Horst Scherer, 69, gehört zu jenen Fahrern, die zu Beginn ihrer Karriere lange Zeit „richtige“ Rennen gefahren sind, und die dann erst ausgangs des „Lebens-Hochsommers“ angefangen haben, sich daneben auch für die Classic-Szene zu interessieren. Begonnen hat alles im zarten Alter von 19 Jahren, als er auf einer 500er-Einzylinder Guzzi aus dem Bestand von Hein Thorn-Prikker bei Ausweis-Rennen antrat; allerdings war nach der vierten Veranstaltung Schluss - das Geld war ausgegangen, und die Mutter weigerte sich standhaft, noch mehr aus ihren Ersparnissen zur Verfügung zu stellen.
Nach einer Art schöpferischer Pause kehrte er drei Jahre später in den Sport zurück und kämpfte um den Junioren-Pokal, zunächst mit einer Ducati mit NSU-Max-Motor, später mit einer 250er-Zwei-Zylinder Jawa, darauf folgend mit einer 3-Zylinder 500er-Kawa und zuletzt mit einer TR Yamaha, also einer der letzten 350er luftgekühlten Modelle - allein diese Abfolge von verschiedenen Fabrikaten und Typen lässt erkennen, dass Horst nun wirklich kein Marken-Fetischist ist.
Ab 1974 wechselte er mit der höheren Lizenz in die Deutsche Meisterschaft, wo er eine 350er TZ bewegte, parallel dazu aber auch auf einer CB 750 Langstrecken-Wettbewerbe bestritt und außerdem noch in der Super-Bike-Szene aktiv war. Mit dem Bol d`Or war damit 1986 erst mal Schluss, und er betreute in den folgenden Jahren seinen Sohn bei dessen Moto-Cross-Rennen.
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Diese Maschine hat er in letzter Zeit einem anderen Fahrer überlassen, weil er selbst nunmehr im dritten Jahr eine 1100er Suzuki in O an den Start bringt. Dieses Motorrad hat er in ziemlich heruntergekommenem Zustand für einen dementsprechend günstigen Preis erworben und es zu einem konkurrenzfähigen Gerät aufgebaut. Nach ersten Plätzen auf dem Kölner Kurs, der Dahlemer Binz und in Oschersleben sowie weiteren guten Platzierungen bei den anderen Veranstaltungen belegte er damit in der Jahres-Klassen-Wertung in O hinter Horst Quint den zweiten Platz und wurde Sieger in der DHM-Wertung - die unterschiedlichen Modalitäten einer Anrechnung der Differenz-Zeiten bei der Jahres-Klassen-Wertung einerseits und der DHM-Wertung andererseits sind für diese auf den ersten Blick vielleicht unverständlichen Divergenzen verantwortlich.
Zu den Erfolgen in der zurückliegenden Saison, die Host persönlich als sehr hoch ansiedelt, zählen darüber hinaus aber auch je zwei vierte Plätze bei den 4-Stunden-Rennen in Oschersleben und in Westfalen, herausgefahren mit verschiedenen Co-Piloten auf einer 30 Jahre alten 1100er-Gus-Kuhn-Suzuki. Diese Maschine wurde auch in Spa-Francorchamps an den Start gebracht, doch setzte ein Elektrik-Schaden dem Vorwärtsdrang nach rund zwei Stunden ein vorzeitiges Ende. Deshalb durchs Fahrerlager zurück zum Standplatz geschoben, doch erkannten die Funktionäre darin ein unerlaubtes Verlassen der Rennstrecke und disqualifizierten das Team - ein bitteres Aus angesichts des enormen Aufwands in Einheiten von Zeit, mechanischer Vorbereitung und (Start-)Geld.
Freilich war das nur einer von den zahlreichen Rückschlägen, die fast zwangsläufig im Laufe eines derart langen und vielseitigen Engagements im Motorrad-Rennsport auftreten. Als besonders schmerzlich empfindet er einen Saison-Endlauf in Oschersleben, bei dem er im ersten Durchgang einen Motor-Platzer hatte, in dessen Gefolge auf dem ausgelaufenen Öl drei Mitbewerber zu Boden gingen, und im zweiten Lauf ein mechanischer Effekt ebenfalls eine Zielankunft verhinderte - womit die Führung in der Jahres-Klassen-Wertung dahin und nur noch ein abschließender vierter Platz „drin“ war.
Im Wortsinn „schmerzlich“ waren darüber hinaus wiederkehrend Stürze, die nicht ausbleiben, wenn man in richtig zügiger Fahrt unterwegs ist. Um die fünfundzwanzig Knochenbrüche mussten hingenommen werden, in unterschiedlicher Schwere und in ziemlich allen Teilen des Körpers - erfreulicherweise ohne ernsthafte Beeinträchtigungen überdauernder Art. Als es 1978 aber mal ganz schlimm kam, mit endlosen Defekten am Gerät und einer schlimmen Verbrennung in der heimischen Werkstatt, da stand der Entschluss fest: „Nie wieder Motorrad fahren!“ - jedenfalls „fast fest“, denn einige Zeit darauf brach sich das Benzin im Blut doch wieder seine Bahn und brachte Horst ins Fahrerlager und auf die Pisten zurück.
Dort traf ich ihn erstmals auf dem Nürburgring 2000, bei meinem allerersten Rennen überhaupt, am 7./8. Mai 2000. Seitdem haben sich unsere Linien vielfach gekreuzt. Besonders angetan bin ich seit jeher von seiner technischen und fahrerischen Kompetenz, seiner großen Hilfsbereitschaft und seinem ansteckenden Humor. In lebhafter Erinnerung bleibt mir, wie er in strömendem Regen auf dem Nürburgring ausgangs der Mercedes-Arena an mir vorbei zog, sich umdrehte und mir bedeutete, ich sollte ihm doch - bitteschön! - folgen, wohl wissend, dass ich dafür nicht die notwendige Courage besaß. Ebenfalls in der Eifel hatte er an der Honda von Sylvia Scholer, die meist recht verhalten unterwegs war, auf gelbem Grund die drei schwarzen Punkte als Zeichen einer Behinderung angebracht, wofür diese sich - in kameradschaftlicher Verbundenheit - an ihm schadlos hielt durch ein Schild mit der Aufforderung, dass interessierte Zuschauer zu einer bestimmten Zeit kommen und dabei zusehen könnten, wie Horst innerhalb von 30 Minuten einmal mehr den (immer wieder kränkelnden) Motor seiner Laverda wechseln würde.
Ungeachtet seiner beeindruckenden Laufbahn und der vielen Erfolge ist Horst aber an *einer* Aufgabe doch gescheitert: Einstmals wetteten wir in Hockenheim, abends, in launiger Stimmung, dass es (auch) ihm nicht gelingen würde, meine Maschine anzuschieben. Er hielt mit einer Flasche Wein dagegen. Drei Versuche gab es am nächsten Tag, vor Zeugen, im Fahrerlager. Dann wechselte die Flasche ihren Besitzer.
Herzlichen Glückwunsch, Horst, zur Meisterschaft und auch weiterhin alles Gute!
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