Moto-GL-Kaleidoskop Beobachtungen und Notizen aus dem Fahrerlager und von der Strecke |
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Ried-Ring-Revival in Lorsch | |||||
Für den 19./20. Juli hatte die Stadt Lorsch an der hessischen Bergstraße zum „1. Ried-Ring-Revival“ eingeladen. Gefeiert wurde das 1250. Gründungsjubiläum der Stadt, deren Historie geprägt ist durch „Mönche, Kaiser und Tabakbauern“, wie es auf dem Fest-Logo und einigen der speziell für diesen Anlass hergestellten Devotionalien heißt. Im Zuge der Festlichkeiten wurde auf Initiative des KULTour-Amts der Stadt zusammen mit der Landesgruppe Hessen des DMV und dem VFV der Ried-Ring aus seinem Dornröschen-Schlaf erweckt. Wie sich die Älteren erinnern, hatten zwischen 1950 und 1955 auf einem 3,12 km langen Straßenkurs insgesamt sieben Rennen stattgefunden, allesamt für Nachwuchsfahrer, von denen später aber viele richtig berühmt wurden; Namen wie Böhm, Luttenberger, Riedelbauch, Reichert, Braun, Fath, Faust, Kronmüller und Schmitz, um nur wenige zu nennen, stehen dafür, dass der Ried-Ring damals so etwas wie eine Art Lehrwerkstatt für spätere Meisterschaft war. Stets hatten auch zahlreiche Zuschauer das sportliche Spektakel verfolgt, nie waren es weniger als 12.000 gewesen, einmal sogar etwas mehr als 30.000. Leider hatte dann der schwere Unfall beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans, bei dem durch eine unselige Verkettung von Umständen der Mercedes 300 SLR von Pierre Levegh in die Tribünen schleuderte und mehr als 80 Zuschauer in den Tod riss, das Aus für die allermeisten Straßenrennen bedeutet, darunter auch den Ried-Ring. An die Tradition von früher knüpften nunmehr die Veranstalter des „Revivals“ an und organisierten auf einem ca. 2,2 km langen Teilabschnitt der früheren Piste Präsentationsläufe. Start und Ziel befanden sich damals und heute in etwa an derselben Stelle, doch während früher entgegen dem Uhrzeiger-Sinn gefahren wurde, ging es dieses Mal rechts herum, aus Sicherheitsgründen, wie zu erfahren war. Zur Vermeidung von Risiken war vor der sehr spitzen Rechtskurve vor der Waldgeraden mit Pylonen noch eine Schikane eingerichtet worden. Der Belag der Strecke war an manchen Stellen, gelinde gesagt, etwas uneben; insbesondere beim Einbiegen auf die Start- und Ziel-Geraden wurde man gehörig durchgeschüttelt, desgleichen auf der kurzen Geraden nach der langen Gegengeraden im Wald, die für sich selbst nur so breit war, dass die Gespanne einander hier nicht überholen konnten. Im Rahmen der Fahrer-Prämierung nach seinem Eindruck von der Strecke befragt, äußerte der AWO-Pilot Torsten Busch aus Weißenfels gegenüber dem Moderator sinngemäß: “Auf so etwas sind unsere alten Maschinen damals gefahren.“
Fünf Klassen waren vorgesehen:
Mehr als 130 Nennungen waren eingegangen. Für jede der Klassen waren drei Läufe von jeweils 15 Minuten vorgesehen. Durch einen Unfall am Vormittag bei den Gespannen musste freilich das Programm auf zwei Läufe verkürzt werden. Der besagte Unfall war einer der schwereren Sorte; Fahrer, die die Stelle passierten, teilten mit, der Pilot habe unter der Maschine gelegen. Ein Video im Internet von dem Vorfall zeigt, dass bei dem Unfall, für den dem Vernehmen nach ein technischer Defekt verantwortlich gewesen sei, eine erhebliche Gefährdung auch für die Zuschauer hinter den Absperr-Gittern bestanden hatte und eine Katastrophe knapp vermieden wurde. Für die Zukunft sollte diesbezüglich über wirksamere Sicherheitsvorkehrungen (Abstand von der