Moto-GL-Kaleidoskop
Beobachtungen und Notizen aus dem Fahrerlager und von der Strecke
 

BMW in der Solo-WM der Fünfziger Jahre:
Unglückliche Bemühungen

BMWStory1ZellersMaschine1957Hockenheim
A. Fakten

Der Wettbewerb
Die Weltmeisterschaft (WM) gibt es seit 1949. Sie war jedoch während des ersten Jahrzehnts nur so etwas wie eine offene Europa-Meisterschaft, gewöhnlich mit den Austragungsorten auf der Isle of Man, in der Schweiz (Genf, Bern), in den Niederlanden (Dutch TT in Assen), in Belgien (Spa- Francorchamps), in Nordirland/Ulster (Clady- oder Dundrod-Kurs bei Belfast) sowie in Italien (Monza). (Damit wurde begonnen). 1951 kamen Spanien (Montjuïc in Barcelona) und Frankreich (z.B. Albi, Clermont-Ferrand, Reims, Rouen) dazu, 1952 dann Deutschland (Stuttgart, Solitude), aber Frankreich fehlte wiederholt. 1953 sollte der deutsche WM-Lauf in Schotten stattfinden, doch streikten wegen der Gefährlichkeit des Kurses die ausländischen Werke in den großen Klassen; nur die 125er und 250er sowie die Gespanne wurden für die WM gewertet. Walter Zeller gewann auf BMW den Halbliter-Lauf, doch zählte dieser nicht zur Wertung. Erst 1961, also 12 Jahre nach Gründung der WM, gab es erstmals einen Lauf außerhalb Europas, und zwar in Argentinien, Buenos Aires. Später folgten (jeweils die erstmalige, nicht notwendiger Weise regelmäßig wiederkehrende Austragung) Amerika, Afrika, Asien und zuletzt (1985) Australien.

1952,als Deutschland erstmals nach dem Krieg wieder international zugelassener Austragungsort war, trat BMW nicht offiziell beim heimischen Grand Prix auf der Solitude an, und zwar deshalb nicht, weil man noch nicht an eine reelle Siegeschance glaubte – eine Haltung, die auf Missfallen der Medien stieß. Lediglich Hans Baltisberger nahm als Werksfahrer teil, aber eher in der Rolle eines Privatfahrers, also werksunterstützt auf dem RS-Prototyp. Der sechste Platz brachte ihm einen WM-Punkt ein. Das gleiche gelang übrigens Wilhelm Noll/Fritz Cron (Kirchhain) als Privatfahrern bei den Gespannen. Spätestens in Monza würde man das Werks-Team für 1953 präsentieren – aber das geschah dann doch nicht.

Die „Ära“ Zeller

BMWWMStory2Zeller1953 bestand das Werks-Team dann aus Georg „Schorsch“ Meier, Hans Meier, Gerhard Mette und auch Baltisberger. Diese Mannschaft, so der generelle Plan, sollte hauptsächlich in den DM-Läufen antreten, war aber auch in Bern beim Schweizer GP am Start. Walter Zeller – seit 1950 in Diensten von BMW, nachdem ein Vertrag mit NSU im letzten Moment nicht wirksam wurde - nahm eine Sonder-Rolle insofern ein, als er primär bei den WM-Läufen an den Start gehen sollte. Für den ersten WM-Lauf, der TT, bereitete er sich entsprechend sorgfältig vor, indem er zusammen mit einem Mechaniker und einer BMW R 68 für drei Wochen im März auf die Insel fuhr, um den Kurs kennen zu lernen. (Davon stand eigentlich so gut wie nichts in den Medien, während eine gleichartige Mission von NSU mit Bill Lomas und Werner Haas ausführlich kommentiert wurde.) In Hockenheim stellte BMW später das neue Schwingen-Fahrwerk vor; Eugen Karl Schwarz („EKS“), der für den Rennsport zuständige Journalist bei MOTORRAD äußerte sich in Bezug darauf zunächst durchaus positiv, so auch im Vorfeld des Belgien-GP, von dem BMW die Nennung in der Solo-Klasse aus unbekannten Gründen allerdings zurückgezogen hatte:

Aber natürlich ist der belgische Kurs noch ungünstiger für die augenblickliche Konstitution des Boxer-Motors als der holländische. Dem Schwingenfahrgestell müssten aber an und für sich diese Vollgaswindungen und langen Bogen liegen….“(EKS, MOTORRAD)

Anscheinend sah er das Problem (zunächst!) hauptsächlich in einer Schwäche des Motors.

