Moto Classiques Chimay

von
 Karl Matthias Hübben

Was fällt einem eigentlich zu Belgien ein? Okay, Pommes Frites und Männeken Piss, wer schon mal den entsprechenden Asterix Band in der Hand gehabt hat, der wird diese Antwort geben können. Aber der ist eigentlich schon Experte in Sachen Belgien, denn er weiß, dass schon Caesar die Belgier für die Mutigsten aller Gallierstämme gehalten hat. Dieser Mut kommt den Belgiern heute sehr gelegen, zumindest wenn’s ums Motorradfahren geht. Nicht umsonst ist Motocross in Belgien Volkssport - kein Wunder, sind doch die meisten belgischen Landstraßen ohne weitere Änderungen als Motocrossparcours nutzbar. Auch den Straßenrennfahrern kann dieser Umstand nicht schaden, schlimmer kann es nicht kommen. So gelten Belgier (als Fahrer) von je her als unerschrocken bei allen Bedingungen, wie Caesar schon richtig bemerkt hatte.

Für die durchreisenden Autofahrer fremder Nationen hat man die Autobahnen extra beleuchtet, damit auch sie ohne besonderes Training die Schlaglöcher nachts umfahren können. Aber das ist noch lange nicht alles, auf Pommes Frites beschränkt sich die belgische Küche bei weitem nicht. Zumindest die wallonische steht der französischen Küche bei der Finesse in nichts nach. Es gibt nur einen eklatanten Unterschied - bei den Belgiern wird man satt. Und bei den Getränken ist das Bier des Belgiers erste Wahl. Damit wären wir in Chimay angekommen, denn lange bevor Motorradrennen die Stadt südlich von Charleroi in der tiefsten Wallonie nahe der französischen Grenze bekannt gemacht haben, haben die Trappistenmönche diese ruhige, leicht hügelige Landschaft für sich entdeckt. Chimay ist den meisten Menschen durch das kräftige braune Bier bekannt, das von den Trappisten seit Hunderten von Jahren dort gebraut wird. Wenn man von Nordwesten in die Stadt kommt, kann man leicht erkennen, welchen Stellenwert das Bier in der Stadt hat. In anderen Städten steht die Statue eines berühmten Mitbürgers auf einem besonderen Platz, in Chimay ist es die Nachbildung eines kupfernen Sudkessels!

Mit Motorradrennen will man seit über dreißig Jahren dieser entlegenen Gegend etwas mehr Leben einhauchen, dies gilt für Chimay genauso wie für das nahegelegene Mettet.
In den Siebziger Jahren kamen immer eine ganze Reihe bekannter Fahrer zu den Rennen, die Preis- und Startgelder waren halt lohnend. So zog Barry Sheene regelmäßig das Rennen in Chimay dem Start auf der Isle of Man vor. Heute werden immer noch regelmäßig verschiedene Veranstaltungen auf den klassischen Straßenkurs abgehalten, z.B. Sprintrennen für Automobile und Supermotardrennen. Chimay ist inzwischen eine feste Größe im Klassiker-Rennsport, so wurde dieses Jahr schon zum zehnten Mal ein Classic Grand Prix dort ausgerichtet.
Um es vorwegzunehmen, es geht hier nicht um Gleichmäßigkeitsläufe, hier wird richtig gerannt. In jedem Lauf, egal ob Vorkrieg oder Postclassic, wird der Draht ganz herausgezogen. 

Die (wahrscheinlich gar nicht vorhandenen) belgischen Gesetze erlauben eine solche Ausrichtung der Veranstaltung und jeder Teilnehmer weiß, worauf er sich einlässt. Die IHRO (International Historic Racing Organisation) Läufe in der 350er und 500er Klasse mit Baujahr bis 1972 haben hier genauso einen Platz wie die Rennen des International Classic Grand Prix auf Zweitaktrennern bis zu 350ccm und Baujahr max. 1984. Daneben gibt es noch verschiedene Rennen von 50ccm bis zur Klasse illimite, also nach oben offener Hubraum. Auch die Dreiräder starten in vier verschiedenen Klassen.

Das anwesende Material zeugt vom Einsatzzweck. Die ganz seltenen Schätzchen findet man hier natürlich nicht, wer jagt diese schon mit vollem Einsatz über den Kurs. In den IHRO Klassen dominieren natürlich die englischen Einzylinder von Norton, AJS und BSA sowie die Einzylinder Ducatis, auf die das Reglement ja eindeutig zugeschnitten ist. Echte Originale dürften auch dabei, genau wie bei den häufig verwendeten Seeley-Rahmen, verständlicherweise eher rar sein. 
In den anderen Klassen findet man eine Menge sehr schöner Eigenbauten. Vor allem in der Klasse 500P2 (auch bis 1972) traf man auf eine große Anzahl von luftgekühlten Suzuki Zweizylindern. Dies ist eigentlich schon wieder authentisch, denn dieses Motorrad wurde auch zu Anfang der Siebziger mit unterschiedlichem Aufwand in ein durchaus brauchbares Rennmotorrad verwandelt. Wenn man sich dann ein wenig im Fahrerlager umschaut, gibt es doch hin und wieder ein Aha-Erlebnis. Eine König Solomaschine des Niederländers Hans de Wit, die im Rennen mit vollem Einsatz gefahren wird, findet sich genauso wie eine schöne Amstrong mit dem Rotax-Tandemmotor. 
Einige bekannte Namen tauchen in den Starterfeldern auf, allen voran natürlich der Meister Phil Read, der gleich in drei Klassen an den Start ging, aber auch Chas Mortimer, Ron Chandler und Charlie Williams und von der französischen Garde Eric Saul und Bernard Fau. Deutsche Teilnehmer sind allerdings eher selten.

Die übergroße Hitze machte allen Fahrern und natürlich auch den vielen Zuschauern eine Menge zu schaffen, der Asphalt kam auf Temperaturen weit über 50°C. Das Festzelt mit dem Getränkestand machte sicher das Geschäft des Jahres. Die lockere Stimmung und der interessante Rahmen der Veranstaltung haben mich überzeugt, im nächsten Jahr bin ich wieder dabei, vielleicht mal als Teilnehmer.


Text + Fotos: Karl Hübben
Huebben@t-online.de


 
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