Die Saison 2011 ist gelaufen, die Meisterfeier in Schotten steht an, was Anlass dafür ist, zurückzublicken auf dasjenige, was im eigenen Umfeld geplant war und was daraus geworden ist. Um es vorwegzunehmen: Es war ein mittleres Desaster, für das es zahlreiche und ganz verschiedene Ursachen gegeben hat. Der Reihe nach: Aus persönlichen Gründen wollte ich mich persönlich nicht weiter dem Verletzungsrisiko aussetzen, das mit dem schnellen Fahren auf Rennstrecken unausweichlich verbunden ist. Um aber gleichwohl der Szene und ihren Akteuren verbunden zu bleiben, bot es sich an, die Maschine im Feld zu halten und für sie einen geeigneten Fahrer zu gewinnen.
Nach verschiedenen Überlegungen, Vorgesprächen und auch Testläufen geriet Flavio Laus in die allerengste Wahl; beim Lauf in Metz 2010 hatte er auf einer Honda CX 500 („Güllepumpe“) eine grandiose Vorstellung gezeigt, die allerdings in einer der letzten Runden mit einem Sturz endete. Wir kamen überein, ihn in St. Wendel meine Norton Manx fahren zu lassen. Auch dort war der Speed sehr überzeugend, doch endete der erste Lauf ebenfalls mit einem Sturz. Wenn man seine Maschine anderen Fahrern überlässt, muss man mit derartigen Zwischenfällen rechnen, weshalb ich die Contenance beizubehalten versuchte; das fiel auch deshalb nicht so schwer, weil die Schäden überschaubar waren und vor Ort behoben werden konnten. Hockenheim war dann sozusagen der Ernstfall, nämlich der letzte Lauf um die DHM in 2010. Das Training verlief ordentlich, aber beim Start zum ersten Lauf ging der Motor aus; nachdem die Meute der anderen Fahrer davongebraust war, holten wir Flavio von der Piste in die Boxen-Gasse, warfen die Maschine wieder an und Flavio jagte dem Feld hinterher – es war phantastisch anzusehen, wie er auf- und überholte, er auch im zweiten Lauf beeindruckte und sogar in der GL-Wertung Zweiter wurde – das war äußerst vielversprechend für die Saison 2011, bei der alle Läufe wahrgenommen werden sollten. Um das störrische Startverhalten des Motors zu beheben, wurde unmittelbar vor dem ersten Lauf eine automatische Frühzündungsverstellung entwickelt und eingebaut. In der Werkstatt funktionierte die Technik einwandfrei, doch erwies sich die Maschine dann im Training auf dem winkligen Kurs von Metz faktisch als unfahrbar: unter 3.000 Umdrehungen nur Stottern und kaum Leistung, darüber ging sie ab wie die Pest. Bei dem Versuch, den elektronischen Kram wieder aus- und zurückzubauen, ging alles kaputt – Ende des Auftritts. Frustrierte Ernüchterung.
Der zweite Lauf am Pfingst-Montag auf dem Nürburgring war eine Offenbarung: Sowohl im nassen Training als auch bei den beiden Läufen konnte Flavio nicht nur gut mithalten, sondern dem Feld auch zum Teil davon fahren – ich wusste bis dahin nicht, dass meine Maschine so schnell bewegt werden konnte. Im zweiten Lauf verlor er etwas Boden, weil der Motor zweimal ausging. Also wurde später im Vergaser eine Leerlauf-Einstell-Schraube eingebaut, die verhindert, dass der Motor unter eine bestimmte Drehzahl fiel. Eine Schreck-Minute noch vor dem Start: Ich hatte vergessen, den Öl-Hahn aufzumachen, als ich die Maschine Flavio übergab; nie bin ich schneller durchs Fahrerlager zum Vorstart gerannt, um vielleicht doch noch den kapitalen Motor-Schaden zu verhindern – was tatsächlich in letzter Sekunde gerade noch gelang. Das war eine heftige Lehre: Die Handgriffe sind etwas andere, wenn man selbst auf der Maschine sitzt und alles noch mal durchcheckt, als wenn man daneben steht.