Zurück zum ersten Rennen, der TT. Hier stürzte Zeller, mit Benzin-Einspritzer-Motor unterwegs, in der zweiten Runde bei Creg ny- Baa, zusammen mit Dickie Dale, und zog sich eine Gehirnerschütterung zu.
Bei der Dutc
BMWStory3und4AmmundMonza 1h-TT war er aber wieder am Start und wurde 7. In Rouen, wo Ray Amm spektakulär stürzte und damit aus der WM-Wertung fiel, war keine BMW am Start, ebenso wenig in Dundrod.
In Bern war dann wieder das komplette Team dabei, einschließlich Zeller, der 8. wurde und damit bester BMW-Pilot (vor Nello Pagani auf der 6.! Gilera im Feld, und Baltisberger, 10., Hans Meier, 11.) In Monza war Zeller mit 2:14 Min. im Training gefahren, hinter Geoff Duke, Dickie Dale und Carlo Bandirola mit jeweils 2:12. Im Rennen gab er „unzufrieden mit seiner Maschine und Scherereien mit dem Motor“ (MOTORRAD) auf. Schorsch Meier hatte sich im Übrigen vom aktiven Rennsport zurückgezogen; sein letztes Rennen bestritt er auf der Eilenriede.

BMWStory3und4AmmundMonza
Im Training von Monza wurde auch eine Variante ausprobiert, bei der in Fahrtrichtung vorn angesaugt wurde und der Auspuff nach hinten führte.

Für 1954 hatte BMW bei einem Presseempfang ausgangs des Jahres das reduzierte Werksteam von nur Zeller (und Noll/Cron) in Aussicht gestellt. Man benötige für die Entwicklungsarbeiten an der Einspritzung noch ein weiteres Jahr, und auch die Nachwuchsförderung (damit konnten eigentlich nur Baltisberger, Mette und Hans Meier gemeint sein) habe nicht zu befriedigenden Ergebnissen geführt. (Streng genommen war das nicht eben nett gegenüber den betreffenden Fahrern gewesen, reduzierte BMW das Engagement für das nächste Jahr doch anscheinend vor allem aus Kostengründen.)

Vorgestellt wurde auch die BMW RS 54 (sie hieß aber noch nicht so), und zwar sowohl mit der geschobenen Schwinge vorn (Earles-Gabel) als auch mit Telegabel, die - so der Kommentar in MOTORRAD (daraus auch die nächsten Zitate) - als „gute Tele besser als eine mäßige Schwinggabel“ sei.

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Aufnahme der käuflichen RS 54 Telegabel

Angesichts der hohen Geschwindigkeiten, die in den beiden großen Solo-Klassen gefahren wurden, gelangte am Ende der Saison die Technische Kommission der FIM zu dem Vorschlag, diese beiden Klassen allmählich auslaufen zu lassen, also abzuschaffen. NSU sah sich darin bestätigt, hatten sie doch 1952 damit begonnen, ausschließlich auf die kleinen Klassen zu setzen. BMW äußerte sich zu diesem Vorschlag nicht (der ein Jahr später noch konkreter propagiert wurde, und zwar mit der Vorgabe, dass erst die 500er-Klasse und 12 Monate danach die 350er auslaufen sollten.) Wie wir heute wissen, ist aus dem Konzept nichts geworden – ganz im Gegenteil sind die Hubräume seitdem fast auf das Doppelte gestiegen - und dementsprechend sind auch die Geschwindigkeiten weiter gewachsen.

BMWStory5aund6ZellerAnderson 11954 begann mit einem Sieg von Zeller auf der erstmalig unter diesem Namen eingesetzten BMW RS 54 in Dieburg, vorn nunmehr ausschließlich mit der geschobenen Schwinge ausgeliefert. (Diese war zuvor ausgiebig im Gespannbetrieb getestet worden, für den sie als besonders geeignet angesehen wurde.)

Es folgte ein zweiter Platz beim Mai-Pokal-Rennen in Hockenheim, dort mit dem Einspritz-Motor hinter Ken Kavanagh auf der Einzylinder-Guzzi, nach dem Ausfall der 4-Zylinder-Guzzi von Fergus Anderson und einer MV unter Nello Pagani. Im Training zum Eifelrennen stürzte Zeller und konnte verletzungsbedingt am Rennen nicht teilnehmen, ebenso wenig wie an den Läufen in Reims und auf der Isle of Man. Auch in den Niederlanden, Belgien und Ulster war BMW nicht am Start.

