Inhalt und Ablauf der Veranstaltung: Wie bereits seit geraumer Zeit so markierte Hockenheim auch dieses Jahr das Ende der DHM-Saison. Freilich konnten Corona-bedingt nur zwei Läufe insgesamt durchgeführt werden, neben Hockenheim noch Schleiz. Auch wenn dadurch Vergleichsmöglichkeiten kaum bestehen, kann doch – sozusagen unter absoluten Maßstäben – festgehalten werden, dass es sich bei Hockenheim-Classics um einen Höhepunkt gehandelt hat: Das Nennungsergebnis war überwältigend; im Fahrerlager und in den Boxen herrschte drückende Fülle; außer den Motorrad-Klassen der DHM, den Autos der VFV-GLPpro und des Trabant RS Cup sowie den Motorrad-Klassen der International Historic Organization (IHRO) und der Vintage Schweizer Meisterschaft (FHRM), im weiteren auch einem Sonder-/Präsentationslauf, standen erstmals auch die Starter der „Interessengemeinschaft e.V. Königsklasse“ im Programm. Diese richtet seit geraumer Zeit eine internationale Zweitakt-Meisterschaft aus, und zwar für GP-Maschinen mit 125, 250 und 500cc sowie Viertel-Liter-Sportmaschinen, außerdem Moto 3; damit werden „richtige“ Rennen ausgetragen, zwar gemeinsam gestartet, aber getrennt gewertet nach Hubraum und Kategorie der Maschinen.
In allen Wettbewerben, die begleitet wurden durch die kenntnisreiche Streckenreportage von Bernd Boullion, gab es sehenswerten Sport, zumal das Wetter mitspielte und es lediglich am Samstag mal einen kurzen, wenngleich heftigen Regenguss gab, der den Sonderlauf traf und viele der Fahrer schon nach der ersten Runde zurück in die Box trieb, nicht zuletzt deshalb, weil es gleich einen Sturz gegeben hatte. Am Sonntag ereignete sich leider bei den Gespannen C+Y+Z ein schwerer Start-Unfall. Das machte den sofortigen Abbruch des Laufes notwendig. Um die medizinische Versorgung der drei Verletzten schnellstmöglich zu gewährleisten, musste ein Hubschrauber angefordert werden. Dadurch kam es zu zeitlichen Verzögerungen im Programm-Ablauf. Wegen bestehender Vertragsverpflichtungen musste dafür Sorge getragen werden, dass die Auto-Klassen sowie die FHRM- Fahrer noch auf jeden Fall zum Zuge kämen. Dadurch war für den zweiten Wertungslauf von C+Y+Z sowie für A+R und M+S+F kein Zeitfenster mehr verfügbar. Um in der Wertung über alle Klassen eine hinreichende Gleichheit herzustellen, konnte schließlich für *alle* Klassen nur jeweils der erste Wertungslauf für die Ergebnis-Listen herangezogen werden. All diese Umstände führten zu verständlichem Unmut unter den Fahrern – was jedoch den Umständen entsprechend unvermeidbar war. Auch im Nachhinein, also ohne den Stress, in einer angespannten Situation handeln zu müssen, haben die Verantwortlichen letztlich alles richtig gemacht. Dazu gehören nicht zuletzt die erklärenden Einordnungen von Seiten unserer GL-Leitung.
BeobachtungenI: Das Verschwinden des Alten: In den in Rennrichtung letzten Boxen waren die Maschinen für den Sonderlauf untergebracht. Hier stand u.a. beispielsweise das wohl wertvollste Motorrad überhaupt, das in Hockenheim vorgeführt wurde, nämlich eine der 500er-Vierzylinder Gileras, mit der Libero Liberati 1957 die Weltmeisterschaft gewonnen hatte, mit erkennbaren Gebrauchsspuren. Der Besitzer hatte eingeräumt, dass nicht mehr sicher ermittelt werden könne, ob nicht auch einer der anderen Werksfahrer das Gerät piltotiert hätte, also etwa McIntyre oder Bob Brown. Gleichwohl akzentuierte die Patina die beeindruckende Historie. Daneben fanden sich eine Einzylinder-Saturno, eine bildschöne 200er-MV Agusta, eine AJS Boy Racer, eine Standard Rex Sport, eine Guzzi Dondolino, eine Ladepumpen-DKW, eine Velocette KSS, zudem die um den Motor der ex-Recktenwald von den Killians wieder aufgebaute Norton Manx usw. usf. ABER: Unter den Besuchern, die sich diese Preziosen ehrfürchtig anschauten, waren hauptsächlich „ältere Semester“, soll heißen: vorwiegend jene Altersgruppen, die seinerzeit die betreffenden Maschinen in Aktion gesehen hatten. Jüngere Jahrgänge, also etwa solche aus dem nicht eben weit entfernten VFV-Motorrad-Standplätzen im Fahrerlager, waren eher selten zu sehen.
