Egli Racing – eine Legende geht zu Ende (?)x |
Am 28.11.2023 wurden im Mekka der Egliwelt, dem kleinen Dorf Bettwil in der Schweiz, die Reste der Egli AG versteigert. Auf der Rückfahrt von Bettwil fahre ich auf der Autobahn in Baden-Württemberg unter den Brücken durch. An diesen prangen große Transparente, auf denen man aufgefordert wird, Schnellfahrer (polemisch als „Rennraser“ tituliert) auf der Notfallnummer 110 zu melden. Während ich mir überlege, warum die Notfallnummer durch Meldung von zu schnell fahrenden Verkehrsteilnehmern blockiert werden sollte und ob dies vielleicht nur eine Aktion der Grünen Landesregierung zur Pflege deutschen Brauchtums ist – denn schließlich war Denunziantentum in der 12jährigen Periode, die uns heute noch nachhängt, ein tragende Säule der Durchsetzung von Ideologie - , frage ich mich, was Fritz W. Egli jetzt getan hätte. Ja, Fritz W. Egli, die Legende, die 40 Jahre meines Motorradlebens mitgeprägt hat. In den frühen 1960ern begann der gelernte Feinmechaniker mit dem Rennsport auf einer Vincent Black Shadow aus den 50er Jahren. Zwar erhöhten seine Tuningmaßnahmen die Motorleisung, aber das überaltete Fahrwerk der Vincent behinderte den Weg zum Erfolg. Fritz, ein Mann der Tat, konstruierte kurzerhand einen eigenen Rahmen mit armdickem Zentralrohr. Dieses einfache aber effiziente Konzept sollte den Namen Egli weltberühmt machen und von vielen Fahrwerkherstellern, wie zum Beispiel Jung, Martin, Moko, PSS, Rau, Segoni und anderen, kopiert werden. Mit dem neuen Fahrwerk stellte sich auch der ersehnte rennsportliche Erfolg ein und so gewann Egli 1968 die Schweizer Motorradmeisterschaft. Bei einem unserer Gespräche hat er mir mal verraten, dass er kein besonders guter Fahrer gewesen sei, sondern sein Fahrwerk das ausschlaggebende Element seines Erfolgs gewesen sei. Ich denke, es war wohl die Kombination: Egli oben drauf und Egli unten drunter. Sein motorsportlicher Erfolg zeigte aber auch noch eine Nebenwirkung. Er wurde immer öfter gefragt, ob er nicht auch für andere Fahrer ein solches stabiles Zentralrohrfahrwerk bauen könnte. Von dieser unerwarteten Nachfrage angespornt, entschloss sich Fritz, seine Rennfahrerkarriere an den Nagel zu hängen und stattdessen eine Manufaktur für Eglifahrwerke zu gründen. Auf die Egli-Vincents folgten Rahmen für Honda 450 und 750 Motoren. Hiermit war die Tür für den Erfolg der Marke aufgestoßen, denn die Japaner drängten mit leistungsstarken Motorrädern, deren schlechte Fahrwerke allerdings oft zu angsterfüllendem Fahrverhalten führte, auf den internationalen Markt. Aber Egli zeigte nicht nur technischen Erfindergeist. In jedem Buch über Marketing findet man heute mindestens ein Kapitel über Guerillamarketing. Egli hat dieses aber schon Anfang der 70er umgesetzt. Da die hohen Kosten, die der Veranstalter der Schweizer Motorradmesse forderte, das Budget der kleinen Manufaktur sprengte, stellte er seine Kreation einfach „zur Dekoration“ in eine Ecke der Messe, wo die Egli-Vincent dennoch ein Zuschauermagnet wurde. Der Wunsch, mit dem eigenen Motorrad „wie auf Schienen zu fahren“ (Egli Werbeslogan), verbreitete sich weit über die Grenzen der Schweiz hinaus und so wurden Fahrwerke für fast alle erdenklichen Marken und Motoren gebaut und sogar nach Übersee verschifft. In Basel habe ich Ende der 80er einen lustigen Abend mit einem Waffenhändler aus USA verlebt, der sich in Bettwil eine Egli-Harley mit Big Twin Motor aufbauen ließ. Es folgte sogar eine Einladung nach USA, um dort „ein paar Zehntausend Kugeln“ im eigenen Steinbruch zu verschießen. Egli und seine Maschinen stellten weitere Rekorde auf. 1974 gewann eine Egli-Kawasaki mit den Fahrern Godier & Gernoud die Langstreckenweltmeisterschaft - Kawasaki warb zwar mit dem Titel, erwähnte dabei aber nicht, dass es ein Egli-Zentralrohrchassis war, in dem der getunte Kawasakimotor hing. Gleiches sollte sich wiederholen, als Jon Ekerold auf einer Bimota mit Yamaha TZ 350 Motor Weltmeister wurde. Auch die umfangreichen Tuningmaßnahmen, die Fritz den auf Serienmotoren basierenden Kraftwerken seiner knallroten Maschinen angedeihen ließ, zeigten Resultate, die die Welt erstaunen ließ. Die legendäre MRD1 erreichte mit Turbolader und 180 PS bereits 1979 gemessene 297 Km/h Höchstgeschindigkeit. Fast jeder Motorradfan hatte damals ein Poster dieser Maschine an der Wand hängen. Urs Wenger, ein Lehrling von Egli, der später die bekannte Motorenentwicklungsfirma Swissauto gründen sollte, stellte mit einer Egli auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke in Nardo mehrere Weltrekorde auf. Auch hier setzte das Egli Racing Team auf Turboaufladung, die der Rekord-Egli zu über 300 PS verhalfen. Doch auch der Meister selbst wollte es noch einmal wissen. Im Alter von 72 Jahren stellte Fritz W. Egli auf dem Salzsee von Bonneville mlt einem Egli-Suzuki Gespann noch einen Geschwindigkeitsrekord von 335 Km/h auf. Auch ich verzehrte in meiner Jugend fasziniert die Testberichte der roten Supersportmaschinen aus der Schweiz und hatte den festen Plan, mir diesen Traum eines Tages zu erfüllen. Mit 21 Jahren war es dann soweit. Meine erste Egli, eine gebrauchte EVH 750 mit Honda CB 750 F2 Motor, habe ich mir vom Mund abgespart. Voller Stolz fuhr ich damit zu meinem ersten Egli Treffen in einem kleinen Ort, der fast nur aus einem Kloster und dem örtlichen Gasthaus bestand. Neben den vielen Benzingesprächen waren die täglichen Ausfahrten der Höhepunkt der Veranstaltung, bei denen sich die „Rote Flut“ unserer Maschinen über die kurvigen Landstraßen der Umgebung ergoss. Eines Morgens trafen wir auf eine Gruppe Nonnen aus dem anliegenden Kloster, die unsere Sportmotorräder interessiert begutachteten. Eine der Damen, in deren Augen ich Begeisterung zu lesen glaubte, verriet uns, dass sie uns jeden Tag in ihre Gebete eingeschlossen haben. Zum nächsten Treffen, das auf dem Schloss Weilburg stattfand, erschien ich mit meiner ersten neuen Egli. Um mich von dem typischen Egli-Rot abzuheben, hatte ich meine Egli in der Farbe Schwarz lackieren lassen. Goldene Schriftzüge in altdeutschen Buchstaben rundeten das Erscheinungsbild ab. Eine Egli-Schüle 4-2-in1 Auspuffanlage und scharfe Nockenwellen dienten zur Leistungssteigerung des 1100er Hondamotors. Als Fritz W. Egli die Phalanx der Schweizer Edelmaschinen auf dem Schlossparkplatz abschritt, blieb er bei meiner Egli-Honda stehen, begutachtete auch Details und sagte dann anerkennend zu mir: „Die haben Sie schön gemacht“. Wie war meine Brust da doch vor Stolz geschwollen. Der Meister selbst hatte seinen Gefallen an meiner (!) Egli kund getan. Eine typische Fritz Egli Anekdote durfte ich dann bei einer unserer gemeinsamen Ausfahrten erleben. Wir starteten in Gruppen mit jeweils circa 15 Eglis, um ein zügiges Fahren zu ermöglichen. Zügig bedeutete, dass einige Teilnehmer die 200er Marke auf geraden Straßenstücken weit überschritten - nein, wir fuhren nicht auf der Autobahn. An unsere Gruppe hatte sich ein örtlicher Motorradfahrer mit