Zum Konzept: Zum dritten Mal in ununterbrochener Folge hat der ADAC Sachsen auf dem Grand Prix Kurs von Hohenstein-Ernstthal eine Veranstaltung ausgerichtet, bei der Fahrzeuge mit zwei, drei und vier Rädern aus vergangenen Epochen präsentiert wurden oder in Wettbewerben an den Start gingen. Nicht weniger als 18 Klassen waren vorgesehen, darunter mehrheitlich solche für Motorräder. In einer MZ-RE-Sonderklasse präsentierten fast 50 Fahrer ihre Ein- und Zwei-Zylinder-Zweitakter, und etwa gleich viele Teilnehmer pilotierten historische BMW-Solo- und Gespann-Maschinen. Das größte Starterfeld sah die Präsentation der OST-KLASSIK vor, in der neben Eigenbauten u.a. Maschinen wie Simson, AWO sowie Jawa bewegt wurden. Erstmals gastierte auf dem Sachsenring auch die „World GP Bike Legends“-Serie mit zwei Rennen und prominenten Fahrern wie Ralf Waldmann, Phil Read, Freddie Spencer, Jim Redman und Wayne Gardner, um nur einige zu nennen. Für die Gleichmäßigkeitsläufe des VFV standen die Klassen E+H, J+K (+L) sowie N+P im Programm.
Das damit komponierte Angebot traf den Geschmack des Publikums: Nicht weniger als 30.400 (!) zahlende Zuschauer sorgten für ein stimmiges Ambiente. Hinzu kamen viele Schulklassen, die der Einladung des ADAC zum Besuch des Geschehens (eine nette und nachahmenswerte Geste des Veranstalters) nachgekommen waren und zusammen mit ihren LehrerInnen am Freitag durch das Fahrerlager pilgerten. Auch das Wetter spielte mit, jedenfalls blieb es die meiste Zeit trocken, bis dann am Sonntag Nachmittag der für diesen Sommer bislang so typische Starkregen einsetzte und die letzten Läufe der insgesamt sehr gelungenen Veranstaltung etwas beeinträchtigte.
Für das nächste Jahr steht das 90-jährige Jubiläum des Sachsenringes an. Man kann davon ausgehen, dass dann ein mindestens so attraktives Programm wieder zahlreiche Teilnehmer und Besucher anziehen wird.
Zur Strecke: Einige von uns sind schon mal als Zuschauer am Sachsenring gewesen, wenige vielleicht schon mal auf diesem Kurs gefahren, und wohl alle haben schon im Fernsehen die Übertragungen des Großen Preises von Deutschland gesehen – aber die TV-Bilder vermitteln nicht annähernd den Erlebniswert, den diese Rennstrecke hervorzurufen vermag: Die Passage hinunter zum Omega mit der sich zuziehenden Links-Kurve, an der Talsohle die enge Rechts, dann am Anstieg die Doppel-Links mit der sich daran anschließenden überaus schnellen und langgestreckten Bergab-Links, später jenseits der Start- und Zielgeraden eine schnelle Rechts mit einem steilen „Fall“ in die Tiefe und nach einer neuerlichen Links der Anstieg zur früheren Queckenberg-Kurve, der wie eine Wand vor einem auftaucht – phantastisch, eine Art großer Achterbahn mit Aufs und Abs und Kurven ohne Ende; von wenigen Passagen abgesehen fährt man fast nur in Schräglage, ein wunderbares Feeling. Weil einige der Kurven sich hinter Hügeln auftun und deshalb nicht gut einsehbar sind, bedarf es einiger Lehr-Runden, um sich die Strecke einzuprägen, und dafür ist es hilfreich, sich anfangs an einen zügigen Kollegen anzuhängen und dabei etwas für die eigene Linienwahl zu lernen. Zusammen mit der hervorragenden Infra-Struktur eine der besten Anlagen überhaupt, auf denen wir fahren.
Zum Geschehen: In der Fahrerbesprechung erläuterten die Leiter, dass die knapp 4 km lange Strecke bei Regularity-Läufen für 66 Maschinen homologiert sei. Diese Zahl wurde in E+H nahezu erreicht (weshalb L zu H+K zugeordnet wurde) – und man muss sagen dürfen, dass damit ein Verkehr auf der Piste entstand, der des Guten doch zu viel war; jedenfalls klagten einige Fahrer darüber, dass die zwangsläufig entstehenden Pulks teils den Vorwärtsdrang behinderten, teils auch gefährliche Manöver heraufbeschwörten.