Dann endlich kam der GP von Deutschland auf der Solitude. Zeller fiel jedoch aus, und MOTORRAD schrieb:

Dass die Dinger nicht einmal mehr halten – sic transit – BMW war einmal ein gutes Motorrad. Zeller – wir fühlen ihm heftig nach.“

In Monza schaffte dann Zeller nur den 13. Platz, „vorsichtige Erkundungsrunden mit dem Einspritz-Motor fahrend.“

In einer Nachbetrachtung zur Saison schrieb EKS:

Die deutsche Zweizylinder- BMW war ein zu krasser Außenseiter, als dass man sie in die Jahresbewertung mit einbeziehen könnte. Hoffen wir, dass die BMW wieder einmal den Platz einnimmt, den sie vor dem Kriege zusammen mit der Gilera und der Norton innehatte. Die erzwungene Untätigkeit Walter Zellers ist bedauerlich, man hätte dem Fahrer eine größere Möglichkeit der aktiven Entfaltung gewünscht. Man bangt um die Zukunft dieses Fahrers.“

Insofern war 1954 eine richtiggehend verlorene Saison. Für Außenstehende war zunächst schwer zu verstehen, warum die Einspritzung im Gespannbetrieb (Noll/Cron wurden damit Weltmeister!) funktionierte und bei der Solo nicht. Zwei Faktoren mögen dazu beigetragen haben: Zum einen bestand bei den Gespannen die Konkurrenz lediglich aus Norton, während die Solo-Klasse wesentlich kompetitiver war, wurden dort doch mitunter sechs oder gar sieben „Gillies“ an den Start gebracht, dazu die MVs und Guzzis; das könnte die Entwicklungsarbeiten im Bestreben nach immer mehr Leistung an die Grenzen der Zuverlässigkeit gebracht haben. Zum anderen war die Leistungsentfaltung der Einspritztechnik unharmonischer, was sich beim Fahren eines Gespannes weniger nachteilig auswirkte als im Solo-Betrieb. Dazu wird später mehr zu sagen sein.

1955 begann mit einem Paukenschlag insofern, als BMW und die britischen Werke bei der FIM eine Vereinbarung hinterlegt hatten, keine Werksmaschinen an den Start bringen zu wollen. Die Hintergründe dieser Initiative waren verschieden: Norton wollte/durfte sich nach der Übernahme durch AMC nicht weiter an der Entwicklung von „Über-Rennmaschinen“ beteiligen, sondern sich nur mit Maschinen befassen, die später auch an Privatfahrer verkauft werden könnten, und eine Voraussetzung dafür wäre, dass diese auch erschwinglich wären. Maßgeblich für diese Entscheidung waren wohl Kostenüberlegungen; die Firma verfügte nur über wenige Rücklagen, im weiteren die zahlreichen Todesstürze angesichts der gewachsenen Geschwindigkeiten (und der gewöhnlich mangelnden Sicherheitsvorkehrungen an den Strecken). Ihre Fahrer würden Surtees und Hartle sein, die (welch eine Duplizität der Strukturen!) wenig später beide auch das Werks-Team von MV bilden würden. Hingegen erklärte BMW, sie benötigten noch einmal ein Jahr für die Weiterentwicklung. Hier waren als Fahrer nur Zeller und Noll/Cron vorgesehen. Die Italiener waren dieser Erklärung nicht beigetreten.

Der einzige WM-Lauf mit Beteiligung von BMW war der auf dem Nürburgring. Hier erwies sich Zeller fast als gleichwertig mit Duke auf der 4-Zylinder-Gilera. Die schnellste Runde von Duke war 131,7 km/h, die von Zeller 131,3. Nach einem packenden Rennen kam Zeller ca. 20 Sek hinter dem Sieger Duke ins Ziel, aber vor den 4-Zylinder-Piloten Bandirola, Umberto Masetti und Guiseppe Colnago. Das spricht für die Potenz der Maschine, aber natürlich auch für die Fahrkunst und Streckenkenntnis von Zeller. Wie gut die Kombination von Fahrer und Maschine war, erwies sich später auch auf der Solitude: In dem dortigen Lauf, der nicht zur WM zählte, unterbot Zeller den Vorjahres-Streckenrekord von Duke, und seine schnellste Runde war nur 0,3 langsamer als diejenige des Briten, der im Jahr zuvor einen harten Kampf mit Ray Amm hatte ausfechten müssen.

Aber zurück zum „Ring“ und einem beinahe historischen Geschehen: Im Training war John Surtees auf einer BMW (!) Dritter geworden, fiel aber im Rennen, auf dieser Position liegend, alsbald wegen des Verlusts des Deckels an einer der beiden Schwimmer-Kammern aus. Natürlich war die Maschine vom Werk bereitgestellt worden, und es gibt Fotos, auf denen zu sehen ist, wie ein Monteur des Werkes ihn am Start betreut. Was wäre gewesen, wenn daraus eine längerfristige Verbindung entstanden wäre?? Gewiss: eine müßige Frage. Aber: Das für BMW enttäuschende Geschehen nahm seinen Lauf, weil die Münchner dem Briten nicht eine Werks-Maschine einschließlich der dazu gehörenden Unterstützung für die kommende Saison garantieren konnten. Deshalb entschied sich Surtees, sportlich nachvollziehbar und wirtschaftlich viel attraktiver, für ein Angebot von MV Agusta – und war im darauffolgenden Jahr der stärkste Gegner von Zeller beim Kampf um die WM…