Als dritter Lauf stand Dahlemer Binz an. Den konnte/wollte Flavio nicht wahrnehmen, weil ein anderer Termin (Mugello) damit kollidierte. Damit waren eigentlich alle Hoffnungen auf eine gute Platzierung in der Jahres-Klassen-Wertung leider schon dahin. Denn die Erfahrung lehrt, dass dafür ein Start bzw. die Zielankunft möglichst bei jedem Lauf eine wichtige Voraussetzung darstellt.
Für Oschersleben als dem vierten Lauf konnte ich aus familiär-persönlichen Gründen „meinem“ Fahrer die Maschine nicht überlassen – ich war derart belastet, dass ich mir nicht vorstellen oder zumuten konnte, möglicherweise negative Meldungen vom Geschehen auf der Strecke zu ertragen. Damit war nun wirklich fast alles vorbei.
Aber es gab ja noch Schotten, wo bekanntlich gleich zwei Läufe anstanden. Das freie Training sah Flavio, der zum ersten Mal auf dem Stadtkurs antrat, augenscheinlich in guter Position – bis er in der letzten Runde in der Start-Ziel-Eingangs-Kurve zu Boden ging. Die Schäden hielten sich immerhin in Grenzen, und mit vereinten Bemühungen gelang es, das Gerät für das nachmittägliche Pflichttraining wieder einsatzfähig herzurichten. Ich wies Flavio darauf hin, dass er nur zwei oder drei gezeitete Runden absolvieren müsse; danach solle er rausfahren. Das hätte auch den Vorteil, dass er in der vierten oder einer weiteren Runde nicht mehr hinfallen könnte – leider vergeblich, denn in eben der vierten oder fünften Runde passierte es erneut: wieder Sturz, und wieder in der derselben Kurve. Das war nun sehr bitter und hatte verschiedene Erklärungsversuche des Fahrers über sein Missgeschick zur Folge, die hier nicht im Einzelnen ausgebreitet werden müssen. Besonders misslich war der Umstand, dass die Maschine nicht mehr für die Läufe am nächsten Tag repariert werden konnte. Also packte ich tief frustriert zusammen und fuhr nach Hause.
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Hockenheim und Jan Wellen mussten ausgelassen werden, weil die notwendigen Ersatzteile nicht rechtzeitig zur Verfügung standen, die Maschine also noch nicht wieder einsatzfähig war, zudem hätten auch hier weitere familiäre Probleme einen Start als nicht angemessen erscheinen lassen.
Somit totale Ernüchterung: Ein einziger Lauf mit Zielankunft und Punkten. Kein Vorwurf an irgendjemanden, die Probleme waren verschiedener Art und verteilten sich auf mehrere Personen, technische Details und situative Gegebenheiten. Gerade diese Vielschichtigkeit belegt, dass alles oder doch das Meiste „passen“ muss, wenn sich kontinuierlich Erfolg einstellen soll. Dazu gehören die Zuverlässigkeit der Technik, zeitliche und berufliche Ungebundenheit zur Ausübung des Sports, im weiteren großzügige Ressourcen in finanzieller und mechanischer Hinsicht, um auftretende Schäden schnell beheben zu können, und letztlich wohl auch die mentale Stärke, um angesichts des Rummels in den Medien ruhig zu bleiben und das Ziel im Auge zu behalten. An allem hat es die zurückliegende Saison bei der „Scuderia tedesca M.A.“ wohl etwas gefehlt. Es zeigt aber, wie aufwändig ein Sponsoring in der geplanten Weise gerät und wie unwägbar die auftretenden Schwierigkeiten sind.
Wie es weitergeht? Vielleicht versucht sich jemand anderes in der Szene mit besserer technischer und finanzieller Ausstattung sowie einem längeren Atem in diesem Metier. Was die „Scuderia tedesca“ angeht, so ist deren Clubstatus beim VFV antraggemäß wieder gelöscht und ich wieder individuelles Mitglied geworden. Vielleicht bewege ich selbst wieder meine Maschine, nachdem ein wichtiger Grund für den Rückzug vom aktiven Fahren zwischenzeitlich entfallen ist.
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