Die obigen Worte fielen Ende Februar in seiner Garage, als er außer seinen drei Solo-Maschinen und zwei Ersatzmotoren eine Vielzahl von Ersatz- und Kleinteilen zusammen packte, um alles in seinem Transporter zu verstauen; die Fahrt würde nach München gehen. Dort habe er einen Interessenten gefunden, dem er das gesamte Material als „Paket“ verkauft habe und es jetzt dorthin liefere. Die besondere Note dabei war, dass Fischer einen bedeutsamen Teil dieses Materials früher von eben dort erst erworben hatte. Ich bin mit ihm nach München und zurück gefahren. Dabei kam mir der Gedanke, Gerhards Rückzug von motor-sportlichen Wettbewerben (an Präsentationsläufen wird er auch weiterhin teilnehmen) zum Anlass für die vorliegende Würdigung zu nehmen, die man unter Sportkameraden durchaus wohlmeinend und mit etwas Schalk auch als „Nachruf“ (auf einen Zeitabschnitt) bezeichnen könnte.
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Das „Paket“ der Solo-Maschinen |
Ja, Gerhard Fischer ist, wie viele aus dem Fahrerlager wissen, ein langjähriger Weggefährte und guter Freund von mir, im weiteren war er ein überaus sachkundiger Schrauber an meiner seinerzeitigen Manx, ohne dessen tatkräftige Unterstützung es mir kaum möglich gewesen wäre, während meiner sog. „aktiven Zeit“ bei jedem anstehenden VFV-Lauf an den Start zu gehen. Diese persönliche Nähe lässt aus verständlichen Gründen sofort den Verdacht aufkommen, dass der hier vorliegende Beitrag grundsätzlich und die darin gewählten Formulierungen im Speziellen nicht hinreichend objektiv sein können. Weil ein derartiger Vorwurf ebenso verständlich wie naheliegend ist, will ich nachfolgend versuchen, die Darstellung strikt auf Tatsachen zu beschränken und dabei Wertungen, wo immer das möglich ist, peinlich genau vermeiden.
Zum sportlichen Werdegang: Gerhard war vor seiner Zeit im Technik-Museum in Mannheim in verschiedenen Funktionen in der Motorrad-Branche tätig. Dadurch geriet er in Kontakt mit dem Rennsport; auf einer 500er Honda, die später von Thomas Reutlinger bewegt wurde, nahm er ab den frühen Neunziger-Jahren an VFV-Veranstaltungen teil, durchaus erfolgreich, wie ein zweiter Platz in der Jahres-Klassenwertung von 1994 belegt. Angeregt durch die Beobachtung des Schweizer Duos Bezon/Bonzon auf deren Moto Sacoche von 1920, begann er später, sich für den Gespann-Sport zu interessieren. Vermittelt durch John Blanchard erwarb er schließlich ein Triumph-Gespann, das nach intensiven Überarbeitungen als konkurrenzfähig erschien.
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Das Gespann von Fischer; Schotten 2008, Warten auf die Fahrer-Präsentation |
Gerhard Markmann zeigt seinen verletzten Arm |
Dies war der Anfang einer innigen Beziehung zu dieser englischen Marke. Was den „Turner“ im Boot betraf, fiel nach einigen Überlegungen die Wahl auf Gerhard Markmann. Dieser war, wie jeder Beobachter leicht sehen konnte, während seiner Schmiermax-Tätigkeiten für jeden Ulk gut; kaum jemanden war aber bekannt, dass das Engagement im Motorsport ihm half, mit Problemen in seinem sozialen Nahbereich fertig zu werden. Mitte der Neunziger-Jahre traten Fischer/Markmann erstmals als Team an; 2000 standen wir im Fahrerlager von Oschersleben nebeneinander – was den Beginn unserer Freundschaft einleitete. Ein Jahr später kamen die beiden in Schleiz spektakulär von der Piste ab, und zwar in der Berg-auf-Schikane vor der Spitzkehre „Lug-ins-Land“.
Alle Einzel-Erfolge, zunächst in N, dann nach der Neu-Ordnung der Klassen in M, hier aufzuzählen, wäre müßig. Legendär sind die Scharmützel mit Raabe/Grebe insbesondere in Schotten, wo ersichtlich nicht so sehr die Gleichmäßigkeit, sondern offenkundig der Speed im Vordergrund stand, für dessen Verbesserung die Konkurrenten anscheinend Alkohol als Brennstoff- Zusatz einsetzten. Herausragend sind mehrere Jahres-Klassen-Siege, darüber hinaus der DHM-Titel 2007 und zusätzlich die Europa-Meisterschaft. Letzteres blieb für Viele etwas unbemerkt, weil dieses Prädikat nur in drei Läufen ausgetragen wurde, und zwar in Franciacorta, Nove Mesto und Schotten. Zudem erhielt das Team Fischer/Markmann auch den Fair-Play-Pokal des VFV. 2013 endete die Beteiligung an den Gespann-Läufen, weil Markmann sich vom Sport zurückzog. Sehr viel später veräußerte Fischer die Seitenwagen-Maschine an Thomas Reutlinger, der bei uns früher mit einer Honda und später auch einer Yamaha unterwegs war.
