Ein ganz knifflige Sache: Zum Problem unterschiedlicher Strecken.
Vorbemerkung: Das Thema ist nicht völlig neu, doch stellt es sich im kommenden Jahr in einer neuen Variante. Da durch die neuen Klassen auch neue Fahrer/innen zu unserer Szene hinzu gestoßen sind und sich diese Entwicklung im kommenden Jahr fortsetzen wird, ist es angebracht, auch auf die Details und Implikationen der Wertungsmodalitäten noch einmal gesondert einzugehen. (Achtung! Das ist „starker Tobak“, also eine ziemlich sperrige Materie.)
Die Modalitäten der Wertung von DHM einerseits und Tages- sowie Jahres-Klassen-Wertung andererseits:
- Der DHM-Wertung werden die in einem Wertungslauf von einem Starter eingefahrenen Differenz-Zeiten zu Grunde gelegt. Die Summe dieser Differenz-Zeiten über alle Läufe ist die Maßzahl für den Eintrag in die Meisterschafts-Tabelle. Diese Maßzahlen sind zunächst *absolute* Größen, d.h. ihre Aussagekraft erlangen sie aus ihrer eigenen Wertigkeit heraus, es handelt sich hier um eine sogenannte *Absolut-Skala*: Eine Differenz-Zeit von beispielsweise 0,1 bedeutet 10 Sekunden Differenz, egal ob der Fahrer in der Summe 32,56 oder 88,97 Differenz-Werte erzielt hat.
Erst wenn für die Endabrechnung die Differenz-Zeiten aller Teilnehmer aus allen Klassen in eine gemeinsame Rangreihe gebracht und somit miteinander verglichen werden, kommt ihnen eine *relative* Bedeutung zu. Wegen der Addition der Werte über alle Läufe und dem Vergleich aller Klassen miteinander MÜSSEN ALLE KLASSEN GLEICH VIELE LÄUFE BESTREITEN. Anderenfalls würde jenen Klassen ein Vorteil daraus entstehen, wenn sie bei weniger Läufen anträten; denn weniger Läufe führen zwangsläufig auch zu weniger Differenz-Zeiten, weil dann einfach einige Summanden (aus den einzelnen Läufen) fehlen würden (oder umgekehrt: ein Nachteil für jene Klassen entstünde, wenn sie bei mehr Läufen antreten müssten). Aber: „Keine Zielankunft“ bzw. „Kein Start“ würde innerhalb dieses Systems einen Vorteil bedeuten, weil damit jeweils *null* Differenz-Zeiten entstünden – was natürlich sinnwidrig wäre, weil dann derjenige profitieren würde, der einfach zu Hause bliebe. Um diesen system-immanenten Stolperstein aus dem Weg zu räumen, wurde entschieden, diese beiden Fälle mit 12 bzw. 20 Differenz-Zeit-Werten zu belegen – eine gewiss vertretbare, aber letztlich willkürliche Entscheidung, die nicht so recht in das ansonsten intern überzeugend-logische Gesamt-System passt.
- Auch der Tages- und Jahres-Wertung werden die in einem Wertungslauf von einem Teilnehmer eingefahrenen Differenz-Zeiten zugrunde gelegt. Aber: Gleich nach der Beendigung eines Laufes erfolgt eine *Relativierung“, weil die beste (also: niedrigste) Zeit in 25 Punkte umgewandelt wird, die zweitbeste in 20, die drittbeste in 16, usw. 13, 11, 10 usw.
