Große Motorrad-Techniker der Vergangenheit in Italien:

Peter Dürr



2011 Dürr FrohnmeyerVorbemerkung von Peter Frohnmeyer:

1976 und 77 bin ich mit der Zweizylinder DRS 125, einer von Peter Dürrs Konstruktionen, bei deutschen und italienischen Meisterschaftsläufen und in der WM gefahren. In den letzten Jahren habe ich ihn immer mal wieder in Monte San Pietro besucht. Für mich war er ein großartiger Mensch und Freund.

Vor einiger Zeit bin ich nun in einer Ausgabe der italienischen Motorradzeitschirft MOTOCICLISMO D'EPOCA aus dem Jahr 1999 auf ein Interview mit Peter Dürr gestoßen. Der in Italien bekannte Journalist Carlo Perelli befragte ihn damals nach seiner beruflichen Tätigkeit bei verschiedenen italienischen Firmen und seinen Überzeugungen zur Zweitakttechnik. Peter Dürr war damals 60 Jahre alt und hatte seine berufliche Tätigkeit schon beendet, Sicher sind seine in dem Interview geäußerten Meinungen aus ihrem historischen Kontext zu verstehen und werden deshalb auch nicht kommentiert.

Am 23.03.2019 ist Peter Dürr im Alter von 79 Jahren in Bologna gestorben.

1976 DRS Rechnung DRS 1976
 Meine DRS 1976 in Monte San Pietro  Rechnung 1976
1976 Frohnmeyer DRS 125, Circuit de Montjuïc 1976 Frohnmeyer DRS 125 Circuit de Montjuïc 02
Motorrad-Grand-Prix Spanien 1976 - Circuit de Montjuïc - Peter Frohnmeyer DRS 125

Große Motorrad-Techniker: Peter Dürr
„Zweitakter haben für mein tägliches Brot gesorgt.“
Text und Interview: Carlo Perelli 
MOTOCICLISMO D'EPOCA 07/99, S. 104 ff


Peter Dürr ist aufgewachsen in der deutschen Zweitakt-Schule, aber der Techniker aus München hat sich sehr schnell an die italienischen Verhältnisse angepasst.
Er hat für praktisch alle großen italienischen Motorradmarken gearbeitet: eine ganz besondere Karriere über mehrere Jahrzehnte.
Hier erzählt er uns über seine Erfahrungen, berichtet über das italienische Umfeld und seine Überzeugungen über Zweitakt-Renntechnik, die nicht immer mit denen der anderen Konstrukteure übereinstimmt.

Peter Dürr war der erste ausländische Motorrad-Rennsporttechniker, der in Italien gearbeitet hat. Er wollte sich mit Zweitakt-Rennmotoren beschäftigen, obwohl Italien zu der Zeit eine ganz spezielle Viertakt-Kultur aufgewiesen hat. Peter Dürr kam von Zündapp aus München. Auf seinen Fußspuren folgten später andere Fachleute nach Italien, wie Jörg Möller, Jan Witteveen oder auch Jan Thiel. Peter Dürr hat sich im Gegensatz zu vielen anderen Technikern nicht ausschließlich mit Rennsportmotoren beschäftigt. Statt dessen hat er auch viele Jahre Enduro-, Moto Cross- und Trial-Motoren entwickelt. Auch Motoren für Straßenmotorräder und Roller wurden von ihm konstruiert. So kam er zu einer prominenten Reihe von mehr als 10 italienischen Arbeitgebern, wie z. B. Aermacchi, Cagiva und Piaggio. Dabei sammelte er einen enormen Erfahrungsschatz, den er sogar später noch beim Beginn der historischen Rennsportszene verwenden konnte.

Carlo Perelli

Woher stammt Ihre Leidenschaft für Zweitakter und die Aversion gegen Viertakter?

