Motobi Scooter 125 – das Plagiat

von Manfred Woll

 
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Von Plagiaten ist heute häufig die Rede, wenn populären und erfolgreichen Politikern, welche mit normalen Mitteln nicht angreifbar sind, anhand von nachgewiesenen Textübernahmen bei ihren lange zurückliegenden Doktorarbeiten dieser Titel aberkannt wird und dies dann ihr Karriereende bedeutet. Dass dies erst mit neuesten und aufwendigen Computerprogrammen möglich wurde, ist für die Betroffenen ärgerlich, ändert aber nichts an der Tatsache.

Ganz ohne solche Programme und wesentlich einfacher sind solche Plagiate in der Fahrzeugtechnik nachweisbar, wo sie aber in aller Regel keine großen Konsequenzen mit sich brachten. So ist die Triebsatzschwinge des im „Klassik Motorrad“ 2/2022 vorgestellten Motobi „Scooter 125“ eine unverfrorene Übernahme der BSA „Dandy“-Konstruktion von 1956. Der damals bei Motobi beschäftigte Konstrukteur Piero Prampolini hat diese Vorlage der Triebsatzschwinge des englischen Kleinrollers 1959 für die Konstruktion des Motobi „Picnic“-Rollers übernommen, welcher den ursprünglichen Motobi Roller mit dem 175er Viertakt „Catria“-Motor ersetzte. Der war zwar leistungsstark aber viel zu teuer und konnte sich so am umkämpften italienischen Rollermarkt nicht durchsetzen. Der 75er Viertaktroller „Picnic“ ging so folgerichtig zum großen Teil in den Export und verkaufte sich nicht nur gut in USA und England, sondern im gesamten United Kingdom. Dies auch in der 1964 erschienenen Version mit einem 125er Zweitakt-Motor, welcher dem „Dandy“ nun auch beim Arbeitsprinzip zum Verwechseln ähnlich war. Warum BSA bei der in England patentierten Konstruktion nicht intervenierte bleibt Spekulation, nachdem der „Dandy“ aber schon nach wenigen Jahren an der typisch englischen, wenig praxisorientierten konstruktiven Ausführung gescheitert war, wäre es für das Werk wohl peinlich gewesen, gegen die weitaus besser ausgeführte Motobi-Konstruktion zu klagen.

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Prampolini hatte damals die Schwachpunkte der englischen Konstruktion erkannt und die Motobi-Triebsatzschwinge weitaus praxisgerechter ausgeführt und zusammen mit einer selbsttragenden Karrosserie in typisch elegantem italienischem Styling hatte Motobi damit einen Roller geschaffen, der sofort vom italienischen Markt angenommen wurde und ebenso erfolgreich auf den Exportmärkten debütierte. Dieser „Picnic“ war mit dem 75er Viertaktmotor aber etwas schwach auf der Brust und so folgte 1964 die Ausführung mit einem 125er Zweitakter, eben unser Testroller im „Klassik Motorrad“.

Der war nun soweit gereift, dass er einen umfangreichen Testbericht im „Motociclismo“ bekam, geschrieben vom damaligen Chefredakteur Carlo Perelli. Dies war ein toller Einstand für diesen Roller, denn nur wenigen motorisierten Zweirädern war diese Ehre einer ausführlichen Vorstellung in dieser Zeitschrift gegönnt. Warum er als letzte Zweitaktkonstruktion aus dem Hause Motobi dennoch in Italien seinen Platz zwischen Vespen und Lambretten nicht finden konnte und warum er auch nicht lange auf den Exportmärkten glänzte, wird im aktuellen Bericht verständlich dargestellt. Schuld war letztendlich die 1963 erfolgte Fusion zwischen Benelli und Motobi, wonach eine Bereinigung der nun gemeinsamen Modellpalette angesagt war, der auch ein sehr erfolgreich gestarteter 50er Roller von Motobi mit eben dieser Triebsatzschwinge zum Opfer fallen musste.

Der eigenwillige technische Aufbau dieses Rollers wird erstmals in allen Einzelheiten dokumentiert, seine Schwächen klar benannt und natürlich erfolgt auch eine gründliche Fahrerprobung. Letztere aus heutiger Sicht und mit den Augen eines Motorradfahrers. Was dabei herauskam? Für einen Motorradfahrer jedenfalls bleibende Eindrücke, deren Bewertung natürlich relativiert werden muss. Immerhin sind zwischenzeitlich mehr als 55 Jahre vergangen und damals hätte der Roller durchaus auch deutsche Käufer gefunden, doch gab es hierzulande leider keinen Importeur für den Hersteller aus Pesaro und damit auch kein Händlernetz.

TitelMit dem vorliegenden Bericht in der Zeitschrift „Klassik Motorrad“
(Nr.2, März/April 2022) kann sich der Leser aber heute zumindest eine Vorstellung machen im Sinne von „was wäre gewesen wenn....“.


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Text + Fotos: Manfred Woll