Moto-GL-Kaleidoskop
Beobachtungen und Notizen aus dem Fahrerlager und von der Strecke
„Es lebe der Sport!“
Offener (Leser-)Brief an Frank-Albert Illg 

Sehr geehrter Herr Illg,

Illg LeserbriefZuschauerinim gerade erschienenen Heft 2 von KLASSIK MOTORRAD haben Sie in Ihrem Editorial unter dem oben wieder gegebenen Motto darzulegen versucht, dass Gleichmäßigkeitsläufe im Grunde nichts anderes seien als Spazierfahrten und dass richtiger Motorsport nur in Rennen stattfinde, also bei Veranstaltungen, in denen der Schnellste derjenige ist, der Sieger wird. Ihre Darlegungen können nicht widerspruchslos hingenommen werden, weil sie

1.) vom Konzept her einseitig und damit unfair,

2.) inhaltlich in zentralen Punkten objektiv falsch und

3.) vom Stil und der Wortwahl her herabsetzend sind.

Darauf will ich nachfolgend im Einzelnen eingehen. Ich wähle dazu als Ort meine Kolumne, weil ich der Auffassung bin, dass Ihre Äußerungen angesichts der bevorstehenden Saison-Eröffnung eine zügigere Reaktion erfordern, als dieses in einem Leser-Brief der Fall sein könnte, der (wenn überhaupt!) erst im nächsten Heft abgedruckt werden könnte – und bis dahin stünden Ihre Ausführungen unwidersprochen und damit vermeintlich als „irgendwie wahre“ Botschaften im Raum.

Ad 1.) Sie schreiben, dass „sich der Veteranen-Fahrzeug-Verband (VFV) nun (offensichtlich) ein Stückchen von Johns Kuchen abschneiden (will)“, indem er für die Gleichmäßigkeitsläufe zusätzliche Klassen für Motorräder mit jüngeren Baujahren in sein Angebot aufgenommen habe. Damit solle dem Trend entgegen gewirkt werden, wonach sich die Szene der alten und wirklich historischen Rennmaschinen mehr und mehr ausdünne. Nun besteht ein derartiger Trend tatsächlich, und er ist sozusagen „naturbedingt“, weil das Alter der Maschinen (und dasjenige ihrer Fahrer) einem unaufhaltsamen Erosionsprozess ausgesetzt ist. Wenn darauf nicht reagiert würde, müsste das auf Dauer auch zu einer Erosion der Veranstaltungen führen, weil diese dann mangels Startern und Startgeldern nicht mehr finanzierbar wären. Also war es seitens des VFV völlig richtig, auf solche (und weitere) Veränderungen im Umfeld adäquat zu reagieren und das Klassement für jüngere Maschinen zu erweitern.

Bei Ihrem Bild, wonach sich der VFV etwas vom Kuchen Johns abschneiden möchte, verschweigen Sie beflissen, dass umgekehrt auch Manfred John und sein Team sich ein Stückchen vom Kuchen des VFV abschneiden möchten, indem sie nämlich für die nun anstehende Saison ihrerseits ebenfalls eine Serie von Gleichmäßigkeitsläufen in ihr Angebot übernommen haben und diese Serie als „Regularity Trophy“ bezeichnen.

Auch ist es *sachlich* nicht ganz richtig (wohl aber stimmt die *zeitliche* Reihenfolge), dass die „Klassik Trophy“ (also Rennen) ihren Ursprung in der 2008 erstmals auf dem Flugplatz-Kurs von Walldürn ausgetragenen „Odenwaldring Klassik“ habe; denn schaut man in das Programm von damals, wird deutlich, dass die seinerzeit angesetzten Wettbewerbe ausschließlich solche nach dem GL-Prinzip waren.

Eine derart einseitige Darstellung ist schlicht unfair. Angemessen wäre es doch, hier etwa von einer Ausweitung des Angebotes zweier Veranstalter zu sprechen, deren Konzepte einander wechselseitig etwas überschneiden, aber doch in Klassen-Einteilung, Anforderungen an die historische Authentizität und Auswahl der Strecken auch hinreichend verschieden voneinander sind und somit jeweils ei ne Auswahl-Option für interessierte Fahrer darstellen. Und diese Option einer Auswahl muss nicht zwangsläufig *zwischen* einer der beiden nunmehr vorliegenden Serien erfolgen, sondern sie kann auch *innerhalb* der Serien stattfinden, d.h. von Fall zu Fall mag ein Fahrer sich für den einen oder anderen angesetzten Lauf entscheiden, da abgesehen von einem einzigen Fall keine wechselseitigen Terminüberschneidungen vorliegen. Das ist eine für die Fahrer durch und durch erfreuliche Perspektive.

