Moto-GL-Kaleidoskop 6
Beobachtungen und Notizen aus dem Fahrerlager und von der Strecke

Text: Manfred Amelang

Schottenring Classic GP: der jährliche Höhepunkt unserer Saison

gespanne

Bevor alles überhaupt richtig losging, berichtete mir beim Aufbau seines Lagers unten im Bau-Park an der Seestrasse Peter Sitta die folgende kuriose Begebenheit, die sich in Metz zutrug (was also einleitend zu Schotten erst einmal ein Nachtrag – pardon! – zu dem zwei Wochen zurückliegenden Lauf darstellt): Bekanntlich fährt er in E mit einer BMW unter der Start-Nummer 1, also schwarzer Grund , weiße Ziffer 1. Nach zahlreichen Runden auf seinem Gerät sah er, wie ihm der Fahrtleiter beim Passieren der Ziellinie ein Schild entgegenhielt, auf dem auf schwarzem Grund eine weiße 1 stand. In der Hitze des Gefechts interpretierte Peter dieses Signal im Sinne von „Schwarzer Flagge“ (wo ihm doch de facto nur angezeigt werden sollte: “Noch eine Runde“). Also fuhr er noch eine Runde in gemächlicher Fahrt und drehte dann vor der Ziellinie ins Fahrerlager ab. Dort auf seinen Denkfehler aufmerksam gemacht, ärgerte er sich erst mal ordentlich über sich selbst und wollte dann zurück auf die Piste, um seine Maschine noch über die Ziellinie zu bringen, denn die für die Wertung maßgeblichen Runden waren gefühlsmäßig und, wie sich hinterher herausstellte, auch objektiv sehr gleichmäßig verlaufen und hätten ihm einen Platz auf dem Treppchen eingebracht. Die Sportkommissarin untersagte ihm allerdings die Rückkehr auf die Strecke mit dem Hinweis auf den engen Zeitplan und den Umstand, dass von den Mitbewerbern schon lange keiner mehr draußen sei. Also: trotz gelungener Fahrt und intakter Maschine „Kein Ziel“. Bitter – was es doch alles gibt…

Nun zu Schotten direkt: Im Mittelpunkt der traditionellen Begrüßungs-Veranstaltung am Freitag spätnachmittags auf dem Marktplatz stand die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft im MSC Schotten an August („Gustl“) Hobl. Dieser hatte unter anderem das Rennen von 1955 auf der Drei-Zylinder-DKW gewonnen; in Schotten nahm der sympathische Bayer, nunmehr 79 Jahre alt, mit der „singenden Säge“ Abschied vom Rennsport und seinen zahlreichen Anhängern, eingebettet in einen Sonderlauf der Audi-Tradition, die unter namhaften Fahrern (darunter auch Ralph Waldmann) verschiedene klassische Motorräder mit und ohne Ladepumpe präsentierte.

hOBL mARKTPLATZ
Gustl Hobl in der Menge

Hobl
Hobl vor der Drei-Zylinder-DKW. Im Hintergrund
sieht man ihn in der Stadtkurvenvon Hockenheim
"in action"


Cockpit der "singenden Säge".
Die drei Hebelchen links sind zur Verstellung des Gemischs (also chokes)

Bei der Begrüßung wurden auch jene Fahrer des VFV auf`s Podium gerufen, die eingeladen worden waren, mit ihren Maschinen auf den Marktplatz zu kommen. Es mögen ein Dutzend gewesen sein oder etwas mehr. Die Idee einer solchen Präsentation ist gut, denn damit werden stichprobenartig gerade auch mal jene Personen herausgehoben, die durch ihre Präsenz und Aktivität (nicht zuletzt die von ihnen entrichteten Startgelder) erst die Bühne bereiten für die bekannten Star-Fahrer, deren Ruhm immer wieder gepriesen wird. Freilich sollten nicht nur die Namen verlesen werden, sondern die individuellen Besonderheiten der betreffenden Personen dargestellt, Verdienste erwähnt und Anekdoten berichtet werden, die das Ganze erst plastisch werden lassen. So aber wusste das Publikum mit den bloßen Namen nicht eben viel anzufangen, weshalb der Beifall bei diesem Programm-Punkt etwas verhalten ausfiel.