1956: Dass Surtees der mächtigste Gegner sein würde, ergab sich auch deshalb, weil Geoff Duke, der bis dahin unumstrittene Held der Halbliter-Klasse, von der FIM für die erste Hälfte der `56-Saison straf-gesperrt war – ein unglaublicher Skandal, denn Duke und sein Team-Kamerad Reginald Armstrong hatten sich in Assen mit den Privatfahrern solidarisiert, die für höhere Startgelder streikten und waren wie diese nach der ersten Runde der 350er an die Box gefahren. Allerdings stand Zeller ein potentieller Helfer beim Kampf um Punkte nicht wie geplant zur Seite, nämlich Fergus Anderson. Diesen hatte BMW nach dessen Ausscheiden als Rennleiter bei Moto Guzzi aus dem Ruhestand zurück geholt (Anderson war zu dieser Zeit immerhin bereits 47 Jahre alt) und ihm eine BMW RS überlassen, doch bereits bei seinem dritten Start, Anfang Mai in Floreffe (Belgien), war er mit dieser Maschine tödlich verunglückt – bei der Verfolgung von Surtees.

BMWStory5aund6ZellerAnderson BMWStory7Todesanzeige
Vorstellung von Anderson auf der BMW Todesanzeige des Werkes ein paar Wochen später

Im ersten WM-Rennen, demjenigen auf der Isle of Man, kam Zeller mit der Maschine mit neuem Fahrwerk und Kurzhub-Motor (70 x 64 mm) auf einem vielbeachteten vierten Platz ins Ziel, obwohl seine Maschine, bedingt durch Witterungsunterschiede vom Training zum Rennen, zu lang übersetzt war und er deshalb nur selten in den fünften Gang schalten konnte. Er hatte im letzten Moment wegen der Windverhältnisse die Vollverkleidung abgebaut, jedoch die Übersetzung (Achsantrieb) nicht mehr ändern können.
BMWStory8ZellerSulby1956Sieger wurde Surtees vor John Hartle und Jack Brett. Surtees gewann auch in Assen und Francorchamps, wo Zeller jeweils in bravouröser Fahrt Zweiter wurde. Im Training zum nächsten GP, also demjenigen in Deutschland auf der Solitude, kam Surtees zu Fall und brach sich den Arm, was ihn für den Rest der Saison außer Gefecht setzte. Allerdings konnte Zeller die sich daraus ergebende Chance nicht nutzen, zu seinem Konkurrenten in der Punktewertung aufzuschließen, weil er in aussichtsreicher Position liegend mit Getriebeschaden ausfiel. So ein Pech aber auch! Noch allerdings war alles möglich, wenn es nur gelänge, in den beiden noch ausstehenden Läufen in Ulster und Monza mindestens 9 Punkte einzufahren. Da es erfahrungsgemäß sehr schwer sein würde, in Italien gegen die Armada der dort heimischen Vierzylinder ordentlich zu punkten, kam dem Rennen in Nordirland eine Schlüsselrolle zu. Und die Dinge schienen sich gut für Zeller und BMW zu entwickeln: Duke fiel durch Sturz aus, Armstrong und Lomas mit technischen Defekten, aber dann erwischte es in der 10. Runde auch Zeller mit Kupplungs-Schaden – aus der Traum vom Titel! Surtees war dadurch nicht mehr einholbar und Weltmeister geworden. In Monza konnte Zeller nur noch den immer noch gehaltenen zweiten Platz sichern, was mit einem sechsten Platz auch gelang – freilich ziemlich knapp, denn Zeller musste zwischendurch einen Boxenstopp einlegen, weil sich einer der Ansaugstutzen gelöst hatte und wieder befestigt werden musste. Aber auch ohne diesen einen Punkt hätte es gelangt, denn Hartle, der in der Endabrechnung nur zwei Punkte hinter Zeller lag, war in Monza gar nicht am Start.

BMWStory9ZellerSachsenring1956Somit hatten zwei zweite Plätze und ein vierter gereicht, um Vize-Weltmeister zu werden. Gleichwohl: Dieses war das beste Ergebnis, das ein Deutscher in der Königsklasse bis dahin erzielt hatte, und niemals würde es einem Deutschen wieder gelingen, es Walter Zeller gleich zu tun. Zeitzeugen zufolge haderte der äußerst sympathische und stets freundliche Zeller mit seinem Schicksal, hatten ihm doch mehr oder weniger läppische Defekte den Weg zur absoluten Krönung verbaut.

