Eine Woche nach der Veranstaltung in Pukekohe standen die Rennen in Hampton Downs auf dem Kalender. Einen Ort mit diesem Namen sucht man auf der Karte vergebens. Vielmehr handelt es sich dabei um eine gleichnamige Ausfahrt vom Motorway 1, ca. 70 km südlich von Auckland. Schon von der Autobahn sieht man rechter Hand die Rennstrecke und die dazugehörigen Gebäude liegen.
Die gesamte Anlage befindet sich in einer hügeligen Umgebung und noch im Aufbau; das wird besonders deutlich im (sehr weiträumigen) Fahrerlager, dessen Grund bislang nur teilweise bearbeitet und Strom nur in den Boxen vorhanden ist (die freilich den Motorradfahrern nicht zur Verfügung stehen). Rasiert habe ich mich unter Benutzung des unabdingbaren Adapters in einer Tunnelunterführung für Zuschauer, wo sich eine verlorene und intakte Steckdose befand.
Der Kurs ist eher winkelig, mit zwei „blinden“ Kurven; besonders die schnelle Rechts nach Start und Ziel ist nicht einsehbar, weil sie steil nach unten abfällt. Zudem führt die schnelle Links über einen Hügel und fällt nach außen ab – da kann einem schon etwas mulmig werden. Wunderschön ist die Rechtsbiegung vor Start und Ziel, weil sie leicht bergauf führt und dabei „aufmacht“; dadurch kommt man mit gehörigem Tempo auf die Zielgerade. Ohne jede Frage erfordert dieser Kurs ordentliche Streckenkenntnis, will man hier erfolgreich sein. Für die Zuschauer bieten sich von außen und vom Infield aus hervorragende Sichtverhältnisse.
Entlang der Start-Ziel-Geraden befinden sich drei große Wohnanlagen. Diese enthalten Appartements, die seinerzeit für Preise von umgerechnet ca. 200.000 Euro angeboten wurden – offenbar ein perfektes Geschäftsmodell, denn alle Wohnungen sind verkauft. (Zumindest eine, im obersten Stockwerk neben Start und Ziel gelegen, steht den Organisatoren zur Verfügung, denn auf ihrem Balkon werden auf großen Schildern die Nummern angezeigt, aus denen die Fahrer ersehen, welcher Lauf als nächster ansteht, s. Foto). Sicher würden die meisten Mitmenschen ihr Geld lieber in eine ruhig gelegene Immobilie investieren, aber auch eine solche direkt an einer Rennstrecke hat ihren Reiz: Sie garantiert dem Fan einen exklusiven Logen-Platz, und wenn ihn eine Veranstaltung mal nicht interessiert, kann er sein Appartement an einem Wochenende für 1.000 Euro an andere Interessenten vermieten.
Eine Besonderheit: Am Samstag Abend leerte sich das Fahrerlager fast vollständig; die meisten Leute bauten ab und fuhren heim, kamen aber allesamt am nächsten Morgen wieder und richteten in Ruhe und ohne jede Hektik ihren Stellplatz wieder ein. Geblieben waren nur jene, für die der Heimweg allzu lang gewesen wäre. Die „Bindung“ an das Areal ist also im Vergleich zu Pukekohe, das auf eine ungleich längere Geschichte zurückblicken kann, viel geringer. Verkaufsstände und Imbiss-Buden gab es keine.
Folkloristisches:
Beim Entwurf der Piste und ihrem Verlauf waren die dafür verantwortlichen Personen davon ausgegangen, dass der Kurs entgegen dem Uhrzeiger-Sinn befahren würde. Nach der Fertigstellung, so wird erzählt, hat jedoch ein namhafter Rennwagen-Pilot einige Versuchsfahrten „links-“ und einige „rechtsherum“ durchgeführt und am Ende kategorisch festgestellt, dass im Uhrzeiger-Sinn gefahren werden müsse. Einer anderen Deutung zufolge, die in den Medien kolportiert wurde, sprächen Sicherheitserwägungen gegenüber dem Verkehr auf den benachbarten Straßen für die nun geltende Regelung. Wie dem auch sei: Die getroffene Entscheidung scheint gefühlsmäßig angemessen zu sein.
Im Fahrerlager sprach uns am Freitag Abend ein einsamer Biker an. Es stellte sich heraus, dass Martin aus England gekommen und 14 Wochen in NZ unterwegs war. Für die Mobilität hatte er sich eine BMW R 65 gekauft, „unverwüstlich wie auch meine anderen BMWs zu Hause..“(s. nachstehendes Foto). Stolz kramte er seine Zertifikate heraus, die ihn als erfahrenen Renn-Marshal auswiesen. Vor seiner Anreise hatte er beim NZCMRR angefragt, ob sie Verwendung für ihn bei der Durchführung der Veranstaltungen in Pukekohe und Hampton Downs hätten. Auf diese Weise hatte er bereits am Wochenende zuvor geholfen, „die Flaggen“ zu schwenken, und in Hampton Downs sahen wir ihn die nächsten beiden Tage im Zielrichterhaus werkeln. Nächtigen werde er in einem halb-abgebrannten Wohnwagen, der vor den Toren der Strecke stünde - tolle Kerle.
Zum Sportgeschehen:
Im Großen und Ganzen waren die Fahrer und Maschinen dieselben wie vom Wochenende zuvor. Es dominierten wieder Cole und Swallow. Es gab keine Regularity-Läufe. Manche Maschinen fielen technisch ziemlich aus dem Rahmen (s. Foto: Unser Maori-Freund Duane Wallace als – seinen selbstironischen Worten zufolge - „Pit-Pig“ bei der Betreuung seines Fahrers). Bei den Seitenwagen standen ganze vier Gespanne am Start – wäre das nicht mal eine Chance für Fahrer aus unserer Szene, dort aufmerksam zu machen auf die Vielfalt und Attraktivität des Geschehens hierzulande?
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Mich hatten die Funktionäre in die schnellste Klasse einsortiert. In der ersten Trainingsrunde sprang der Belt Drive runter – endloses Warten auf den Lumpensammler; weil keine gezeitete Runde vorlag, erneut Verbannung in die letzte Startreihe. Die Schwierigkeiten des Kurses, die mangelnde Streckenkenntnis und die ungewohnte Maschine setzten enge und etwas schmerzhafte Grenzen. Es musste als Erfolg gelten, dass es in den verschiedenen Läufen immerhin gelang, wenigstens einige der Mitbewerber hinter sich gelassen zu haben. Schließlich ist (fast) alles eine Sache der Perspektive und der mentalen Einbettung, und in Bezug darauf musste vorrangig als positiv gelten: Die Maschine nicht ruiniert, sondern in ordentlichem Zustand zurückgegeben, und last not least: nicht runtergefallen. Letzteres wäre fatal gewesen soweit von der Heimat entfernt, und es sollten doch noch ein paar Urlaubstage angehängt werden…
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