Moto-GL-Kaleidoskop
Beobachtungen und Notizen aus dem Fahrerlager und von der Strecke


Plakat Walldürn

Erlebnis Walldürn: 2013



Allgemeines: Am zweiten Juni-Wochenende stand zum sechsten Mal seit 2008 die Veranstaltung in Walldürn auf dem Kalender. Seit dem gezielten Anknüpfen an die Tradition des Odenwaldrings, wo auf Landstraßen zwischen Mudau und Buchen zu Beginn der Fünfziger-Jahre des zurückliegenden Jahrhunderts Motorrad-Rennen ausgetragen wurden, hat die „Odenwaldring-Klassik“ inzwischen ihren festen Platz in den Planungen sehr vieler Rennsportfans gefunden. Maßgeblich dafür sind mehrere Faktoren: Zum einen eine glückliche Mischung aus verschiedenen Lauf-Kategorien, nämlich Rennen mit Maschinen unterschiedlichen Alters, Hubraums und Arbeitsweise (4- bzw. 2-Takt), Gleichmäßigkeits-Läufen und Präsentationsfahrten, sowie der Kreierung eigener Meisterschafts-Cups.
Zum anderen der Umstand, dass auf dem Flugplatz von Walldürn pro Jahr nur einmal eine derartige Veranstaltung angesetzt wird; das garantiert – vergleichbar etwa Schotten und im Unterschied zu den permanenten Rennstrecken, auf denen jedes Wochenende etwas los ist – ein nachhaltiges Interesse von Zuschauern aus der Region; und in der Tat kamen dieses Jahr „gefühlt“ noch mehr Besucher als in der Vergangenheit. Besonders am Samstag waren die Park-Plätze in und um das Fahrerlager mit Bikes und Autos randvoll belegt – dieLothar John Veranstaltung scheint sich endgültig etabliert zu haben. Inhaltliche und drucktechnische Qualität sowie der schiere Umfang der „Renn Revue“ suchen in der Szene ihresgleichen. In der Tüte, die jedem Fahrer nach der Papierabnahme ausgehändigt wurde, befanden sich u.a. neben verschiedenen Getränken mehrere hochwertige Prospekte, die über die Stadt und insbesondere deren Hotels und Restaurants informierten (dazu unten mehr).
Ein weiterer wichtiger Garant für den Erfolg stellt das Faktum dar, dass hinter der Veranstaltung ein hochkompetentes Team steht, das - angeführt von Manfred John – im Vorfeld professionelles Marketing praktizierte: Abgesehen von den frühzeitig verschickten Einladungen an die potentiellen Fahrer und dem Hinweis, ihre Meldung doch tunlichst rechtzeitig abzugeben, warben in weitem Umkreis zahlreiche Plakate an den Straßen für das anstehende Rennen. Darüber hinaus stimmten im Internet und in lokalen sowie regionalen Zeitungen redaktionelle Beiträge auf das bevorstehende Ereignis ein; deren Inhalt zentrierte sich häufig auf die Person von Lothar John, der 1952 auf dem damaligen Odenwaldring sein erstes Rennen bestritt und nunmehr, inzwischen 79 Jahre alt, an benachbarter Stätte seine letzten Runden drehen werde. (So endgültig wird es hoffentlich dann doch nicht kommen, denn Manfred berichtete, wie immer bestens gelaunt und voller Schnurren, dass er in Schotten und vielleicht auch in Hockenheim noch einmal fahren werde. Es waren wohl die Rennen, die ihn ewig jung gehalten haben.)

