Motobi 48 Sport „Fuori Serie“

(Die wilde 50er Szene der frühen sechziger Jahre)

von Manfred Woll

Aufmacherfoto
 

Bei der Vorstellung eines historischen Fahrzeugs hält der Autor in der Regel die zeitliche Zuordnung fest, dazu Technik und Fahreindrücke. Das ist von der Sache her korrekt, doch wirkt aus heutiger Sicht solch ein Blick weit zurück meist steril und etwas blutleer, da dem Gros der Leser einfach das Gefühl für die damalige Zeit fehlt. Darum sollte sich ein Autor bemühen, Fahrzeuge so darzustellen, wie sie die Zeitgenossen damals gesehen und empfunden haben, sie sozusagen in den zeitlichen Kontext zu stellen. Wie so etwas gelingen kann hat der unvergessene Fritz B. Busch gezeigt, auch wenn er den „blonden Engel“ Lilian Harvey und Willy Fritsch etwas zu oft im Mercedes SS antreten ließ. Man kann den Bezug zu einem historischen Fahrzeug eben nur dann bekommen, wenn man es im Rahmen der damaligen gesellschaftlichen Strukturen und vorherrschenden Gefühle dem heutigen Leser nahebringt. Denn so wie die damalige Generation von den Medien geprägt wurde, so wurde sie auch von den damals aktuellen Fahrzeugen geprägt. Welcher kleine Junge hat sich in den fünfziger Jahren nicht die Nase an der Seitenscheibe des Porsche 356 plattgedrückt, nur um das goldene Ziffernblatt des Tachos mit den sagenhaften 200km/h sehen zu können?

TitelNun geht es im aktuellen „Klassik Motorrad“ 5/2022 vom „MO“-Verlag nicht um einen Porsche 356, sondern nur um die wilden 50er Mopeds aus den frühen sechziger Jahren, doch waren das bei den 16-jährigen Führerscheinneulingen die ersten eigenen Motorfahrzeuge und deren Eindruck brannte sich unlöschbar in ihrem Gedächtnis ein. Wie anders wäre es zu erklären, warum die heute grauhaarigen Youngster aus dieser Zeit für solche 50er utopische Preise zahlen, für die sie locker ein richtig gutes gebrauchtes Motorrad bekommen könnten? Bei der Suche nach Beantwortung dieser Frage könnte der Beitrag im „Klassik Motorrad“ behilflich sein.

Den Einblick, den die damals 16-jährigen in die Zweiradszene bekamen, war eng abgesteckt, was heute im Zeitalter des Internet befremdlich erscheinen mag, aber mit diesen engen Grenzen kamen die Jungs klar. Bei der Auswahl der 50er war das Angebot natürlich auf die deutschen Hersteller begrenzt, welche bis auf ganz wenige Ausnahmen aber vom Erscheinungsbild her nicht überzeugen konnten. Bei den wenigen Einblicken, welche damals in die Mopedtechnik außerhalb Deutschlands möglich war, beeindruckten deshalb vor allem die italienischen 50er, welche aber das, was ihre Optik versprach, nicht halten konnten und die hierzulande auch nicht zu kaufen waren. Nur lernten die damaligen Youngster deren Schwächen erst sehr viel später kennen, und zwar im Zuge des Veteranenbooms. So richtet sich der Blick in diesem Bericht vor allem auf diese damaligen italienischen „Sportmopeds“ und dies ohne jede Glorifizierung.

Motobi 48 Sport FS 2Motobi 48 Sport FS 1

Bianchi Falco SportMondial 50

Italjet 50 1964Gritzner Monza

Und um solch ein italienisches Moped dreht sich auch die Rahmenhandlung, welche der Autor erzählt, mit einem ernüchternden Blick auf die Billigtechnik dieser italienischen 50er und die für diesen Fall passende Lösung eines zeitgemäßen Umbaus mit hochwertigen Bauteilen, was die Italiener schon immer „Fuori Serie“ nannten. Vorgemacht hatte dies schon 1963 der Chefredakteur vom „Motociclismo“, Carlo Perelli, der damit die Steilvorlage für den gezeigten Fall lieferte. Was dabei herauskam ist überraschend und ebenso überraschend ist der damit sichtlich vollzogene Rückfall des grauhaarigen Restaurators in die lange zurückliegende Jugendzeit.

50er Paloma mit Johnny Halliday und Silvie Vartan 1964Plattencover 1964


Aber es geht da nicht nur um die Mopeds aus der Zeit, nein diese Zeit wird wieder lebendig gemacht durch die Musikszene von damals, durch die Ohrwürmer, welche die Teenies anno 1964 in ihren Bann schlugen. Da geht es um Kofferplattenspieler und um alte Singleschallplatten mit beeindruckenden Plattencovern. Ja, mit der Tanzstundenpartnerin damals ins Eiscafe gefahren, in der Musikbox den Drafi Deutscher mit „Teeny“ gedrückt und so all den muffigen Zeitgeist zumindest kurzzeitig verdrängt. Ach ja, und natürlich von der unerreichbaren Italjet aus Italien geträumt..... Viel Spaß beim Lesen!


Text + Fotos: Manfred Woll