Die
Altgedienten unter uns kennen ihn sowieso. Sein Name wird in der ganzen
Welt mit größtem Respekt ausgesprochen. Es war einmal vor langer Zeit,
und doch in unseren Gedanken noch gar nicht lange her, als er mit
Martin Mijwaart und Paul Lodewijkx das berühmte Jamathi Trio formte.
Jan sorgte für die "PS", Martin für einen gut steuerbaren Rahmen und
Paul bediente mit viel Geschick den Gasgriff. Wie gut dieses Trio
wirklich war zeigte sich am letzten Juni Samstag des Jahres 1968, als
man bei der Dutch TT in Assen im direkten Zweikampf H.G. Anscheidt auf
der Werks-Suzuki schlagen konnte. Paul und Martin sind leider nicht
mehr unter uns, aber Jan Thiel, der Mann der seit Ewigkeiten nur auf
Sandalen anzutreffen ist, ist noch da und hat nach der Jamathi Zeit für
diverse große Hersteller gearbeitet, und so bekannte und berühmte Leute
wie Angel Nieto und selbst Valentino Rossi haben auf Konstruktionen von
Jan Thiel GP Siege und sogar Weltmeisterschaften errungen.
Direkt
nach Jaap Timmer, der Mister TT genannt wird, würde ich Jan Thiel
diesen Titel zuerkennen, genauer gesagt Jan Thiel: Mister Zwei-Takt!
Jan ist nun Pensionär, und um die ganze Geschichte noch einmal in die
Erinnerung zurückzurufen, findet ihr hier ungefähr 30 Fragen, die mir
Mr. Zweitakt per e-mail beantwortete!
Ben Looijen.
1. Stimmt es, dass Sie die Tore bei Aprilia zum letzten Mal hinter sich zugezogen haben und nun zum Pensionär geworden sind?
Inzwischen
ist es schon mehr als ein Jahr her, dass ich aufgehört habe zu
arbeiten,
mein letzter Tag war der 30.11.2007, ich hatte bereits vorher
entschieden, meinen Vertrag als technischer Berater nicht zu
verlängern.
Schließlich muss man irgendwann aufhören, meine Frau wollte gern zurück
nach Thailand, und außerdem ist die Zukunft des Zweitaktmotors sehr
ungewiss geworden. Heute, nach etwas mehr als einem Jahr, denke ich,
dass
ich zum richtigen Zeitpunkt aufgehört habe, an einem Höhepunkt mit vier
gewonnenen Weltmeisterschaften in 2006 und 2007.
2. Gehen wir zurück zum Anfang der Geschichte, wie sind
Sie zum Zweiradsport gekommen?
Ich
habe schon die Motorsportzeitungen gelesen, als ich noch auf die
Volksschule ging, mein erstes Rennen habe ich so um 1950 herum in
Zandvoort besucht, damals fanden Motorrad- und Autorennen am gleichen
Tag statt. Später bin ich oft mit dem Fahrrad am Sonntag zusammen mit
einem Schulkameraden nach Zandvoort gefahren. Die TT in Assen habe ich
zum ersten Mal 1954 besucht, es war das letzte Rennen auf dem alten
Kurs, Drikus Veer fuhr auf der Vierzylinder Gilera, herrlich! Ich
träumte selber von einer Rennkarriere, wollte nicht mehr zur Schule
gehen, sondern an Motoren arbeiten, um Erfahrung zu sammeln. Mein Vater
war aber anderer Ansicht und wir bekamen fürchterlichen Krach, wir
haben uns dann tatsächlich dreizehn Jahre nicht mehr gesehen! Ich
wohnte bei meinen Großeltern und die ließen mich machen, was ich
wollte. Meine Mutter habe ich nie wirklich kennen gelernt, sie war in
einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht, und ich wurde von ihren
Eltern aufgezogen. Ein 50cc Liebhaber wurde ich, nachdem ich Cees van
Dongen in Zandvoort auf seiner DMF fahren gesehen habe, ich denke es
war 1955. Wir wurden später gute Freunde und sind es noch. Mein erstes
Rennmotorrad war die 125ccm "Grefa" mit einem Villiers Motor, und ich
selbst habe aus Mopedersatzteilen einen 50cc Renner mit HMW
Zweigangmotor gebaut. Das Fahren mit der "Grefa" fand ich nicht
wirklich gut und habe nie wieder ein Rennen auf ihr bestritten. Mein
erstes 50ccm Rennen war 1959 in Etten, und ich kam irgendwo auf den
hinteren Plätzen ins Ziel.
3.
In den Anfangsjahren trafen Sie Martin Mijwaart, ein Mann mit dem sie
dann viele Jahre zusammengearbeitet haben. Was war das stärkste
Bindeglied, wie konnten sie das so lange "aushalten"?
Ich
traf Martin zum ersten Mal beim Rennen in Rockanje 1962. Ich fuhr
damals bei den Senioren, und ich denke, dass es sein erstes Rennen auf der
Eigenbau-Itom war. Später traf ich ihn beim GP in Spa Francorchamps
wieder, da haben wir uns länger unterhalten und zusammen das Rennen
angesehen. Danach bin ich einige Male bei ihm zuhause gewesen und er
auch bei mir. Wir haben dann irgendwann beschlossen zusammen zu
arbeiten, das erste gemeinsame Projekt war der Umbau eines
Kreidler Zylinders auf die Itom, und die lief damals ganz ordentlich
hinterher. Wir arbeiteten gut zusammen, weil wir in vielen Dingen einer
Meinung waren und uns auch gut ergänzen konnten, er konnte Dinge
herstellen und ich konnte mir gut Dinge ausdenken. Ich habe sehr viel
von ihm gelernt. Wir haben es lange miteinander ausgehalten, aber 1981
meinte er, dass seine Kinder besser in den Niederlanden zur Schule gehen
sollten, und so ist er mit seiner Familie zurückgegangen, er hat dafür
die Rennerei aufgegeben. Ich denke, es war damals auch nicht mehr
wirklich sein Hobby.