Was bedeutet das? Der seit längerem bereits beobachtbare Trend, wonach mit den älteren Maschinen auch eine Generation von „dazu gehörigen“ Personen verschwindet, scheint sich auch an diesen (gewiss: unsystematischen) Beobachtungen widerzuspiegeln. Weder eine BMW-RS 54 noch eine der früheren DKW- oder Horex-Werks-Renner war zu sehen, keine der ehemals zahlreichen 125er Maicos oder Zwei-Zylinder Adlers. Demgegenüber hatte vor zwei Jahrzehnten das Feld in der damaligen „Königs-Klasse“, also bei den Halbliter-Maschinen rund 50 Starter gegenüber lediglich 14 heute umfasst! In J waren die Verhältnisse mit 40 zu 14 ähnlich drastisch.
Die Nenn-Liste von Hockenheim 2001 in K |
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Diesem Schwund von Fahrern und Material aus den „Goldenen Fünfzigern“ hat die DHM-Leitung unter anderem durch die Schaffung jüngerer Klassen wie z.B. B und M entgegengewirkt und damit das Raster in Betracht kommender Maschinen neu justiert.
BeobachtungenII: Professionalisierung: Ein paar Boxen weiter war ein gesonderter Verschlag aufgebaut worden, in dem nicht nur stapelweise Reifen bereit lagen, um je nach den momentanen Gegebenheiten aufgezogen zu werden, sondern mehrere Experten mit einigem ektronischen Gerät damit befasst waren, die Motoren der herumstehenden Motorräder zu optimieren. Ein Irrweg, mögen manche Zaungäste meinen, aber solche Assistenz-Systeme sind für die neueren Maschinen (oder sagen wir: die weniger alten), wie sie nunmehr auch zum Programm gehören, einfach unentbehrlich.
Zu den gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen
Im Hinblick auf das Nennungsergebnis und die organisatorische Abwicklung der Veranstaltung war alles wie gewohnt „in Ordnung“. Freilich stellt sich die Sachlage bei einer Erweiterung des Blickes und dessen Einbettung in das gesellschaftspolitische Umfeld als heikel dar.
In der Öffentlichkeit wird aktuell nicht nur in unserem Land verstärkt die überaus ernste Bedrohung der Erde durch den menschen-gemachten Klimawandel diskutiert, letzterer verursacht insbesondere durch den Ausstoß von Kohlendioxyd. Neben industriellen Anlagen zählen die Verbrennungs-Motoren in Automobilen und Motorrädern zu den wichtigsten Emittenten. Um die international angestrebten Ziele der Dekarbonisierung zu erreichen, wurden in der internationalen Politik ehrgeizige Ziele beschlossen; dazu zählen vorrangig der Ausstieg aus dem Kohle-Abbau und der Umstieg von Verbrennungs- auf E-Motoren, die ihrerseits von „grünem“ Strom betrieben werden sollen. Einige Hersteller befassen sich intensiv mit den Möglichkeiten und der Entwicklung synthetischer Kraftstoffe, andere haben bereits angekündigt, in einigen Jahren nur noch E-Fahrzeuge herzustellen; die EU überlegt, in absehbarer Zukunft alle Verbrenner im Straßenverkehr zu verbieten. Sollen die ebenso unabdingbaren wie ambitionierten Zielvorgaben, die wegen der progressiven Verschlechterung des Klimas in jüngster Vergangenheit bereits „nachgeschärft“ wurden, erreichbar sein, wird es in *allen* Bereichen von Wirtschaft und Verkehr einschneidende Maßnahmen geben, um wenigstens das Schlimmste abzuwenden. Auch vermeintlich weniger gravierende Verschmutzungsquellen werden nicht umhin kommen, genauer in Augenschein genommen zu werden und gezwungen sein, ihren Beitrag zur Verminderung von CO2-Emissionen zu leisten.
Vor diesem Hintergrund wirken Veranstaltungen wie Hockenheim-Classics notgedrungen anachronistisch, wie aus der Zeit gefallen.
Hier handeln die Akteure weiter wie in der Zeit, als die anstehende Bedrohung allenfalls als Fiktion angesehen wurde, ganz zu schweigen etwa von der Notwendigkeit von Verhaltensänderungen. Allerdings haben sich zwischenzeitlich die Rahmenbedingungen drastisch verschlechtert; klimatische Ereignisse wie Unwetter, Stürme, Überflutungen, Dürreperioden, Waldbrände usw. sind Indikatoren für die über uns bereits hereinbrechende globale Katastrophe. Es bedarf deshalb dringender Maßnahmen, damit - und ggf. wie - Veteranen-Motorsport auch in Zukunft ausgeübt werden kann bzw. richtiger wohl: ausgeübt werden *darf*.
