Moto-GL-Kaleidoskop
Beobachtungen und Notizen aus dem Fahrerlager und von der Strecke


In einem anderem Land:

Jubiläumsrennen in Weixdorf am 4. und 5. Mai 2013


Hintergründiges
: Zum dritten Mal war dieses Jahr die Veranstaltung in Weixdorf ausgeschrieben worden, und wie in den vergangenen Jahren wurden Assoziationen an die historischen Wurzeln gestiftet. Dieses geschah zum einen, indem an die früheren Rennen auf der sog. „Autobahnspinne“ erinnert wurde. Deren Verlauf war reichlich verschlungen (s. das Foto auf dem T-Shirt einer Zuschauerin). Natürlich ist es heute schlicht undenkbar, Autobahnkreuze an Wochenenden für Sportveranstaltungen zu sperren, aber mitunter gelingt es immerhin, öffentliche Straßen dafür heranzuziehen – wie das bei den engagierten „Freunden des historischen Motorradrennsports ‚Ewald Kluge‘ Weixdorf, Heimatverein Weixdorf e.V., Marsdorfer e.V. und die Oldtimerfreunde Ottendorf-Okrilla e.V.“ um den Organisations- und Rennleiter Peter Nitsche wiederkehrend der Fall ist, indem sie unweit der früheren Strecke in kreativer Weise mehrere Straßen verschiedener Beschaffenheit zu einem neuen Kurs kombinieren.

Zum anderen stellten die Verantwortlichen die diesjährige Veranstaltung unter das Motto „75 Jahre 1. Deutscher T.T. Sieg“ von Ewald Kluge. In der Tat hatte Kluge am 15. Juni 1938 als erster Deutscher ein TT-Rennen gewonnen, auf einer 250er Ladepumpen-DKW, nach unfassbaren 3:21 Stunden Fahrzeit, mit mehr als 11 Minuten Vorsprung vor dem Zweiten. Der Verlauf dieses Rennens und die Runden-Zeiten sind noch heute dem Leader Board zu entnehmen, das dem englischen Original in liebevoller Kleinarbeit nachempfunden wurde und sinniger Weise an Start und Ziel am Ortseingang von Weixdorf aufgebaut war (s. Foto). Kluge, der zweimal Europameister und viermal Deutscher Meister werden sollte, ist der berühmteste Sportler, den die Gemeinde Weixdorf, die früher Lausa hieß, hervorgebracht hat. Man mochte seinen Augen kaum trauen, als im Programm für die Jubiläumsklasse (Renn- und Sportmotorräder bis Baujahr 1939) unter der Start-Nummer 1 dann noch zu lesen war: “Kluge, Ewald, Ingolstadt, auf DKW 250ccm, Baujahr 1939.“ Dabei handelte es sich um den gleichnamigen Enkel des berühmten Großvaters, der zusammen mit seinem Vater angereist war und dem die Auto Union die originale Sieger-Maschine von damals zur Verfügung gestellt hatte.

Original-Siegermaschine von Kluge, daneben Enkel von Ewald Kluge

 Plakat
  Original-Siegermaschine von Kluge,
daneben Enkel von Ewald Kluge
Ewald Kluge


Zur Strecke
: Der Kurs sieht auf ca. 1,9 km Länge vier prägnante Links- und drei Rechtskurven vor, daneben noch einige Biegungen. Gefahren wird entgegen dem Uhrzeiger-Sinn. Start und Ziel befinden sich am Ende einer längeren Geraden; hier entspricht die Breite der Straße in etwa derjenigen einer Bundes- oder Kreis-Straße. Kurz nach dem Start geht es in einer Spitzkehre links ab auf eine Art „Grüner-Plan-Weg“. Dieser Abschnitt ist etwa so breit, dass ein Auto darauf Platz hat; zwar gut asphaltiert und mit Ausweich-Stellen für Gegenverkehr sind Ähnlichkeiten mit den welligen Straßen im Norden Schottlands unverkennbar. Ein Bergabstück mündet mit einem Knick in eine Autobahnunterführung. Hier bestand striktes Überholverbot – auf einer Rennstrecke sicher ein absolutes „Alleinstellungsmerkmal“. Ein Streckenposten schwenkte hier andauernd die gelbe Flagge (hoffentlich wurde der gute Mann in dieser anstrengenden Aufgabe von Kollegen auch mal abgelöst…) und war gehalten, Zuwiderhandlungen sofort der Rennleitung zu melden. Nach der Unterführung geht es in einem Kurvengeschlängel, in dem Überholen fast unmöglich ist, zurück auf breitere Fahrbahnen und mit einer zweiten Unterführung zurück zur Start-und-Ziel-Geraden. Im Internet finden sich unter www.autobahnspinne.de, dort: Rundkurs, eine Karte und ein schönes Fahr-Video. Die Durchschnittsgeschwindigkeit für die schnelleren Klassen lag knapp unter 90 km/h.

