Moto-GL-Kaleidoskop Beobachtungen und Notizen aus dem Fahrerlager und von der Strecke
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Abenteuer Neuseeland
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Erster Teil: Pukekohe 2012
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Wie schon seit langem gewachsene Tradition, so stand auch dieses Jahr für das erste Februar-Wochenende wieder die Veranstaltung in Pukekohe (Neuseeland; NZ) auf dem Kalender – ein lange gehegter Traum, den zu realisieren in der Vergangenheit nicht möglich war, schien endlich Wirklichkeit werden zu können. Also kam es zunächst darauf an, die logistischen und administrativen Herausforderungen zu bestehen. Dazu die wichtigsten Überlegungen bzw. Maßnahmen:
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Zum Transport der Maschine:
Dafür kommen entweder die Verschiffung oder ein Transport per Luftfracht in Betracht. Ersteres ist kostengünstiger, dauert aber sehr viel länger. Erkundigungen ergaben, dass für die Ausmaße einer Manx mit etwas mehr als 2.500 Euro gerechnet werden müsste; hinzu kämen die Kosten für eine gesondert anzufertigende Kiste, die aus einem Holz sein müsste, das nicht von Käfern oder Würmern jedweder Art infiziert sein dürfte. Das macht ca. zusätzliche 1.000 Euro aus. Mit ca. 40 Tagen Laufzeit vor und nach der Veranstaltung muss gerechnet werden. Demgegenüber waren für den Flugtransport im Hinblick auf das Gewicht des Motorrades ca. 4.000 Euro hin und zurück zu veranschlagen. 14 Tage Vorlaufzeit brauchte der Spediteur (in diesem Falle DHL), um die Maschine garantiert rechtzeitig vor Ort anliefern zu können. Für die eine wie die andere Alternative war der Erwerb eines Carnet de Passage bei der örtlichen Industrie- und Handelskammer erforderlich (ca. 110 Euro); dadurch entfällt die Notwendigkeit, bei der Ein- und Ausfuhr für das Motorrad Zoll bezahlen zu müssen. Da die Mitarbeiter von DHL alle anfallenden Formalitäten übernehmen würden, schien es bequemer, sich für den Lufttransport zu entscheiden. Also wurde das Motorrad zum Flughafen nach Frankfurt gebracht und dort auf einer Palette festgezurrt (s. Foto: DHL-Mitarbeiter Behringer, selbst ein begeisterter Biker, und Gerhard Fischer; Gerhard: Vielen Dank für die Unterstützung auch bei dieser Aktion!).
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Später würde sie dort noch desinfiziert und mit Plastikfolie umhüllt werden. Alles schien in Butter zu sein, die Vorfreude bekam einen kräftigen Zusatz-Schub.
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Zur Lizenzierung: Den einschlägigen Texten im Internet war zu entnehmen, dass man eine Lizenz und damit Startberechtigung nur erwerben könne, wenn man Mitglied in der NZCMRR (New Zealand Classic Motorcycle Racing Register) sei. Das war unschwer zu bewerkstelligen, und alsbald lag denn auch in der Post die aktuelle Ausgabe der Club-Zeitschrift (also das Pendant zu unserer VFV-Info), die den erfrischenden Namen "Megaphone" trägt. Erfreulich zudem die Aussicht, dass die Lizenz für Fahrer jenseits des 60. Lebensjahres kostenfrei sein würde. Jetzt musste nur noch gewartet werden – und das erforderte eine nervenraubende Geduld, weil es trotz äußerst freundlicher Schreiben aus NZ einfach nicht voranging. Als die Zeit schon denkbar knapp zu werden begann, stellte sich heraus, worin das grundlegende Problem lag: Die Leute in NZ haben bislang niemals ihre Veranstaltungen bei der FIM angemeldet. Demzufolge gilt dort unsere HI-Lizenz