SPORT MIT VETERANEN - Alter schützt vor Vollgas nicht
Wer einen Hang zu klassischen Motorrädern hat, der kann bei VfV-Veranstaltungen tief in die Schatzkiste der letzten Jahrzehnte blicken Die Szene, in der sich die heutigen Straßenrennen abspielen, ist kalt und herzlos. Heutige Rennfahrer sind Egomanen durch und durch, nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht. „Ich bin der Beste! Sieger muss ich werden!“ heißt ihre engstirnige Devise und sie ordnen alles, was um sie herum passiert, diesem einen Ziel unter. Denn es geht bei der heutigen Rennerei um Geld, um viel Geld sogar. Kontakte zu Besuchern und Fans sind deswegen auf ein Minimum reduziert. Die Schrauber und Helfer in den Boxen haben Arbeit über Arbeit, damit das Motorrad auch so funktioniert, dass der Fahrer seine Siegchancen wahrnehmen kann. Und wehe, es funktioniert nicht: Dann ist das setup schuld und die Reifen sowieso. Wer von Ihnen, liebe Leser, hat in den letzten Jahren aus einem Rennfahrermund schon mal das Zitat „Der vor mir fährt einfach besser!“ gehört? Keiner, denn das sagen die heutigen Rennfahrer nicht. Das alles ist in der Deutschen Meisterschaft nicht anders als in der Superbike- oder GP1-Weltmeisterschaft. Denn es steht ein Haufen Geld auf dem Spiel, Ruhm und Ehre. Das sich allmächtig wähnende Fernsehen ist präsent - und damit werden Sponsoren geködert, oft mit fragwürdigen Methoden, weil faulen Ködern. „Das ist nicht meine Welt“, sagen viele der potenziellen Zuschauer und strafen die Veranstaltungen mit zuhause bleiben. Anders, ganz anders ist es bei den Veteranen. Das sind beileibe keine alten Krücken, die 50 oder mehr Jahre auf ihren krummen krummen Buckeln haben, sondern Motorräder bis zum Baujahr 1978 sind hier zugelassen. Also aus exakt jener Zeit, in der unsere Helden der Vergangenheit damit fuhren: Giacomo Agostini wurde 15 mal Weltmeister auf MV Agusta 350/500 und Yamaha 350/500, Dieter Braun wurde zweimal Weltmeister auf Suzuki 125 und Yamaha 250 und Anton Mang gar fünfmal (viermal auf Kawasaki 250/350 und einmal auf Honda 250). Das alles war in den goldenen 60er und 70er Jahren, als die Japaner begannen, die Rennwelt für sich zu erobern. Sie drängten die Engländer wie Norton, Triumph Matchless und BSA ins Abseits, stachen die Italiener wie MV Agusta, Benelli, Ducati und Aermacchi mit immer neuen, komplizierteren Motorenkonzepten aus. Um die italienische Ehre zu retten, bauten Leute wie der Holzbearbeitungsmaschinenfabrikant (langes Wort!) Giancarlo Morbidelli in Kleinserie echte Rennmaschinen für Privatfahrer mit 125, 250, 350 und 500 Kubikzentimeter. Graziano Rossi, der Vater des heute 22-jährigen Ausnahmetalents Valentino Rossi, fuhr damit heißeste Kämpfe gegen die Kawasaki-Werksfahrer Mang, Ballington und Hansford.