4.
In den 60ern setzte fast jeder Fahrer auf Kreidler, Sie begannen mit
Martin das zu entwickeln, wovon hier die Rede sein soll, war Kreidler
nicht gut genug?
1962 waren die Kreidler noch nicht so
überragend! Damals gewannen auch noch die Itoms manches Rennen, und Cees
van Dongen hatte eine Royal Nord mit 6Gang Getriebe, das war damals die
schnellste 50er Rennmaschine in den Niederlanden. Cees und sein Vater
haben uns am Anfang sehr viel geholfen, ich habe von "Opa" van Dongen
auch gelernt, wie man ein Getriebe berechnet und wie man einen
Schaltmechanismus bauen kann. So haben wir damals bei Andre Huige in
Rotterdam Royal Nord Gehäuse gekauft und dafür ein 6Gang Getriebe
gemacht und auch eine Kurbelwelle, glaube ich. Wir verwendeten einen
Kreidler Zylinder mit einem selbstgemachten Zylinderkopf. Mit dieser
Maschine wurde Martin dann niederländischer Juniorenmeister. Suzuki war
50ccm Weltmeister in den Jahren 1962 und 1963 und es war uns klar, dass
wir auch etwas in dieser Art machen mussten, wenn wir weiter kommen
wollten!
5.
1968 war die Jamathi auf einem sehr hohen Niveau, so hoch dass sie mit
Paul Lodewijkx im Sattel sogar die TT in Assen gewinnen konnte. Wie
sehen Sie das aus heutiger Sicht, und was geht in so einem Moment in
einem vor, wenn die eigene Maschine vor heimischen Publikum die TT
gewinnt?
Es kam völlig unerwartet, ich hatte angenommen,
dass Anscheidt nur ein wenig mit ihm spielte, so war das erste Gefühl
völliger Unglaube, dann aber eine sehr große Genugtuung. Wir haben
natürlich auch enormes Glück gehabt, denn das untere Pleuellager hielt
durch, dies war früher immer der schwache Punkt gewesen. Es war im
Training schon zu Bruch gegangen, und eine Woche später in Spa ging es
genau auf der Ziellinie kaputt. Die TT gewinnen oder Weltmeister werden
sind Dinge, die dein Leben für immer verändern, es ist etwas Besonderes
und bleibt es für immer. Spätere Erfolge geben einem selten mehr eine
solche Befriedigung. Ich weiß aber auch noch, dass ich den ganzen
Presserummel, der auf uns zukam, mit Journalisten und Fernsehauftritten,
gar nicht so toll fand.
6. Was für ein Mensch war Paul (Lodewijkx), und was waren seine Stärken als Fahrer?
Paul
war ein sehr feiner Mensch im Umgang und genauso seine große Familie,
ich war als Kind oft bei ihm zuhause und es war immer sehr gesellig.
Sein Bruder Reier war noch bei meinem Abschied in Raalte im vergangenen
Jahr, das hat mich sehr gefreut! Als Fahrer war Paul vor allem sehr gut
in den schnellen Kurven, und trotz seiner Größe verstand er es, sich sehr
gut hinter der Verkleidung klein zu machen, auch konnte er sehr schnell
neue Strecken erlernen. Angel Nieto hat mir später einmal erzählt, dass
Paul der einzige Fahrer war, den er wirklich gefürchtet hat. Es ist sehr
schade, dass er damals diesen Unfall gehabt hat, es war danach nie mehr
so wie vorher im Jamathi Team. Aber wie sagt man: Das Leben geht weiter.
|
Paul Lodewijkx |
7.
Sie sind ja damals einer ganz normalen Arbeit nachgegangen, und das
Entwickeln und Bauen der Maschinen geschah ja nur in Ihrer Freizeit und
dann noch mit einem sehr schmalen Budget, war das nicht sehr
frustrierend und haben Sie nicht manchmal gedacht: "Ich höre jetzt auf
damit"?
Es war finanziell gesehen schon sehr schwierig,
wir arbeiteten vier Tage in der Woche, um einen Tag mehr für die
Maschinen zu haben, natürlich haben wir deshalb auch weniger Geld
verdient. Wir haben alles selber bezahlt und hatten deshalb außerhalb
der Rennerei ein eher armseliges Leben. Kein Geld für Kleidung oder
irgend einen Luxus, ich hatte auch nur ein einziges Paar Sandalen. Zum
Fahren hatte ich z.B. ein Batavus Moped für einen Zehner gekauft, der
Grund für den niedrigen Preis war ein gebrochenes Pleuel, an das Geld
für ein Auto war damals nicht zu denken. Aber wir hatten es damals so
gewollt und haben eigentlich niemals ernsthaft daran gedacht damit
aufzuhören. So verkauften wir etwa am Ende der Saison die alten
Rennmaschinen, um den Aufbau der Neuen bezahlen zu können.
8.
Nach Ihrem Erfolg in der Weltmeisterschaft wurde das Jamathi Moped
entwickelt, um etwas Geld in die Kasse zu bekommen, war das nicht eine
große Belastung für ein so kleines Team, blieb denn noch genug Zeit, um
die Renner weiter zu entwickeln?