nicht, einschließlich der darin eingeschlossenen Versicherung. Dessen ungeachtet verlangen die Veranstalter in "Down Under" von unserer Föderation eine förmliche Freistellung ("Rider Release") – eine bürokratische Unmöglichkeit, denn der DMSB argumentiert zu Recht, er könne keine Freistellung erteilen für eine Veranstaltung, die es für ihn rechtlich gar nicht gebe, mithin sei ein derartiger Verwaltungsakt völlig irrelevant. Schließlich wurde ein kreativer Ausweg aus diesem Dilemma gefunden. (Großer Dank an dieser Stelle an Frau Eitel vom DMSB!). Die Lizenz schien nun greifbar nahe, aber es fehlte noch ein einschlägiger Versicherungs-Schutz. Nach einigem Hin und Her wurde eine Versicherungs-Agentur in den USA gefunden, die bereit war, für zwei Wochenenden eine Police auszustellen; doch sie verlangte dafür "schlappe" 1.500 US-Dollar. Weil die Zeit nunmehr äußerst knapp geworden war, musste dieser Betrag umgehend dort eingehen, was nur möglich schien, wenn die Überweisung von einem US-Konto aus erfolgen würde. In Bezug darauf war ein Freund äußerst hilfreich, der seine Bank entsprechend anwies. Freilich stellte sich dabei heraus, dass auf seinem Konto nicht mehr genügend "Masse" war, um die Rechnung zu begleichen. Also musste er erst mal einen Teil seiner dort lagernden Aktien verkaufen, um aus dem Erlös die Sache bestreiten zu können (Hans-Werner: Auch hier noch einmal Dank an Dich!). Jeder dieser Schritte erforderte ein wenig Zeit, aber in der Summe doch soviel, dass die Uhr inzwischen "abgelaufen" war; das Motorrad, dessen Verladung in ein Flugzeug angesichts der sich auftürmenden Schwierigkeiten noch in letzter Sekunde gestoppt worden war, musste vom Flughafen wieder heimgeholt werden, weil nunmehr DHL nicht mehr die rechtzeitige Anlieferung garantieren konnte. Den Veranstaltern schickte ich eine Mail des Inhalts, dass ich dennoch kommen würde, allerdings nur als Tourist und Zuschauer. Was war richtiggehend falsch gelaufen? Falsch war es, den offiziellen Weg gewählt zu haben. Alles wäre viel einfacher gewesen (wenngleich vielleicht auch nicht korrekter), sich *informell* an die Veranstalter zu wenden mit der Bitte, wie einer der Ihrigen behandelt zu werden, also als Resident von NZ. So wird das ansonsten stillschweigend geregelt – im Nachhinein ist man einmal mehr schlauer als zuvor. Aber: Peter Lodge, der Präsident der NZCMMR, erklärte sich angesichts der verfahrenen Situation bereit, mir eine seiner Nortons ES2 leihweise für die anstehenden Veranstaltungen zu überlassen – eine absolut beispiellose und extrem großherzige Geste! Das nächste Foto zeigt ihn beim Warmlaufen seiner Norton.
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Hello Peter: I do hope that you will read this story. I am grateful to you and will never forget your friendliness and generosity!
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Zur Strecke und dem Drum und Dran:
Die Strecke befindet sich ca. 40 km südlich von Auckland in einem abgeschlossenen Park und umschließt eine Pferde-Rennbahn. Sie ist 2,8 km lang; die richtig schnellen Leute schaffen eine Runde in ca. 1:10 Min (nachstehendes Foto). Die schnelle Rechts nach Start und Ziel "macht etwas zu"; dort ist auch der Belag ziemlich wellig, weshalb der Lenker zu flattern anfängt. Angeblich soll man dort nicht vom Gas gehen. (Mir fehlte dazu der Schneid.) Große Tribünen umsäumen den Start- und Zielbereich, auf denen sich aber nur etwa so viele Zuschauer verlieren, wie bei uns in Hockenheim.
