Moto-GL-Kaleidoskop
Beobachtungen und Notizen aus dem Fahrerlager und von der Strecke


Gedanken zum Wettbewerbsreglement 2011, dieses Mal im Nachhinein

SchottenrockNow you know“ – jetzt wissen wir, was Sache ist: Auf der Arbeitstagung der „schnellen Szene“ des VFV Ende Oktober in Schotten wurde unter anderem das Wettbewerbsreglement für das kommende Jahr diskutiert. Eine offizielle Verlautbarung dazu wird wohl alsbald im Internet-Auftritt des Verbandes erscheinen. Bis dahin soll hier für diejenigen, die nicht nach Schotten kommen konnten, gleichsam inoffiziell einiges von den dort verkündeten Beschlüssen des Orga-Teams sowie den gefällten Beschlüssen wiedergegeben werden – mit der Absicht, zu informieren und um Überzeugungen darzustellen, die ich für richtig halte, aber wohl ohne die Aussicht, außer Aufklärung noch etwas bewirken zu können.

Also: Das Wettbewerbsreglement 2011 für die DHM wird weitestgehend mit demjenigen für die zurückliegende Saison identisch sein. Mithin: So schlecht, wie es von vielen im Vorfeld geredet wurde, konnte es also gar nicht gewesen sein... Bemerkenswert: Es wird nun doch keine „Deckelung“ der Differenz-Zeiten bei 12 oder einem anderen Grenzwert geben. Im Laufe der Saison hatte sich bekanntlich der Unmut einiger Fahrer geregt, als sie bemerkten, dass sie bei sehr ungleichmäßigen Fahrten mehr Differenzzeit-Punkte erhielten als bei Kein Ziel. Dass es nun bei der Regelung von 2010 bleibt, erzeugt zugegebermaßen bei den Autoren des Wettbewerbsreglements so etwas wie eine klammheimliche Freude.

Die einzige Veränderung, die beschlossen wurde, betrifft die Zahl der Malus-Punkte, die bei Nicht-Start verhängt wird. Das sind ab 2011 satte 20 Punkte (bisher waren es nur 12). Damit ist beabsichtigt, einen starken Anreiz für die Fahrer zu setzen, möglichst bei jedem der angebotenen Läufe anzutreten, um die Chancen auf eine gute Platzierung in der Endabrechnung der DHM zu wahren, denn eine Kompensation dieser beträchtlichen Punkte-Zahl durch besonders gleichmäßiges Fahren in den anderen Läufen dürfte kaum machbar sein. In einem anderen Wertungsmodus als dem der Zeiten-Wertung wäre ein solches Steuerungselement nicht möglich gewesen.

Völlig anders hingegen wird das Wettbewerbsreglement 2011 für die Jahres-Klassen-Wertung aussehen. In Bezug darauf ist unter anderem die Rückkehr zur früheren Punktewertung im Sinne von 25-20-16-13 usw. für einen ersten, zweiten, dritten usw. Platz in jeder Klasse vorgesehen. (Nur darauf soll nachfolgend eingegangen werden.) Das bedeutet zwei verschiedene Wertungs-Modalitäten für weitgehend ein- und denselben Sachverhalt. Beispielsweise werden

- in der DHM-Wertung Kein Ziel und Nicht-Start unterschiedlich behandelt (12 bzw. 20 Malus-Punkte),

- in der Jahres-Klassen-Wertung dieselben Ereignisse hingegen gleich behandelt (nämlich jeweils Null Punkte) – das ist schwer zu vermitteln.

Mit der Rückkehr zur Punktewertung wird von einem Regelwerk abgewichen, das 2010 erstmals in der Geschichte des VFV die Wertungen für die DHM- und die Jahres-Klassen-Besten in einer stringenten Form miteinander verbunden hat, denn die DHM-Besten gingen folgerichtig aus den Besten der Jahres-Klassen-Wertung hervor. Wer in der Jahres-Klassen-Wertung auf den vorderen Plätzen lag, hatte gute Aussichten, auch in der DHM-Wertung vorne mit dabei zu sein und umgekehrt. Die diesjährigen Ergebnisse bestätigen das eindrucksvoll. Gleichwohl wird diese Folgerichtigkeit nun gekippt, und das, obwohl auch der neue Präsident einräumte, von deren interner Stimmigkeit durchaus angetan zu sein.