Zusätzlich günstig wirkte sich die Wetterprognose aus, die nach einem schönen Donnerstag für Freitag, an dem Einstellfahrten anberaumt waren, sowie Samstag makellosen Sonnenschein und sommerliche Temperaturen prognostizierte. Das lockte Biker in hellen Scharen an, darüber hinaus auch Wohnmobilisten in großer Zahl, die ihre Fahrzeuge – wo gibt es das sonst in vergleichbarer Weise? – eines neben das andere entlang der Strecke auf der Startgeraden aufbauen und sozusagen „vor ihrer Haustür“ dem Geschehen zuschauen konnten. Am Sonntag freilich – darin ähnlich wie im Vorjahr - goss es in der Früh wie aus Kübeln. Einige der Fahrer packten deshalb zusammen und machten sich auf den Heimweg – voreilig, wie sich später herausstellen sollte. Der Wetterbericht hatte nämlich ein Ende des Regens für etwa 12 Uhr verhießen; im Hinblick darauf setzte die Rennleitung in weiser Voraussicht zunächst das Programm aus, und als es nach 13 Uhr wieder weiter ging, war die Piste vollständig abgetrocknet.

Was die Strecke anging, so war die Schikane auf der Startgeraden von den weißen (und besonders bei Nässe sehr glatten) Landungsmarkierungen etwas zurückverlegt und „schneller“ abgesteckt worden; auf einer Solomaschine konnte man hier fast „voll“ durchfahren, auch wenn dieses allenfalls ging, wenn man auf diesem Streckenabschnitt hinreichend allein unterwegs war.

Die Stromversorgung im Kern des Fahrerlagers war nahezu perfekt. Leider kam es vor, dass spezielle Steckerarrangements von Anderen geklaut wurden – ein immer mal wieder auftretendes Übel. Wie immer war die Lautsprecher-Anlage im Hangar bei den Siegerehrungen - gelinde gesagt – suboptimal, die Akustik verheerend; hier sollte man an einer Verbesserung arbeiten.

Wie gewohnt gaben sich einige prominente Fahrer wieder die Ehre, darunter Dieter Braun, Jan de Vries, Hans-Georg Anscheidt und natürlich Jim Redman. So schön es ist, mit jedem von diesen herausragenden Fahrern informell plaudern zu können, kann es doch auch etwas wehtun, wenn man sieht, wie etwa Jim (und anderswo beispielsweise auch Phil Read) Bücher über ihre Karriere, Fotos und Autogramme sowie andere Devotionalien zum Verkauf anbieten – aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Anekdotisches: In gleißender Sonne reihten sich Freitag unter Mittag viele Fahrer vor dem Zelt der technischen Abnahme auf. Nach einer guten halben Stunde hatte sich die Schlange so weit voran bewegt, dass ich endlich der Dritte war, der gleich drankommen würde. Just zu diesem Zeitpunkt wandte sich der technische Kommissar seinem Metall-Koffer zu und schrieb mit grüner Tinte drauf: “Pause bis 13 Uhr“. Das war kaum zu fassen, weshalb ich meinem Unmut ziemlich Luft verschaffte, doch hielt mir der Funktionär entgegen, er hätte diesen Schnitt doch angekündigt (das war in der Schlange freilich nicht weitergesagt worden), und er wolle nun auch mal etwas trinken gehen. Hätte man da nicht rechtzeitig und eindeutig beispielsweise ein Schild aufstellen können? Die Organisation war darüber ebenfalls befremdet, doch war sie dem „TÜV“ gegenüber nicht weisungsbefugt.

Nach einer Stunde quälenden Wartens und der danach erfolgten Abnahme wollte ich mich in der Stadt mit einem guten Essen von dem Frust erholen; also aufs Fahrrad gestiegen und in den Ort geradelt. Dieser war mit zahlreichen Fahnen in rot-weiß-grün geschmückt, den Farben von Walldürn. Am „ersten Haus“ im Zentrum abgestiegen, bemerkte ich sogleich, dass die übliche Bestuhlung im Garten fehlte; kein Mensch weit und breit. Endlich am Eingang ein Schild gefunden: „Geschlossene Gesellschaft“ - es muss eine sehr geschlossene, eingeschlossene Gesellschaft gewesen sein. Schräg gegenüber versprach ein Biergarten ansprechenden Ersatz. Doch auch hier niemand zu sehen; bis in die Küche vorgedrungen erfuhr ich, dass erst morgen geöffnet werde. Also weiter, zum Platz hinauf. Wieder hoffnungsvoll vor einem Restaurant gestanden, aber auch hier geschlossen, „Geöffnet ab 17 Uhr“. Erfreulicher Weise war aber nebenan ein Café, und auf Tafeln auf der Straße wurden verschiedene Speisen ausgelobt. Die aufkommende Zuversicht, es war ja erst 13:35 Uhr, erhielt aber sogleich einen entmutigenden Dämpfer durch die Auskunft „Wir haben vor zwei Minuten die Küche geschlossen! Es ist Wallfahrt und nichts los; deshalb hat das Personal Schluss gemacht.“ Immerhin hat es dann wenigstens noch zu einer Gulasch-Suppe gelangt…Des Ausflugs in die Stadt hätte es somit nicht bedurft, die Fliegerklause am Platz hätte es auch getan, und von anderen Fahrern war im Ort denn auch nichts zu sehen.