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Keine Tankstelle im Fahrerlager und nur ganz wenige Stromanschlüsse, was Improvisationen notwendig macht (s. nachstehendes Foto; verwegene Kabelkonstruktion, sicher nicht TÜV-konform). Die meisten Fahrer haben Batterien oder Notstrom-Aggregate dabei. Im Startgeld eingeschlossen sind Gutscheine für zwei Frühstücke (Samstag und Sonntag) und ein BBQ am Samstag Abend sowie eine Erinnerungs-Medaille.
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Am Eingang zur Strecke wird vor Überschreitung der Lärm-Grenzen gewarnt (s. Foto ).
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Die Einhaltung der Phon-Bestimmungen wird penibel überwacht. Bei Verstößen werden die Fahrer ermahnt und zur Nachbesserung aufgefordert; im Wiederholungsfall wird ein Fahrer mit schwarzer Flagge raus gewinkt. Da die Fahrer allerdings wissen, dass sich das Mess-Gerät rechter Hand kurz hinter Start-und Ziel befindet, gibt es technische und fahrerische Möglichkeiten, unbehelligt davon zu kommen. Beispielsweise war die Norton von Nick Cole im Training als zu laut aufgefallen; deshalb wurde der Endschalldämpfer für die Rennen etwas zugestopft und zusätzlich ein Abweis-Blech angebracht, das die Schall-Abstrahlung insbesondere nach rechts etwas mindern sollte (s. Foto; mutige Ansage auf dem Schallbegrenzer, aber das Teil war so lang, dass es schon im Zuge der Startaufstellung durch die Kollision mit einem Konkurrenten abgerissen wurde).
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Nach dem Rennen kam ein Funktionär und machte deutlich, dass die Maschine immer noch zu laut gewesen sei; allerdings sei es nicht möglich gewesen, den Übeltäter einwandfrei zu identifizieren, weil er mit einem Konkurrent in allzu kurzem Abstand hintereinander am Messgerät vorbeigedonnert sei – womit die listige Renn-Taktik (zumindest für ihn) aufgegangen war… Die Zahl der verschiedenen Klassen entspricht in etwa unseren Gegebenheiten. Aber einzelne Klassen treten mehrfach an, je nachdem, ob es beispielsweise um Meisterschaftspunkte oder bestimmte Trophäen geht. Auch ist eine Mischung von Klassen bei bestimmten Läufen vorgesehen, schließlich noch sog. "Scratch Races", bei denen die Starterfelder nach der Ähnlichkeit ihrer Trainings- und Laufzeiten zu homogenen Gruppen zusammengestellt werden. Auf diese Weise kann ein Fahrer leicht auf vier oder fünf Starts kommen. Das Programm hat für Samstag und Sonntag nicht weniger als 57 Läufe vorgesehen, wobei die Regularity-Läufe nur randständige Anhängsel zu den Rennen waren. Welches Rennen gerade ansteht, wird über einen Lautsprecher angekündigt, der jedoch allenfalls bei Start und Ziel zu hören ist. Das wichtigere Signal geht von einem großen Schild aus, das aus einem Fenster im Obergeschoss des Zielrichter-Hauses gezeigt wird; auf ihm befindet sich eine Zahl, die im Programm einer bestimmten Klasse zugeordnet ist. Wie angesichts der geruhsamen Lebensart der Kiwis nicht anders zu erwarten war, wird mit dem Zeitplan recht großzügig umgegangen. Bei der Abnahme des Helmes verlangen die Funktionäre nicht nur konstruktive Aktualität, sondern vor allem Funktionalität: Der Fahrer muss den Helm aufsetzen, und es wird dessen ordentlicher Sitz geprüft. Am Ende der Boxengasse steht ein großes Schild, das noch einmal auf das Festzurren hinweist.
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Nach jedem Lauf findet an der Einfahrt in die Boxen-Gasse ein "Oil-Check" statt. Dabei prüfen die Kommissare, ob die Maschine inkontinent ist. Auf die Frage, was geschähe, wenn der Augenschein Undichtigkeit erkennen lasse, sagte mir der Marshal: "Dann wird der Fahrer erschossen…" So schlimm ist es natürlich nicht. Richtiger ist, dass ein "Delinquent" notiert wird und bei nächster Gelegenheit beweisen muss, dass die Sache in Ordnung gebracht worden ist – sicher eine nachahmenswerte Übung.