Ad 2.) Sie schreiben: “Die Entscheidung, sich entweder für die Rennen um die „Klassik Trophy“ oder für die vom VFV angebotenen Gleichmäßigkeitsläufe einzuschreiben, überlasse ich gerne jedem selbst.“ (Na ja, das wäre ja noch schöner, wenn Sie das jedem vorschreiben wollten..) Aber die Gegenüberstellung von hier *Rennen um die „Trophy“* und dort GL beim VFV ist doch ziemlich hanebüchen, wo doch auch eine Kontrastierung von *Rennen* und GL innerhalb der Trophy-Wettbewerbe möglich ist, nachdem Manfred John`s Team außer den Rennen nunmehr auch Regularity-Läufe anbietet .

Richtig falsch (ja, kein Fehler!) ist dann die Behauptung, dass es „bei Manfred John (…) einen Tick weniger (kostet), weil Sie sich Fahrzeug-Pass und DSMB-Gebühr sparen können.“ (Hier wird mit dem „Sie“ nun der geneigte Leser direkt angesprochen.) Aber: Der Fahrzeug-Pass beim VFV kostet zwar 50.- Euro, gilt dann aber für immer. Und was ist mit der „DMSB-Gebühr“ gemeint? Liz enzen müssen sehr wohl auch in den Veranstaltungen von Manfred John vorgezeigt werden. Zudem beträgt bei ihm die Einschreibungs-Gebühr für die Regularity-Serie stattliche 180.- Euro gegenüber nur 25.- Euro beim VFV. Auch liegen die Nenngelder beim VFV jeweils niedriger. Somit ist falsch, was über den „Tick weniger“ gesagt wird; richtig ist vielmehr das genaue Gegenteil.

Wenn aber der Vergleich, wie es aus dem Kontext herausgelesen werden könnte, eigentlich ein solcher sein sollte zwischen den Rennen um die „Klassik-Trophy“ einerseits und den vom VFV angebotenen Gleichmäßigkeitsläufen andererseits, so würden die Unterschiede zugunsten des VFV noch größer, und zwar einfach deshalb, weil Rennen höhere Versicherungsprämien erfordern als Gleichmäßigkeitsläufe.

Ad 3.) In Bezug auf die DHM sprechen Sie von einem „Anachronismus“, einem „Paradoxon“ und einem „albernen Titel“, für dessen Gewinn man sich feiern lassen könne, „falls Sie darauf auch noch Wert legen sollten“. Ihnen ist zuzustimmen, was die Namensgebung des Titels angeht, denn selbstverständlich bezieht sich das Wort „historisch“ auf die Maschinen und nicht die Fahrer oder den Titel. Deshalb ist die Namensgebung des Titels gewiss unglücklich. Aber das stellt keinen Einzelfall dar. Auch beim VFV bilden nicht die Fahrzeuge den Verband (angemessener, aber natürlich viel sperriger müsste es wohl heißen: Verband der Veteranen-Fahrzeug-Fahre r oder ähnlich); analog konstituieren nicht die Autos im ADAC den Club, sondern deren Halter oder Fahrer, und auch ein „Anglistisches Seminar“ oder ein „Mathematisches Institut“ sind nicht anglistisch bzw. mathematisch, sondern es sind Seminare *für“ Anglistik bzw. Mathematik usw.

Es ist aber unschön, sich ausgehend von der sprachlich nicht völlig korrekten Bezeichnung für die DHM herablassend über den Wert des Titels und das Procedere für dessen Erwerb zu äußern. Was den Wert angeht, den die Gewinner dieses Titels beimessen, so mögen die Beiträge der Betreffenden und ihrer Ghostwriter unter „Aktuell“ oder im „Forum“ unter www.classic-motorrad.de ein bemerkenswerter Ausdruck dafür sein, des weiteren ein gleichlautender Beitrag im letzten Heft der VFV-Info; diese Beiträge stehen für sich selbst, weshalb ich sie hier nicht weiter kom mentieren möchte.

Gleichmäßigkeits-Läufe: Motorsport oder Spazieren fahren? Abschließend noch einige Worte und Gedanken zu Ihrem zentralen Anliegen, nämlich von Motorsport nur dort zu sprechen, wo allein der Schnellste der Sieger ist. Darüber ließe sich nun trefflich streiten, aber in der hier gebotenen Kürze können nur einige Gesichtspunkte thesenartig behandelt werden.

