Zunächst etwas zum Rückblick : Wohl selten zuvor haben die für Oschersleben genannten Teilnehmer so voller Vorfreude ihre Anreise angetreten, hatten die Wetter-Propheten doch angesichts eines wochenlangen Schön-Wetter-Hochs über ganz West-Europa auch für das Veranstaltungs-Wochenende andauernden Sonnenschein und angenehme Temperaturen vorhergesagt – wie es dann auch der Fall war. Ein willkommener Begleiteffekt der langfristig positiven Prognose bestand darüber hinaus darin, dass es eine ganze Menge von Nachnennungen gab; damit war das Starterfeld auf ca. 220 Fahrer angewachsen, was für den VFV eine „schwarze Null“ bedeutete und die Unwägbarkeiten über der Zukunft von OSL in unserem Kalender erst einmal als weniger bedrohlich erscheinen lassen. Für viele Fahrer bestand ein zusätzlicher Anreiz, in OSL an den Start zu gehen, zweifellos auch darin, dass die Veranstalter abweichend von der zuvor aufgestellten Planung doch zwei Wertungsläufe (anstelle des ursprünglich vorgesehenen einem) kurzfristig ins Programm nahmen; das war zwar nur möglich durch Verzicht auf das ansonsten übliche freie Training, bedeutete aber letztlich eine günstigere Kosten-Nutzen-Relation für die Akteure. Die Kombination unserer Läufe mit den Cup-Wettbewerben von anderen Organisatoren stellte eine Bereicherung des Angebotes dar, die ersichtlich auch etliche Zuschauer zum Kommen veranlasste.
Trotz der durch die verschiedenen Serien besonders großen Zahl von Fahrern entstand im Fahrerlager nirgendwo eine bedrückende Enge; ganz im Gegenteil herrschte ein ausgesprochen entspannte, wenn nicht an einigen Stellen gar idyllische Atmosphäre, da die beiden zusätzlichen Stellflächen im östlichen Teil genutzt werden konnten. Natürlich wurde auch der neu geschaffene Toiletten-Trakt sehr positiv angenommen.
Dazu freilich vorab eine unschöne Beobachtung, die hier wiedergegeben werden soll, obwohl sie mit der Rennerei überhaupt nichts zu tun hat, wohl aber mit Benehmen und Anstand: Am Sonntag früh kam es etwa nach der Frühstücks-Zeit vor den Türen der „Örtchen“ zu einem kleinen Stau; etwa sieben Männer warteten in Schlange darauf, dass sich eine der Türen auftun würde und sie dann an der Reihe wären. Aus der Tür mit dem Zeichen für Behinderte kam schließlich ein befreiter Nutzer heraus, der ersichtlich nicht-behindert war. Nach kurzem Zögern ging dann ein Junge von etwa 14 Jahren, der noch gar nicht „dran“ war, auf das gerade frei gewordene Behinderten-Örtchen und verschloss die Tür hinter sich. Auf meinen lauten Nach-Ruf, dass das nicht in Ordnung sei, kam von dem Kleinen keine Reaktion, wohl aber bemerkte einer der Wartenden: “So ist eben die Jugend!“ Nein, Widerspruch, wir sind es, die die schlechten Vorbilder liefern und nicht entschieden genug gegen Regel-Verstöße einschreiten. Vergessen wir doch bitte auch nicht, dass einige der Rollstuhl-Fahrer gerade Opfer unseres Sports geworden sind, auf und neben der Rennstrecke, und dass es das Mindeste ist, was wir ihnen schuldig sind, ihnen den Vortritt zu lassen für jene Örtlichkeiten, die eigens für sie reserviert sind. Auch wenn hier kein konkreter „Notstand“ in dem Sinne eintrat, dass ein Rollstuhlfahrer hätte warten müssen: All jene, die sich darum nicht scheren, sollten sich schämen, es ist ein Schande!