1957: Die neue Saison begann durchaus erfolgversprechend mit einem zweiten Platz von Zeller bei der Coppa d `Oro Shell in Imola, einem hochgradig besetzten Rennen, das allerdings nicht zur WM zählte. Bei den WM-Läufen in Hockenheim und Assen konnte er jeweils den dritten Platz belegen, auf der Isle of Man und in Belgien fiel er mit technischen Defekten aus. Im August verunglückte sein älterer Bruder Kurt bei einem Autorennen tödlich. Walter musste nun die Leitung der elterlichen Eisen-Hütte in Hammerau übernehmen; dieses war unvereinbar mit einer weiteren Teilnahme an Rennen. Damit verlor der deutsche Rennsport einen seiner herausragendsten Könner, eine stilistische Ausnahmeerscheinung und Idealbesetzung für den BMW-Zweizylinder aus München. Walter Zeller strahlte auf Grund seiner begüterten Herkunft etwas Aristokratisches aus und musste nicht um Preisgeld kämpfen, sondern übte als Gentleman-Fahrer den Sport um des Sports willen aus. Vermutlich bedurfte es einer gewissen Statur (athletisch, groß, siehe z.B. Georg Meier, Zeller, Ernst Riedelbauch, Ernst Hiller und später auch Helmut Dähne), um eine BMW im Renntempo sicher beherrschen zu können. Das war nicht jedem vergönnt.

Was danach noch kam

Für 1BMWStory10und11DukeSalzbuHockenh 1958 kündigte BMW eine kleine Sensation an: Kein geringerer als Geoff Duke würde die 500er RS fahren! Wie erinnerlich, hatten zum Ende der vorangegangenen Saison die italienischen Werke Gilera, Moto Guzzi und Mondial ihren Rückzug vom Rennsport erklärt. Damit waren auf einen Schlag viele namhafte Fahrer arbeitslos, und BMW nutzte diese unverhoffte Chance und verpflichtete den englischen Star – was für ein Fehler, wie sich alsbald zeigen sollte und Kenner der Szene befürchtet hatten! Denn Duke hatte bis dahin nur Maschinen bewegt, die bekannt waren für ihr leichtes Handling und gute Straßenlage. Der Schwingen-BMW hingegen ging, was die Fahreigenschaften betraf, kein richtig guter Ruf voraus; sie war gefürchtet wegen ihrer Neigung zum Schlingern und Aufschaukeln; mitunter benötigten die Fahrer mehr als eine Linie, um ihren Untersatz auf Kurs halten zu können, und auch die Bremsen schienen nicht das zu leisten, was man erwarten durfte. Entsprechend bescheiden waren die Ergebnisse, die Duke auf der für ihn ungewohnten Maschine erzielte: Bei seinem Auftreten auf dem alten Salzburgring erreichte er nur einen 8. Platz.

BMWStory10und11DukeSalzbuHockenhZwar konnte er beim Mai-Pokal in Hockenheim, das wegen der beiden langen Geraden als „Maschinen-Strecke“ galt, einen Sieg einfahren vor Ernst Hiller und Harry Hinton, aber auf der Isle of Man schied er, irgendwo im Mittelfeld unterwegs, alsbald mit „Bremsproblemen“ aus, wie es verlautete.

Nach einem vierten Platz in Belgien war es dann auf dem Nürburgring vorbei; beim GP von Deutschland hatte er im Training nur den 9. Platz erzielt, und er verschaffte sich sozusagen einen guten Abgang bei BMW, indem er zum Rennen „seinen“ Motor den Gespann-Fahrern Walter Schneider/Hans Strauss (Siegen) überließ, die in der WM-Wertung gute Aussicht auf den Titel hatten; Duke stieg dann als Privatfahrer zurück auf Norton und gewann wenig später in Schweden wiederum einen Großen Preis, seinen letzten.

BMWStory12DaleIoM1958Die bessere Entscheidung wäre es (aus der Retrospektive!) gewesen, wenn man bei BMW primär auf Dale gesetzt hätte. Dieser erhielt von BMW eine RS und fuhr „werksunterstützt“; von Guzzi war er einiges gewöhnt und kam deshalb mit der RS viel besser zurecht. In der WM-Endabrechnung wurde er denn auch Dritter – hinter Surtees und Hartle, beide auf MV. Man hätte das vorhersehen können, ließ sich aber anscheinend blenden vom strahlenden Namen Dukes. Vielleicht wäre auch Jack Forrest (Australien) eine Option gewesen.