Hier entsprechen also nicht mehr gleichen Unterschieden in den gemessenen Zeiten gleiche Unterschiede auf der Differenz-Punkte-Skala, denn die beste Zeit mag sich von der zweitbesten nur um 1/100 sec unterscheiden, und die zweitbeste von der drittbesten ebenfalls nur um 1/100, und doch wird die erste mit 25, die zweite mit 20 usw. bewertet. Und wenn ab Rangplatz 6 alle weiteren Platzierungen mit jeweils einem Punkt weniger belegt werden, mögen (umgekehrt!) die Abstände zwischen den gemessenen Zeiten doch höchst unterschiedlich sein (unterschiedliche Abstände im empirischen Relativ gehen dann einher mit gleichen Abständen im numerischen Relativ). Auch die Punktevergabe nach dem geschilderten System ist eine gewiss vertretbare, aber letztlich willkürliche Vereinbarung. Eine „Schwachstelle“: Bei dünn besetzten Starterfeldern ist es leichter, auf eine hohe Punktezahl zu kommen. Aber: Wohl weil sie aus dem „großen Motorsport“ vertraut ist, wird sie von einem Großteil der Fahrer weithin akzeptiert (und zu ihr wurde deshalb vor geraumer Zeit wieder zurück geschwenkt, nachdem anfänglich auch der Tages- und Jahres-Klassen-Wertung das DHM-System zugrunde gelegt worden war).
Da die beiden Wertungs-Systeme unterschiedlich sind, kann es passieren, dass ein Fahrer, der in seiner Klasse am Jahresende der Beste ist, in der DHM-Wertung unter „ferner liefen“ platziert ist und umgekehrt – was natürlich misslich ist. Gleichwohl ist eine wechselseitige Überführung beider Systeme ineinander nicht möglich; man muss sich für eines entscheiden, wenn man Einheitlichkeit anstrebt.
Nun zum Aktuellen: In der zurück liegenden Saison wurden für die DHM die modernen Klassen bei der „Historic Trophy“ am Nürburgring gewertet, für die antiken Klassen dagegen die Ergebnisse von Hockenheim. Der Grund dafür war ursprünglich wohl, dass für den Lauf in Schotten (wo die modernen Klassen nicht am Start sind) ein „Ersatz“ gefunden werden musste, um für die DHM-Wertung die dafür unbedingt notwendige GLEICHE ZAHL AN LÄUFEN FÜR ALLE KLASSEN zu gewährleisten. (Dass Schotten dann ins Wasser fiel und dort auch die antiken Klassen gar nicht fuhren, konnte man bei der Vorab-Planung natürlich noch nicht wissen.) Im kommenden Jahr sind die Verhältnisse noch komplizierter, weil dann auf drei Veranstaltungen nicht alle Klassen starten können, nämlich bei der „Historic Trophy“, auf dem Sachsenring und in Schotten; die Suche nach einer geeigneten Kompensation an anderen Stellen (= Strecken) wird dadurch noch schwieriger. Schaut man sich die Klassen-Aufteilung an, so fällt unmittelbar ins Auge, dass auf dem Sachsenring nur jene Klassen antreten, die am Nürburgring fehlen und umgekehrt; diese wechselseitige Kompensation läge also nahe. Aber wie wird dann mit den Klassen von Schotten verfahren? In Bezug darauf sollten die Fahrer vorher informiert werden (in Hockenheim war das, wohl wegen des unvorhersehbaren Geschehens in Schotten, nicht der Fall gewesen).
Generell aber stellt sich im Fall von „Ersatz“- oder „Ausgleichs“-Strecken für die DHM-Wertung stets ein ernsthaftes Problem, wenn der Wertung zum Teil *unterschiedliche* Strecken für die einzelnen Klassen zugrunde gelegt werden. Denn: Fair ist ein solches Verfahren nur dann, wenn die einander kompensierenden Strecken (zurück liegend also: Nürburgring und Hockenheim) zu denselben mittleren Differenz-Zeiten führen, und zwar in *jeder* Klasse. Das ist keinesfalls selbstverständlich, denn die Strecken sind von unterschiedlicher Länge und Beschaffenheit, und es mag sehr wohl sein, dass eine der Strecken im Durchschnitt zu niedrigeren Differenz-Zeit-Werten führt. Eine Strecke mit durchschnittlich niedrigeren Werten würde somit jene Klassen in der DHM-Wertung begünstigen (und damit unfair gegenüber den anderen Klassen sein), die auf ihr antreten. Früher war das in Schotten nachweislich der Fall, weil überwiegend Fahrer der klassischen Klassen (weil diese in Schotten gefahren waren) den DHM-Meister stellten.
