In Heft 11-12/2012 des DMSB-Magazins „VORSTART“ ist auf den Seiten 10 bis 16 die „Galerie der Meister 2012“ ausgebreitet. Abgebildet mit Portrait- oder Ganzheits-Fotos, verschiedentlich auch zusätzlich unterlegt mit einem Bild des erfolgreich benutzten Geräts, werden die Jahressieger aus ca. 25 Automobil- und ca. 40 Motorrad-Wettbewerben vorgestellt; unter den letzteren finden sich Lang- und Grasbahn, Team- und Markenpokale, Wettbewerbe für Serien-, Super- und Renn-Sport, für Junioren, Rookies und Frauen, für Straßen und Gelände, für In- und Outdoor-Trials usw. – eine beeindruckende und anscheinend vollständige Auflistung. Doch Nein, halt! Ein Wettbewerb fehlt, nämlich der unsrige, der Sport mit historischen Motorrädern; den Ersten in der DHM, Horst Scherer, sucht man vergebens.
Das wirft Fragen auf.
Ist die Auslassung vielleicht einem Versehen der zuständigen Sachbearbeiter geschuldet? Wo Menschen am Werke sind, werden menschliche Fehler gemacht. Ein solches Versäumnis ließe sich entschuldigen, und der Schaden könnte durch entsprechende Nacharbeit, beispielsweise im nächsten Heft, geheilt oder zumindest in Grenzen gehalten werden.
Aus momentaner Sicht ist aber auch eine weniger wohlmeinende Deutung nicht abwegig, nämlich diejenige, ob der Sport mit historischen Maschinen nach Gleichmäßigkeitsprinzipien innerhalb des DMSB nicht eine allzu randständige Rolle spielt, um nicht zu sagen: dort vielleicht nicht eben Ernst genommen wird. Jedenfalls gab es auch schon ein paar Probleme bei der Ehrung des DHM-Siegers im Jahre 2011.
Gewiss stellt es einen beachtlichen Erfolg für unsere Szene und insbesondere den VFV dar, mit seinen Läufen einen Titel erlangen zu können, der vom obersten Motorsport-Gremium mit „Deutsche Historische Motorradmeisterschaft“ geadelt wird. Das ist sozusagen ein Leuchtturm, keine Frage. Dieser Titel ist unter anderem deshalb so wertvoll, weil dahinter ein Fahrerfeld von knapp 300 Personen steht; das dürfte eine größere Zahl von Startern sein, als in manchen anderen der oben erwähnten Wettbewerbe. Allerdings scheint seine Strahlkraft etwas darunter zu leiden, dass die sportliche Leistung, die ihm zugrundeliegt, nicht nach den üblichen Maßstäben von „höher – schneller – weiter“ bewertet wird. Vielmehr lautet hier das Kriterium „gleichmäßiger“. Aber bereits im Wort „gleichmäßig“ verbirgt sich das für ein positives Image abträgliche Attribut „mäßig“ -- und das zudem noch „gleich“, wo doch ansonsten im Sport gilt: “besser“, mithin das Gegenteil von „gleich“, nämlich „ungleich“. Von diesen Wortbedeutungen mögen Assoziationen zum verminderten Ansehen unseres Sports ihren Ausgang nehmen. Sie verstellen aber den Blick dafür, dass es sich dabei nicht etwa nur um ein fröhliches Treiben ohne Belang handelt, sondern um einen Wettbewerb, in dem Speed, persönliche Reife sowie fahrerische und technische Kompetenz eine entscheidende Rolle spielen, der Erfolg auf einer eigenständigen, wettbewerbsspezifischen und vor allem: Ernst zu nehmenden Kompetenz beruht.
Ein gewisses Handicap des Titels mag auch darin bestehen, dass lange Zeit die Prinzipien der Wertung von vielen Fahrern kaum verstanden wurden, der Wertungsmodus für Angehörige der Szene auch heute noch Unklarheiten aufweist, dieser Wertungsmodus vor allem aber nicht mit dem eingängigen Modus für die Jahres-Klassen-Wertung übereinstimmt – und deshalb als eher „ich-fern“ erlebt wird, eine diffus-abstrakte Größe, außerhalb des Erreichbaren, um die letztlich nicht im selben Ausmaß konkurriert wird, wie für die Jahres-Klassen-Wertung. Dieses auch deshalb nicht, weil 300 potentielle Mitbewerber es als fast aussichtslos erscheinen lassen, hier erfolgreich zu sein – wieder im Unterschied zur Jahres-Klassen-Wertung. Die große Zahl von Startern, die in der Außenwahrnehmung den Wert des Titels ausmacht, mag insofern im Binnenverhältnis eben diesen eher beeinträchtigen – weil es nahezu unwahrscheinlich ist, ihn zu erringen, und was man nicht erreichen kann, erfährt intern eine subjektive Abwertung (analog zu einer „Sauren-Trauben-Reaktion“).
Was folgt daraus?