Erwähnenswert noch der spektakuläre Auftritt des Japaners Fumio Ito auf einer vom Werk unterstützten BMW RS bei einigen Rennen im Jahr 1960, und dieses weniger von den Resultaten her, als mehr wegen seiner furchtlosen Fahrweise, die ihn oft zum Publikumsliebling werden ließen: Beginnend mit St. Wendel wurde dieser Japaner in den Medien BMWStory13u14ItouJäger  1angekündigt als „Meisterfahrer“, in dem die Öffentlichkeit alsbald eine Art Kamikaze vermutete. Er war ein schlechter Starter, kämpfte sich aber mehrfach heroisch nach vorn, bis ihn mitunter ein Sturz einbremste. Auf dem alten Hockenheimring hält er mit 189,8 km/h die schnellste Runde, die je ein BMW-Fahrer gefahren ist. Durch einen sechsten Platz beim GP von Frankreich in Clermont-Ferrand erzielte er einen WM-Punkt und war damit 15. in der Endabrechnung (und damit bestplatzierter, freilich auch einziger) BMW-Fahrer.


 

B. Erklärungen, Einordnungen, Interpretationen

Allgemeine Organisation

Verfolgt man das Geschehen über den erfassten Zeitraum, drängt sich der Eindruck auf, dass die Beteiligung von BMW an den Läufen zur Solo-WM nur halbherzig erfolgt ist, jedenfalls nicht konsequent genug, um einen durchschlagenden Erfolg zu erzielen: Mal war das gesamte Werks-Team am Start (ganz selten), mal nur der einsame Walter Zeller (häufiger), mal auch überhaupt niemand mit Werks-Unterstützung (sehr häufig).

Zwei Beispiele dafür, wie man es richtiger und dementsprechend auch sehr viel erfolgreicher praktiziert hatte, liefern NSU und Mercedes. Jedes dieser Werke hatte innerhalb eines Zeitraumes von vier bis fünf Jahren das Projekt Weltmeisterschaft generalstabsmäßig organisiert und alles andere diesem Ziel untergeordnet. Als der terminale Erfolg erreicht und nicht mehr zu überbieten war, konnte man sich zurückziehen, musste es vielleicht auch, weil finanzielle, personelle und technische Ressourcen erschöpft waren oder in andere Vorhaben fließen mussten.

Für das Jahr 1953 waren vier Werksfahrer primär für die Teilnahme an den Läufen um die DM vorgesehen, aber nur einer (Zeller) für die Rennen um die WM. Dieses erscheint unverständlich, wäre es doch naheliegender gewesen, sich für den schwierigeren Wettbewerb, also die WM, breiter aufzustellen als nur für die DM. Möglicherweise spielten dabei Marketingüberlegungen eine Rolle und vielleicht auch die Suche nach einem möglichst fähigen Ersatz für den zurückgetretenen Schorsch Meier, aber die Strahlkraft eines WM-Titels auf den heimischen Markt wäre gewiss kräftiger gewesen als diejenige einer Deutschen Meisterschaft.

Der entscheidende Faktor überhaupt bestand vermutlich in der prekären Finanz-Situation, in der sich BMW im fraglichen Zeitraum befand. Die automobile Produktions-Palette sah damals die „großen“ Limousinen 501 und 502 vor („Barockengel“), also teure Sechs- bzw. Achtzylinder, die sich seinerzeit nur wenige leisten konnten, dazu die exklusiven 503 und 507, edle Sportwagen, absolute Ikonen, aber nicht geeignet, damit höhere Stückzahlen zu erreichen und ordentlich Geld zu verdienen. Die Motorrad-Produktion erreichte zwar von 1952 bis 1954 mit jährlich knapp 30.000 Maschinen ihren Höhepunkt, doch fielen diese Zahlen innerhalb der nächsten drei Jahre auf ca. die Hälfte. Entsprechend waren die Jahresüberschüsse des Konzerns bis 1955 minimal, und von 1956 bis 1959 sogar hoch negativ; mit anderen Worten: Das Geld war knapp und reichte nicht für den Motorsport; der Konzern schaute in den Abgrund. Erst mit der Isetta, man glaubt es kaum, kam die Wende und dann deren Fortsetzung mit dem BMW 700, dessen Verkaufszahlen das Geld einbrachte, um den 1500er (sogenannte neue Serie) zu bauen, der den endgültigen Erfolg sicherte (siehe Rosellen, H.-P.: Das weiß-blaue Wunder, Seewald,1983.)