Bei der Frage, wie diese ggf. aussehen könnten, tut sich sogleich ein fast unlösbares Dilemma auf: Unser Sport stützt sich per Definition auf Fahrzeuge aus der *Vergangenheit*, er ist damit sozusagen „rückwärts“ gerichtet, auf eine verflossene Zeit, die es technisch (und auch ein wenig stilistisch und sozial und modisch) zu bewahren und zu pflegen gilt. Diese Perspektive ist mit dem nach „vorn“ Gerichteten, der Zukunft und der Veränderung, prinzipiell unvereinbar. Aus dieser Unvereinbarkeit resultiert innerhalb des bevorstehenden Jahrzehnts als äußerste Bedrohung eine einschneidende Begrenzung unserer Aktivitäten, wenn nicht gar deren generelles Verbot.
Initiativen: Im Wesentlichen haben sich bislang zwei Gremien mit den angedeuteten Misslichkeiten befasst:
Die Satzung der „Federation Internationale de Vehicule Ancien (FIVA)“ enthält als Ziel, Veteranen-Fahrzeuge als Kulturgut zu schützen, diese in ihrem ursprünglichen Zustand zu erhalten, zu bewahren und weiterhin auf der Straße in Aktion vorzuführen.
Die „Legislation Commission“ der FIVA versucht, Ausnahmeregelungen mit den einzelnen EU-Ländern zu erreichen, um den weiteren Betrieb der Oldies auf Straßen zu ermöglichen.
In Deutschland wird die entsprechende Arbeit im FIVA-Ableger „Automobiles Kulturgut“ des Parlamentarischen Arbeitskreises (PAK) geleistet. Beispiele für die dabei auftretenden Probleme bzw. gesuchten Lösungen finden sich in der VFV-Info 2/2021, wo es um Abblendlicht und Tachos bei Oldtimern geht.
Der VFV ist Gründungsmitglied des PAK, Mitglied in der „Arbeitsgemeinschaft Historische Fahrzeuge“ und vertreten in der Motorrad-Kommission der FIVA.
Eine Unterkommission des PAK hat unlängst z.B. „ den Antrag bei der UNESCO gestellt, das gesamte `Paket` Oldtimer zum immateriellen Kulturgut des Weltkulturerbes zu ernennen. Dieses sehr komplexe und schwierige Verfahren wurde leider von der UNESCO wegen Verfahrensfehler zurückgewiesen. Aus Fehlern lernt man, und in Kürze wird ein neuer Antrag erstellt.(…) Was die Zukunft bringen wird, wird ganz erheblich vom Ausgang der anstehenden Wahlen abhängen“ (F.J. Götze, schriftl. Mitteilung vom 14.9.21).
Wie richtig die letztere Aussage ist, mag aus einem Beitrag in „Oldtimer Markt“ über die Positionen der politischen Parteien zu Oldtimern hervorgehen. In einer Umfrage wurden sehr deutliche Unterschiede sichtbar („Das Kreuz mit dem Kreuz“,s. Heft 9, September 2021).
Zurück zu dem o.a. Antrag an die UNESCO: In Unkenntnis der Inhalte des noch zu stellenden Neu-Antrages und dessen Schicksal in den dafür zuständigen Instanzen muss zunächst offen bleiben,
- ob neben den in erster Linie betroffenen Autos auch die Motorräder als Kulturgut geschützt werden,
- und falls ja: welche davon,
- und wenn von „Straßen“ gesprochen wird, ob dieses auch für Rennstrecken gilt
- und nicht zuletzt: ob darauf mit dem geschützten Kulturgut auch Wettbewerbe ausgetragen werden dürfen.
Da an den Oldtimern kaum Modernisierungen vorgenommen werden können (und diese gerade wegen der Bewahrung des historischen Zustandes auch nicht vorgenommen werden *sollten*), um sie „zukunftssicher“ zu gestalten, ist die Idee des „Kulturgutes“ absolut bestechend und sozusagen *alternativlos*.
Dem unbedarften Autor dieser Zeilen erschließt sich freilich nicht unmittelbar, warum ein Oldie „immateriell“ ist, wo daran doch konkret geschraubt und damit auch gefahren werden kann. Aber sei`s drum:
So lange die oben aufgelisteten Fragen nicht geklärt sind, können wir alle nur hoffen, und wir sollten uns - so lange es noch möglich und erlaubt ist - an unserem Sport noch mehr als bislang freuen!
N.B. Ich danke Gerhard Fischer für seine Bemerkungen und Anregungen zu einer früheren Fassung.
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