Peter Dürr

Ich hatte nie wirklich etwas gegen Viertakter, schließlich bin ich selbst auf Ducati-, Mondial- und Aermacchi-Viertaktern Rennen gefahren. Aber am Beispiel von MZ hatte ich genau in der Zeit, als ich nach Italien übersiedelte, gesehen, dass die Zweitakter bei den kleineren Hubräumen dabei waren, mehr Leistung zu entfalten, als es die Viertakter je zuvor konnten. Deshalb habe ich mich für Zweitakter entschieden. Schließlich gab es in Deutschland Firmen, die die für Hochleistungsmotoren wichtigen Komponenten zu einem hohen technischen Niveau entwickelt hatten (KS, Mahle, INA, Dürkopp).

Carlo Perelli

Warum haben die italienischen Rennsporttechniker so lange gezögert, sich mit Hochleistungs-Zweitaktern zu beschäftigen?

Peter Dürr

Sie sind in einer Viertakt-Schule aufgewachsen, in der das Wissen immer weitergegeben wurde. Und sie haben die Zweitakt-Motoren stets bezichtigt, bei einem konkurrenzfähigen Leistungsniveau unzuverlässig zu sein und immer nur Kolbenklemmer zu produzieren. Langsam kam dann jedoch auch in Italien die Überzeugung, z. B. erst bei Aermacchi und dann bei Cagiva, dass man für den Erfolg im Rennsport am Zweitakter nicht mehr vorbei kommt. Schließlich benötigt die Entwicklung von Zweitakt-Rennmotoren Methode, Präzision und absolute Überzeugung, drei Eigenschaften, die es in den 60er Jahren bei den italienischen Entwicklern nur teilweise gegeben hat.

Carlo Perelli

Wie sah das damals bei den Japanern aus?

Peter Dürr

Sie haben deutsche Entwicklungen kopiert, und, um die Wahrheit zu sagen: Sie haben kaum etwas Neues erfunden.

Carlo Perelli

Wie bitte? Der Drehschieber, die Einlassmenbranen, gesteuerte Auslasssysteme …

Peter Dürr

Drehschieber- und Membraneinlass wurden in Deutschland lange vor dem Krieg erfunden. Gesteuerte Auslasssysteme sind kein Schritt in die richtige Richtung, weil sie immer mit Kühlungsproblemen verbunden waren. Um letztendlich die Wahrheit zu sagen, auch der Drehschieber und der Membraneinlass besitzen nicht nur Vorteile für die Leistungsentfaltung.

Carlo Perelli

Demontieren Sie da nicht gerade zwei Mythen?

Peter Dürr

Ich demontiere überhaupt nichts. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass der Drehschieber das Frischgas nur auf eine Seite des Pleuels leitet und damit die Frischgasverteilung im Kurbelgehäuse stört. Wohingegen die Einlassströmung, die durch Membranen geleitet wird, alles noch schlimmer macht, weil bestimmte Bereiche im Kurbelgehäuse nicht vom Frischgas erreicht werden. Dadurch wird eine sinnvolle Vergasereinstellung unmöglich gemacht. Das geht auf Kosten der Zuverlässigkeit.

Carlo Perelli

Aber warum haben heute alle Zweitakt-Motoren Membraneinlass?

Peter Dürr

Heutzutage profitiert der Membraneinlass in überaus großer Form von den digitalen Motorsteuerungen. Bei den heutigen Kleinmotoren, z. B. der Roller, sieht man diesen Vorteil eher nicht. Zum Beispiel beim Kraftstoffverbrauch und den Kosten entstehen eher Nachteile. Der klassische Zündapp Zweitakt-Motor Anfang der 60er Jahre leistete 4,7 PS und schaffte mehr als 30 km mit einem Liter Kraftstoff. Wie kann man also bei den heutigen Motoren von Fortschritt reden?

Carlo Perelli

Zusätzlich, gibt es noch etwas bei den modernen Großserien-Zweitaktern, was Sie für eine Fehlentwicklung halten?

