Einem Fahrer aus der Gespann-Szene ist gegen Ende der letztjährigen Saison folgendes aufgefallen: Innerhalb der DHM-Wertung wurde offenkundig bei den Nicht-Startern unterschieden zwischen solchen, die das Startgeld entrichtet hatten und anderen, bei denen dieses nicht der Fall gewesen war. Gemäß dieser Unterscheidung erhielten die ersteren nur 12 Differenzzeit-Punkte („Strafsekunden“), die letzteren hingegen die im Reglement für NICHT-START vorgesehenen 20. Beispielsweise sei ein Gespann-Fahrer-Kollege in Metz nicht zum Start angetreten, hätte dafür aber nicht 2 x 20 Punkte bezogen, sondern nur 2 x 12; ähnlich verhalte es sich bei einem anderen Gespann, das in Hockenheim für Lauf 2 nur 12 Punkte zugeteilt bekam, obwohl das in diesem Lauf nicht ausgefallen, sondern dafür gar nicht angetreten war.
Für die Platzierung in der DHM-Wertung ist es selbstverständlich nicht unwichtig, ob ein Ergebnis mit 12 oder 20 Punkten belegt wird. Für den oben erwähnten Fahrer-Kollegen bedeutete das eine Zurückstufung um zwei Plätze. In Verbindung damit stellen sich mehrere Fragen:
1.) Auf welchem Passus im Reglement für 2015 beruhte diese individuelle „Behandlung“ der erwähnten (und vielleicht auch weiterer) Fahrer?
Faktum war doch bislang, dass seinerzeit bei der Einführung des neuen Wertungsmodus nach eingehenden Überlegungen die Eckpfeiler 12 Punkte für DNF (= DID NOT FINISH, also keine Zielankunft) und 20 für NICHT-START festgelegt worden waren. So stand denn auch im Hinblick darauf im Regel-Handbuch:
„Sollte ein Fahrer infolge von Startverzicht oder Ausfall bei einem Wertungslauf zu keinem Ergebnis kommen, wäre der Summe seiner eingefahrenen Differenzzeiten jeweils ein Zuschlag von 12 Sekunden bei Ausfall und 20 Sekunden bei Startverzicht zugerechnet.“
Das war eine nach herkömmlicher Denkweise eindeutige Feststellung, die von niemandem in Frage gestellt wurde. Warum in den geschilderten Fällen diese Regel anders ausgelegt wurde, als es ihrem Wortlaut entspricht, bleibt für den Außenstehenden völlig unverständlich.
Fußnote: Das gesamte Geschehen wurde, wie zu erfahren ist, bereits in Schotten im Rahmen der Arbeitstagung erörtert. Dem Vernehmen nach wurde dort u.a. vorgebracht, eine solche Regel-Auslegung sei im Interesse der betroffenen Fahrer erfolgt. Dabei ist gewiss nur an diejenigen Fahrer gedacht worden, die von der geschilderten Regelauslegung proftiert haben in dem Sinne, dass sie mit weniger Punkten belegt wurden, als es dem Reglement entsprochen hätte. Ihre Konkurrenten, jedenfalls die ihnen in den Punkteständen nahe kamen, wurden dadurch aber beeinträchtigt.
2.) Ist die geschilderte Punktevergabe *vorab* den (oder auch: allen) Fahrern mitgeteilt worden oder ist sie – wie man naheliegender Weise vermuten könnte – das Ergebnis von Verhandlungen *nach* dem jeweiligen Geschehen mit den betroffenen Fahrern?
Diese Frage führt hin zu einer ganzen Reihe weiterer Probleme, nämlich dahingehend, ob nur jene Fahrer die Sonderbehandlung erhielten, die auf ihre jeweilige Situation hingewiesen haben, die Sonderregelung also mehr oder weniger nachdrücklich einforderten, oder *alle* Fahrer, und wieweit in die Vergangenheit hinein so verfahren wurde. Das aber wirft so komplexe Sachverhalte und potentielle Umsetzungsschwierigkeiten auf, dass sie ganz schnell zur Seite geschoben und vergessen werden müssen…
Mit Verweis auf einen in der Zwischenzeit geänderten Passus im Reglement erklärt die Leitung die „Angelegenheit für erledigt“. (Davon *nachteilig* betroffene Fahrer sehen genau dieses naturgemäß ganz anders.) Der besagte Satz lautet seit dem 1.12.2015 im DMSB-Regelhandbuch (Wettbewerbsreglement Straßensport Historik) wie folgt:
„4.2.Soweit ein für die DHM eingeschriebener Fahrer für eine Veranstaltung keine form- und fristgerechte Nennung abgibt, erhält er 20 Strafsekunden für die Nichtteilnahme an der Veranstaltung.“
3.) Dieses nun ist ein Satz-Ungetüm von ganz besonderer Art, beinhaltet er doch zwei Konditionen, von denen jede (zumindest im Prinzip) unabhängig von der jeweils anderen erfüllt sein kann oder auch nicht. Gedacht ist aber wohl nur an die Kombination, wonach bei NICHT-MELDUNG/NICHT-START die 20 Punkte fällig werden. (Hätte man, diesen Fall als gegeben angenommen, es nicht genau so formulieren können? Und genau so präzis, wie dass es für DNF 12 Punkte gibt und diese 12 Punkte neuerdings auch die Obergrenze bei Zielerreichung bilden?) Über die Kombination von form- und fristgerechter Meldung mit NICHT-START aber wird nichts gesagt, also auch nichts dazu, ob das als NICHT-START oder DNF eingeordnet würde und dass dabei ggf. nur 12 Punkte anfielen – ist etwa daran gedacht und wird das nur nicht festgehalten?
Dieser wichtige Punkt, der jeden betreffen kann, bleibt also offen, und auch wenn die Leitung erfreulicher Weise beabsichtigt, „das alte bürokratische Vorgehen des VFV etwas aufzulockern“ (persönl. Mitteilung vom 12.1.2016), beinhaltet genau dieses Vorhaben erkennbar gravierende Fallstricke, weil dann nicht mehr strikte und eindeutige Kriterien für die Bewertung eines Ergebnisses maßgeblich sind, die für alle Fahrer in gleicher Weise gelten; vielmehr eröffnen sich damit Ermessungsspielräume, die dann in individuellen Gesprächen ausgefüllt werden.
Wollen wir das wirklich?
Fußnote: Nach persönl. Mitteilung der Leitung vom 2.1.16 habe es in Schotten Vereinbarungen gegeben, die genau diesen Punkt regeln, doch seien diese offenkundig auf dem Weg ins Regel-Handbuch des DMSB versehentlich „verloren“ gegangen. Was gilt nun? Selbst wenn die besagten Regeln im anstehenden Eröffnungs-Brief bekannt gemacht würden, stellt sich die Frage ihrer Verbindlichkeit, denn nur was der DMSB offiziell abgesegnet hat, kann doch auch der Vergabe des DHM-Titels zugrunde gelegt werden.
Präzis formulierte Regeln waren bislang in allen Disziplinen des Sports der Königsweg, um leidige Diskussionen zu verhindern. Genau das sollten wir uns doch alle für 2016 wünschen.
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