Anekdotisches : Rudi Seydewitz, Erster im ersten Wertungs-Lauf, beendete auch den zweiten nach bravouröser Fahrt recht erfolgreich – aber seine Platzierung hing sozusagen an einem „seydenen“ Faden, denn in unmittelbarer Nähe vor dem Erreichen seines Stellplatzes im Fahrerlager erstarb der Motor seiner Norton: Ein Kabel war vom Zündmagnet abgefallen, „Schwein gehabt“...
Ganz ähnlich erging es Hans Poljack: Wegen des schlimmen Sturzes eines Fahrers in der Hasseröder-Kurve (von hier aus alle guten Wünsche für eine baldige und vollständige Genesung!) musste der Lauf von V+W+R67,K65,X67 abgebrochen werden; beim Ausrollen vor seinem Stellplatz im Fahrerlager riss der Kupplungszug an seiner Yamaha – bei einer unbeeinträchtigten Fortsetzung des Laufes unter regulären Bedingungen wäre das gleichbedeutend mit dem Aus gewesen.
In einem anderen Fall entschloss sich ein Fahrer („sein Name ist bekannt“), weil ihm mehr und mehr Zünd-Aussetzer zu schaffen machten, in der vorletzten Runde in die Boxen-Gasse abzubiegen und abzubrechen. Obwohl eigentlich DNF, wurde er als Zweiter gewertet – mitunter verliert offensichtlich auch die beste Zeitnahme mal etwas die Übersicht. Ist nicht weiter schlimm, aber so etwas kann letztlich die Jahres-Klassen-Wertung doch beeinflussen.
Harald Kurzer, gewandet in eine rundum rote Kombi, hat über den Winter seinen Traum verwirklicht und in mühevoller Detail-Arbeit eine 250er Ossa aufgebaut, Motor von einer „Six-Days“, Gabel und Federbeine von japanischen Maschinen, Auspuff kunstvoll unter dem Motor geführt, Lackierung und alles andere vom Feinsten; mehrere Fans der Marke vertieften sich andächtig in den Anblick des Geräts. Wie nicht anders bei einem Neu-Aufbau zu erwarten, traten im ersten Ernsteinsatz verschiedene Probleme auf. So löste sich zunächst im Training nach einigen Runden die Zentral-Mutter des Zündmagnets, kann passieren. Im ersten Lauf dann bemerkte der Fahrer nach einigen Kilometern von erst mal sehr verhaltener Fahrt eine Unruhe und heftiges Schaukeln in der Hinterhand und gleich darauf deren kompletten Zusammenbruch – erst hatte sich das linke Federbein aufgelöst, unmittelbar darauf sich auch das rechte vollständig verabschiedet, sodass die Sitzbank auf dem Rad aufstieß und dieses an weiterer Rotation hinderte; ein Ziehen der Kupplung beim plötzlichen Blick in den Himmel half da natürlich nicht eigentlich. Großes Glück, dass der dadurch bedingte heftige Rutscher bei mäßiger Geschwindigkeit und ausgangs einer Kurve auftrat. Wie es passieren konnte, dass sich die Stoßdämpfer-Stangen aus ihrer Halterung herausdrehten, haben die Experten zwischenzeitlich analysiert – diese Fehlerquelle scheint aussortiert zu sein.
Thorsten Knickeberg, gewiss kein Nasenbohrer, berichtete davon, dass ihm beim Einlenken in die Ziel-Eingangskurve ein anderer Fahrer heftig innen in die Seite gestoßen sei, dabei die Maschine beschädigt und ihn in den Kies gedrängt habe. Handelt es sich dabei schon um einen Vorfall, den keiner braucht, weil er richtig gefährlich ist, so wäre wenigstens eine spätere Entschuldigung von Seiten des „Delinquenten“ angezeigt gewesen – bei „Sport unter Freunden“ sollte das eine Selbstverständlichkeit sein, doch Fehlanzeige: Thorsten wartete vergeblich auf ein Wort des Erklärens und Bedauerns, was ihn zusätzlich aufbrachte, nur allzu verständlich.