Die Entwicklung des
Jamathi Mopeds hat wohl mehr Nachteile als Vorteile gehabt, so konnten
wir z.B. im Jahr 1969 erst im Februar mit dem Bau der neuen Rennmaschine
anfangen. Das Mopedprojekt hat auch nie wirklich Geld eingebracht, wir
fuhren z.B. in jenem Jahr zu den GPs nach Imola und Jugoslawien, ohne
das Geld für die Rückreise in der Tasche zu haben, wir waren völlig vom
Startgeld abhängig. Aber da Paul beide Rennen gewann, brachten wir mehr
Geld mit nach Hause als wir bei der Abreise in der Tasche gehabt
hatten. Danach haben wir einen neuen Rahmen für das Moped Jamathi Type
2 entwickelt, der dann durch eine andere Firma hergestellt wurde. Der
erste Prototyp des Straßenmopeds aus dem Jahr 1968 war auch viel zu
wenig getestet worden, das Moped war viel zu früh in Produktion
gegangen, und es gab deshalb große Probleme damit. Aber dank der
Mopedgeschichte gibt es bis zum heutigen Tag einen Jamathi-Club, und da
bin ich sehr stolz darauf!
9. Wenn Sie sich an einen neuen Jamathi Rennmotor machten, wie ging das vor
sich? Beruhte das dann alles auf den Erfahrungen des Vorjahres, oder
wurden zuerst einmal allerlei Berechnungen am Zeichenbrett gemacht?
Es
wurden schon einige Berechnungen in einer Zeichenkladde ausgeführt, ein
Zeichenbrett hatten wir nicht. Die Zeichnungen habe ich meistens am
Sonntag bei mir zuhause auf dem Esstisch gemacht. Das Zeichenmaterial
stammte noch aus meiner Schulzeit. Ein neuer Motor entstand natürlich
aus den Erfahrungen mit seinen Vorgängern, gepaart mit neuen Ideen.
Natürlich hielt man auch die Augen offen, um zu sehen, was die anderen
so machten!
Zylinderbuchse und
Kolben,
die Jan Thiel Ende der 60er, Anfang der 70er
Jahre für Jamathi gebaut hat.
Heutiger Besitzer der Teile ist Aalt Toersen. |
|
10.
Der Resonanzauspuff, ein Bauteil welches für viele Menschen bis heute
noch ein Rätsel geblieben ist, es sind wohl schon tausende Auspuffe in
Scheunen und Fabriken entstanden, die meisten nicht besser als das
Originalteil, wie kommt man zu einem guten Zweitakt-Auspuff?
Meistens
hat man ein vorhandenes Exemplar und beginnt dann zu experimentieren.
Im Laufe der Jahre gewinnt man an Erfahrung und lernt, welche Folgen
vorgenommene Veränderungen haben. Es ist aber ein langwieriger
Lernprozess. Sehr kleine Unterschiede machen oft sehr viel aus, und
tatsächlich sind zwei nach der selben Zeichnung hergestellte Auspuffe
nicht unbedingt das Gleiche, ein halber mm kann schon einen spürbaren
Unterschied ergeben. Auch sind auf dem Prüfstand gemessene
Verbesserungen oft auf der Strecke nicht mehr wiederholbar, dies liegt
häufig an den unterschiedlichen Temperaturverhältnissen. In der Garelli
Zeit löste ich dieses Problem größtenteils dadurch, dass ich beim
Testlauf einen Ventilator vor die Krümmer stellte und auf der Strecke
später diese mit Asbestband umwickelte. In der Jamathi Zeit hatten wir
keinen Prüfstand, und wir nutzen für unsere Experimente ein gerades
Stück Straße, eigentlich das beste System, etwas unpraktisch
allerdings, vor allem im öffentlichen Verkehr.
1970 waren wir auf dem
Sachsenring, und der Motor lief im Training nicht wirklich gut. Wir
wollten die Vergaserabstimmung und die Auspufflänge auf einem
Straßenstück testen, was angesichts der Menschenmenge aber völlig
sinnlos war. Ich habe dann einen VOPO gefragt, wo wir denn unsere
Rennmaschine einmal testen könnten? Zu meiner völligen Überraschung
sperrte man extra ein Straßenstück für uns, nach kurzer Zeit war die
Abstimmung gemacht und Aalt (Toersen) gewann damals das Rennen mit
Leichtigkeit.
Was war passiert? Niedrigerer Luftdruck führte zu
Leistungsverlust, dies hatte dann wieder eine niedrigere Abgastemperatur zur Folge, die Abgasschwingung verlangsamte sich
dadurch und der Auspuff war somit "zu lang", wenige mm einkürzen löste
das Problem! Wie wichtig der Auspuff tatsächlich ist, zeigt folgendes
Beispiel: Bei Bultaco habe ich, einfach aus Neugierde, den Auspuff auf
dem Prüfstand mal ganz weggelassen, die Leistung fiel von 18 PS
auf........2,5PS!
11. Wie hoch war die höchste je gemessene Leistung bei einem Jamathi Motor?
Die
höchste gemessene Leistung am Jamathi Motor lag bei ungefähr 15PS,
gemessen auf unserem Rollenprüfstand in Breukelen im Jahr 1974, jedoch
am Hinterrad gemessen. Später sind wir bei Bultaco mit denselben
Motoren bis auf 19PS am Getriebeausgang gekommen!
12.
Jamathi arbeitete auch zusammen mit Herman Meyer aus Laren, haben Sie
mit ihm auch Informationen über das Schnellermachen von Motoren
ausgetauscht?