Peter Dürr

Die Querschnitte der Überströmkanäle sind viel zu groß. So wird systematisch die Einströmgeschwindigkeit in den Zylinder reduziert. Hingegen haben die Japaner die Querschnitte systematisch klein gehalten, ganz besonders bei den kleinen Zweizylindern. Sie reduzieren damit auch ebenso systematisch die Außenabmessungen der Motoren. Italienische Entwickler sind diesem Beispiel nicht gefolgt, aber bei der Diskussion muss man sehen, dass es für beide Konstruktionsprinzipien Vor- und Nachteile gibt.

Carlo Perelli

Wie viele Überströmkanäle sollten es denn maximal sein?

Peter Dürr

Jeweils zwei seitliche und drei auf der Zylinderrückseite, auf keinen Fall mehr.

Carlo Perelli

In welcher Firma haben Sie sich am wohlsten gefühlt?

Peter Dürr

Bei Fantic, denn dort waren junge Leute in der Geschäftsleitung. Sie waren schnell im Marketing und bei den daraus resultierenden Entscheidungen. Ich rede selbstverständlich nur von der Zeit, als ich dort war. Bei Benelli gab es anfangs noch die Familie, dann übernahm de Tomaso und die Firmenleitung wurde völlig verrückt. Er stellte sich vor, man könne einen Motorradmotor in 10 Tagen entwickeln. Bei MV fühlte sich außerhalb des inneren Kreises niemand wohl. Und als Zweitakt-Entwickler fühlte man sich ausgeschlossen von all denen, die bisher Viertakt-Motoren entwickelt hatten. Bei Aermacchi war es sogar ganz ähnlich, aber die Stimmung in der Firma war wesentlich freundlicher als bei MV. Ich bin zurückgekehrt an den Lago di Varese, als sich die Firma total änderte, als sie von den Brüdern Castiglioni übernommen wurde und in Cagiva umbenannt wurde. Beide waren völlig anders als Domenico Agusta. Bei Piaggio gab es viel zu viele Besprechungen und selten führten sie zu Ergebnissen. In einer solchen Situation kannst du als Entwickler nur den Enthusiasmus verlieren. Aber das ist in allen großen Firmen so.

Carlo Perelli

Und auf der persönlichen Ebene? Wir waren die Beziehungen zu den Chefs?

Peter Dürr

Über de Tomaso habe ich schon gesprochen. Mit Boselli gab es immer Probleme in den Verhandlungen, wenn es um Budgets ging. Domenico Agusta hat die Firma geleitet wie ein absolutistischer Monarch. Ohne seine Zustimmung durfte niemand in der Firma auch nur ein Blatt Papier umblättern. Er war von übermäßigem Stolz besessen, aber er war auch abergläubisch. Er war der absolute Boss der Familie und der Firma. Wenn man von ihm zum Rapport bestellt wurde, musste man mit einer heiligen Geduld ausgestattet sein. Er ließ einen nämlich stundenlang warten, manchmal bis tief in die Nacht. Er war wie aus einem Albtraum. Einmal habe ich gemeinsam mit Giacomo Agostini, der zum allerersten Mal überhaupt in Cascina Costa war, auf den Termin bei Conte Agusta gewartet. Er ließ einen einfach grundlos warten, bis man irgendwann aufgerufen wurde.

Carlo Perelli

Kehren wir zurück zur Technik. Was waren die Vorzüge der Zündapp-Geländemotoren, die in den 60er Jahren überaus erfolgreich waren?

Peter Dürr

Die hatten überhaupt keine Geheimnisse. Sie basierten alle auf einem 50 ccm Motor und wurden bis auf einen Hubraum von 175 ccm vergrößert. Deshalb waren sie alle klein und leicht. (Man sollte wissen, dass es immer besser ist, größere Motoren von kleinen abzuleiten als umgekehrt.) Sie besaßen sehr kleine Zahnräder aus hervorragendem Material, passend zugeschnitten auf die kleinen Gehäuse, aber wenn man in die Zylinder geschaut hat: Die Überströmgeometrie war völlig normal, nichts Außergewöhnliches. Eins ist aber auch sicher: Man hat sich bei Zündapp um diese Motoren gekümmert wie um GP-Motoren.