Die Infra-Struktur des Fahrerlagers war spartanisch; der Untergrund entweder Wiese oder Acker - gut, dass es die ganze Zeit über trocken blieb. Dixi-Klos, kein Trinkwasser, ein paar Stromkästen, anfänglich Stromausfälle ohne Ende. Der guten Stimmung konnte das nichts ausmachen: Überall überaus freundliche Zeitgenossen.

Passage in Richtung der ersten Autobahnunterführung Brustbild einer Zuschauerin: Verlauf der früheren Autobahnspinne
Passage in Richtung
der ersten Autobahnunterführung
Brustbild einer Zuschauerin:
Verlauf der früheren Autobahnspinne
Bikerin auf der Start- und Ziel-Geraden weixdorf
Bikerin auf der Start- und Ziel-Geraden Szene von der Spitzkehre nach Start und Ziel


Zum Organisatorischen
: Das Nenngeld betrug nur erfreuliche 45 Euro. Die Papierabnahme fand in einem Wohnmobil statt, wo zwei Mitarbeiter den Fahrern u.a. das Programm und eine Plakette aushändigten. Hier musste zeitweise eine gute Stunde angestanden werden. Danach die Abnahme von Helm und Maschine – beides sehr großzügig. Abschließend ins Zelt, wo die Transponder vergeben und deren Nummer auch von solchen Fahrern noch einmal erbeten wurden, die sie bereits bei der Nennung angegeben hatten; wer diesen Schritt unterließ, fand sich später nicht auf den Ergebnis-Listen wieder.

Im Programm stand explizit, dass zwei Wertungsläufe gefahren würden; auf der Nennbestätigung und auch auf den Aushängen war nur einer vorgesehen.

In der Fahrerbesprechung empfahl der Rennleiter, die Fahrer möchten doch bitte den Beleg über die ggf. vor Ort abgeschlossene Krankenversicherung in ihrer Kombi mitführen, damit nach Eintritt eines Schadenfalls bei der Einlieferung in ein Hospital nicht der Einsatz medizinischer Hilfe durch zeitaufwendiges Nachfragen verzögert werde… Außerdem wies er darauf hin, dass vor der Spitzkehre nicht mit Höchstgeschwindigkeit angebraust kommen sollte. Mir ist das nicht aus dem Kopf gegangen, weil an dieser Stelle ja auch das Ortseingangsschild stand - durfte man da nun noch ordentlich das Gas stehen lassen oder war Zurückhaltung geboten?

Am Vorstart zeigte eine große Uhr, deren Zeiger per Hand verstellt wurden, die Zeit an, zu der jede Klasse antreten sollte. Da es im Fahrerlager keine Lautsprecher-Durchsagen gab, war diese Uhr für die Orientierung richtig wichtig. Im Laufe des Samstags kam es zu Verzögerungen im Ablauf, wie sie auch andernorts immer wieder unvermeidlich sind. Aber auf der Uhr wurden immer noch die im Programm ausgedruckten (und nicht mehr stimmigen) Zeiten angezeigt. Einen der Funktionäre in aller Demut darauf angesprochen, sagte der: “Die Sch…-Dinger haben 800 Euro gekostet!“ „Wie bitte, ich verstehe das nicht…?“ Darauf die Auflösung: “Die Sch…Walkie-Talkies funktionieren nicht, auf denen uns die Rennleitung die aktualisierten Zeiten durchgeben müsste. Und wenn wir von denen nichts hören, gehen wir von den Zeiten im Programm aus…“