Für den Vergleich „Historic Trophy“ gegenüber Hockenheim ist eine strikte Beweisführung nicht möglich. Immerhin zeigt sich folgendes: Auf dem Nürburgring betrug die mittlere Differenz-Zeit der ersten 34 Teilnehmer 4,18 und 2,32 Punkte für die Läufe 1 bzw. 2, hingegen in Hockenheim 5,01 und 5,35. Das spricht für einen klaren Vorteil der modernen gegenüber den antiken Klassen in der Endabrechnung. Des Weiteren waren die ersten Sechs auf dem Nürburgring auch die ersten Sechs in der Endabrechnung. Gleichwohl ist auch das nicht ein stringenter Beweis, weil die modernen Maschinen auf dem Nürburgring antraten, und die alten in Hockenheim, mithin bei dem Vergleich nicht nur ein Faktor variiert wurde, sondern zugleich deren zwei. Dadurch weiß man nicht genau, ob es die Strecken waren, die den Unterschied ausmachten (also Nürburgring vs. Hockenheim), oder waren es die Maschinen/Fahrer (modern vs. klassisch). Aber: Auch wenn damit die *Interpretation* dessen schwierig ist, was geschieht (also: was die dafür maßgeblichen Gründe dafür sind), bleibt doch unbezweifelbar, dass es den EFFEKT ALS SOLCHEN ZWEIFELLOS GIBT!
Um dem aufgezeigten Problem gerecht zu werden, kann an folgende Optionen gedacht werden:
Lösungsvorschlag 1: Die gesamte Problematik wäre sofort ausgeräumt, wenn für die DHM-Wertung nur die Resultate von jenen Veranstaltungen herangezogen würden, bei denen jeweils *alle* Klassen gleichermaßen am Start sind.
So einfach das klingt, dürfte eine solche Lösung wohl schon daran scheitern, dass die Veranstalter von solchen Läufen, bei denen nicht alle Klassen antreten, dessen ungeachtet auf dem Prädikat „DHM-MEISTERSCHAFTS-Lauf“ bestehen dürften.
Einschränkung: Selbst eine Umsetzung der oben dargelegten Forderung würde zwar mehr Fairness herstellen, könnte aber auch dann noch keine *absolut perfekte* Lösung liefern. Denn: Es kann natürlich passieren, dass eine Klasse im Trockenen, eine andere aber im strömenden Regen fährt – mit der möglichen Folge unterschiedlicher Differenz-Zeiten. Das aber wäre dann wohl so etwas wie ein unvermeidbar *zufälliges* Geschehen, während unterschiedliche Strecken einen *systematischen* Faktor darstellen.
Lösungsvorschlag 2: „Meister aller Meister“ – das klingt einleuchtend und überzeugend. Meister aller Meister müsste derjenige sein, der die meisten Meisterschaftspunkte aus allen Läufen errungen hat. Also einfach alle eingefahrenen Punkte (also nicht: Differenzzeiten) addieren! Damit würde die mitunter verstörende Widrigkeit vermieden, dass jemand DHM-Meister wird, der in seiner Klasse gar nicht besonders gut abgeschnitten hat und umgekehrt. Ein solcher Modus würde von jedermann sofort verstanden - was gewöhnlich Akzeptanz verspricht. Deshalb kann man eigentlich nicht dagegen sein.
Persönlich bin ich, freilich ungefragt, *dafür*, obwohl ich damals an der Ausarbeitung des DHM-Wertungs-Modus beteiligt war und immer noch von dessen Logik überzeugt bin, aber: damals stellte sich das Problem der verschiedenen Strecken für einzelne Klassen noch gar nicht. Und dem muss man sich m. E. jetzt stellen.
Epilog: Die geschilderte Problemlage mag reichlich „akademisch“ anmuten; sie auszubreiten bzw. die damit verbundenen Hintergründe mit zu bedenken muss allerdings legitim sein, denn wir wollen natürlich nicht zu denen gehören, „die nicht wissen, was sie tun…“.
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