In Deutschland gibt es seit vielen Jahren eine ganz rührige Veteranenszene, organisiert im Verband für Veteranenfahrzeuge, kurz VfV genannt. Der VfV zählt 3200 aktive Mitglieder und betreut als Club neben historischen Motorrädern auch Fahrräder, Traktoren, Autos. Der VfV organisiert für Motorräder viele Treffen, Rallyes und Veranstaltungen auf Rennstecken. Oberstes Ziel des VfV ist es, das motorisierte zweirädrige Kulturgut zu erhalten und zeitgerecht zu präsentieren. Bei solchen Veranstaltungen treffen sich ein paar Mal im Jahr auf Rennstrecken wie Nürburgring, Oschersleben, Schleiz, Most und Hockenheim (Termine siehe Kasten) zwischen 270 und 500 Teilnehmer und führen in 22 Klassen ihre Maschinen bei sogenannten „Gleichmäßigkeitsprüfungen“ vor. Warum heute keine echten Rennen wie damals, als die Maschinen aktuelle Rennmaschinen waren? Bei den Gleichmäßigkeitsprüfungen geht es vordergründig nicht um die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit, sondern derjenige Fahrer, der seine Runden möglichst gleichmäßig, also ohne große Zeitschwankungen nach oben oder unten absolviert, ist Sieger. Mit dieser durchaus sinnvollen Umschreibung ist dafür gesorgt, dass keiner rasen muss, um als erster ins Ziel zu kommen. Denn rasen bringt fahrerisch so manches Sturzproblem mit sich - und auch technisch gesehen sollen so wenig als möglich Maschinen ausfallen. Man kann sein Motorrad schonend behandeln und braucht es im Eifer des Gefechts nicht bis über die Hutschnur belasten. Wer aber nun denkt, dass hier Gänsemarschprozessionen im Leerlauf stattfinden, der täuscht sich gewaltig. Im Vordergrund steht der Spaß an der Tatsache, dass a.) alle in eine Richtung fahren, b.) kein Gegenverkehr herrscht und c.) neben den rund um die Rennstrecke verteilten Streckenposten auch Krankenwagen startbereit sind. Alle Voraussetzungen also, um Spaß an leistungsbezogenem Gasgeben auf der Rennstrecke zu haben. Für die aktuelle Saison hat der VfV seine Baujahresgrenze von einstmals 1968 auf nunmehr 1978 angehoben. Es sind also in diesem Jahr auch moderne Renn- und Supersport-Klassiker der 70er Jahre dabei, allen zuvor Maschinen wie Maico RS 125 und, klar doch, Yamaha TZ 250, TZ 350 und TZ 750. Das waren damals die echtesten und leistungsfähigsten aller Production-Racer, mit denen reine Privatfahrer Rennen fuhren und auch gewannen. Die Zweizylinder YamahaTZ’s waren wassergekühlt, hatten als 250er um die 48 PS und als 350er so um die 65 PS. Krönung von Yamahas käuflicher Rennmaschinenserie war die TZ 750, sie hatte zwei 350er Zylinderblöcke mit Membraneinlass und vergrößerter Bohrung und leistete um die 120 PS. Heute noch bekannte Größen wie King Kenny Roberts (also der Vater vom aktuellen 500er Weltmeister Kenny Roberts Junior) und auch Ago Nazionale, wie Agostini von den Tifosi liebevoll genannt wurden, lieferten sich damit in Daytona, Assen und Imola erbitterte Schlachten. Und auch der heute noch im Tourenwagensport erfolgreiche Johnny Cecotto war einer unserer damaligen Helden auf der TZ 750. Natürlich gibt es auch die Vorkriegsklassen, in denen Maschinen mitfahren, welche damals die Rennstrecken der Welt dominierten: Norton Manx, UT-Blackburne, Velocette, Rudge Ulster, Ardie, D-Rad, Matchless, Ariel, Jawa, Puch, Sarolea, Gilera, und wie sie alle hießen. Vor und nach dem zweiten Weltkrieg sind Namen wie Adler, Horex, DKW, NSU, Maico, Triumph, MV Agusta und BMW zu nennen; nicht zu vergessen die Spanischen Leichtgewichte wie Bultaco, Montesa und Ossa. Witzig anzusehen sind neben den echten Oldtimern mit den