Wie alles anfing: An einem tristen November-Nachmittag, bei einem Spaziergang mit meiner Frau in Tegernsee, u.z. in etwas eingetrübter Stimmung im Hinblick auf den absehbaren Ruhestand, erörterten wir Pläne für zukünftige Aktivitäten. Angeregt durch den Besuch der letzten VFV-Veranstaltung in Schleiz überlegten wir, ob Sport mit klassischen Rennmaschinen eine attraktive Möglichkeit sein könnte. Am Bahnhofs-Kiosk kaufte ich später die aktuelle Ausgabe von MOTORRAD – und darin wurde eine Manx-Norton annonciert. Der Preis war stolz, aber das Gerät war, wie ein Anruf sogleich ergab, noch zu haben. Zusammen mit meinem Freund Klaus fuhren wir im Dezember nach München, um mit dem Besitzer der Manx, dem bekannten ex-Gelände-Fahrer Karl Ibscher, den Erwerb der Maschine zu erörtern. Per Handschlag wurde vereinbart, im Januar das Gerät zu übernehmen; bis dahin musste noch etwas „angespart“ werden. Zum vereinbarten Termin hatte Ibscher noch einen Vertrauten hinzugebeten: Louis Schneider. Dieser sollte aufpassen, dass alles rechtens über die Bühne ging, weil die beiden Gäste ja noch unbekannte Fremde waren, denen man nicht so ohne weiteres trauen konnte. Zu dem Procedere gehörte unter anderem unser Wunsch, dass wir die Maschine auch mal laufen sahen, oder besser: zumindest einmal hören konnten. Louis hatte für unser Begehren volles Verständnis, und er sorgte sogleich dafür, dass die Initial-Zündung vielleicht in der Werkstatt bei den Ilmbergers erfolgen könnte, einer mit ihm befreundeten Familie, in der Vater und Sohn bekannte Rennfahrer waren. Dort wurden, es war immerhin Sonntag, alle Garagen-Tore geschlossen, und nach mehreren Versuchen erschallte endlich ohrenbetäubend und sinnesbetörend der legendäre Nor-Ton. Louis sei Dank, perfekt!
Wie es weiterging: Louis war ein enger Vertrauter von Karl Ibscher, sozusagen dessen motorsportlicher Ziehsohn. Ihm vertraute Ibscher zunächst leihweise seine BMW-RS 54 an, und mit dieser Maschine hatte Louis erstmals 2001 in Most gemeldet. Allerdings verhinderte ein Schaden im Antriebsstrang, der im Training aufgetreten war und nicht vor Ort behoben werden konnte, einen Start im Wertungslauf. Bis zum Lauf in Schleiz war die Maschine wieder hergerichtet; im Training lief alles glatt: Mit einer schnellsten Runde von 118,11km/h war Louis Vierter, doch kam er wegen eines technischen Defekts während des Wertungs-Laufes nicht ins Ziel. Letzteres wurde besonders vom Bayerischen Fernsehen sehr bedauert, das vor allem wg. Ibschers Maschine vor Ort erschienen war. Die technischen Probleme plagten Louis auch noch in Schotten und Hockenheim, und zwar jeweils bereits im Training. Es dauerte eine Zeit, bis die Schwachstellen eine nach der anderen ausgemerzt werden konnten. Das war schließlich besonders verdienstvoll und erfreulich auch deshalb, weil die Maschine lange Zeit die einzige Solo-RS im Starterfeld war. Die erfolgreichste Saison war für Louis das Jahr 2007, als er in Klasse K die Jahres-Endwertung mit Platz 2 abschließen konnte.
Auf der damaligen Meisterfeier in Schotten reagierte er etwas indigniert, weil der Moderator fälschlicher Weise einen anderen Fahrer-Kollegen als den ältesten Teilnehmer bezeichnete.
Einmal hatten Louis und ich in Schleiz einen „Schlachtplan“ ausgeheckt, wie wir im Training gemeinsam für jeden von uns einen guten Start-Platz herausfahren könnten. Das Konzept war absolut erfolgversprechend, scheiterte aber bereits in der zweiten Runde, als mir kurz vor der Ortseinfahrt von Oberböhmsdorf das Stromkabel von der Batterie runterfiel…
Im Fahrerlager standen wir häufig nebeneinander. Von ihm hatte ich auch den sehr ordentlichen Stellplatz in der Seestraße von Schotten „geerbt“, im Vorgarten der damaligen Familie Müller, auf festem Boden, mit unmittelbarem Zugang zur Fahrerlager-Kurve.
Vor seinem Ableben hat Ibscher die RS seinem „Gesinnungs-Sohn“ als Eigentum übereignet. Dieser verkaufte die Maschine nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn innerhalb Deutschlands. Von hier aus gelangte das Motorrad nach Schweden. Dort entdeckte es Louis bei einer Präsentations-Veranstaltung und verbrachte einige Tage damit, in der Nähe „seiner“ Maschine zu sein und dem neuen Besitzer den einen und anderen Tipp zu geben. Inzwischen scheint die Maschine in die USA gelangt zu sein.
Louis war ein lebenserfahrener, kenntnisreicher und sehr humoriger Freund, im Weiteren ein knorriger „Ur-Bayer“, der seine Meinung selten „hinter dem Berg“ hielt. Gelernt hatte er Metzger und kam nach verschiedenen beruflichen Zwischenstationen 1971 zu BMW, wo er bis 1988 tätig war. Motorradfahren und Reisen waren neben Skifahren seine intensiv ausgeübten Leidenschaften. Sein soziales Umfeld war denn auch wesentlich geprägt von der Einbindung in den Automobil-Club München (ACM von 1903) und dessen Aktivitäten sowie die enge Freundschaft etwa mit Helmuth Dähne, mit dem zusammen er häufig auf der Straße und im Gelände unterwegs war. Mit ihm gemeinsam organisierte er auch mehrere Jahre die Dolomiten-Rallye. Zu seinem 80. Geburtstag kamen an die 100 Gäste.
Gern erzählte Louis die Geschichte, wie er – der Einsamkeit nach dem Tode seiner Frau Barbara überdrüssig – ein Partnerschafts-Institut kontaktierte und dort als erstes nach seinem Alter gefragt wurde. „Was, Sie sind über 70? Das geht schon gar nicht! Wir machen Sie zu einem 68-Jährigen!“ Damit hatte er prompt Erfolg, traf er doch dadurch Christel Held, seine dann langjährige Gefährtin - die in Bezug auf ihr eigenes Alter von demselben Institut eine ganz ähnliche „Verjüngung“ erfahren hatte…
Wie es zu Ende ging: Vor geraumer Zeit berichtete mir Louis am Telefon, er habe seine Straßen-BMW beim Aufbocken nicht halten können; sie sei umgefallen und er habe sich dabei den Oberschenkel gebrochen. Das war anscheinend nicht der Auslöser, aber doch einer der Anfangsmomente einer längeren Leidensgeschichte, die durch mehrere Symptome geprägt war. Am Ende dieser Kette ist Louis am 4.Juli erschöpft und selbstbestimmt eingeschlafen. Er wurde 91 Jahre alt. Seine Urne wurde Ende Juli auf dem Ostfriedhof in München im Beisein einer großen Trauergemeinde beigesetzt. Die Trauer-Rede hielt Helmuth Dähne.
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