Rudolf Speth und seine TseTse-Story
Fotos + Text: Rudolf Speth
Rudolf Speth - TseTseTse Tse
Gerne gebe ich hier - soweit ich mich noch zurück erinnern kann - es war ja schon im letzten Jahrtausend - einen Überblick über die Entstehung - wenn auch etwas abgeschwächt.
Zunächst aber noch ein paar Jährchen früher: Da war die Pionierarbeit mit der Entstehung der Rimis, Vorbote der heutigen und letzten entstandenen Rennmaschinen aus der Hand zweier großer Mechaniker, Michael Schneider und Rudolf Rollinger.
Die 125er Rimi wurde die ersten Jahre von Xaver Heiss und Michael Schneider teilweise erfolgreich gefahren - auch Beide NSU Sportmax-Fahrer.
Michael Schneider 1959 3. Dtsch. Meisterschaft NSU Max  
Michael Schneider 1961 4. Dtsch. Meisterschaft Rimi Sieg in Freiburg
Michael Schneider 1961
3. Dtsch. Meisterschaft NSU Max
 
Michael Schneider 1962 4. Dtsch. Meisterschaft Rimi Sieg am Nürburgring
Xaver Heiss 1962 3. Dtsch. Meisterschaft Rimi Sieg St. Wendel
Xaver Heiss 1963 3. Dtsch. Meisterschaft NSU MAX

Die Rimi 125 ccm, 2 T, 6 Gänge, wassergekühlt, Motorgehäuse aus Grauguss; und da lag das Problem im Alter! Das war nach etlichen Dienstjahren nicht mehr dicht. Als ich diese 1967 zum Ausschlachten von Xaver Heiss gekauft habe, probierte ich sie 1968 auf dem Nürburgring aus, um die erste Rennluft zu schnuppern. Aber die Luft war dünn. Beim Gasgeben hatte sie öfter Schluckauf und Husten. Und dann war die Drehzahl wieder jenseits einer flotten Weiterfahrt. Und die Geschwindigkeit reduzierte sich in die Nähe einer serienmäßigen "NSU Quickli".
Na ja, ich brauchte auch nur einige Teile für den Neubau einer 125er. Vor 1967 gab es aber schon zwei TseTse's: eine 125er luftgekühlt, eine 250er Zweizylinder wassergekühlt. Die 125er wurde von Wilhelm Atterer gefahren und 1966 beim WM-Lauf Hockenheim sehr flott bewegt. Später saßen dann etliche Fahrer auf diesem hauseigenen Gerät (Besitzer Michael Schneider), u.a. Heinz Buder und Werner Kratzat während unserer gemeinsamen Zeit.

1966-atterer-hockenheim-die-erste-tsetse-125ccm
Wilhelm Atterer 1966 mit der ersten 125ccm TseTse in Hockenheim