Carlo Perelli

Die von Ihnen vorbereiteten Gilera 125 Sport Production waren wie "Torpedos". Es wurde aber auch diskutiert, dass die Verkleidung zu große Stirnflächen besaß. Was war das Geheimnis dieser Motorräder?

Peter Dürr

Wir haben uns einfach große Mühe gegeben, die passende Kombination von Zylinder und Kolben zu finden. Wir hatten immer sehr gut vermessene Gruppen von 10 bis 20 Teilen und haben die Zylinder mit Kolben gepaart, die am besten zueinander passten. Dabei ging es manchmal um die Toleranzen der Zylinderbohrung und um die Microgeometrie des Kolbens. Außerdem haben wir natürlich auf minimalen Kernversatz der Überströmer bei den Zylindergussteilen geachtet. Zudem war es oft sinnvoll, Gebrauchtteile wieder zu verwenden, die ihre Zuverlässigkeit bereits nachgewiesen hatten (z. B. Wälzlager und Zahnräder).

Carlo Perelli

Was sind die häufigsten Fehler der Zweitakt-Entwickler?

Peter Dürr

Sie schauen immer nur auf die maximale Leistung und kümmern sich nicht um alles andere. Wir wissen doch, was sie alle machen. Sie vergrößern einfach alle Kanäle und verändern die Steuerwinkel. Aber es ist unsinnig, z. B. ein einziges PS Spitzenleistung zu gewinnen, ohne sich um die Charakteristik der kompletten Volllastkennlinie zu kümmern. Wenn man das erstmal begriffen hat, weiß man, dass es wesentlich schwieriger ist, sich um die komplette Volllast zu kümmern. Wenn man das verstanden hat, wird die Entwicklerarbeit nämlich wesentlich komplexer.

Carlo Perelli

Gab es irgendwelche Projekte, die angefangen, aber nicht beendet wurden?

Peter Dürr

Das war nie meine Schuld. Ich erinnere mich z. B. an einen 350er Twin am Ende der 60er Jahre bei Aermacchi, als sie noch nicht komplett von Harley Davidson übernommen waren. Dann einen 125er Twin für Minarelli von 1973 und an einen 125er, der bei Piaggio 1992 entstehen sollte für eine neue Gilera, die in der Rennserie Sport Production eingesetzt werden sollte.

Carlo Perelli

Irgendwelche Fehler, an die Sie sich mit Bedauern erinnern?

Peter Dürr

Ein 250er Twin mit liegenden Zylindern, mit einem einzigen Drehschieber auf dem Gehäuse für MV. Die Einlasssteuerung hat überhaupt nicht funktioniert. Dann noch einen ähnlichen Drehschiebermotor als Einzylinder bei Fantic, der für GS und Moto Cross unpraktikabel war. Zu meinem Bedauern wurden einige Projekte aus Zeitmangel eingestellt, die durchaus erfolgreich hätten verlaufen können.

Carlo Perelli

Gibt es noch nicht realisierte Träume?

Peter Dürr

Mir hätte die Entwicklung eines 500er Zweitakt Dreizylinders gefallen, ohne Drehschieber- oder Membraneinlass, um zu demonstrieren, dass der klassische Zweitakt-Ladungswechsel zu hervorragenden Ergebnissen führen kann, ohne gleich einen Vierzylinder bauen zu müssen.


 

Kurzer Lebenslauf

  • Am 16. August 1939 wird Peter Dürr in München geboren.

  • 1957 Duer Startnummer 591957 besteht er seine Mechaniker-Prüfung und im gleichen Jahr fährt er seinen ersten Wettbewerb auf einem Zweitakt-Motorrad, einer 175er MAICO bei einem Grasbahn-Rennen. (siehe Foto rechts)

  • 1961 bekommt er einen Job bei Zündapp. Im gleichen Jahr kauft er in Italien eine 125er Ducati von Franco Farné für 700.000 Lire. Damit kann er zwei Ausweis-Rennen gewinnen: in Schleiz noch kurz vor dem-Mauerbau, und in München-Neubiberg.