Zwangsläufig erst mal gar nichts. Ein hinreichend funktionierendes System muss man nicht ändern. Gleichwohl gilt, dass auf mittlere Sicht auch Gutes und Bewährtes verbessert werden kann; Technik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung liefern dazu Beispiele zu Hauf. Im Hinblick darauf bieten sich folgende Optionen an:
1. Binnen-Strukturierung der DHM
Natürlich bedarf es eines langen Atems, um beim DMSB mit Veränderungen durchzudringen. Aber: Ein Titel für zwanzig Klassen, für Solo und Gespanne, für klassische und Clubsport-Maschinen wird unseren Gegebenheiten nicht gerecht. Stattdessen würde eine Kategorisierung der Solo-Klassen in Vor- und Nachkrieg (oder Vor-Fünfziger- und Nach-Fünfziger-Jahre) und eine solche der Gespanne in Sitzer und Kneeler jedermann überzeugen und die Differenzierung unserer Szene auch im DMSB besser widerspiegeln. Als absolute Mindestlösung wäre eine Zweiteilung in Solo- und Gespannfahrzeuge anzustreben. Mehr Klassen als nur eine würden unserem Anliegen mehr Gewicht verleihen; wir würden dann wohl nicht noch einmal übersehen.
2. Aufwertung des GL-Sports
Wenn richtig ist, was oben zu „mäßig“ und „gleich“ dargelegt wurde, müsste ein Einbezug von Geschwindigkeitskomponenten – in welcher Art auch immer – zu einer Aufwertung der GL-Szene führen. Denkbar wäre, um nur zwei Möglichkeiten anzusprechen, die Heranziehung der Trainingszeiten auch für die Tages-Wertung (für die Startaufstellung sind sie bereits jetzt das maßgebliche Kriterium), etwa mit einem Gewichtungsfaktor von maximal 33 % (angesichts von drei Läufen, nämlich einem Pflichttraining und zwei Wertungsläufen). Vorstellbar wäre es auch, die Wertungspunkte an einem Geschwindigkeits-Kriterium zu relativieren oder sie in Abhängigkeit vom Erreichen eines Geschwindigkeitskriteriums zu vergeben (z.B. nicht langsamer gewesen zu sein als der soundsoviel Schnellste).
Dieser Punkt ist natürlich besonders heikel, weil er die „reine GL-Lehre“ in Frage stellt, was Gralshüter zutiefst erschrecken und den Ablehnungs-Reflex aktivieren wird. Aber: Bei vielen Fahrern ist seit jeher die Meinung weit verbreitet, wonach man gleichmäßig nur fahren kann, wenn man möglichst zügig unterwegs ist, d.h. nah am eigenen Limit. Hier ist sie also schon real vorhanden, die Geschwindigkeitskomponente, verbrämt und offiziell verbannt, indirekt nur, weil alles, was nach „Rennen“ klingen könnte, einem kollektiven Tabu unterliegt. Und: Die zusätzlich erwünschte Folge einer derartigen Modifizierung würde wohl darin bestehen, dass damit unser Sport auch für Zuschauer interessanter würde.
Immerhin scheint in letzter Zeit die Tabuierung des Begriffs „Rennen“ für unsere Veranstaltungen schon etwas aufzuweichen, nachdem bislang stets nur von „Läufen“ gesprochen werden durfte. Als eines der Zeichen für diese Entwicklung darf wohl auch gewertet werden, dass sich in dem unlängst von Roger Reising veranstalteten herrlichen Quiz die gestellten Fragen ausnahmslos auf den Renn-Sport bezogen, obwohl die Teilnehmer doch vorwiegend Leute aus der GL-Szene waren. Wären für diesen Kreis nach alter Lesart nicht Fragen adäquater gewesen wie: “Welcher Fahrer hat auf dem Nürburgring in welchem Jahr zwei Runden hintereinander in exakt gleicher Zeit (auf die Hundertstel-Sekunde genau) zurückgelegt?“ Nein, natürlich nicht, weil wir uns letztlich doch meist an „richtigen“ Rennen orientieren – was wohl auch dem Selbstgefühl eines Großteils der Fahrer entspricht.
3. Zusammenlegung von Klassen bei der Jahres-Klassenwertung
Die momentan zwanzig Klassen unseres Systems lassen sich gewiss in technischer Hinsicht rechtfertigen, doch sind sie in organisatorischer und finanzieller Hinsicht sowie für die Außendarstellung ein Unding. Manche Klassen sind zu dünn besetzt, wodurch eine erhebliche Schieflage zwischen den Baujahren und Hubräumen entsteht – ein „Sieg“ in der einen Klasse gegen 35 Mitbewerber kann nicht dasselbe sein wie ein solcher gegen vier oder fünf Mitstreiter. Schon in der Vergangenheit wurde diesem Umstand dadurch Rechnung getragen, dass schwach besetzte Klassen zusammengelegt wurden. In diesem Prozess sollte auf mittlere Sicht fortgefahren werden, um wertungstechnisch auf etwa die Hälfte der jetzigen Klassen-Zahlen zu gelangen. Das macht die einzelnen Klassen gewichtiger, u.z. sowohl im Binnen- als auch im Außenverhältnis, und führt zu einer wechselseitigen Annäherung von Jahres-Klassen- und DHM-Wertung.
Die dargelegten Punkte stehen in Beziehung miteinander. Von daher wäre es wohl die erfolgreichste Strategie, ihre Ziele mehr oder weniger gleichzeitig voranzutreiben.
Und wenn dann eines Tages *doch* in Jahres-Klassen- und DHM-Wertung nach ein- und denselben Prinzipien verfahren würde, wäre (fast) alles in Butter…
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