Nicht so recht verständlich hingegen das Verhalten eines anderen Fahrers, der am Vorstart einen Schwächeanfall erlitt und deshalb zu seinem Stellplatz zurückrollte; dort fiel er bewusstlos zu Boden, konnte aber durch sofortiges Brustpressing am Leben erhalten werden. Die Behandlung wurde im Krankenhaus fortgesetzt, und der Patient ist seitdem außer Gefahr. Aber: Dieser Vorfall war nicht der erste bei der betreffenden Person, und ihm war von ärztlicher Seite dringend zu einer Operation geraten worden: Eben diese wollte er aber erst später, tunlichst nach dem Ende der Saison vornehmen lassen. Gewiss sein Sache, aber auch für alle Fahrer-Kollegen von Belang, weil eine derartige Störung natürlich auch mal beim Fahren eintreten kann – mit dann unvorhersehbaren Folgen für die anderen.
Als ein Novum bei der Fahrerbesprechung griff auch mal ein Fahrer zum Mikro: Flavio Laus warb für sein Foto-Shooting, in dem die Maschinen der Fahrer fotographisch ins rechte Licht gerückt werden sollen. Das dahinter stehende Geschäftsmodell ist selbstverständlich seine eigene Sache, aber für die Fahrer ist es von verständlichem Reiz, ihre Schmuckstücke abgelichtet im Internet wiederzufinden, irisierender als im Original. Und: Einmal mehr beeindruckte Flavio die Zuschauer (und wohl auch einige seiner Fahrer-Kollegen..) durch seine unglaublich beherzte Fahrweise. Seine Schräglagen waren schlicht abenteuerlich. Auf seiner weitgehend serienmäßigen „Gülle-Pumpe“ überholte er beispielsweise in der Dreifach-Links nach der Hasseröder-Kurve außen in einem Zug drei Konkurrenten, die ihm zuvor auf der Geraden davon gezogen waren – fraglos eines der größten Fahrer-Talente, die momentan in der Szene zu finden sind. Hoffen wir, dass es weiterhin gut geht..
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Nun das viel Wichtigere, nämlich etwas zur Voraus-Schau: In Colmar-Berg war bei einer Fahrerbesprechung festgelegt worden, dass bis zum Lauf in Schotten Personalvorschläge eingebracht werden sollten für die Nachfolge des augenblicklichen Führungs-Duos. Seinerzeit wurden noch keine Namen genannt, sondern nur das Anforderungsprofil umschrieben. Als relativ zentral darin wurde eine kaufmännisch-unternehmerische Kompetenz herausgestellt (ein Schelm, wer sich dabei irgendetwas denkt…). Weil unsere Abteilung natürlich nicht in ein globales Minus abrutschen darf, müssen die schwarzen Zahlen aus Veranstaltungen wie Schotten mit den roten aus anderen Läufen verglichen werden, wobei tunlichst ein Plus herauskommen sollte. Auch müssen Verhandlungen mit den Betreibern der Strecken geführt, die Veranstaltungen angemeldet und versichert werden usw. usf. Allerdings werden diese Funktionen nur bei jenen Veranstaltungen gefordert, die wir in eigener Regie durchführen, also Metz, Colmar-Berg, Hockenheim und (z.T.) Oschersleben; bei den anderen treten wir nur als Gäste auf. Selbstredend bedarf es noch einer Reihe weiterer Eignungsmerkmale, wie technisches und historisches Wissen, Durchsetzungsvermögen, die Fertigkeit zum Schlichten, Weitsicht und wohl auch Frustrationstoleranz, ferner – und nicht zuletzt - ein möglichst hohes Ausmaß an beruflicher Ungebundenheit, um sozusagen „jederzeit“ den Aufgaben des VFV nachgehen zu können. Zudem sollte auch das Alter mitbedacht werden, damit eine hinreichende Kontinuität in der Wahrnehmung der Geschäfte halbwegs gesichert ist.
