Moto-GL-Kaleidoskop
Beobachtungen und Notizen aus dem Fahrerlager und von der Strecke

Text: Manfred Amelang

2010-boesenbiesen-plakatDie „alternative“ Veranstaltung:

GP du Grand-Ried 2010

Zum 12. Mal veranstaltete der rührige Moto Club de Barr am 3. und 4. Juli den „GP du Grand-Ried Course de Motos Anciennes“ auf dem Kurs im südlichen Elsass. Der Charakter dieses „Rennens“, als das es auch von den Funktionären bezeichnet wird, ist absolut eigenständig und in sich zum Teil widersinnig: Da es auf öffentlichen Straßen ausgetragen wird, müssen (eigentlich) die üblichen Verkehrs-Vorschriften befolgt werden. Das gilt vor allem für die strikte Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h in den beiden Ortschaften Bösenbiesen und Schwobsheim, durch die sich die Strecke windet (s. Foto 1). Dieses wird ebenso wie ein innerörtliches Überholverbot streng überprüft. Hingegen sind auf den Überlandverbindungen volles Blasen und offenes Rohr erlaubt – keineswegs Selbstverständlichkeiten und ein Beleg dafür, dass die Veranstalter zu den Offizialorganen einen guten Kontakt pflegen. Gewertet wird die Differenz der Gesamtzeit aus dem ersten und zweiten Lauf – Transponder sind dafür nicht erforderlich. Die Startaufstellung erfolgt nicht etwa nach gefahrenen Trainingszeiten, sondern gemäß der Start-Nummern; nach deren Reihung wird auch gestartet.

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Wie in den vergangenen Jahren traten rund 100 Solisten und Gespannfahrer an, etwa die Hälfte davon aus Deutschland. Die Maschinen in den acht vorgesehenen Klassen müssen historisch nicht authentisch sein; entsprechend vielfältig und „originell“ waren zum Teil die Geräte, die die Fahrer an den Start brachten. Gleichwohl wurden bei der Abnahme sicherheitsrelevante Aspekte durchaus sorgfältig überprüft; falls Beanstandungen auftraten, wurden die Fahrer angehalten, für Abhilfe zu sorgen, na ja, spätestens dann im nächsten Jahr. Einige Leute im Fahrerlager hatten gar kein eigenes Renngerät mitgebracht, sondern nur mehr oder weniger skurrile Gefährte (s. Bild 2), mit denen sie auf der Wiese herumkurvten, oder auch gar kein Motorrad, sondern nur Zelt, Stereoanlage und einen Grill.
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Ein "ausdrucksstarkes" Besucher-Gespann

 

Wie in den vergangenen Jahren war es heiß und schwül – 35 Grad im Schatten ließen am Samstag den Schweiß in Strömen rinnen, selbst wenn man nur regungslos unterm Vorzelt saß, um dem heißen Sengen der Sonne zu entgehen. Die Pein wurde dadurch verstärkt, dass es zum einen keinen zeitlichen Ablaufplan gab, jedenfalls für die Fahrer nicht, und diese konnten sich damit nicht punktgenau auf ihren Einsatz vorbereiten, also die Kombi anziehen und den Helm aufsetzen, denn volle Montur musste wegen der Hitze auf ein Minimum an Zeit beschränkt bleiben. Was die Veranstalter selbst als Zeitvorstellungen bekannt gemacht hatten (z.B. Fahrerbesprechung, Beginn des Trainings) verschob sich dann jeweils, was bei den herrschenden Temperaturen eine Zumutung bedeutete. Diese Probleme hätten sich mittels Durchsagen über die sehr wohl funktionierende Lautsprecheranlage vermeiden lassen – gut, das mag Ausdruck einer „liberalen“ Mentalität sein, die natürlich andererseits auch was für sich hat. Zu dieser Kategorie zählt wohl auch die Mahnung, dass die Teilnahme an der Fahrerbesprechung obligat sei und durch eine persönliche Unterschrift bestätigt werden müsse, weshalb bei Abwesenheit der sofortige Ausschluss drohe – wobei es letztlich keine Liste gab, auf der man sich hätte eintragen können…

Für den Sonntag hatten die Wetterfrösche starke Gewitter und vereinzelten Hagelschlag zwischen Vogesen und Schwarzwald vorhergesagt; zu Gewittern kam es dann aber nur in der Nacht davor, ansonsten blieb es erfreulicher Weise trocken, und es gab guten Sport.

Der GP du Grand-Ried lebt von der Freundlichkeit der Organisatoren und ihrer Helfer, dem aufgehübschten Ambiente der Dörfer sowie dem Unernst des gesamten Vorhabens - man kann sich bereits jetzt auf die nächste Ausgabe freuen.

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Auch in Bösenbiesen aufgenommen: Plane eines Transporters. Die Szene ereignete sich am Nürburgring, das Gespann hat sich bereits gedreht und fährt rückwärts. Dabei ist niemandem etwas passiert...