  1. Im Sport werden gewöhnlich Leistungen erbracht. Diese werden definiert durch objektive und mitunter subjektive Kriterien. Es ist unstreitig, dass in GL-Veranstaltungen derartige Leistungen erbracht werden, und zwar im Training, wo die gefahrenen Runden-Zeiten die Richtschnur für die Startaufstellung bilden (ein objektives Kriterium) und in den „Läufen“, wo Konzentration, Ausdauer, Kompetenz in der Vorbereitung und Beherrschung der Maschine, Zweikampf-Stärke, Kontrolle aller situativen Gegebenheiten und anderes mehr zur Geltung kommen (objektive und subjektive Kriterien).

  2. Es besteht eine signifikante Korrelation zwischen Schnelligkeit und Gleichmäßigkeit; nach eigenen Berechnungen, die ich vor einigen Jahren durchgeführt habe (Elly sei Dank!), sind die eher Schnellen im Training und in den „Läufen“ auch die eher Gleichmäßigen. Zudem besteht ein Zusammenhang zwischen den Platzierungen in den einzelnen Läufen, d.h. die etwas Erfolgreicheren in der einen Veranstaltung sind auch die etwas Erfolgreicheren in der anderen und umgekehrt. Dieses ist nur zu erklären durch einen diesen Befunden zugrundeliegenden „Kompetenz-Faktor“, also eine persönliche Fähigkeit, die zu den mehr oder weniger großen Erfolgen beiträgt bzw. diese ermöglicht.

  3. Fahrer, die sowohl an *Rennen* als auch an GL-Veranstaltungen teilgenommen haben, berichten, ihr Fahrverhalten sei hier wie dort in etwas das Gleiche gewesen. Das spricht zumindest für diese Gruppe nicht von „Spazierfahrten“ bei GL. Desgleichen lassen die (stets bedauerlichen) Stürze und Unfälle auch bei GL-Veranstaltungen die Gedanken an „Spazierfahrten“ schlicht als abwegig erscheinen.

  4. Wie in anderen Sportarten auch wird die sportliche Aktivität mit individuell unterschiedlicher Hingabe ausgeübt, d.h. motivationalem, zeitlichem, finanziellem und sozialem Engagement. In den GL-Läufen wird solchen Unterschieden mehr Raum zugestanden als in *Rennen*. Das sind aber keine Gründe, diese als „albern“ zu bezeichnen.

  5. Zahlreiche Verbände im Ausland (z.B. Österreich, Italien und auch Spanien) haben die Regularien der VFV-GL-Szene in toto übernommen oder weitgehend adaptiert. Gewiss haben sich auch die „Altvorderen“ wie Karl Reese, die bei der Geburt der Serie Pate gestanden haben, etwas Vernünftiges dabei gedacht. Dazu gehört die Überlegung, dass nur hier die Gelegenheit besteht, historische Maschinen gegen etwas jüngere antreten zu lassen, ohne dass dabei den jüngeren auf Grund technischer Fortschritte automatisch ein Vorteil erwachsen würde.

  6. Die GL-Szene erlaubt es, historisch wertvolle Maschinen innerhalb eines eigenen „Biotops“ einzusetzen, bei der die Gefahr für Überbeanspruchung und irreversible Schäden durch Unfälle gegenüber Rennen etwas gemindert ist. Dieses gilt analog auch für die Fahrer, denen eine Arena geboten wird, in der sie altersgemäß ihren Sport mit Gleichgesinnten ausüben und das Risiko für Verletzungen in Grenzen halten können.

Illg LeserbriefHagelLieber Herr Illg, Sie gelten als ein Mann, der in der Vergangenheit aus seiner Geringschätzung, wenn nicht gar Verachtung der VFV-GL-Szene nie ein Geheimnis gemacht hat (verlieren aber zu dem nunmehrigen Pendant „Regularity Trophy“ kein einziges Wort!). Fast war man geneigt anzunehmen, Sie hätten in letzter Zeit Ihre Einstellung etwas geändert, da Sie mehrfach in Ihrer Zeitschrift über die GL-Veranstaltungen etwa in Walldürn, St. Wendel, Schotten oder Großglockner durchaus positiv berichteten. Aber dieses waren offenbar nur willkommene Anlässe dafür, mit einschlägigen Beiträgen die Hefte zu füllen – was natürlich handfeste Gründe gewesen wären. Und mutig (Respekt!) ist Ihr Editorial allemal, denn Sie dürften damit einen ziemlich großen Teil Ihrer Leser vor den Kopf stoßen, Leser im übrigen, die vor noch nicht langer Zeit alle mit Aufklebern an ihren Maschinen starteten, die für KLASSIK MOTORRAD warben – man will es kaum glauben.


Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen,

M. Amelang


WallduernLocke 363 WallduernLocke 126
 WallduernLocke 239 WallduernLocke 235

Text: Manfred Amelang,
Fotos: "Locke", Amelang (2)


Drucken