An die Zusammenarbeit mit Herman Meyer
erinnere ich mich sehr gerne zurück, er ist einer der nettesten
Menschen, die ich je kennen gelernt habe. Er machte die Zahnräder für uns
und auch Fräsarbeiten an den Motorgehäusen, unsere Fräsmaschine war
dafür zu klein. Wir sind noch in der Bultaco Zeit mit seinen Zahnrädern
gefahren, und er hat auch alle Zahnräder für den Piovaticci 125cc Twin
gemacht. So wurde Angel Nieto 1976 50ccm Weltmeister mit Zahnrädern aus
Hermans Werkstatt.
Er ist übrigens auch Jamathi gefahren, und das kam
so! Henk Vink wollte nach der TT in Assen 1970 nicht mehr, dass Leo
Commu die Jamathi fahren sollte, er hatte eigentlich auch recht, denn
Leo war zu groß und zu schwer für die 50er. Er wollte ihn gegen Piet
van der Wal austauschen, der damals niederländischer 500ccm Champion
war. Es sollten Testfahrten in Zandvoort stattfinden, und ich habe
damals gesagt, dass auch ein Freund von mir an den Tests teilnehmen
würde. Vink wollte das eigentlich nicht, aber er weigerte sich dann
letztendlich doch nicht. So gingen wir also nach Zandvoort, van der Wal
fuhr zuerst, er fuhr immer sehr schnell in die Kurven hinein, kam
aber dafür ganz langsam wieder heraus. Dann kam Herman an die sec
schneller pro Runde als van der Wal und lag
mit seinen Zeiten nahe am Rundenrekord! Vink musste damals gegen seinen
Willen zurückstecken, und Herman fuhr die Jamathi in Spa Francorchamps.
Ich gehe davon aus, dass nach dieser Geschichte Vink irgendwie den Spaß
an der Sache verlor, weil wir nicht genau das machten, was er wollte,
und
am Ende des Jahres 1971 wurde die Zusammenarbeit mit seiner Firma
Bruinsma beendet.
Durch all die Umstände mit dem Jamathi Moped
Projekt waren wir bei den Rennern technisch etwas ins Hintertreffen
geraten, und erst mit dem Wechsel zu Piovitacci machten wir wieder echte
Fortschritte. Was das Suchen nach mehr Leistung angeht, gingen Herman
und wir dann wieder jeder seinen eigenen Weg. Herman hätte sehr weit
kommen können, aber irgendwann hatte er es scheinbar satt und hat sich
anders orientiert, schade eigentlich, letztendlich muss jeder machen, was
er selber will. Beim Wiedersehen mit Herman nach einer so langen Zeit
kehrte auch das alte vertraute Gefühl sofort wieder zurück. Ich bin
glücklich darüber, dass er das genauso sieht.
13. Ab 1970 fuhr Aalt Toersen für Jamathi, war das eine neue Stimulanz für das Team?
Damals
wurde klar, dass Paul im diesem Jahr 1970 nicht fahren konnte, und so sah
die Zukunft für uns ziemlich düster aus. Wir hatten nicht damit
gerechnet, dass Aalt sich vom Van Veen Team trennen wollte. Wir konnten
auch nicht wissen, wie wenig Henk van Veen seinen Fahrern bezahlte und
welche anderen Dinge da außerdem noch schief gelaufen sind. So kam es
völlig unerwartet, dass Aalt für uns fahren sollte. Es zeigte sich
schnell, dass eine gute Zusammenarbeit mit ihm möglich war, und auch auf
der persönlichen Ebene klappte es gut mit ihm, wir sind immer gute
Freunde geblieben.
Ich glaube, 1970 war Aalt's bestes Jahr als Fahrer,
sein Sieg in Spa nach einem sehr schlechten Start war eine fantastische
Sache. Wir machten damals unsere Kolben noch selber, und das war sicher
immer eine großes Handicap für uns. Ich erinnere mich, dass der Motor
beim Training zur Assen TT schlecht lief, als letzte Chance haben wir
vor dem Abschlusstraining einen alten gebrauchten Kolben montiert, damit
fuhr Aalt circa 7 Sekunden schneller pro Runde und holte die Pole! Er
ist dann im Rennen leider gestürzt. In Spa, am Sachsenring und in Brünn
haben wir dann gewonnen, immer mit dem alten Kolben. Die Jamathi ist
niemals mehr so gut gelaufen wie damals. Wir hatten halt einfach nicht
genug Geld, um Kolben bei Mahle machen zu lassen, die Mindeststückzahl
lag so bei 20 bis 30 Stück, unbezahlbar für uns! Später bei Piovaticci
waren solche Dinge dann endlich machbar.
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Aalt Toersen |
14. 1969 verpassten Sie wieder nur knapp den WM
Titel, haben Sie Nieto nicht wegen seiner Fahrweise verflucht (Ulster-GP 1969)?
Nieto
verfluchen? Nein, warum? So war die Rennerei nun mal, und beim Ulster
Grand Prix 1969 ging es hart auf hart, sie hatten sich gegenseitig
berührt und sind ja auch beide gestürzt, Nieto hatte halt mehr Glück
und konnte weiterfahren. Für uns war der Traum von der
Weltmeisterschaft leider ausgeträumt, aber es gab ja in dieser Saison
1969 auch noch mehr Probleme, so wurde unsere Maschine viel zu spät
fertig, erst Anfang Juni, eine Folge des Jamathi Moped Projektes, das
uns viel zu viel Zeit gekostet hat.