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Stilvolle Ölleitungen am Motor einer AJS
Fotos + Text: Manfred Amelang

 

Moto-GL-Kaleidoskop
Beobachtungen  und Notizen aus dem Fahrerlager und von der Strecke

Text: Manfred Amelang
Die Fabel vom  König Crossbow und seinen Rittern

In grauer Vorzeit herrschte König Crossbow über die Ritter seines Reiches und deren Gefolgsleute zwar weise, aber mit nahezu unbeschränkter Machtfülle. Eines der vorrangigen Ziele bestand darin, alle bei guter Laune zu halten.
Zu diesem Zweck  richtete er jährlich ein großes Turnier für die Ritter aus, die sich im „Verein für Vortreffliche“ (VfVo) zusammengeschlossen hatten. Dieses Turnier bestand aus mehreren Wettkämpfen in verschiedenen Landstrichen des Reiches. Zu jeder dieser glorreichen Prüfungen reisten stets mehrere hundert Ritter an, begleitet gewöhnlich von einem oder zwei Knappen, die ihnen zu Diensten waren.
Freilich war das Vergnügen nicht umsonst zu erhalten, denn abgesehen von den zahlreichen Ehrenjungfrauen, die ihre Aufgaben stets unentgeltlich verrichteten, kostete die Herrichtung der Wettkampfstätten und der Stallungen sowie die Verpflichtung von Kampfrichtern viele Dukaten und Silberlinge. Für diese Kosten mussten die edlen Ritter selbst aufkommen.
Einer davon, Ritter Bleichard, bat den König um Befreiung von dem zu erbringenden Obolus; huldvoll entsprach dieser der vorgetragenen Begehr und erwies sich dabei insofern als besonders großherzig, als er die Befreiung nicht zeitlich befristete. Leider geben die verblichenen Dokumente keinen Aufschluss mehr über die vom Antragsteller vorgetragene Begründung; hatte er vielleicht darauf verwiesen, dass er jeweils mit vier Pferden antrat, wo andere nur deren zwei oder gar nur eines zur Verfügung hatten? Oder dass er bereits bei legendären Turnieren außerhalb des Reiches strahlende Leistungen erbracht hatte? Wir wissen es nicht; überliefert ist lediglich, dass Vertraulichkeit vereinbart wurde.
Denn hätten die anderen Ritter von der Vereinbarung erfahren, wäre vermutlich ein großes Gezeter losgegangen, weil natürlich jeder die Vergünstigung auch gern für sich in Anspruch genommen hätte, und das wäre das Ende des schönen Turniers gewesen. Wie dem auch sei: Die getroffene Regelung erleichterte dem Ritter sein Leben über die Jahre beträchtlich und erlaubte es ihm, erst unlängst, besonders rassige Turnier-Pferde neu zu erwerben. Hilfreich dabei war, dass er sich stets von jenem einen Wettkampf konsequent ferngehalten hatte, wo ihm die erbetene Gunst niemals gewährt worden war. Aber dieser Turnierplatz lag sowieso in einer rauen Gebirgsgegend, wo es noch bis in die jüngere Vergangenheit vulkanische Aktivitäten gegeben hatte.
Als sich der König altersbedingt von den Regierungsgeschäften zurückzog, rührten die  Nachfolger im Amt zunächst während mehrerer Jahre nicht an der von ihm einst getroffenen Entscheidung – entweder, weil sie selbst ihnen wegen der vereinbarten Vertraulichkeit nicht bekannt geworden oder die Entscheidung so weitsichtig erfolgt war, dass sie  allen inzwischen eingetretenen Veränderungen im Reich und insbesondere der mittlerweile ausgebrochenen großen Not in weiten Kreisen der Bevölkerung trotzte.
Aber eines Tages plauderte Ritter Bleichard unbedacht über die getroffene Vereinbarung, und einer der Untertanen wies die neuen Herrscher auf den Fall hin und ersuchte devot darum, die Sonderbehandlung im Interesse aller zu überprüfen. Im Zuge der angesagten Überprüfung stellte sich heraus, dass es drei weitere Ritter gab, die ebenfalls in den Genuss der Vergünstigung gekommen waren. Alle waren sehr namhaft; einer davon kam aus einem untergegangenen Land und hätte nur mit  Mühe die Kosten für das Turnier aufbringen können. Bei den beiden anderen handelte es sich um strahlende und kampferprobte Heroen, die nicht nur den Glanz des Turniers weiter erhöhten, sondern dieses auch durch ihre Verbindungen mit anderen Mächtigen teilweise erst ermöglichten.
Im Hinblick auf diese recht unterschiedlichen Gegebenheiten entschieden die Oberen – nicht ohne anfängliche Unmutsbekundungen und erst nach einigem Hin und Her –  alles beim Alten zu belassen,  und sie legten Kriterien fest, bei deren Erfüllung auch weitere Ritter zum Kreis der Erlauchten hinzustoßen könnten. Und weil sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.

Text: Manfred  Amelang