  • 1962 kauft er wieder von Franco Farné eine Ducati Bialbero Gran Premio 125. Wegen der notwendigen Ersatzteil-Versorgung hält er sich immer häufiger in Italien auf.

  • Seit einiger Zeit arbeitet er an zwei eigenen Zweitakt-Motorrad-Drehschieber-Rennmotoren, die er bereits DRS genannt hat: einem 50 ccm-Motor, der 10 PS und einem 125er Motor, der 20 PS leistet.

  • Francesco Villa bringt Peter Dürr in Kontakt mit Conte Boselli aus der FB Mondial-Inhaber-Familie, der 1963 die beiden Motoren für - nach Peter Dürrs Erinnerung - wenige Hunderttausend Lire kauft.

  • Nun entscheidet sich Peter Dürr, seinen Lebensschwerpunkt nach Italien zu verlegen.

  • Er wird von FB Mondial als Techniker und als Fahrer verpflichtet.

  • Er arbeitet intensiv an einer neuen 125er Mondial Zweitakt-Rennmaschine, aber solange die noch nicht einsatzbereit ist, setzt er die DOHC Mondial 125er und 250er ein.

  • 1964 stürzt er mit der brandneuen Zweitakt-Mondial beim ersten italienischen 125er Meisterschaftslauf und bricht sich das rechte Handgelenk.

  • Conto Boselli verbietet ihm anschließend, die Zweitakt-Mondial selbst einzusetzen; da er ihn als "peparatore" wichtiger einschätzt.

  • Im weiteren Verlauf des Jahres 1964 übersiedelt FB Mondial nach Piacenza, aber Peter Dürr, der in der Zwischenzeit eine Italienerin geheiratet hat, zieht es vor, das "Kapitel Mondial" zu beenden und in Bologna zu bleiben.

  • Er entwickelt wieder einen eigenen 125er Drehschieber-Motor und bietet ihn MV Agusta an.

  • Conte Domenico Agusta ist interessiert und beauftragt Peter Dürr, eine 125er Rennmaschine für die italienische 125er Meisterschaft 1965 aufzubauen.

  • Dann fordert Domenico Agusta aber zusätzlich, dass diese 125er auch in der 125er WM erfolgreich eingesetzt werden muss, gegen die damals superstarken, alles dominierenden japanischen Marken: eine komplett unsinnige Forderung!

  • Peter Dürr beendet also die Arbeit für MV Agusta.

  • Er hat sich aber bereits einen Namen als Zweitakt-Experte in der italienischen Motorrad-Szene gemacht, und so wird er 1966 von Aermacchi mit einigen Projekten betraut wie zum Beispiel der Aletta 125 und der davon abgeleiteten Ala d'Oro 125, die einen beachtlichen kommerziellen und sportlichen Erfolg für die Firma aus Schiranna bedeuten.

  • Peter Dürr kann diese Erfolge für sich ausnutzen, indem er wieder selbst in den Sattel einer Rennmaschine steigt, einer Aermacchi Ala d‘Oro 250, also wieder einem Viertakter, auf der vormals sogar Renzo Pasolini einige Rennen gefahren haben soll.

  • Dem Technischen Leiter von Aermacchi, Alfredo Bianchi, gefällt diese Situation überhaupt nicht, zum Beispiel dass Peter Dürrs zwei kleinen Töchter während der Rennen in der Box anwesend sind. Peter Dürr akzeptiert die Entscheidung und hängt 1968 sein Leder an den berühmten Nagel, dieses Mal für immer.

  • Ein letztes Mal startet er bereits mit der 125er DRS in Vallelunga, aber seine Rennfahrer-Karriere endet mit einem technischen Ausfall.

  • Renzo Pasolini vermittelt ihn anfangs 1970 dann an Benelli.