Wie Rückfragen bei den Verantwortlichen ergaben, handelte es sich bei der Person, die in Walldürn bei der Fahrerbesprechung am Mikrofon verkündet hatte, in Schotten seien die administrativen Vorbereitungen für die neue Strecke erst mal auf Eis gelegt worden, nicht um jemanden, der für eine derartige Aussage befugt gewesen sei. Was es doch für Anmaßungen gibt! Insofern also Aufatmen. Aber: Wolfgang Wagner, der Vorsitzende des MSC Schotten, räumte ein, dass alles länger dauere als ursprünglich gedacht und dass wohl zumindest nächstes Jahr noch auf der alten Strecke gefahren werde.

Auf dieser ereignete sich im Wertungslauf der Klasse E ein bedauerlicher Unfall, und zwar etwa auf halber Höhe der Gegengeraden. Er betraf einen Fahrer, der mit seiner „Garden-Gate“-Norton bis dahin außerordentlich couragiert umgegangen war und extreme Schräglagen gefahren hatte. Zum Hergang des Unglücks ist nicht viel bekannt. Gerhard Fischer, der am Vortag im Training hinter dem besagten Fahrer hergefahren war, berichtete immerhin, dass der Verunglückte an dieser Stelle wegen des welligen Straßenzustandes und des Fahrwerks seiner Maschine erhebliche Probleme hatte, im Sattel und auf Kurs zu bleiben. Vielleicht war auch ein technischer Defekt für den Unfall verantwortlich. Wegen der beträchtlichen Geschwindigkeit an der besagten Passage erlitt der Fahrer erhebliche Verletzungen; von hier aus alle guten Wünsche für eine baldige und vollständige Genesung.

Zeitnah zu diesem Unfall ereilte an etwa derselben Stelle einen anderen Fahrer ein kapitaler Motorschaden in Form eines geplatzten Kurbelgehäuses. So etwas kann jedem passieren. Aber es war verantwortungslos, dass der Fahrer nicht sofort anhielt, als er den Defekt bemerkte, sondern erst vor dem anschließenden Bergauf-Rechts die Strecke verließ und eine beträchtliche Ölspur bis zu seinem Standplatz im Fahrerlager legte. Ein Feuerwehr-Mann im Streckenauslauf kommentierte: „Die Sauerei reicht von oben bis hier herunter“. Richtiger wäre gewesen: “Die Sauerei reicht von hier aus bis nach oben…“

Wie schon häufiger in der Vergangenheit hat neben uns Siegfried Merkel aus Zwickau seinen Campingwagen und die 125er MZs geparkt. Ins Fenster seines Wagens hängt er zum Schluss ein großes Plakat, auf dem für das Rennen um den ADMV-Cup auf dem Zschorlauer Dreieck geworben wird. Ich mache einen Freund darauf aufmerksam. Seine Reaktion: “Wenn das doch nur einmal zusammenwachsen würde!“ Leider aber es scheint so, als hätten sich die Verbände in Ost und West in ihren eigenen Regeln fest eingerichtet – schade drum.

Familie Merkel

Siegfried und Brigitte Merkel

Lucas-Kawa

Seit einigen Jahren Stammgast in Schotten: Lucas

Die Wetter-Frösche in Internet und Radio hatten mit hoher Wahrscheinlichkeit schwere Regenfälle für die Nacht von Samstag auf Sonntag und den gesamten Sonntag vorhergesagt. Das mag ein Grund dafür gewesen sein, dass am Sonntag dann sehr viel weniger Zuschauer das Geschehen verfolgten als an dem wunderschönen Tag davor. Am Mittag kam er dann, der Regen, der bis dahin schon das gesamte Umland heimgesucht hatte und damit zahlreiche Motorsport-Fans von einer Tour abgehalten haben dürfte, auch nach Schotten, und er wurde stark und immer stärker. Die Verantwortlichen beschlossen deshalb nach reiflicher Überlegung, das restliche Programm zu streichen und die Veranstaltung abzubrechen. Sicherheit hat einfach die höchste Priorität. Die Tageswertung in den einzelnen Klassen war somit identisch mit dem Ergebnis der Wertungsläufe vom Vormittag.

Dieses etwas betrübliche Ende der Veranstaltung kann an dem Eindruck nichts ändern, dass auch dieses Mal in Schotten das ganz große Fest unserer Saison zelebriert wurde.

 
rutscher
Blick "hinter Gittern" auf die Fahrerlager-Kurve   Rutscher von Tilmann Runck


Trainingslauf am Samstag. Manfred Amelang (Norton), Bernd Albert (BMW)


Text: Manfred Amelang, Fotos: Manfred Amelang, Peter Frohnmeyer