Moto-GL-Kaleidoskop
Beobachtungen und Notizen aus dem Fahrerlager und von der Strecke


Hockenheim Classics 2020:
Anfang und Ende der Saison

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Über allem: die Pandemie: Corona-bedingt mussten dieses Jahr leider alle Veranstaltungen innerhalb der DHM abgesagt werden – bis auf Hockenheim; in Bezug darauf hatten die Veranstalter es geschafft, nicht nur eine Genehmigung zur Durchführung zu erhalten, sondern es auch erreicht, dass diese von den Behörden nicht noch in letzter Minute widerrufen wurde - alle Achtung! Grundlage dafür waren intensive Gespräche mit den dafür zuständigen BehördenL1140751, das Ganze den Umständen entsprechend auf der Grundlage eines differenzierten Hygiene-Konzepts. Entsprechend sah man zahlreiche maskentragendete Personen, hauptsächlich in erster Linie bei größeren Ansammlungen von Akteuren, namentlich in geschlossenen Räumen, aber auch, was zunächst etwas verwunderte, in der Boxengasse, wo mehrere Ordnungskräfte streng die Einhaltung der Maskierung einforderten. Die Logik dieses Vorgehens erschloss sich wohl für die meisten erst auf den zweiten Blick: Insbesondere bei den Beobachtungs-Lücken in den Abschirmgittern zur Strecke musste es fast unvermeidbar zu engeren Berührungen zwischen Zuschauern kommen – mit der drohenden Folge eines erhöhten Infektionsrisikos. Das ebenfalls bestehende Abstandsgebot ließ sich hingegen auch andernorts weniger strikt kontrollieren bzw. herstellen; so herrschte beispielsweise bei der Papier- und Helmabnahme eher das übliche Gedränge – hoffen wir alle, dass in ein paar Tagen nicht erhöhte Infektionszahlen gemeldet werden.

Extrem positiv wirkten sich die allgemeinen Umstände auf den Einlass aus: War es in der Vergangenheit regelmäßig vor dem Eingang zum Fahrerlager zu Staus gekommen, die mitunter über die Autobahn-Brücke bis zurück nach Hockenheim reichten, war das Procedere heuer extrem entspannt: kurze Kontrolle der Papiere, Aushändigung der Arm-Bändchen – und fertig! Begünstigend dafür war natürlich auch der Umstand, dass nicht kurz zuvor noch eine andere Veranstaltung stattfand, wie es auf den meisten permanenten Rennstrecken ansonsten üblich ist. Lediglich das neugebaute Porsche-Zentrum führte eine Armada von Porsches auf „eigener“ Piste neben dem Motodrom an.

Auch noch schön: das Wetter. Im Unterschied zum letzten Jahr, wo wiederholter und starker Regen auf die Stimmung und die Motivation zum Fahren drückten, schien eine herrliche Spätsommer-Sonne von Donnerstag bis Sonntag von einem blauen Himmel.

Als ärgerlich wurden von mehreren Fahrern empfunden, dass nach einem Lauf – wenn überhaupt! – die gefahrenen Zeiten erst mit erheblicher Verspätung ausgehängt wurden – unverständlich eigentlich, wo die Zeitnahme doch ein weitgehend eingeübter Routinevorgang sein sollte.

Zum Programm und Ablauf: Wenn schon, denn schon – es waren nicht nur alle Klassen der DHM am Start, sondern darüber hinaus die Autos von GLpro, die Freunde aus der Schweiz mit ihrer Serie, zudem die IHRO und die Side-Car-Klassik. Zwangsläufig führte das dazu, dass in manchen Disziplinen die Start-Zeiten für Freies und Pflichttraining sowie die Wertungsläufe etwas weit auseinander lagen und die Fahrer dementsprechend ziemlich lange auf ihren Einsatz warten mussten.