15. Nach
ein paar weiteren Jahren, in denen Theo Timmer und Jan Bruins die
Grand-Prix Rennen gefahren sind, war die Ära Jamathi zu Ende, wie haben Sie das erlebt?
Mit Theo Timmer haben wir gut
zusammengearbeitet, aber irgendwann wollte er alleine weiter machen, und
das fanden Martin und ich sehr schade. Wir haben es dann noch ein Jahr
lang mit Jan Bruins probiert, aber das ist nicht so gut gelaufen, auf
seiner Seite war zu viel Eigennutz mit bei der Sache. Anfang 1973 hat
mich dann Jan Huberts angerufen, er fragte mich damals, ob ich mir
vorstellen könnte für Morbidelli zu arbeiten. Ich habe ihn gefragt, ob
es um ein Angebot für das ganze Team ginge, er sagte, dass nur ich
alleine gemeint wäre. Ich habe ohne lange nachzudenken nein gesagt,
weil ich die anderen nicht im Stich lassen wollte. Es hatte vorher
schon ein Angebot von Minarelli gegeben, auch nur für mich alleine und
das habe ich damals auch nicht angenommen.
Etwa Mitte 1974 habe ich
dann einen Brief an Gianni Morbidelli geschrieben und angefragt, ob das
Angebot, bei ihm zu arbeiten, noch bestehen würde, weil wir mit Jamathi
nicht mehr weiter machen wollten. Ich hatte außerdem eine Menge Ärger
mit meinem Vater, bei dem ich damals wohnte. Auch mein Arbeitgeber
stellte mich vor die Wahl, Job oder Motorsport - ich war samstags nie
anwesend, aber gerade am Samstag gab es immer die meiste Arbeit. Ich
habe mich ohne zu zögern für den Motorsport entschieden, das bedeutete
aber gleichzeitig, dass ich von da an auch davon leben musste, sprich
Geld verdienen! Aus heutiger Sicht hätte ich das viel eher machen
müssen.
Morbidelli antwortete, dass man schon jemand anderen eingestellt
habe, aber eine Woche später bekam ich einen Brief von Hr. Piovaticci,
einem Freund von Morbidelli, mit dem Angebot für ihn zu arbeiten.
Morbidelli hatte unsere Anfrage weitergeleitet. Wir haben damals mit
Eugenio Lazzarini in Assen gesprochen, er fuhr ja für Piovaticci, wir
machten mit ihm aus, im August für ein paar Tage nach Pesaro zu kommen.
Martin und ich hatten in Holland noch nie mehr als ungefähr 120 Gulden
pro Woche verdient, und Piovaticci bot uns 1600 Gulden im Monat,
außerdem eine kostenlose Wohnung, und vor allem konnten wir so endlich
ohne finanzielle Probleme arbeiten. Der Entschluss ist mir wirklich
nicht leicht gefallen, und ich habe es sehr bedauert, aber mit Jamathi
weiter zu machen war einfach unmöglich geworden!
16.
Bevor wir zum Thema Piovaticci kommen, möchten wir gerne wissen, was für
Sie der schönste Moment der Jamathi Zeit war?
Der
schönste Moment aus der Jamathi Zeit war für mich persönlich der Sieg,
den Paul in Brünn errungen hat. Ganz ohne Fernsehen und Journalisten.
Wir hatten ein paar echt schwierige Wochen hinter uns, aber den Motor
dann doch wieder richtig zum Laufen gebracht! Wir waren in Brünn ins
"verkehrte" Fahrerlager geraten, normalerweise gab es eine Trennung
zwischen westlichen und Ostblockteilnehmern. Wir kamen spät in der
Nacht in Brünn an und wussten das (glücklicherweise) nicht. So haben
wir
unsere Zelte einfach da aufgeschlagen, wo Platz war. Die nächsten Tage
wurden so sehr interessant, weil wir eine Menge neuer Leute kennen
lernten, und die Tschechen hatten wirklich sehr schön gemachte
Eigenbaumaschinen dabei. Ich habe mich damals mit Olda Fiser
angefreundet, der direkt neben uns stand, und wir blieben Freunde bis
zu
seinem Tod. Andere sehr schöne Momente waren natürlich der Gewinn der
TT in Assen und die fantastische Siegesfahrt von Aalt in Spa, nachdem
er
so schlecht gestartet war. Die größte Überraschung war aber Theo's Sieg
in Hockenheim 1973, Martin und ich waren schon zurück nach Holland
gefahren, um neue Zylinder für das folgende Rennen in Monza zu machen.
Theo rief uns aus Deutschland an und so erfuhren wir, dass er gewonnen
hatte.
17.
1975
gingen Sie und Martin zu Piovaticci, wie war das, als Sie nun endlich
Ihre Ideen realisieren konnten, ohne zuerst in die Geldbörse schauen zu
müssen?
Am Anfang war das gar nicht so einfach,
denn wir sprachen ja nicht italienisch, aber dies war nur eine Frage
der Zeit. Es war natürlich fantastisch, nun endlich ausschließlich an
Rennmotoren arbeiten zu können. Das erste Rennen der Saison war in
Modena, wir hatten die schnellste Trainingszeit und Piovaticci feierte
das mit einem Essen für ungefähr 30 Personen. Am nächsten Tag gewannen
wir das Rennen mit großem Vorsprung, und das wurde wieder gefeiert. So
etwas kannten wir natürlich nicht, es schien überhaupt kein Mangel an
Geld zu herrschen. Wir haben aber auch hart gearbeitet, manchmal kam
Piovaticci spät abends noch vorbei und brachte noch Gäste mit, so z.B.
den Präsident des Motorclubs von Pesaro oder den Bürgermeister oder den
Polizeichef, aber auch seinen Friseur oder mal einen Bankdirektor. Ganz
Pesaro war sehr enthusiastisch beim Motorsport, es war sogar wichtiger
als der Fußball. Man hörte so auch jeden Tag die neuesten Nachrichten,
wenn z.B. bei Morbidelli etwas Besonderes im Gange war, wussten wir das
innerhalb weniger Stunden, umgekehrt war es wohl genauso. Es war eine
unglaublich schöne Zeit, die man nicht vergisst!