 

Pech hoch drei: Gerhard Fischer, DHM-Meister von 2011, trat am Freitag mit zwei Maschinen an. Freilich klemmte alsbald an seiner Ein-Zylinder-Vorkriegs-Triumph der Kolben – aus. Also die Zwei-Zylinder aktiviert, die er im Winter aufgebaut und mit einer selbst entwickelten Hinterrad-Schwinge versehen hatte (dieses Gerät müsste einmal gesondert und ausführlich gewürdigt werden). Aber nach einigen Runden trat aus dem rechten Auspuff Öl in größeren Mengen aus, die beträchtliche Rauchentwicklung hatte schon die Rennleitung auf den eintretenden Schaden aufmerksam werden lassen. Damit war freilich noch nicht alles vorbei, zu Hause stand ja noch ein weiteres Gerät. Deshalb am Spätnachmittag nach Heidelberg zurückgefahren und dort die bewährte Starr-Rahmen-Zwei-Zylinder aufgeladen. Aber bei dieser brach nach einigen Runden im freien Training der rechte Auspuff-Krümmer. Da den Beteiligten ein Schweiß-Gerät nicht zur Verfügung stand und sie auch nicht wussten, dass nötigenfalls Hilfe von dem anwesenden Mechaniker der Flugwerft hätte geleistet werden können, wurde aus Weißblech flugs eine Manschette angefertigt und diese als Ummantelung mit Klemmschellen am Rohr befestigt. Damit schien alles doch noch zu einem halbwegs guten Ende zu geraten, freilich nur bis zu dem Zeitpunkt, als im Pflichttraining größere Mengen Öl aus dem Triebwerk heraussprudelten, was auch hier zum Abbruch nötigte. Wie sich später zeigte, hatte irgendein Teil im Motor das Kurbelgehäuse durchschlagen – endgültiges Aus für das Wochenende, unglaubliches Pech, bei dem auch der übliche Spruch „That´s racing“ keinen wirklichen Trost zu spenden vermochte. Zu hoffen war nur, dass damit das Quantum an Pech erst mal für die gesamte noch ausstehende Saison eingefahren war…

Zum Sportlichen: Die Ergebnisse der Regularity-Läufe sind im Anhang wiedergegeben. Für die Läufe am Samstag und Sonntag gab es, wie bereits in den früheren Jahren, jeweils gesonderte Pokale – eine absolut nachahmungswürdige Praxis. Wegen der vollen Starter-Felder und der großen Vielfalt von Fahrern und Maschinen gab es Überholvorgänge „ohne Ende“. Das machte das Fahren anspruchsvoll. Dennoch gab es keine schweren Unfälle – die Strecke verzeiht mit ihren Auslaufzonen gewöhnlich auch heftigere Verbremser nach den langen Geraden.

Odenwald-Klassik“ stellt eine wertvolle Bereicherung des motorsportlichen Kalenders dar und nimmt inzwischen einen festen Platz in den Planungen vieler aktiver und passiver Rennsportfans ein. Man darf sich bereits jetzt auf das nächste Jahr freuen.

 


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Walldürn Und tschüss bis zum nächsten Mal
 

Text: Manfred Amelang, Fotos: Amelang, „Locke“, Leger; Frohnmeyer

 


 

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