  • Er arbeitet dort an der Entwicklung der beiden Zweitakt-Twins mit 125 ccm und 250 ccm für den normalen Straßenbetrieb.

  • Wenig später wird Benelli von Alejandro de Tomaso übernommen.

  • Peter Dürr und de Tomaso haben völlig unterschiedliche Meinungen über die Entwicklung der Benelli-Motorräder, und so verlässt Peter Dürr Benelli zum Jahresende 1972.

  • Er geht quasi nach Hause, denn er hat sich in Monte San Pietro bei Bologna eine eigene Werkstatt aufgebaut.

  • Von 1973 bis 1975 arbeitet er an seinem DRS 125 ccm Twin, und er assistiert bei etlichen Projekten wie den 125er Laverda Moto Cross-Motorrädern mit Husquvarna-Motoren, er betreut Minarelli 50 ccm - und 125 ccm - Werksmotorräder bei deren Einsätzen, er hilft beim Tuning von 125er Kart-Motoren, und er kümmert sich sogar um die Vorbereitung der Yamaha TZ-Maschinen der Scuderia Quadracci aus Terni.

  • 1975 nimmt er wieder eine Aufgabe in der Industrie an: Für fünf Jahre arbeitet er bei FANTIC an allen Zweitakt-Motoren, die dort entwickelt werden, für die Straße, für Gelände- und Moto Cross-Einsätze und sogar an Trial-Motoren. Viel Arbeit in fünf Jahren, die er überaus erfolgreich absolviert.

  • 1980 geht er zurück an den Lago di Varese, nur dass die Firma nun nicht mehr Aermacchi-Harley Davidson heißt, weil Harley in finanzielle Schwierigkeiten geraten war und Aermacchi an die Castiglioni-Brüder verkauft hat. Der neue Name Cagiva besteht aus den Initialen des Capo della Famiglia, Giovanni Castiglioni und dem Ortsnamen Varese.

  • Dort arbeitet er an den 125er Straßen- und Moto Cross-Motoren.

  • 1984 wird ihm ein Arbeitsvertrag bei Gilera in Arcore angeboten.

  • Dort beschäftigt er sich wieder mit vielen verschiedenen Motoren, die aber alle einen Hubraum von 125 ccm besitzen.

  • Dazu gehören auch die Rennmotoren für die Sport Production-Rennserie und für den Gilera 125-Cup. Alle seine Projekte verlaufen ausgezeichnet.

  • 1990 will ihn Cagiva zurück in die Rennabteilung holen, aber Peter Dürr beschließt, dass er "zu müde" geworden sei, um jedes Wochenende an einer anderen Rennstrecke zu arbeiten.

  • Ab 1991 beschäftigt er sich in seiner Werkstatt mit Motorprojekten für Piaggio, und nun geht es nicht mehr um Leistung, sondern um minimierten Kraftstoff-Verbrauch; besonders im Betrieb mit "Autogas". Die Motoren hätten in umweltfreundlichen Zweiradern ("con motore due tempi ecologico") unter dem Gilera-Logo eingesetzt werden sollen, aber bald darauf schließt Piaggio 1993 das Gilera-Kapitel erst einmal komplett ab.

  • Lucio Masut, der vormalige Technische Leiter von Gilera, wechselt 1992 zur Konzern-"Mutter" Piaggio nach Pontedera und lässt Peter Dürr dort an diesen Konzepten weiter arbeiten. Es entsteht aber auch noch einmal ein neues Konzept für einen letzten Gilera 125 Sport Production-Einsatz. Alle Projekte für umweltfreundliche Scooter-Zweitakt-Motoren werden nach und nach aufgegeben, obwohl Peter Dürr eine Fülle von Vorschlägen für deren technische Realisierung unterbreitet hatte. Nach seiner späteren Einschätzung kam es mit keinem derartigen Motor zu einer Serienproduktion, weil alles mit Kosten verbunden war, die in dem Preissegment nicht an die Kunden weitergereicht werden konnten. (Anmerkung: Man könnte aus heutiger Sicht auch sagen: Mit Viertaktern ging das alles viel einfacher, ohne großen technologischen Zusatz-Aufwand.)