18. Lazzarini
ist wahrscheinlich der kleinste Fahrer, der jemals auf Ihren Maschinen
gefahren ist, wurde bei der Entwicklung der Rennmaschinen seiner
geringen Größe Rechnung getragen?
Lazzarini war wirklich
sehr klein, wir gingen zuerst nach Misano, um mit der in Piovaticci
Farben umlackierten Jamathi zu fahren. Lazzarini kam nach einer Runde
wieder in die Box, er kam nicht richtig an den Lenker, das Motorrad war
zu lang für ihn. Wir mussten den Rahmen einkürzen, als wir das gemacht
hatten, fuhr er damals gleich Rundenrekord in Misano. Martin hat damals
dann auch einen neuen, zu Lazzarinis Figur passenden, Rahmen gebaut!
Das war eine sehr kleine Maschine, und es war außerdem die erste 50er
mit Gussrädern.
19. Im
selben Jahr brachten Sie auch eine 125ccm Zweizylindermaschine (Dutch
TT 1975), gab es den Wunsch, auch in der größeren Klasse Fuß zu fassen,
schon immer?
Wir
hatten schon eine längere Zeit über den
Bau einer 125er nachgedacht, aber in der Jamathi Zeit war daran aus
finanziellen Gründen nicht zu denken. Ich habe damals beim Grundentwurf
leider einen großen Denkfehler gemacht und mich für einen Mittelabtrieb
entschieden, weil die japanischen Rennmotoren das auch hatten. Dieser
Entschluss hat uns dann jahrelang viele Nachteile eingebracht. Jörg
Möller hat es damals, nach seinen Erfahrungen mit der Bridgestone von
Jos Schurgers, viel besser gemacht. Ich war damals davon ausgegangen,
dass eine Kraftübertragung über den seitlichen Kurbelwellenstumpf ein
zu
großes Risiko darstellen würde. Dieses Risiko war auch nicht aus der
Luft gegriffen, denn die von Morbidelli verkauften Rennmaschinen hatten
viel Ärger mit
abgebrochenen Kurbelwellenstümpfen.
20.
Ende 1975 musste Piovaticci die Tore schon wieder schließen, während
Sie gerade begannen richtig Fuß zu fassen in der GP Szene, konnte man
da nicht den Mut verlieren?
Dass Piovaticci schließen
musste, war eine sehr große Enttäuschung, und ich habe immer noch nicht
begriffen, was wirklich passiert ist, es ging einfach alles sehr schnell damals.
Ich glaube, es gab ein Problem mit einem nicht zustande
gekommenen
Kredit, das Rennengagement war jedenfalls nicht der Grund. Aber Herrn
Piovaticci saß auch das Geld sehr locker, so überprüfte er z.B. niemals
unsere Spesenabrechnungen Die Enttäuschung war für ihn selber natürlich
noch sehr viel größer, er war ja auch noch seine ganze Fabrik los, und
er hat nach der Sache auch nicht mehr sehr lange gelebt. Martin und ich
hatten inzwischen ein Angebot aus Spanien bekommen, um für Angel Nieto
zu arbeiten.
21.
1976, ein neuer Start bei Bultaco mit Angel Nieto als Fahrer, war es
nicht sonderbar, ihn nach so vielen Jahren als Konkurrent plötzlich als
Fahrer im Team zu haben?
1976
fingen wir mit Nieto als
einzigem Fahrer bei Bultaco an, zwei Fahrer wären auch nicht
möglich gewesen. Als wir Anfang Januar zur Fabrik gingen, um unsere
Arbeit aufzunehmen, war dort noch gar nichts vorhanden. Es war nicht
einmal sicher, dass unser Material aus Pesaro jemals kommen würde, man
hätte ja auch alles woanders hin verkaufen können, und es wurde dann
auch einiges mehr an Geld verlangt als ursprünglich abgesprochen war.
Erst Ende Januar kam das Material nach Spanien, und der LKW blieb noch
fast eine ganze Woche beim Zoll hängen. Das erste Rennen für die
spanische Meisterschaft fand Mitte Februar statt, deshalb konnten wir
nicht viel mehr tun als die Piovaticci-Maschinen in Bultaco Farben zu
lackieren. Es war somit auch unser erstes Rennen mit Angel Nieto, wir
haben es gewonnen, der stärkste Konkurrent war Ricardo Tormo auf
Kreidler. Es gab immer ein sehr gutes Einvernehmen mit Angel, da gab es
nie Probleme. Ich konnte es einfach gut mit ihm, und das ist auch immer
so geblieben.
