Es ist nunmehr bereits Tradition, dass am ersten Juni-Wochenende die „Odenwaldring Klassik“ auf dem Kalender steht. So war es auch dieses Jahr, als zum fünften Mal in ununterbrochener Reihenfolge die Rennen auf dem Flugplatz von Walldürn stattfanden. War in den vergangenen Jahren von Mal zu Mal ein kontinuierlicher Anstieg der Fahrer- und Zuschauer-Zahlen zu beobachten gewesen, so sahen die Organisatoren dieses Mal nicht ganz ohne Sorge dem Geschehen entgegen, weil – wie bereits dargelegt – zum selben Termin ein Meisterschaftslauf des VFV in Metz angesetzt war. Alle Befürchtungen erwiesen sich freilich als gegenstandslos: Nicht weniger als ca. 270 Fahrer hatten in den insgesamt 11 verschiedenen Klassen gemeldet. In den drei Regularity-Wettbewerben („Historische Motorräder bis 250cc“, „…bis 550cc“ und „…über 550cc“) fuhren mehr als 60 Fahrer gegeneinander und gegen die Uhr, etwa die Hälfte davon mit VFV-Dauer-Start-Nummern. Hinzu kamen noch einige Solisten und Gespann-Fahrer, die hier die Gelegenheit nutzten, einmal mehr in einem „richtigen“ Rennen anzutreten.
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Bereits gegen 10 Uhr am Freitag war denn das Fahrerlager schon ziemlich voll, und bis zum Abend war dann kaum noch ein Stellplatz frei. Die Zuweisung der Gruppen von Seitenwagen, Solisten und Präsentation in verschiedene Areale auf dem Gelände kann als gelungen bezeichnet werden. Hingegen gab es wiederkehrende Probleme mit der Stromversorgung; immer wieder kam es zu Ausfällen, ausgerechnet dann natürlich, wenn man (wie die anderen Fahrer auch) Strom am dringendsten gebraucht hätte. Die Ursache dafür stellte anscheinend die begrenzte Kapazität des Netzes dar: 10 Stromverteiler, von denen jeder zwischen 10 und 20 Anschlüsse hatte, überforderten einfach das Netz. In Bezug darauf zukünftig eine „sichere“ Lösung zu finden, dürfte nicht leicht sein, weil während der „restlichen“ 362 Tage des Jahres eine größere Kapazität nicht benötigt wird. Eine Folge der Stromausfälle bestand unter anderem darin, dass die Lautsprecher-Durchsagen nicht immer zu vernehmen waren und man aufpassen musste, den eigenen Einsatz nicht zu verpassen.
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A propos Lautsprecher: Dem Vernehmen nach trieb am Samstag morgen das Organisations-Team u.a. die Frage um, wo denn der Mensch mit den Lautsprechern bleibe. Anfrage bei ihm, wann er denn käme. Antwort:“Menschenskinder, ich habe den Termin doch glatt vergessen. Komme sofort…“ Ab 13 Uhr war dann tatsächlich alles aufgebaut und einsatzbereit.
Was das Wetter anging, so war der Samstag praktisch trocken. Dementsprechend strömten die Zuschauer wie im Vorjahr in großer Zahl ins Fahrerlager und an die Strecke – eine angenehme Atmosphäre. Zu dieser trugen wie in der Vergangenheit auch dieses Mal die informativen Kommentare des Streckensprechers Klaus Lambert bei, dem an dieser Stelle gesondert Lob und Anerkennung ausgesprochen sei. (Warum gibt es das nicht auch bei anderen Veranstaltungen?) Bereichernd auch die Gegenwart von fünf Weltmeistern vergangener Tage (Jim Redman, Hans Georg Anscheidt, Rolf Steinhausen, Werner Schwärzel und Jan de Fries), mit denen man im Hangar stehen, plaudern und wohl auch mal ein Bier trinken konnte.