  • 1997 kehrt Peter Dürr nach Monte San Pietro zurück, und er beschäftigt sich weiter in aller Ruhe mit seinen Ideen für den umweltfreundlichen Zweitakt-Motor.

Duer EisrennenPeter Dürr hat in seiner aktiven Zeit auch Eisrennen bestritten.
Auf dem Foto sieht man ihn (Startnummer 17) in Führung liegend auf einer von ihm vorbereiteten 250er DKW.


1959 Peter Dürr DKW 125Peter Dürr 1959 nun im Straßenrennsport auf einer von ihm modifizierten DKW 125

1961 Ducati FreiburgEndlich fährt er 1961 echte Rennmotorräder, wie hier am Start beim Freiburger Bergpreis. Er wurde Dritter in der 125er Ausweisklasse. Um erfolgreich zu sein, musste er aber noch auf Viertaktern antreten, wie der hier gezeigten Ducati 125 Gran Sport, die er von Franco Farné gekauft hatte. Nach dessen Aussage verfügte der Motor über 15,5 PS bei 12.000 1/min. Farné hatte seine Motoren mit Doppelzündung ausgestattet, Peter Dürr hat sein Motorrad mit einer Amadoro Doppelsimplex-Bremse nachgerüstet. Am Ende der Saison war er Zweiter im deutschen 125er Junioren-Pokal.

1961 Fahrerlehrgang bei Honda1961 gab es einen in Zusammenarbeit mit der deutschen Honda-Niederlasssung organisierten Fahrerlehrgang auf dem Nürburgring, bei dem Luigi Taveri und Bert Schneider als Instruktoren eingesetzt wurden. Man sieht Peter Dürr als Zweiten von rechts mit der Startnummer 35.

1963 Monza Dürr VillaEin Foto mit großer historischer Bedeutung: der erste Test in Monza 1963 mit der von Peter Dürr selbst entwickelten 125er mit Drehschiebermotor. Peter Dürr steht neben dem Motorrad und Francesco Villa beobachtet ihn. Rechts steht der Mondial-Techniker Omer Melotti. Der Test verlief positiv, weil die 20 PS des Drehschiebermotors bei 10.500 1/min den 17 PS bei 12.000 1/min der DOHC Mondial deutlich überlegen waren. Zudem wog Dürrs Eigenbau nur 85 kg und damit 15 kg weniger als die Mondial. Conte Boselli hat das Motorrad anschließend gekauft.

1963 HockenheimBevor die Zweitakt-Mondial rennfertig eingesetzt werden konnte, fuhr Peter Dürr weiterhin die Bialbero-Mondial. Auf dem Foto von Hockenheim 1963 wird er außen von Tarquinio Provini auf der legendären Morini 250 überholt. Die 250er Mondial hatte einen Motorschaden im Training, sodass Peter Dürr im 250er Rennen die 125er einsetzte, um das Startgeld zu bekommen.   

1964 in ModenaEndlich ist die 125er Drehschieber-Mondial auf der Piste. Peter Dürr mit der Startnummer 69 führt das Feld an vor Franco Farné (Ducati, Startnummer 72), Giuseppe Mandolini (Mondial Bialbero) und Giuseppe Visenzi (Honda CR 93).  

1965 Walter Villa testet die von Peter Dürr entwickelte 125er MVWalter Villa testet die von Peter Dürr entwickelte 125er MV in Cesenatico. Der Motor besaß einen wassergekühlten Zylinder, einen luftgekühlten Kopf, einen Vergaser mit 30 mm Durchlass und ein 7-Gang-Getriebe. Anfangs schaffte er die von Domenico Agusta geforderten 21 PS bei 10.000 1/min, und bis zur Einstellung des Projekts konnte die Leistung auf 23 PS gesteigert werden.  