Strecke, Strohballen usw.) unbedingt nachgedacht werden. Bei den „großen“ Solo-Maschinen war die 500er 3-Zylinder MV-Agusta von Rainer Nagel aus dem Jahre 1965 so etwas wie der Star des Feldes. Ihr infernalisches Kreischen erzeugte eine Gänsehaut und drohte zu Gehörschäden bei denjenigen zu führen, die (etwa beim Start) hinter ihr standen. Als der Fahrer im Stand den ersten Gang einlegte, zuckte das Hinterrad wütend und wühlte gewaltig Staub auf. Im Lauf äußerst kompetent bewegt überrundete Nagel damit fast die gesamte Konkurrenz. Innerhalb der Strecke befanden sich neben Feldern und Rasenflächen einige Gewerbegebäude sowie mehrere Sportanlagen einschließlich der dazu gehörenden Wirtschaftsanlagen; daraus ergab sich ein zweigeteiltes Fahrerlager, dessen einer Teil ausgesprochen harmonisch gegliedert war durch die Parkplätze für die Besucher des Fußball- und Tennisplatzes, und dessen anderer Teil eine große Wiese bildete, auf der viel Platz für jeden war; von hier aus boten sich weitreichende Ausblicke auf die Strecke, die diesen Teil auf drei Seiten umrahmte. Die Gefahr, dort in Folge der von den Wetter-Propheten vorhergesagten Gewitter und Regenfälle vielleicht „abzusaufen“, verflüchtigte sich, weil der Regen erst nach dem Ende des letzten Laufes einsetzte – uff! Das war auch ein Glück für die staubige Vor-Start-Piste, von der widrigenfalls einiger Schmutz auf die Strecke mitgenommen worden wäre. Strom war erfreulicher Weise für alle da, die sanitären Anlagen der Gastwirtschaft konnten genutzt werden, es gab ein qualitativ hochwertiges Programm-Heft (in dem die Fahrer mit ihren Start-Nummern alphabetisch angeordnet waren!), ersichtlich zahlreiche Sponsoren, aufmerksame Streckenposten (die anfänglich etwas Mühe hatten, Personen am Überqueren der Strecke zu hindern) und nicht zuletzt: eine Menge begeisterter Zuschauer, etwa 3.000 sollen es gewesen sein, die insbesondere die Passagen am Stadtrand und die Rechtskurve im Wald am Fahrerlager säumten und hier wie dort nicht nur während der Läufe den Fahrern zuwinkten, sondern auch im Auslauf ausdauernd applaudierten – eine Atmosphäre, die an Schotten erinnerte. Kompliment und Gratulation an die Veranstalter, (fast; s. das Problem bei den Absperrungen) alles richtig gemacht. Damit nicht genug: Gegen Ende der Veranstaltung wurden über Lautsprecher je drei Fahrer aus jeder Klasse gebeten, mit ihren Maschinen an dem Polizei-geleiteten Corso in die Stadt mitzufahren. Ja richtig, im Programm hatte ja ganz unten gestanden: „17:30 Uhr Fahrer-Prämierung auf der Klosterwiese“. Dort war eine Open-Air-Szenerie aufgebaut, (weiß gedeckte!) Tische und Bänke, umrahmt von Getränke- und Imbiss-Buden, auf einer Bühne spielte eine Band, und über einer hohen Mauer erhob sich das Kloster – ein wunderschönes Ambiente. In das dort anberaumte „50er-Jahre-Fest“ wurde die Ehrung der jeweiligen Fahrer mit der längsten Anreise, mit dem ältesten Motorrad und dem höchsten Lebensalter idealtypisch eingebettet, sachkundig moderiert von Timo Neumann und flankiert von Ansprachen sowie Danksagungen der Honoratioren. Ein schöner Ausklang einer rundum gelungenen Veranstaltung, für die der einsetzende Regen nach den vorausgegangenen heißen Tagen eine Art denkwürdigen Schlusspunkt setzte. Es ist zu hoffen, dass es in absehbarer Zukunft ein „Zweites Ried-Ring-Revival“ geben möge. |
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Text: Manfred Amelang , Fotos: Manfred Amelang, Roland Leger |
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