Speth-Ammann

Rudolf Speth und Uli Ammann am Nürburgring
Die 250er Maschine wurde ebenfalls von Wilhelm Atterer gefahren - und unvergesslich war, als dieser 1965 auf dem Nürburgring die erste Runde vor Phil Read beendete. Die 250er wurde in den Siebzigern auch von Uli Ammann gefahren.
In den Köpfen der beiden Augsburger Schneider und Rollinger wuchs der Drang, etwas Neues zu bauen. Gebaut wurden dann zwei 125er auf MZ-Basis (vielleicht MZ-Kopien) - für Uli Ammann und meine Wenigkeit.
Nach dem Finanziellen hätte ich es mir nie leisten können. Es war ein Leben von der Hand in den Mund. Verdient habe ich als Schlosser knapp Tausend Mark, und die ginden jeden Monat so ziemlich auf. Und da noch eine Rennmaschine kaufen - und der Unterhalt? Ich lebte allein, und ein Sponsor war weit und breit nicht in Sicht. Wo kam das Geld her?
U.a. verkaufte ich mein Serienmotorrad und meine Schallplatten, welche Raritäten waren. Meine Mutter sagte damals: "Rennfahren - ich bin nicht dafür! Aber du bist alt genug (27) - du kannst machen was du willst." Und doch half sie mir! Im Vorschuss lieh sie mir 2.000,- DM, die ich aber voll und ganz in neun Monaten zurückzahlte. So stand die Ampel auf grün für den Rennsport.
Den Rahmen fertigte ein Schlossermeister aus Königsbrunn. Den Motor komplett mit Auspuff lieferten die beiden Spezialisten Schneider und Rollinger. Der Michel mit jahrelanger Rennerfahrung, der Praktiker, der Gehäuse- und Zylinderfuchs und Rudi als Getriebfachmann ergänzten sich wunderbar. Gekostet hat der komplette Motor 1.500,- DM.
Rudolf Rollinger hat auch das Getriebe der 125er Suzuki von Dieter Braun von neun auf sechs Gänge umgebaut, und dieser wurde dann im folgenden Jahr Weltmeister!
Wenn ich so zurück denke an die Fertigung des Motors, ist es für mich noch heute unfassbar, mit wie viel Zeitaufwand, Geduld und Fleiß die beiden Erbauer in ihren Fabriken - wo sie beruflich arbeiteten - das Grobe vorbereiteten und dann in der Waschküche beim Michel die Fein- und Endarbeiten vollendeten. Dann kann ich auf so viel Idealismus nur respektvoll zurück schauen und danken.
Fast jeden Tag standen die Beiden in dem kleinen Raum, wo es mehr nach Waschmittel als nach Sauerstoff roch. Ja, was stand da alles drin? Eine Ständerbohrmaschine, eine Werkbank mit Schraubstock und ein Ofen (es wurde ja im Winter gebaut). Der Ofen wurde mit Holz und Kohle gefüttert und ging oft vor dem Ende der Arbeiten schon aus. So rückten Uli und ich ab und zu mit langer Unterhose und Pullover an, weil wir ja als Hilfsarbeiter mitwirken durften - z.B. beim Ausschleifen und Polieren der Fenster im Zylinder. Der Michel sagte immer: "je glatter poliert, umso schneller die Kiste..." Mir tun die Finger heute noch weh! Und manchmal habe wir auch geschwänzt. Dann gingen wir nicht in die Waschküche sondern ins Kino! Da war es auch wärmer. Der Michel war's, der uns nach einer Standpauke wieder auf den Ernst der Lage eingeschworen hat. Da haben wir doch etliche Gewissensbisse bekommen und Besserung versprochenn, weil die Beiden uns leid taten, da sie unaufhaltsam im Persilduft schufteten.
Inzwischen wurden von Uli und mir die anderen Teile angefertigt und gekauft. Tank, Sitzbank und Schutzblech wurden aus Kunststoff geformt. Federbeine, Telegabel, Kröber-E-Zündung mussten gekauft werden. Den BVF-Vergaser übernahm ich von der Rimi, ein wahres Juwel aus der damaligen DDR. Mit Beziehung ging alles!
Mit dem Hebel am Lenker konnte ich das Gas-Luftgemisch, ohne Düsen zu wechseln, verstellen. Ein bis zwei Düsen rauf oder runter. Boranie-Felgen, Oldani-Doppelnockenbremse und Hinterrad stammten ebenfalls von der Rimi. Die Kupplung war von der Serien-NSU Max. Nach dem Aufziehen der Dunlop Dachreifen - das Beste auf dem Markt damals - und der Fertigstellung ging es 1969 zur Premiere nach Stadtsteinach. Die neue 125er TseTse war einsatzbereit: 6 Gänge, wassergekühlt, Batterie- oder Magnetzündung, Plattendrehschieber usw.
Es war ein sehr aufregendes Erlebnis für mich und die Nervosität war groß! Nicht so einfach für mich, das Ding in die Leistungsdrehzahl zu bringen und zu halten. Die lag ab 9.500 bis 11.000 U/min. Eindringlich gab mir der Michel noch zum Start mit: "Vollgas und Kupplung schleifen lassen so lange, bis sie sauber und rein dreht." Das war für mich total neu. So brutal mit dem Motor umzugehen, das kostete mich viel Überwindung. Und da hatte ich auch öfters noch Probleme, weil ich gerade beim Start die Kupplung zu früh ausließ. Na ja, dann war die Kerze mal wieder im Ölbad! Und nach den Aussetzern erneutes Kupplungsschleifen, und dann ging's wieder weiter.
Die Max-Kupplung, robust, hatte da keine Probleme. "Nachdem sich dann fast das ganze Feld von mir verabschiedet hatte, legte ich mir eine ganz gemeine Taktik zu und hetzte die Flüchtlinge gehörig vor mir her - diese haben dann ganz schön Gas gegeben :=)! Denn wer ist schon sicher, wenn er vor einer gefürchteten giftigen TseTse-Fliege verfolgt wird?"
Die Maicos waren nicht einzuholen. So kam unser Team auf die Idee, statt dem normalen Mahle-Kolben einen Maico-Kolben mit L-Ring einzusetzen, so dass die TseTse um 1.000 Umdrehungen mehr drehte, zum Schluss bis 12.000. Weil der Auspuff hinten raus am Zylinder war und wir die Stifte im Kolben um 180 Grad versetzen mussten, war dies der Schwachpunkt. Die Stifte lösten sich öfter, der Kolbenring drehte sich und beim Rennen oder im Training war der Ofen wieder aus! Da gab es viel Schrott, und das Geld für neue Kolbenzylinder, Drehschieber usw. wurde wieder zusammen gekratzt.
Aber die Zeit hat mir viel Freude gemacht, am meisten die vielen netten Kumpels auf den Rennen wieder zu treffen. Erfolge waren bei mir dünn gesät, da im Hinterkopf immer eins grassierte: Nichts kaputt machen, die D-Mark war bei mir knapp!
Und jetzt nach 35 Jahren wieder die alten Kollegen der 125er in Walldürn zu treffen, war eine grandiose Idee, die mich sehr gefreut hat und wofür ich dem Initiator Jürgen Rothbrust auch ganz herzlich danke. So oft wie ich ihn und Andere an einem Tag in Walldürn gesehen habe, so oft sind mir diese in 5 Jahren Rennen nie zu Gesicht gekommen. Na ja, sie waren ja auch etwas schneller als ich...!
Aber einmal war ich auch ganz vorne dabei: Ochsenfurt 1969, als ich beim längsten Jupo-Lauf (mit 80 km) Vierter wurde. Dort gab es dann das erste und letzte Mal dickes Geld. Ich glaube, es waren um 70,- DM.