seiner Kawasaki GPZ600 gehängt, die damals neu erschienen war. Bei jedem Blick in den Rückspiegel konnte ich sehen, dass er sich nicht abschütteln ließ und verbissen an dem Pulk unserer Eglis dran blieb, bis er auf einmal in einer Linkskurve nach rechts in ein Maisfeld abbog. Nachdem wir uns überzeugten, dass er nicht verletzt war, fuhr ein Teil der Gruppe ins Schloss zurück, und etwas später erschien Fritz Egli mit seinem Egli-roten amerkanischen Van, dessen V8 auf 1000 PS getunt war. Als wir die demolierte GPZ600 in den Van einluden, sagte Fritz mit breitem Schweizer Akzent zu dem verunfallten Fahrer: "Mit einer Egli wär Ihnen das nicht passsiert“. So wurde die Egliwelt ein bedeutender Bestandteil meines Motorradlebens. Viele Erlebnisse, Anekdoten und Freundschaften ergaben sich daraus und es gab nie einen Moment, in dem nicht mindestens ein Motorrad der Schweizer Manufaktur in meiner Garage stand. Als gegen Ende der 80er Jahre die japanischen Serienmotorräder immer bessere Fahrwerke bekamen, schrumpfte auch die Nachfrage nach den sündhaft teuren Maschinen aus der Schweiz. Auch die Gebrauchtpreise fielen ins Bodenlose und so wurden viele Eglis Umbauopfer der aufkommenden Streetfighterszene. Das Schweizer Mutterhaus hielt sich mit Verkauf und Tuning von Serienmotorrädern über Wasser. Erst als die zweirädrigen Ikonen vor etwa 15 Jahren von Sammlern und Liebhabern wiederentdeckt wurden, die Preise der seltenen Maschinen wieder auf ein angemessenes Niveau kletterten und seitdem beständig weiter steigen, wurde die Firma Egli auch wieder häufiger mit dem Bau neuer Fahrwerke beauftragt. Fritz W. Egli entschied sich im Alter von 78 Jahren seine Firma zu verkaufen. Der neue Inhaber entwickelte nun sogar eigene Motoren und Eglis nahmen wieder jedes Jahr an den berühmten Rennen auf der Isle of Man teil. Ein neuer Egli Zweizylindermotor stand nun kurz vor der Vollendung, als im August diesen Jahres das Ende der Firma Egli bekannt gegeben wurde. Ich denke, dass die immer höheren Abgasauflagen die weitere Entwicklung zur Serienreife für eine kleine Manufaktur unbezahlbar machten. So wurde Egli ein weiteres Opfer der europäischen Regelwut, die schon Fritz W. Egli stets ein Dorn im Auge war. Als er zum Beispiel einmal ein Motorrad zur Abnahme vorführte, teilte ihm der zuständige Beamte mit, dass sich die Mindestlänge für Zweimannsitzbänke von 51 auf 61 cm erhöht habe und er deshalb die Egli nicht zulassen könne, worauf Fritz ihm entgegnete: „51cm waren immer für zwei normale Ärsche ausreichend, aber wenn natürlich zwei Beamtenärsche drauf sitzen sollen, brauchts wohl 61cm“. All das geht mir durch den Kopf, während ich auf der Autobahn A5 von dem traurigen Ereignis der Egli-Liquidation zurückfahre. Vor mir hängt das nächste Transparent der Grünen Landesregierung an einer Brücke. „Nächste Ausfahrt Gefängnis“ steht da und daneben wieder die Aufforderung, die 110 anzurufen, wenn andere Fahrer zu schnell unterwegs sind. Während ich brav mit 100 und 130 die Geschwindigkeitsgebote einhalte, frage ich mich, was hätte Egli der Rebell jetzt getan. Wäre er zum Protest mit einer Egli-Turbo auf der schnurgeraden Autobahn mit 300 unter den Transparenten durchgerauscht? Oder hätte er sie vielleicht abgenommen und zur nächsten Polizeistation gebracht, um dort nach Finderlohn zu fragen? |
Fritz W. Egli und Wolfhart Krischke beim 82sten Geburtstag von Fritz |
Text: Wolfhart Krische, Fotos: Krischke, Scheibe, Frohnmeyer |
Die Fritz W. Egli Story (von Winni Scheibe) |