ganz großen Namen auch die 50er Rennmaschinen von Kreidler, Simson, Derbi,; alles Einzylinder-Zweitakter, gegen die ein winziger Honda-Viertakter antrat, die RC112. Auch Italien hatte einen Schnapsglasrenner mit vier Takten, das war die Motom. Die 50er der späten Jahre (sie wurden durch die 80er Klasse abgelöst) leisteten bis knapp 20 PS und kommen auf ihren ultraschmalen Reifen daher wie wildgewordene Schlümpfe, im Ton einem Hornissenschwarm nicht unähnlich. Des weiteren schuf der VfV neue Klassen wie z.B. die Clubsport bis Baujahr 1978. Sie sind unterteilt in 125 Zweitakt/250 Viertakt; 250 Zweitakt/ 250 Viertakt; 500 Zweizylinder; 750 Zweizylinder/500 Mehrzylinder und bis 1000 Kubikzentimeter. Darin sind folgende Schätzchen gut aufgehoben: Motobi, Benelli, Ducati, MZ, Honda, ESO, Seeley Weslake, Moto Morini, Norton, BMW, Laverda, Moto Guzzi, Triumph, Kawasaki und Harley Davidson. In der großen Clubsport-Klasse balgen sich Egli-Kawasaki 1000, Laverda 1000 Dreizylinder und SFC 750, Ducati 750/900 SS, BSA und Triumph Dreizylinder. Das ist der Sound, den man hören will - ja hören muss, um zu begreifen, was damals für ein Donnergrollen über die Rennstrecken der Welt ging. Wo Männer noch Männer waren, mit scharfen Klingen und in aller Fairness gegeneinander kämpften, mit unterschiedlichen Waffen wie Zwei- und Viertakter, vom Ein- bis hoch zum Sechszylinder war alles vertreten. Sie kämpften auf schlechten und schlechtesten Strecken, fuhren bei Sonnenschein los und kamen im Hagelschauer ins Ziel. Es war härtester Sport, den sie boten und viele fuhren bis zum bitteren Ende, nämlich dem Rennfahrertod. Keinesfalls soll die Gefährlichkeit des damaligen Motorrad-Rennsports glorifiziert werden und ich bin auch wirklich kein martialisch denkender Kriegsheld, aber gegenüber den heutigen Rennfahrern, die schon auf den Weg zwischen Luxus-Wohnmobil und ihrer Box einen Manager zum Händchenhalten brauchen, dort auf ein Motorrad klettern, das in leuchtenden Sponsorfarben schillert und dessen Technik austauschbar ist bis zur letzten Schraube, waren die Männer der 60er und 70er Jahre wahre Helden. Ein wenig von dem Geist der damaligen Zeit hält der VfV hoch. Ob das auch gelingt, können Sie, lieber Leser selbst überprüfen: Gehen Sie hin nach Hockenheim am 25./26. August zum Oldtimer-GP, sehen Sie sich die Maschinen und die zugehörigen Männer an, hören Sie den Sound und lauschen Sie den Geschichten, welche die Männer zu erzählen haben. Frei nach dem Motto eines T-Shirts, das mein Freund Gerd Gerdes, Besitzer einer Bultaco TSS 125 aus dem Jahre 1964 so gerne trägt: „The older I get, the faster I was“. Ach ja, Frauen fahren auch mit. Wir haben ja wirklich nichts gegen Mädels auf Rennmaschinen und besonders als Beifahrerinnen in den drei Gespannklassen ist es zauberhaft anzusehen, wie sie turnen, sich aus dem Seitenwagen herauslehnen, auf der Geraden ganz flach machen - um nach dem Rennen feste zu schrauben, weil sich mal wieder das Ventilspiel oder der Zündzeitpunkt verstellt haben, einfach so. Überhaupt ist das Schrauben einer der Hauptbeschäftigungen von Fahrern und Helfern - bei einem Veteran sieht man noch, wo es ein- und wo es auspufft. Auch das ist ein Unterschied zu den modernen Maschinen mit zig Kilometern Computerkabeln zwischen Motor und Peripherie. Bald stöpselt man auch den Kopf des Fahrers an und es sind dann wirklich Affen, die ferngesteuert im Kreise fahren. Die japanische Computerspielefirma SEGA hat schon ein Patent darauf angemeldet...
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