Technische Probleme

Vergaser und Einspritzung. Nachdem in der unmittelbaren Nachkriegszeit BMW mit der Kompressormaschine einige schöne Erfolge gelungen waren, mussten sich nach dem internationalen Verbot des Kompressors alle Hersteller neu orientieren, also außer NSU und DKW auch BMW. Unbezweifelbar stellte der 2-Zylinder-Boxer vom Konzept her (und zudem aus Marketingüberlegungen) eine gute Basis auch für einen Sauger („Säugling“) dar. Wegen des vibrationsarmen Laufs konnte die gesamte Maschine relativ leicht gebaut werden, sie war beispielsweise um mehr als 10 kg leichter als die Norton. Auch das Fahrwerk mit der hauseigenen Telegabel und später der hinteren Schwinge entsprach dem Stand der Wettbewerber. Die größte Herausforderung bestand allerdings darin, das Leistungsniveau der potenten 4- (und später gar 8-) Zylinder aus Italien zu erreichen. In Bezug darauf sah man eine Chance darin, den Sprit für die Verbrennung durch eine Einspritzpumpe in den Ansaugstutzen (Saugrohr) oder (später) direkt in den Brennraum zu befördern. Bei BMW profitierte man dabei von den guten Erfahrungen, die man mit Flugmotoren im Krieg gemacht hatte. Bei den Motorrad-Rennmotoren jedoch mit den viel kleineren Einzel-Hubräumen und insbesondere im Teillastbereich ergaben sich enorme Probleme. Seinerzeit gab es noch keine elektronische Software für die Steuerung des Gemischs, weshalb die anstehende Aufgabe mit mechanischen Mitteln gelöst werden musste. Eine besondere Problematik resultierte daraus, dass sich zur Leistungsmaximierung nicht nur Doppelzündung anbot, sondern auch Direkteinspritzung – was sich freilich aus Platzgründen wechselseitig ausschloss, da beides denselben Eingang in den Zylinderkopf erforderte.

Die Leistungsmaximierung war aber anscheinend eher das kleinere Problem; als schwieriger erwies sich der möglichst harmonische Übergang mit zunehmender Drehzahl; hier setzte die Leistungsentfaltung mitunter zu abrupt ein, was im Solo- sehr viel mehr als im Seitenwagen-Betrieb zu kritischen Fahrzuständen führen konnte. So wird von Walter Zeller berichtet, dass er ausgangs des Karussells während des Trainings zum Eifelrennen 1954 (vielleicht) dadurch zu Fall gekommen sei. Wie dem auch sei: 1953 und 1954 setzte BMW anscheinend primär auf die Einspritzung, während in den Jahren danach zwischen Vergaser- und Einspritzung hin- und hergewechselt wurde (V vs. E). Wegen der unbestritten etwas höheren Endleistung der Einspritzung würde man erwarten, dass diese vor allem auf schnellen Strecken zum Einsatz gekommen wäre. Tatsächlich scheinen die dazu vorliegenden Daten (in vielen Fällen lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit feststellen, mit welcher Anordnung letztlich gefahren wurde) dafür zu sprechen: In Monza 3-mal E, in Hockenheim 2-mal (die übrigen Fälle nicht zuordenbar), auf der Isle of Man 1-mal E, 2-mal V, Nürburgring 1 E, 1 V.

Fahrwerks-Eigenheiten. Die Earles-Gabel bei der Führung und Federung des Vorder-Rades stieß bei Experten auf gewisse Bedenken wegen der großen Massen weit vom Steuerkopf entfernt. (Über systematische Vergleichstests mit einigen Fahrern und die Einholung von deren Urteilen ist nichts bekannt.) Ob diese Lösung anstelle einer Telegabel vor allem deshalb gewählt wurde, weil die seinerzeit in Serie gegangenen neuen Straßen-Modelle ebenfalls geschobene Lang-Schwingen aufwiesen, ist heute nicht mehr feststellbar; definitiv löste sie aber einen Nachahmungs-Effekt bei anderen Herstellern wie DKW, UT, Tornax u.a. aus. Derweil gingen andere Hersteller wie MV Agusta von diesem Prinzip ab, nicht zuletzt angesichts des Todes-Sturzes von Leslie Graham am Fuße von Bray Hill (Isle of Man), dessen Maschine sich nicht mehr kontrollierbar aufgeschaukelt hatte. BMW ging immerhin von den zunächst gebogenen Gabel-Holmen zu geraden Rohren über, die steifer und wohl etwas leichter waren. Bemerkenswert ist aber doch, dass kaum einer der RS-Besitzer vorn zu einer Telegabel gewechselt hätte. Im Solobetrieb waren es in den 1960er Jahren Hartmut Allner (München) und Hans Otto Butenuth (Dortmund), die der Telegabel eher vertrauten als der Schwinge, außerdem war das bei ein paar wenigen Gespannfahrern ebenso der Fall. Dass die geschobene Schwinge letztlich suboptimal war, mag man daran ersehen, dass es sie heute im GP-Sport nirgendwo mehr gibt.