Leider begann es dann am Sonntag in der Früh zu schütten, präzise nach entsprechender Voransage durch die Wetterfrösche, und das ausgerechnet zu einer Zeit, als wohl die meisten der potentiellen Zuschauer zu Hause noch überlegten, was sie an diesem Tage unternehmen wollten. Viele der Fahrer packten ein und fuhren heim, weil keine Besserung in Aussicht stand. Für diejenigen, die blieben, war die Wahrscheinlichkeit, einen Pokal zu erlangen, dadurch zusätzlich gestiegen, „zusätzlich“ deshalb, weil die Veranstalter in einigen Klassen bis zum achten oder gar zehnten Platz Pokale vergeben – eine nachahmenswerte Strategie, um Teilnehmer zu binden, wenn diese nicht durch eine Serie von Meisterschaftsläufen darauf angewiesen sind, Punkte einzufahren.
Die Strecke war neu homologisiert worden, in ihrem Verlauf zwar grundsätzlich gleich geblieben, aber in zwei Details erfreulicher Weise geändert: Zum einen wurde die Zielgerade auf dem Taxiway etwas verlängert, indem nunmehr der letzte (und nicht mehr der vorletzte) Weg als Verbindung zur Startgeraden dient; ein wesentlicher Vorteil dieser Modifikation besteht darin, dass man nicht länger in Schräglage auf die weißen Markierungen der Landebahn trifft. Zum anderen wurde die Schikane auf der Startgeraden zurückverlegt. Auch hier werden damit die weißen Landungsmarkierungen vermieden, die dann in senkrechter Position überfahren werden, was der Sicherheit dienlich ist. (Die Luftaufnahme auf Seite 15 der ansonsten höchst informativen und qualitativ hochwertigen „Renn-Revue“ gibt noch den alten Streckenverlauf wieder.)
Ein Kuriosum: In der Regularity Gruppe 3 gab es zwei Fahrer mit derselben Start-Nummer, u. z. 69, jedoch mit den vorangestellten Buchstaben J und U. Bei dem einen handelte es sich um Martin Bertsch, bei dem anderen um Klaus Herkert. Die Sache kam auf, als Ungereimtheiten in Bezug auf die im Training gefahrenen Zeiten unverkennbar waren: Für Martin hatte es demzufolge nur für die letzte Startreihe gereicht, was weder seinem Selbstwertgefühl noch dem wahrnehmbaren Geschehen entsprach. Umgekehrt hatte Klaus nicht den Eindruck, so schnell gewesen zu sein, dass ihm ein Startplatz in der zweiten Reihe zustünde. Unabhängig voneinander (!) wurden beide bei der Zeitnahme vorstellig, die jedem von beiden nach der Inaugenscheinnahme der Maschinen attestierte, den Transponder nicht richtig adjustiert zu haben. Den Auflagen folgend nahmen beide Fahrer entsprechende Korrekturen vor. Herr Sattelberger von der Rennleitung sorgte dann dafür, dass aus U69 schließlich 169 wurde, womit die Probleme gelöst waren und die Startplätze in die richtige Reihenfolge getauscht wurden. Üblicherweise sind Diskussionen mit der Zeitnahme eher sinnlose Zeitverschwendung; hier zeigte sich aber, dass mit vernünftigen Argumenten vernünftige Leute zu überzeugen sind und vernünftige Lösungen gefunden werden können.
Ansonsten gab es wieder alles, was den Rennsport so spannend macht, darunter also packende Duelle, besorgte Blicke zum Himmel, ob wohl das Wetter halten werde, ein leerer Tank am Start (nachfüllen vergessen), im weiteren Öl fast auf der gesamten Strecke, weil sich bei einem Fahrer der Ölfilter seiner Maschine abgeschüttelt hatte. In einem anderen Fall war die Öl-Spur sehr viel kürzer (u.z. vor der Bus-Stop-Schikane), aber die Ursache sehr viel gravierender: Gerhard Fischer hatte die von ihm aufgebaute 250er NSU mit BMW-Kopf in die Hände von Hans Poljack gegeben, der sie sozusagen als „sein“ Fahrer bewegen sollte, und diesem passierte dann das (selbstverständlich von ihm völlig unverschuldete!) Pech eines kapitalen Motorschadens – ein Beleg mehr dafür, dass die Überlassung einer eigenen Maschine an befreundete Kollegen unter Umständen ein beträchtliches Maß an Frustrationstoleranz erfordern kann.
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