Gerade wegen der großen Zahl der Starter einerseits und des engen Zeitplanes andererseits legten die Verantwortlichen ebenfalls in der Fahrerbesprechung großen Wert auf zügiges Tempo bei der Aufstellung zum Start; die ersten 20 aus dem Qualifying sollten sich in Reihen zu je drei Fahrern aufstellen, „die restlichen 40 oder so müssten sich irgendwie arrangieren“. Ob es dabei zu Gerangel gekommen ist, konnte ich nicht beurteilen; jedenfalls entsprach die gegebene Empfehlung zumindest nicht den bei den VFV-Läufen herrschenden Regeln.
Für die VFV-Fahrer war eine gesonderte „Anlauf-Stelle“ vorgesehen, an der mehrere Personen akribisch die Papier-Abnahme erledigten. Die penible Genauigkeit (und mitunter vielleicht auch personelle Ungeübtheit) hatten ihren Preis: Es dauerte manchmal ziemlich lange, bis man dran war. Damit nicht genug: Nach einer Stunde Anstehen in der Schlange vor dem Zelt zur Technischen Abnahme wurde mehreren Fahrern beschieden, sie seien hier falsch (obwohl ihnen zuvor genau dieses Zelt von der Papier-Abnahme zugewiesen worden war) und sie müssten sich an die für sie zuständige Stelle im Fahrerlager 3 begeben – Frust.
Etwas frustig war auch der Umstand, dass am Donnerstag Abend keine der Verpflegungs-Stände geöffnet hatte, obwohl zu diesem Zeitpunkt schon fast alle Teilnehmer anwesend waren, und am Freitag gegen 18 Uhr wieder alles geschlossen wurde – vielleicht sind dafür Verträge zum Schutz der lokalen Gastronomie maßgeblich.
Am Samstag Abend führte ein Korso viele Fahrer mit ihren Maschinen zum Marktplatz in Hohenstein-Ernstthal. Dort waren Buden aufgebaut und eine Bühne; Musik dröhnte. Etwa viertausend Besucher verfolgten die Interviews, die u.a. Timo Neumann mit einigen der prominenten Fahrern führte – hervorragende Stimmung.
Zum Schluss das Wichtigste - der Sport: Große Aufmerksamkeit fanden naturgemäß die Rennen der „World GP Bike Legends“. Im ersten Lauf siegte Ralf Waldmann auf einer sehr gut laufenden HB-Suzuki mit einigem Vorsprung; im zweiten kam es im Führungs-Pulk zu vielfachen Positionswechseln. Am Ende kamen Jeremy McWilliams und Gary McCoy als Erste über die Ziellinie, vor „Fast Freddie“. Ob die Kämpfe zwischen den Fahrern „echt“ waren oder diese dem Publikum nur etwas Spektakel bieten wollten, bleibt offen, den Niggi Schmassmann hatte in einem Interview über die Strecken-Lautsprecher versprochen, man werde sich bemühen, eine gute Show zu liefern. Eskil Suter stand mit der von ihm neu entwickelten MMX 500 im Programm, war aber nicht am Start. Martin Wimmer, mit Wohnsitz Hong Kong, pilotierte sehr unauffällig eine Kawa KR 500; auch Phil Read fuhr hinterher, doch war seine Suzuki das mit Abstand älteste Motorrad im Feld. Die „rote Laterne“ trug Jim Redman, ebenfalls auf einer Suzuki; für den inzwischen 84-Jährigen war es, wie er erklärte, sein (wiederholt) letztes Rennen, das er zudem vorzeitig an den Boxen beendete. Angesichts seiner zahlreichen früheren Auftritte vor Ort erklärte er launig in Anspielung auf Kennedys legendären Satz in Berlin: “Isch bien ein Hohenstein-Ernstthaler“.
Im Training von J+K lieferten sich Werner Pedack (Aermacchi-250) und Dominik Horvath (AJS-350) atemberaubende Duelle. Der junge Horvath entwickelt sich mehr und mehr zum Shooting Star der Szene; er hat im Moto Cross gelernt und ist nicht nur sehr schnell, sondern auch gleichmäßig – ein Pokal in J+K war der Lohn.
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