In S und T lässt sich – nach etwas stolprigem Beginn – eine erfreuliche Zunahme der Nennungen registrieren; hingegen setzt sich die Auszehrung von J und besonders K weiter fort; was waren das noch für Zeiten, als vor 15 Jahren allein um die 40 meist ein- und zwei-zylindrige 500er am Start waren! Klar, dass dafür vor allem der altersbedingte Rückzug der betreffenden Fahrer verantwortlich ist, die ihre Maschinen entweder mit ins heimische Wohnzimmer nahmen oder sie an Sammler veräußerten. Vermisst wurden Cord und Cordula (die wohl Urlaub machten) und Hansueli Wyssen. Zu allem Überfluss musste zudem mit angesehen werden, wie am Samstag Nachmittag in den letzten Runden des Laufes die Maschinen von Karl Frohnmayer, Rudi Seydewitz und Werner Wolff aus unterschiedlichen Gründen ihren Dienst einstellten, und auch die Saturno von Uli Schmidt lief nicht richtig rund.

L1140745Persönliches: Nach Trainingsbestzeiten führte Mike Nagel zunächst in beiden Wertungsläufen von A das Feld „on the road“ an, wurde dann aber aufgeschnupft und kam als Zweiter bzw. Dritter ins Ziel; in der GL-Wertung bedeutete das einen zweiten Platz. Weil er in den letzten vier Jahren sozusagen „alles gewonnen“ hat (neben Klassen-Siegen in 2018 und `19 auch DHM-Erster), wird er dem Vernehmen nach in der kommenden Saison „aufsteigen“ und in anderen Serien fahren, in denen es vor allem auf „Speed“ ankommt; bei uns wird er wohl nur hin und wieder, sofern es der Kalender erlaubt, am Start sein. L1140316Indirekte Auswirkungen hat das auch für seinen Vater, also Dieter Nagel, der nach einer langen Karriere und mehrfachen Meister-Titeln insbesondere in Langstrecken-Wettbewerben vor acht Jahren bei uns eingestiegen ist. Auch hier war er sogleich erfolgreich; bereits bei seinem allerersten Start kam er bereits auf das Podium. In der DHM-Wertung war er zwischen 2014 und `16 zweimal Dritter und einmal Zweiter. Krönender Abschluss war der Umstand, dass er in den letzten beiden Runden des finalen Wertungslaufes mit 1:56 die schnellsten Zeiten fuhr, die er in Hockenheim bislang je erreicht hatte. Er wird sich, so jedenfalls der momentane Entscheidungsstand, als Fahrer zurückziehen und seinen Filius als Helfer nach Kräften unterstützen. Ob er das wirklich auch umsetzen kann, muss angesichts seiner intensiven Verbindung mit der Zweirad-Szene und seiner langen Laufbahn erst einmal abgewartet werden….

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Dieter Nagel bei der Anfahrt.... ....und in Aktion

Ein technisches Highlight: Wilfried Schmahl hatte in Klasse Z ein Gespann mitgebracht, das auf einem Fahrgestell aufbaut, das Otto Haller in den Mittsiebziger-Jahren aufgebaut und bis 2011 selbst gefahren hat. Für Vortrieb sorgt ein von Günter Michel entwickelter Ultra-Kurzhuber mit 930cc. Dieser Motor hat als zusätzliche Besonderheit „umgedrehte“ Zylinderköpfe, d.h. die Vergaser liegen in Fahrtrichtung vorn und saugen die Luft über Schläuche an, die vorn an der Verkleidung ins Freie münden, also an der Stelle, wo der Luftdruck besonders groß sein sollte. Die Auspuff-Rohre weisen zunächst nach hinten, um dann in einer 180-Grad-Biegung nach vorn und dann erneut und endgültig nach hinten zu führen. Ob die gewundene Führung der Rohre nicht den Gewinn an „RAM Air“ auf der Ansaug-Seite zunichte macht, ist natürlich von Außenstehenden nicht zu beurteilen. Auf jeden Fall macht das gesamte Gespann einen extrem gekonnten und piekfeinen Eindruck – auch wenn wohl von Puristen eingewendet werden könnte, dass damit nicht unbedingt historische Klassik gepflegt werde. (Immerhin gab es aber mit der Königswellen-Werks-BMW ein gewisses Vorbild, das 1956 im Training von Monza unter Walter Zeller probeweise eingesetzt wurde.)

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Das Gespann von Michel/Schmahl von oben....  ....und von vorn

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Text: Manfred Amelang
Fotos: Amelang, Schmahl


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