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Fischer/Markmann im Windschatten von Dedman/Langford (Norton 750) Schotten 2008, Fahrerlager-Kurve |
Eine Sonder-Rolle nahm Gerhard auch insofern ein, als er während mehrerer Jahre nicht nur das Gespann bewegte, sondern auch bei den Solisten in Klasse E antrat, natürlich auch hier mit einer Zwei-Zylinder-Triumph vom Ende der Vierziger-Jahre, von der er sich zwei kaum voneinander zu unterscheidende Exemplare hergerichtet hatte.
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Fischer als Solist in Hockenheim, 2018 |
Hinzu kam zuletzt noch eine dritte Maschine: klar, auch eine Triumph, u.z. das Vorkriegs-Modell 5H mit Trapezgabel, ein wahrhaftiger Scheunen-Fund, entdeckt bei einem Nachbarn. Diese Maschine in einem Zustand wieder aufzubauen, der seinen hohen Ansprüchen genügte, stellte eine echte Herausforderung dar. Der „Schlag“ des Motors ließ alle Scheiben klirren und führte bei Helfern zum Anwerfen des hochverdichteten Langhubers mitunter zu vorübergehender Schwerhörigkeit.
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Fischer auf der Vorkriegs-Triumph in Walldürrn 2011; Fahrerhaltung nach „Gutsherren-Art“ |
Einmal riss es bei der Anfahrt zur Sachs-Kurve den Zylinder vom Kurbelgehäuse; bei dieser „Explosion“ verbog er das Rahmen-Ober-Rohr und brachte den Fahrer zu Fall – was diesen nicht davon abhielt, alles wieder herzurichten. Auch dieses Gerät gehörte am Ende zu dem oben erwähnten Verkaufs-„Paket“. Mag sein, dass wir die Maschinen eines Tages wieder auf der Strecke sehen.
Soweit mir das bekannt ist, fuhren außer Gerhard nur noch Thilo Wotzka, Dr. Stephan Elisat und Klaus del Monte gleichzeitig Solo und Gespann in ein- und derselben Saison.
Zu technischen Kompetenzen: Vertraut man dem abgedroschenen Wort, wonach einem „Ingeniör nichts zu schwör“ ist, wird man auch bei den professionellen Dreh-, Schleif-, Bohr- und Lackierungs-Arbeiten, wie sie an Fischers Motorrädern zu besichtigen sind, nicht sogleich in ungläubiges Staunen verfallen. Es gibt jedoch Ausnahmen, von denen hier nur zwei aufgeführt werden sollen, eine positive, und eine andere, die Grenzerfahrungen markiert.
Die erste handelt von einem kapitalen Schaden am Pleuel-Fuß meiner Manx; diese machte eine Total-Zerlegung des Motors unausweichlich. Als ich Gerhard darum bat, diese Arbeiten zu übernehmen, war mir klar, dass er, was Norton betraf, keine über den Umgang mit Oldtimer-Motoren hinausgehenden speziellen Kenntnisse besaß. Wo diese allerdings unentbehrlich waren, vertiefte er sich durch Heranziehung verschiedener Quellen eingehend in die Materie – und als wir eines Tages die wieder aufgebaute Maschine auf die Starter-Maschine hoben, antwortete der Motor, der ansonsten auf derartige Bemühungen meist eher störrisch reagierte, sofort mit einem lauten PLOPP – und lief von da an, fast einem Wunder gleichend, für den Rest seines Dienstes völlig störungsfrei. Besser geht nicht…
Nun zur Grenzerfahrung: Colmar Berg 2014, eher kühles Wetter, Training der Klasse E. Kurz nach dem Start, das Motor-Öl war noch ziemlich steif, drückte die Ölpumpe eine der Leitungen vom Stutzen, ungeachtet der nach den letzten Überholungsarbeiten festgezogenen Schellen. Die Folgen waren bitter: Gerhard kam auf dem auslaufenden Öl zu Fall und brach sich den Fuß – am nächsten Tag war die Heimfahrt angesagt, ein paar Tage danach die OP in der Klinik.
Die für alle Beobachter zugängliche absolute Meisterleistung aber besteht zweifellos im Aufbau der 500er 4-Zylinder-MV Agusta, die Gerhard seit kurzem bei Präsentationsläufen bewegt. Grundlage dafür waren Gehäuse und Komponenten einer 750 S mit Kardan-Antrieb, die Rolf Schendel gesammelt hatte und in das gemeinsame Projekt einbrachte. Hier musste (fast) alles und jedes neu angefertigt oder hergerichtet werden, angefangen von den Kolben über die Nockenwellen bis zu Vergasern, Zündung und Teilen für das Fahrwerk, darunter die Umstellung auf Ketten-Antrieb – eine Herkules-Arbeit, aber mit dem Ergebnis eines sehr gefälligen Aussehens und eines betörenden Sounds..
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MV Agusta Totalansicht |
Auf der Querspange in Hockenheim |
Dieses Projekt ist es, weshalb Gerhard seinen Rückzug aus der Szene nicht als vollständig wahrgenommen wissen will, möchte er doch damit noch „etwas Krach machen“. Dafür ist ihm auch von hier aus „Viel Spaß!“ zu wünschen.
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