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Oil Check bei der Einfahrt zur Boxengasse
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Go on young man - Okay nach dem Oil-Check.
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Zur Technik der Maschinen:
Das Reglement des NZCMRR schreibt historische Authentizität penibel vor; diese muss bei der Meldung durch entsprechende Angaben belegt werden. Das ist freilich nur Theorie. In der Praxis hingegen sind alle denkbaren Basteleien anzutreffen. Gegenüber unseren Verhältnissen fällt bei den Transportern, Wohnmobilen und Anhängern im Durchschnitt eine geringere Wertigkeit auf (die Leute dort legen darauf offenkundig weniger Wert). Bei den Rennmaschinen ist eine größere Bandbreite in der technischen Qualität unübersehbar: Ausgesprochen hochwertigen und exzellent vorbereiteten Maschinen, wie sie sich insbesondere bei den vier oder fünf professionellen Tuning-Firmen finden, stehen gruselige "Rat-Bikes" gegenüber, auf die man sich nur ungern in einem Wettbewerb setzen möchte.
Ein Beispiel für die erstere Kategorie mögen die Nortons von McIntosh oder diejenigen von Peter Lodge sein. Erstere weisen meist den Doppel-ohc-Kopf auf und zeigen im Hinterrad häufig Naben, bei denen sich wie bei den früheren Werks-Maschinen die Bremse rechts befindet und damit ein Aufheizen der Kette vermieden wird. Lodge hat sich demgegenüber der ES2 verschrieben und diese in jahrelanger Feinarbeit weiter entwickelt. Der Stoßstangen-Motor dreht inzwischen bis 8.800 und leistet sagenhafte 62 PS – und ist dabei völlig standfest! Auch am Fahrwerk finden sich allerfeinste Modifikationen. Der Auspuff ist oben geführt und endet mittig unter der Sitzbank (s. Foto; das "winning team": von rechts Peter Lodge, Nick Cole und ein Mechaniker).
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Zum Renngeschehen:
Die herausragenden Akteure waren zweifellos Bill Swallow und Nick Cole. Swallow ist einer der bekannten TT-Heroen, Cole fährt in Down Under erfolgreich bei den Superbikes mit. Wann immer die beiden in den verschiedenen Rennen aufeinandertrafen, gab es packende Kämpfe, die manchem Zuschauer den Atem stocken ließen. Die ES2 hatte stets die Nase vorn…
Es mag ans Peinliche grenzen, wenn man im Kontext dieser und weiterer Fahrer der Extra-Klasse auch etwas über sich selbst anfügt: Im einzigen Trainings-Lauf verbrannte in der ersten Runde die Kupplung (und der rechte Oberschenkel am Auspuff; das nächste Foto macht deutlich, warum das nicht zu vermeiden war: der Auspuff stand zu weit ab.
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Weil damit keine gezeitete Runde vorlag, machte das einen Start-Platz in der letzten Reihe unumgänglich. In den anschließenden Regularity-Läufen war deshalb nicht mehr drin als ein sechster Rang. Aber im abschließenden Scratch-Rennen am Sonntag-Nachmittag war ein schöner dritter Platz auf der ungewohnten Maschine (rechts die Schaltung, links die Bremse!) die Belohnung für alle Aufregungen im Vorfeld, die Strapazen der Reise und die starke Inanspruchnahme des Geldbeutels – persönlich die Krönung eines denkwürdigen Wochenendes, das lange in Erinnerung bleiben wird.
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Text: Manfred Amelang; Fotos: Amelang, Beck
Ich widme diesen Beitrag "aus gegebenem Anlass" (und es gibt in diesen Tagen deren zwei!) meinem Freund und langjährigen Weggefährten Klaus Wiitigayer.
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