1967 letzte Version Einzylinder DRSDie letzte Entwicklungsstufe des von Peter Dürr entwickelten 125er Zweitakt-Einzylinders entstand in seiner eigenen Werkstatt und wurde DRS genannt. 1967 konnte man sie für 1 Million Lire kaufen. Es entstanden 8 Exemplare. Peter Dürr nannte 22 PS bei 10.800 1/min, wenn ein Vergaser mit 29 mm Durchlass verbaut war. Die letzten Motoren konnten auf 24,8 PS bei 11.000 1/min gebracht werden, wenn zu dem Zweck ein 34er Vergaser eingesetzt wurde. Das Gewicht des rennfertigen Motorrads betrug 87 kg. 

Aermacchi Ala dOro 1251967 entstand bei Aermacchi die Ala d‘Oro 125, die auf dem Straßenmodell Aletta basierte. Damit gewann Silvano Bertarelli 1969 die italienische 125er Meisterschaft. Sie leistete 20 PS bei 11.000 1/min und hatte damit eigentlich nur die gleiche Leistung wie Peter Dürrs erster Drehschiebermotor von 1963. Zwischen 1969 und 1972 wurden 207 Exemplare verkauft.  

1969 Kel CarruthersKel Carruthers konnte damit 1969 einen hervorragenden zweiten Platz bei der Ultralightweight-TT belegen. In dem Jahr wurden die Werksmotoren mit 27 PS kalt gebremst, wovon bei warmem Motor 24,5 PS übrig blieben. 1969 gab es die im Folgejahr gültige 6-Gang-Beschränkung in der 125er Klasse noch nicht, sodass Aermacchi die Anzahl der zur Verfügung stehenden Getriebeübersetzungen mit einem 2-Gang-Vorgelege verdoppelte.

1973 Dürr. Pileri 1973 DRS 125 Zweizylinder
Peter Dürr steht neben dem DRS 125 ccm Twin von 1973. Im Sattel sitzt Paolo Pileri, der 125er Weltmeister von 1975. Mit der DRS wurde er 1973 Dritter in der italienischen 125er Meisterschaft.
Nachdem Pileri zu Morbidelli gewechselt war, fehlte Dürr das Geld für die Weiterentwicklung des DRS Twins, da er keinen Sponsor finden konnte.
Mit zwei 28er Vergasern leistete der Motor 33 PS (am Hinterrad) bei 17.000 1/min. Das Motorrad wog 85 kg.

125er Aletta RossaZu Beginn der 80er Jahre kehrte Peter Dürr zum Lago di Varese zurück. In der Zwischenzeit nach seinem ersten Job bei Aermacchi hatte sich der Firmenname zu Cagiva gewandelt. Hier sitzt er auf der 125er Aletta Rossa, und hinter dem Motorrad steht Paolo Liguori von der Cagiva-Entwicklungs-Abteilung.  

DRS 80Peter Dürrs letzte selbstgebaute Rennmaschine, die DRS 80, hier im Einsatz in Misano mit Aldo Simonetti. Sie ist eine Weiterentwicklung des 125er Zweizylinders von 1973, der nur den unteren Zylinder beibehielt, der aber auf 72,5 ccm vergrößert wurde. Leistung 20 PS bei 13.000 1/min. Es war leider nur ein kurzlebiges DRS-Projekt, da die 80er Klasse nach der 1989er Saison eingestellt wurde.  

1999 Duer TitelIn seiner Zeit bei Gilera in den 80er Jahren hat Peter Dürr die Motorräder des 125er Gilera-Cups vorbereitet. Auf dem Foto sieht man Luca Conti (Startnummer 5) an der Spitze.

Text: Carlo Perelli
Bearbeitung: Peter Frohnmeyer, Sieglinde Zerwer
Fotos: Archiv Dürr, Archiv Edisport, Archiv Frohnmeyer
Vielen Dank an Karl-Heinz Bendix für die Übersetzung aus dem Italienischen und die fachliche Beratung.

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