Personen, die über die genannten Eigenschaften verfügen, kommen selbst in unseren Kreisen nicht besonders häufig vor. Dem Vernehmen nach hatte sich seit Colmar-Berg in einer Art von basisdemokratischem Prozess ein Kandidatenvorschlag herauskristallisiert. Allem Anschein nach stieß dieser freilich nicht auf Gegenliebe bei der GL-Leitung, was zwangsläufig das Aus für die besagte Initiative bedeutet, denn: Ein entsprechender Personalvorschlag muss dem Vorstand unterbreitet und diesem empfohlen werden, und wenn der GL-Leitung etwas nicht gefällt, dann gibt es natürlich auch keine Empfehlung. Aus diesem Grunde sucht momentan die Leitung selbst nach geeigneten Kandidaten und wird diese dem Vorstand präsentieren. Dagegen gibt es natürlich nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil gehört es geradezu zu den Aufgaben jeder Führung, auch die die eigne Nachfolge zu regeln; aber wie das geschieht, ist im vorliegenden Fall durchaus diskussionswürdig. Denn vieles spricht dafür, dass alles so bleibt wie gehabt; stets ist in der Vergangenheit nach dem Prinzip verfahren worden, dass die Leitung und der Vorstand die Dinge letztlich unter sich ausmachen, gewiss nachdem sie mit geeignet erscheinenden Kandidaten Fühlung aufgenommen und vielleicht mit einigen Fahrern aus der Szene die Respektabilität der ausgeguckten Personen diskutiert haben, aber ohne die Basis entscheiden oder angemessen mitreden zu lassen. Eine gewisse Kontinuität ist dabei insofern garantiert, als der Vorstand, vom Präsidenten abgesehen, seit Jahren von stets denselben Kern-Personen gebildet wird; ein personeller Wechsel, wie er andernorts die Regel und erwünscht ist, findet also nicht statt - aber das ist hier nicht der Punkt. Der Punkt ist, ob jemals in der Leitung daran gedacht wurde, evtl. alternative Personalvorschläge in einer Fahrerbesprechung (an der die Teilnahme doch jeweils Pflicht ist) zur Abstimmung zu stellen und damit die Basis echt zu beteiligen? Und ihr nicht nur wie das Kaninchen aus dem Hut die neue Leitung zu präsentieren, wie es bislang die Regel war.
Wie dem auch sei: Die zukünftige Leitung unserer Szene muss die Struktur und Funktionalität unserer Szene vorrangig erhalten und pflegen, darüber hinaus das System weiterentwickeln gemäß der sich ändernden Gegebenheiten. Bei der Weiterentwicklung ist unter anderem an die Einführung zusätzlicher Serien zu denken, worüber eingehender diskutiert werden muss. Wünschbar ist zudem eine gewisse Integration mit dem Geschehen in den neuen Bundesländern; momentan sprechen die Freunde und Kollegen im Osten unseres Landes von der DHM als einer „Westdeutschen Meisterschaft“ - nachvollziehbar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass mit dem Nürburgring, Metz, Colmar-Berg und Dahlemer Binz nicht weniger als vier Strecken weit im Westen unseres Landes oder gar jenseits von dessen Grenze liegen, was für Fahrer aus dem Osten eine fast unzumutbare Entfernung bedeutet. Nur wenig besser ist es um die geografische Lage von Hockenheim und Schotten bestellt. Allein Oschersleben ist „zentral“. Das verlangt ein Nachdenken über neue Strecken, im weiteren aber auch über Maßnahmen, mit denen man die Hürde der langen Anreisen kompensieren könnte. Aber die langen Wege sind nicht allein ein Hindernis, denn dann hätten in OSL sehr viel mehr Fahrer aus den neuen Bundesländern am Start sein müssen.
Man darf gespannt sein, auf welche Weise über welche Personen und welche zukünftigen Aufgaben in Schotten diskutiert wird. „Schaun mer mal…“, würde der „Kaiser“ einmal mehr gesagt haben.
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