Leaderboard, nachempfunden dem Original auf der Isle of Man Am Vorstart, rechts die Uhr
Leaderboard,
nachempfunden dem Original auf der Isle of Man
Am Vorstart, rechts die Uhr

 

In einem anderen Land: Die Einteilung der Klassen ist eine andere als die vom VFV und anderswo gewohnte. Keine Buchstaben, sondern Ziffern von 1 bis 4, zum Teil mit nachgestellten Untergliederungen zwischen 1 und 2. Beispielsweise sind für die großen Hubräume nur die Klassen 4.1 („über 250ccm bis Baujahr 1946-1969“) und 4.2 (bis Baujahr 1970-1985) vorgesehen.

Die Bandbreite der an den Start gebrachten Maschinen ist sehr groß: Sie reicht von Motorrädern mit roter oder schwarzer Straßenzulassung (jedenfalls war das bei den älteren Bikes der Fall) bis zu Maschinen im besten Renntrimm. Gefahren wird gern mit völlig „offenem Rohr“, eigentlich nicht ganz verständlich, wo doch am Lärm vielfach die Genehmigungen für unsere Läufe zu scheitern drohen.

Und: Die Veranstaltungen, die nach diesen Regularien vom ADMV durchgeführt werden, sind zahlreich (s. den Terminkalender). Zumindest in Weixdorf waren zudem beachtlich viele Zuschauer auf den Tribünen und an der Strecke zu sehen (und augenscheinlich auch relativ viel Jugend). Ein äußerst sachkundiger Streckensprecher informierte und unterhielt ständig das Publikum.

Das Schönste zum Schluss: Nach der Auslaufrunde wurde wie gewöhnlich ins Fahrerlager rausgewinkt. Dort hielten drei Helferinnen die in der Wertung Erstplazierten an, stülpten ihnen je nachdem einen goldenen, silbernen oder grünen Siegerkranz über und schickten sie auf die Ehrenrunde – große Emotionen, ein wunderbarer Augenblick, vor den applaudierenden Zuschauern noch einmal auf der Strecke zu sein. Warum geht das nicht auch bei den Läufen des VFV, wo doch genau dieses bei den Rennen bis in die Sechziger-Jahre eine nachgerade „heilige“ Übung war?

 Einer der glücklichen Sieger
Einer der glücklichen Sieger Drei Hostessen stülpen den Erstplatzierten
die Kränze über

 


 

 

Ein unvollständiges Resumé: Unverständlich ist generell, dass die Funktionäre in den alten und diejenigen in den neuen Bundesländern bisher keine Schnittmenge in den Bestimmungen und dem Ablauf ihrer Veranstaltungen gefunden haben (ich befürchte: sie haben danach gar nicht ernsthaft gesucht!), um aus dem Besten hier und dort wenigstens ansatzweise mehr an Gemeinsamkeiten zu gestalten. Sicher spielen die großen Entfernungen eine Rolle dabei, dass nicht eben viele Fahrer aus dem Osten im Westen starten und umgekehrt; schließlich liegen der Nürburgring, Colmar Berg und die Dahlemer Binz von Berlin ca. 700 km entfernt, von Metz ganz zu schweigen, und mit Hockenheim verhält es sich nicht sehr viel anders. Dieser Umstand und viele weitere Faktoren erzeugen aber letztlich den Eindruck, dass die Wiedervereinigung in unserer Szene bedauerlicher Weise besonders wenig Spuren hinterlassen hat.

Immerhin: Angebote und Nachfrage regulieren nun auch vor Ort den Preis; Rostbratwurst und Steak waren im Fahrerlager am Sonnabend teurer als am Freitag...

 

weixdorf Motor einer wassergekühlten Triumph
Termine ADMV Classic Cup 2013 Motor einer wassergekühlten Triumph

 

Text und Fotos: Manfred Amelang