22. Nieto der Fahrer ist uns ja gut bekannt, aber wie war er als Mensch, wenn er nicht auf dem Motorrad saß?
Nieto
als Mensch ist schon etwas Besonderes. Er ist ganz normal und nett im
Umgang mit anderen, aber er hat auch die Gabe, seine Interessen mit ganz
besonderem Nachdruck zu verfolgen und geht dann nichts und niemandem aus
dem Wege. So wurde er nach seinem ersten Weltmeistertitel dem damaligen
spanischen Diktator Franco vorgestellt. Als dieser ihm gratulierte,
bemerkte Nieto, dass er trotzdem mit dem Rennsport aufhören müsse. Als
Franco fragte warum, antwortete Nieto, weil man damit nicht genug
verdienen könne! Daraufhin wurde ihm sofort eine lebenslange Rente
zugestanden. 1972 gewann er beim GP von Barcelona gleich zwei
Weltmeistertitel an einem Tag, am nächsten Tag teilte ihm Sr. Rabassa,
der Eigentümer der Fa. Derbi mit, dass sich die Fabrik aus der
Weltmeisterschaft zurückziehen werde, weil noch größere Erfolge wohl
nicht mehr zu erzielen wären Er riet Angel, doch am besten auch
mit dem Rennsport aufzuhören. Angel fragte ihn, ob er das Telefon auf
seinem Schreibtisch benutzen dürfe, im Beisein von Sr. Rabassa ließ er
sich sofort mit Giancarlo Morbidelli verbinden und machte mit ihm aus
Sr. Rabassas Büro heraus einen Vertrag für die folgende Saison klar! Es
gäbe noch eine Menge solcher Geschichten zu erzählen, aber die Zeit
würde nicht reichen. Er ist übrigens auch sehr abergläubig, wenn beim
Essen im Restaurant 13 Personen am Tisch sitzen, muss einer gehen, er
möchte auch nicht 13facher Weltmeister genannt werden, so ist er 12+1
mal Weltmeister geworden.
23.
Ein anderer großer Konkurrent in dieser Zeit war Jörg Möller, sahen Sie
sich eher als Kollegen, mit dem man spricht, oder wurde jeder Kontakt
vermieden?
Mit Jörg Möller hatten wir immer das
beste Einvernehmen. Zu der Zeit, als wir beide in Pesaro waren, gingen
wir öfter gemeinsam essen, und er kam auch manchmal zu mir nach Hause.
Wir waren auch schon mal gemeinsam bei Giancarlo Morbidelli zu Hause
eingeladen, das war immer sehr schön. An einem Samstag haben wir, das
heißt die Mitarbeiter der Rennabteilung von Piovaticci, die Leute von
der Morbidelli Rennabteilung besucht. Danach sind wir alle zusammen mit
einem Fischerboot von Morbidelli hinausgefahren, und es wurde ein Netz
zum Fischen ausgeworfen. Es wurden Spaghetti gemacht, und dann kamen aus
allen möglichen und unmöglichen Behältnissen Unmengen von Getränken zum
Vorschein, und nach kurzer Zeit hatten wir alle mächtig einen sitzen.
Ich weiß noch, dass dann ein Polizeiboot auftauchte, man durfte dort
nicht fischen, es wurde dann auch eine Anzeige aufgenommen. Später, als
das Polizeiboot abgelaufen war, meinte Morbidelli, kein Problem Leute,
ich rufe morgen seinen Boss an....! Den Fisch, den wir gefangen hatten,
lieferten wir bei einem Restaurant im Hafen ab, und später am Abend
haben wir ihn dann dort alle zusammen verspeist, sehr lecker und auch
sehr gesellig.
Es war eine schöne Zeit dort in Pesaro, aber am Ende des
Jahres war alles vorbei und wir gingen nach Spanien. Jörg ist ein
Mensch, der gerne im Blickpunkt steht, aber in diesem Fach muss man auch
verstehen, dass dies für diejenigen, die die Rechnungen bezahlen müssen,
nicht immer angenehm ist. Sie betreiben nämlich Rennsport, um sich
selbst bzw. ihre Firma bekannt zu machen. Als wir später zu Minarelli
kamen, wurde uns allen schnell klar, dass das Ziel dort vor allem war, zu
zeigen, dass man auch ohne Jörg Möller Rennen gewinnen konnte. Auch
waren sich Jörg und Angel Nieto nicht gerade grün, sehr verständlich,
denn sie standen ja beide gerne im Mittelpunkt. Ein paar Jahre später
habe ich Jörg in Bologna wiedergetroffen, und wir sind zusammen essen
gegangen, es war ein schönes Wiedersehen. Wir hätten beinahe sogar
noch zusammen gearbeitet, bei Italjet, aber es wurde nichts daraus,
weil Italjet vorher pleite ging.
24.
Als Martin damals zurück in die Niederlande ging, blieben Sie alleine
übrig, wie war das nach so vielen Jahren gemeinsamer Arbeit?
Dass
Martin Ende 1981 zurück in die Niederlande ging, war schon einige Zeit
vorher klar. Ich denke, er war bei Minarelli nie wirklich glücklich.
Außerdem wollte er, dass seine Kinder in den Niederlanden zur Schule
gehen sollten. Wir sind echte Freunde geblieben, und wenn ich zu Hause
war, habe ich immer bei ihm vorbeigeschaut. Leider hat er nicht mehr
lange gelebt. .
25.
Die letzten Jahre haben Sie sich nur noch der
Zweitakt-Motorenentwicklung und nicht mehr den Fahrwerken gewidmet, wie
sehen Sie die Chancen, auch weiterhin jedes Jahr etwas schneller
zu werden, einmal muss doch die maximale Spülung des Zweitakters
erreicht sein?
Man
versucht die Leistung zu verbessern,
indem man kleine Veränderungen an den Einlass- und Spülkanälen
vornimmt,
man probiert verschiedene Formen des Auslasskanals, alle diese Teile
sind CNC bearbeitet. Natürlich wird auch mit verschiedengroßen
Auslasskanälen experimentiert. Trotzdem hat es in den letzten Jahren
kaum noch echte Fortschritte gegeben. Der letzte große Schritt nach
vorn war das elektronisch gesteuerte Powerjet, das liegt drei Jahre
zurück.