BMWStory13u14ItouJägerAn dieser Stelle müssen auch der geringe Radstand und zumindest anfänglich die relativ hohe Sitzposition des Fahrers erwähnt werden. Ersteres musste die Spurstabilität negativ beeinflussen, letzteres den Schwerpunkt des gesamten Pakets. Im Laufe der Entwicklung wurde zumindest die Sitzhöhe signifikant reduziert. Das nächste Foto zeigt Hans Günther Jäger (Trier) in Hockenheim auf einer BMW RS vor Zeller auf einer Werks-Maschine, zwar nicht besonders scharf, aber der Unterschied ist augenfällig.

BMWStory15KardanimFreienBekanntlich führt der quer-laufende Boxer-Motor zu systembedingten Besonderheiten im Fahrbetrieb: Beim Beschleunigen hebt sich das Heck, beim Bremsen knickt es ein („Fahrstuhl-Effekt“). Ab 1956 wurde mit einer Strebe unterhalb des rechten Schwingen-Holms, vorn am Rahmen, hinten am Kardan-Gehäuse angelenkt, dieser störenden Eigentümlichkeit abzuhelfen versucht. Zeitgleich dazu erfolgte die Ausgliederung der Kardan-Welle aus dem rechten Gabelrohr parallel zu diesem nach links-innen; die Welle lief nun „im Freien“.

Verkleidungen. In Bezug darauf hat BMW vieles versucht. Es gab jenseits der „nackten“ Version mehrere Varianten, die sich vor allem in der Menge des Metalls unterschieden, das verbaut wurde, nämlich Schnabel-Form, Halbschalen- und Vollverkleidungen, letztere auch mit Heckflossen. Eindrucksmäßig erfolgte die Entwicklung eher mehr nach Versuch und Irrtum als systematisch. Die BMWStory16VerkleidungMonza1953Bugverkleidung, die auf der Solitude 1956 und in Monza zum Einsatz kam, wirkt schrecklich, die kleine Scheibe oben drauf wie ein Scherz. Auch ist der Heckbürzel an der 1953 in Monza und auf der Berliner Avus zum Einsatz gelangten Maschine in bleibender Erinnerung geblieben, weil er gegen das bis dahin geltende Credo zu verstoßen schien, dass am Heck nur etwas zu gewinnen ist, wenn die Front fließend angeströmt wird; in einem solchen Fall aber reicht es, wenn sich die Oberkante der Verkleidung zum Heck linear absenkt und dann mit einem Schnitt (nicht mit einer gekrümmten Rundung) endet – so wie es beim zeitgleich eingesetzten Gespann an Maschine und Boot gleichermaßen richtig(er) gemacht wurde.

Abschließende Bemerkungen: Versucht man, aus heutiger Sicht eine Art Fazit aus dem damaligen Geschehen zu ziehen, lässt sich mit all der durch die Rückschau gebotenen Vorsicht vielleicht folgendes festhalten:

  1. Über die Jahre scheint es, als ob BMW die Teilnahme an der WM eher halbherzig angegangen ist. Dafür spricht, dass es Läufe gab, in denen eine ganze Phalanx von eigenen Werksfahrern am Start war, zu anderen Zeiten wieder nur ein Fahrer (nämlich Zeller) oder gar keiner. Dementsprechend war der Erfolg insgesamt eher überschaubar.

Maßgeblich für dieses unstete Engagement scheinen zum einen der Mangel an finanziellen Ressourcen gewesen zu sein: Der Konzern der Bayerischen Motoren-Werke schrieb ab Mitte der Fünfziger Jahre rote Zahlen; das verhinderte bedeutsame Investitionen in den Motorsport. Zum anderen – und damit zusammenhängend – erforderte die international harte Konkurrenz die permanente technische Weiterentwicklung, mit unvermeidlichen Rückschlägen, die sich u.a. in Ausfällen manifestierten. Als 1956 die von Hans Eberspächer geprägte Losung wahr wurde, „Gut sein, wenn es darauf ankommt!“, verhinderten technische Defekte den ultimativen Erfolg.

  1. Neben den technischen Problemen kam es aber auch zu organisatorischen Fehlentscheidungen, die ihrerseits ebenfalls durch die finanziellen Engpässe beeinflusst sein mochten: Die Verpflichtung eines international herausragenden Fahrers (Surtees) war nicht möglich, BMW musste sich mit dem „begnügen“, was am Markt erhältlich war, also Duke (der seinen Zenit bereits überschritten hatte) und Anderson (der natürlich mit knapp fünfzig Jahren zu alt war). Keiner von ihnen hätte wohl Zeller übertreffen können – aber dieser scheiterte an den Tücken der Technik (s.o.)…


Text: Manfred Amelang, Gerhard Fischer, Lothar Mildebrath

Fotos: MOTORRAD, Mildebrath, Amelang, Priess (Roland: Großen Dank!)