik der Motorräder modernisieren, um damit zu verdeutlichen, dass MV immer noch „top“ war bei der Motorrad-Technologie, obwohl die MV-Racer
mittlerweile schwer in Bedrängnis durch die fernöstlichen Zweitakter geraten waren, nachdem man den Angriff der 500er Honda seinerzeit souverän abgeschmettert hatte.
So ging ein Auftrag an „ItalDesign“ und seinen Chef Giorgio
Giugiaro, der durch seinen avantgardistischen Styling-Stil bekannt war. Das führte zum Entwurf der 350er „Ipotesi“ („Hypothese“) und ein Jahr später
zu der ähnlich gestylten „125 Sport“. Die aggressiv moderne Linie polarisierte die Meinungen der Fans, und so war es nur folgerichtig, dass die Stückzahlen moderat blieben. Es gab einige Jahre lang Prospekte der beiden in diesem Zeitraum unveränderten Modelle, aber es ist ziemlich ungewiss, ob sie auch wirklich in dem gesamten Zeitraum bis ca. 1980 in Produktion waren.
Heute sind fast so viele Jahre vergangen, um aus einem Fahrzeug mit einem derartig avantgardistischem Styling einen Kunst-/Kult-Gegenstand zu machen, so dass die Ipotesi eigentlich längst reif für die Kunsthalle ist.
Trotzdem wählten die Organisatoren der Ausstellung
„The Art of the Motorcycle“ des „Guggenheim Museum“ nicht die
Ipotesi aus, sondern die zeitlos formschöne MV Agusta 750 S. |
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Von links nach rechts:
350 Ipotesi, 125 Sport, 750 America von 1974 sowie die 600 Quattro |
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Vetturetta
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Wie viele andere Zweiradhersteller nördlich und
südlich der Alpen beobachtete man auch bei MV Agusta die vierrädrige
Konkurrenz und überlegte, ob man nicht in den Markt der Kleinwagen
einsteigen sollte. MV beauftragte 1954 sogar keinen Geringeren als
Pietro Remor mit einer Kleinwagen-Studie, die sogar erhalten
geblieben ist und im Museum gezeigt wird.
Der von ihm konzipierte kleine zweisitzige Sportwagen mit der
selbsttragenden Karosse sollte von einem 350ccm
ohv-Boxer-Twin
angetrieben werden, für den optimistische 34 PS bei 8000 1/min
angegeben wurden. Auf jeden Fall hätten diese Cavalli das mit
angegeben 236 kg Leergewicht ausgestattete Vehikel ziemlich flott
bewegt. |
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