26. Haben Sie sich auch mit der Entwicklung eines Zweitaktmotors mit Einspritzung beschäftigt?
Nur
indirekt, es wurde für den 500er Zweizylinder gemacht und ist damals
auch an der 125er probiert worden, allerdings nur auf dem
Prüfstand. Es ist jedoch so, dass ein Einspritzer auf dem Prüfstand
meist sehr gut läuft, ich glaube Van Veen hatte das schon 1969 im
Versuch und auch Jan Eggens hat es probiert, aber das Problem
kommt meistens erst auf der Strecke zum Vorschein. Cagiva hat sehr viel
damit gearbeitet und hat es auch ordentlich hinbekommen
27.
In welchem Bereich, denken Sie, werden in Zukunft die größten
Fortschritte bei der Weiterentwicklung des Zweitaktmotors gemacht
werden?
Es wird sicher möglich sein noch mehr
Leistung aus bestehenden Zweitaktkonstruktionen herauszuholen. Eine
variable Einlasssteuerung könnte noch einiges bringen, nicht unbedingt
mehr Spitzenleistung aber mehr im unteren Drehzahlbereich und etwas
unterhalb der Leistungsspitze. Auch die genaue Untersuchung der
Strömung vom Gehäuse zu den Spülkanälen wird sicher noch etwas
einbringen, man weiß wirklich bis heute nicht genau, was sich zwischen
Kolbenunterkante und Kurbelwelle abspielt. Einen großen Schritt nach
vorn könnte es durch ein anderes Spülsystem geben, Frits Overmars und
Luc Foekema experimentieren z.B. an so etwas, aber das wird die
Zeit zeigen!
28.
Wenn Sie in diesem Bericht drei Fotos verwenden dürften, welche wären das und warum?
Das
wären Fotos der schönsten Jamathi Siege, eigentlich müssten es also
vier Fotos sein. Der Sieg von Paul 1968 in Assen, der Sieg von Paul in
Brünn, gefolgt vom fantastischen Sieg von Aalt 1970 in Spa und
natürlich der absolut unerwartete Erfolg von Theo Timmer in Hockenheim
1973. (Die Aufgabe leite ich weiter an unsere Leser, wer kann diese
Fotos beisteuern?)
29.
Sie
sind jetzt Pensionär, heißt das Sie haben sich definitiv zurückgezogen,
oder können wir Sie doch hin und wieder bei dem einen oder anderen
Event begrüßen?
Vielleicht
gehe ich doch mal wieder
zu einem Moto-GP Rennen, aber das wird wohl höchstwahrscheinlich in
Malaysia sein, das ist ja nicht so weit weg von hier. Ich denke nicht,
dass ich auch nach Europa kommen werde, aber man kann ja nie wissen, es
sind schon viel verrücktere Sachen passiert.
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Jan Thiel mit seiner Frau Nim
März 2008 |
Zweitaktspezialisten
Jan Thiel, Herman Meyer (Hemeyla), Luc Foekema |
30.
Ok Jan, wir wollen es ja immer ganz genau wissen, aber in der
Schlussfrage geht es mal um etwas anderes, was ist die sonderbarste
Geschichte gewesen, die Sie in all den Jahren erlebt haben?
Ha,
ha, das war, als ich einmal auf der Pole-Position stand beim Österreich
Grand Prix auf dem Salzburgring. Wie das kam? Das 250er Rennen war
wegen Regen unterbrochen worden, und so war der ganze Zeitplan
durcheinander gekommen und niemand wusste genau, wann das 125er Rennen
nun beginnen sollte. Wir sahen andere Fahrer zum Start gehen und sind
dann damals auch losgezogen, gerade noch rechtzeitig! Es gab aber ein
paar andere Fahrer, darunter auch Ricardo Tormo, die etwas (ca.
20-30sec) zu spät waren. Zegwaard, ein Niederländer, sagte, dass er
sofort nach dem Lauf bei der Rennleitung einen Protest gegen die
verspäteten Teilnehmer einlegen werde. Diese zwei oder drei Fahrer
dürften nicht starten! Tormo kam sogleich zu Nieto, um ihm die Sache zu
erklären, Nieto drückte mir seine Maschine in die Hand und verschwand
zur Rennleitung um seinerseits zu protestieren, umsonst natürlich.
Während diese ganze Geschichte im Gange war, lief plötzlich jemand mit
einem Schild über den Startplatz, darauf stand: Noch 1 min bis zum
Start! Da stand ich nun, etwas nervös und auf der Pole....! Zum Glück
kam es doch anders, und als dann erst fünf Minuten später das Feld auf
die Reise ging, durften doch alle Fahrer mitfahren. Am nächsten Tag,
als
alle bereits auf dem Heimweg waren, konnten wir in der Zeitung lesen,
dass die Rennleitung beschlossen hatte, alle zu spät angetretenen
Fahrer
nachträglich doch zu disqualifizieren, eine besonders unsportliche
Entscheidung der Offiziellen finde ich. Es ist doch Sport und kein
Konzentrationslager! Wenn ich an diese Sache zurückdenke, werde ich
noch
immer richtig sauer!
Ok Jan, dann denk besser nicht mehr dran!
Jan,
im Namen der motorsportbegeisterten Niederlande herzlichen Dank für das,
was ihr als kleines Team geleistet und erreicht habt und was wir so
genossen haben!
Wir werden Jamathi niemals vergessen!
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