Im Bücherregal:
Die große Zeit der Big Four

 

Motorräder in DeutschlandBekanntermaßen weiß niemand, wie die Motorradwelt heute aussehen würde, hätte Honda nicht 1968 die legendäre CB 750 Four auf den Markt gebracht. Sie läutete die japanische Zweiradinvasion auch in Deutschland ein, die ab 1970 nicht nur zu technischen Meilensteinen, sondern auch zu einer nahezu unübersehbaren Modellflut führte. Diesem Jahrzehnt und den beiden danach widmet sich ein umfassendes Werk aus dem Motorbuch-Verlag mit dem schlichten Titel „Motorräder in Deutschland: Japanische Marken 1970–2000“.

Es waren tatsächlich nur vier Japaner: Honda, Kawasaki, Suzuki und Yamaha prägten bis zum Jahrtausendwechsel den Markt mit einer Unzahl von Modellen, die teilweise nur ein oder zwei Jahre überhaupt angeboten wurden. Und das Suzuki es in den 1990er Jahren sogar zum Marktführer brachte, ist heute kaum noch zu glauben. Es war auch jene Zeit, in der die Motoren „schneller waren als das Fahrwerk“. Lenkerflattern und Hochgeschwindigkeitspendeln sowie eine viel zu lasche Federung waren Begriffe, die auch am Stammtisch ihre Runde machten.

Joachim Kuch führt in seinem Buch recht übersichtlich durch diese Zeit. Er ordnet seine Rückschau markenspezifisch nach Hubraum und Motorenbauart, vom Einzylinder mit 100-Kubik-Zweitakter bis zum 1,6-Liter-Sechszylinder. Diese Chronologie macht Sinn. Von nahezu jedem japanischen Motorrad jener Epoche in Deutschland gibt es ein Foto. Nicht immer ist in der Bildunterschrift die genaue Modellbezeichnung der abgebildeten Maschine angegeben, aber nicht zu übersehen.

Launige Bemerkungen lockern den Text auf, etwas wenn es heißt: „Als es sich nicht mehr gab, hat keiner ihr Verschwinden bemerkt“,    „... zehn Kilogramm leichter und hundert Prozent schöner“ oder „... wurde von jedem deutschen Kleinkraftrad überholt“. Und die 1996 erschienene Kawasaki ist für Joachim Kuch „ein außerdentlich zierliches Motorrad mit einer an Selbstverleugnung grenzenden Unauffälligkeit“. Jedem Unterkapitel schließt sich eine umfangreiche Datentabelle an, die selbst die Generatorleistung aufführt. Zu guter Letzt ereichtert ein Index für späteres Nachschlagen die Orientierung.

Angesichts der Fülle an Details schmälern drei, vier Nachlässigkeiten wie eine zu hohe genannte Leistung oder ein fehlendes Modell in einer Tabelle sowie eine abgebildete 250er statt 350er den Wert nicht. Einmal mischen sich auch zwei in Deutschland nie gezeigte Prototypen dazwischen.

Der Verfasser dieser Zeilen jedenfalls fand nicht nur seine Fahrschulmaschine (sogar im richtigen Farbton), sondern alle seine weiteren japanischen Motorräder. Und wie ihm dürfte es vielen Lesern gehen, die sich unter dem Motto „Ach ja, die gab es ja auch noch“ plötzlich wieder an das eine oder andere Modell erinnern, das sie eigentlich schon vergessen hatten.

„Motorräder in Deutschland: Japanische Marken 1970–2000“ von Joachim Kuch ist im Motorbuch-Verlag erschienen. Das Buch hat 392 Seiten mit 600 Abbildungen und kostet 49.90 Euro. (cen)


Text: Jens Riedel, cen, Foto: Autoren-Union Mobilität/Motorbuch-Verlag