Als Grund für die Rückkehr zum alten System führte die Orga-Leitung das Ergebnis der Befragung von Hockenheim an. Darin hatten sich ca. 82 % der ca. 140 TeilnehmerInnen, die den Fragebogen abgegeben hatten, für eine Rückkehr zur früheren Punkte-Wertung ausgesprochen. Im Hinblick darauf sprach der neue Präsident nicht zu Unrecht davon, dass darin eine demokratische Legitimation für den Beschluss des Orga-Teams zur Rückkehr zum alten System gesehen werden könne. Es bleibt aber natürlich weiterhin die Frage offen, ob das Ergebnis der Befragung für das Orga-Team bindend sein musste. Ein Meinungsbild ist nicht gleichbedeutend mit einem imperativen Mandat. Hätten nicht sachliche Argumente wichtiger sein müssen als mehrheitlicher Wunsch?

Was diese sachlichen Argumente angeht, so befindet sich die Punkte-Wertung nicht in Einklang mit der Leitidee unseres Verbandes zu den Gleichmäßigkeits-Läufen, die unter Punkt 5 der Startseite des VFV nachzulesen sind. Dort wird als erstes klar gestellt, dass es sich dabei nicht um Rennen handelt. Nur dort, also insbesondere beim „großen Motorsport“, wie etwa der IDM, wird der Einsatz, den jemand zeigt, um als Erster über die Ziellinie zu fahren, mit einem Punkte-Plus belohnt, eben 5 Punkte mehr als der Zweite, und der Zweite bekommt ein Plus von 4 Punkten gegenüber dem Dritten usw. Damit wird sportlicher Wettbewerb belohnt, der für das Publikum meist zu spektakulären Kämpfen zwischen den Kontrahenten führt und genau dadurch gerechtfertigt ist.
Davon kann bei uns doch nicht ernsthaft die Rede sein. Hier fährt letztlich jeder Teilnehmer seiner eigenen Zeit aus der Referenz-Runde „hinterher“; nur dadurch, dass alle Fahrer einer Klasse zur gleichen Zeit das ebenfalls tun, entsteht der Eindruck, dass die Teilnehmer irgendwie gegeneinander kämpfen. In Wirklichkeit werden hinterher nur alle Differenzzeiten in eine Rangreihe gebracht und dadurch der erste, zweite, dritte usw. Platz ermittelt. (Natürlich bin ich nicht so blauäugig, nicht zu sehen, dass vielen Fahrern diese Wertung völlig wurscht ist, sondern sie gern einen Strauß mit anderen ausfechten wollen, aber hier geht es jetzt um Wertungs-Modalitäten.) Besonders augenfällig wird dieses, wenn durch besondere Umstände bedingt ein Fahrer mal bei einem Lauf nicht in seiner angestammten Klasse mitfährt; obwohl er hier „gegen“ Klassen-„Fremde“ fährt, die mit ihm gemeinsam auf der Strecke sind, werden seine Zeiten letztlich aber doch in derjenigen Klasse gewertet, in die seine Maschine hineingehört. Zudem: Von einem „Sieg“ bei nur einem oder zwei Startern zu sprechen und dafür die getoppten Punkte zu erhalten, kann doch nur als kurios bezeichnet werden.

Warum also wollte die Mehrheit die Rückkehr zu einem System, das letztlich nicht zu den Leitideen unseres Verbandes passt und keinen klassenübergreifenden Leistungsmaßstab für das höherwertige Prädikat der DHM liefert? Darüber lässt sich natürlich nur spekulieren. Zum einen war das Punkte-System das vertraute und bekannte; jede Reform – und das Wettbewerbsreglement 2010 war eine solche – verlangt unbequeme Umstellungen und neues Hineindenken. Das verlangt meist eine gewisse Zeit des Um- und Eingewöhnens bei den Betroffenen und energisches Engagement der Verantwortlichen. An beidem hat es gefehlt. Die Leitung ist bei dem aufkommenden Unmut Einzelner sogleich komplett zurückgerudert, wo doch eine Nachjustierung „an den Stellschrauben“ völlig genügt hätte, und das im übrigen zusammen mit den Fahrersprechern, die bei der Erarbeitung des Wettbewerbsreglements 2010 zunächst so einmütig dafür waren, wie sie später ebenso einmütig dagegen waren. Zum anderen erlaubt die Punkte-Wertung im Sinne von 25-20-16 usw. Assoziationen an den „großen Motorsport“ und das Gefühl, ein Teil davon zu sein. So oder so wäre es meines Erachtens richtiger gewesen, wenn die Verantwortlichen mehr und stärker für das neue Reglement geworben und die Fahrer dabei „mitgenommen“ hätten - zumal doch seine Logik so überzeugend war.

 

Sei`s drum: In Zukunft wird sicher auch wieder über Sport zu reden sein, was viel lebendiger ist ;o)


Text und Fotos: Manfred Amelang