Am 15.11.2011 hat Prof. Dr. Ing. Peter Kuhn seine Augen für immer geschlossen. Aus diesem Anlass wird nachfolgend ein kurzer Abriss seines Werdegangs wiedergegeben.
Folgendes schrieb Peter Kuhn als Nachwort in seine Dissertation „Über das dynamische Verhalten von Ventilsteuerungen an Verbrennungskraftmaschinen“ von 1963:
„Am 14.,9.1932 wurde ich als Sohn des Professors Dr. Richard Kuhn und seiner Ehefrau Daisy, geborene Hartmann in Heidelberg geboren. Nach dem Besuch verschiedener Volks- und höherer Schulen legte ich im Jahre 1952 in Heidelberg die Reifeprüfung ab. Danach begann ich das Studium des Maschinenbaus an der Technischen Hochschule Darmstadt, das ich 1958 mit der Diplomprüfung abschloss. Darauf folgte eine über dreijährige Tätigkeit als Assistent am Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Flugtriebwerke der Technischen Hochschule Darmstadt, während der die vorliegende Arbeit entstand. Seit dem 1.1.1962 bin ich als Entwicklungsingenieur im Industriewerk Schaeffler in Herzogenaurach tätig.“
So weit Peter Kuhn in seiner Dissertation.
Bei den Industriewerken Schaeffler in Herzogenaurach lernte ich Peter Kuhn als meinen Chef und späteren sehr guten Freund kennen. Mein Name ist Hans H. Hartmann. Ich arbeitete damals an der Entwicklung eines Freikolbenmotors, der nach dem Zweitaktprinzip arbeitete. Als es um die Abstimmung des Einlass- und Auslasstraktes ging, nahm mich Peter Kuhn im Frühjahr 1962 mit nach Ursenbach zu Helmut Fath, der uns auf Krücken entgegen kam. Er hatte ja 1961 den Unfall auf dem Nürburgring erlitten, bei dem sein Beifahrer Wohlgemut ums Leben gekommen und er selbst schwer verletzt worden war. Auf seiner Wasser-Wirbel-Bremse sollten die Abstimmversuche durchgeführt werden.
Peter Kuhn kannte Helmut Fath schon früher aus gemeinsamen Tagen, als beide eine Lehre als Feinmechaniker im Kaiser Wilhelm Institut in Heidelberg absolvierten, dessen Leiter Peters Vater, der Nobelpreisträger für Chemie 1938, war. Sie verloren sich dann für einige Zeit aus den Augen. Doch nach dem Unfall von Helmut Fath besuchte ihn Peter Kuhn in der Klinik in Heidelberg. Schon damals glühte in Helmut der Wunsch, nach seiner Genesung wieder Rennen zu fahren. Er meinte jedoch, dies nur mit einem neuen Motor erreichen zu können, da der BMW Boxermotor leistungsmäßig und auch bezüglich der Haltbarkeit des Triebwerks ausgereizt war.
Schon auf der Fahrt von Herzogenaurach nach Ursenbach warnte mich Peter Kuhn, dass Helmut Fath nach Ingenieuren suchte, die ihm bei der Entwicklung eines neuen Triebwerks helfen könnten. Und so kam es dann auch, dass wir zu Dritt unsere Köpfe zusammensteckten, um nach einem Konzept für einen Verbrennungsmotor zu suchen, das vom Reisbrett aus ohne großes Risiko versprach, gegen die bestehende Konkurrenz erfolgreich sein zu können. Das ging nicht so reibungslos, wie es hier geschildert wird. Zuerst animierten wir Helmut Fath, nach einem bestehenden Motor im In- und Ausland zu suchen, der als Basis für eine Weiterentwicklung dienen konnte, da uns selbstverständlich das Risiko bewusst war, die ganze Sache in den Sand zu setzen. Er kam jedoch mit leeren Händen zurück und meinte nun: “Ihr seid doch Ingenieure und müsst in der Lage sein, einen leistungsfähigen Motor zu konstruieren“. Er meinte, seine einzige Alternative sei, eine Tankstelle mit Werkstatt aufzumachen, um seinen Lebensunterhalt verdienen zu können. Er nannte uns eine – für den Bau eines Rennmotors – bescheidene Summe, die er zur Verfügung hatte. Wenn wir also nicht erfolgreich sein würden, stünde ihm dieser Weg noch immer offen.
Nach vielen Diskussionen über Vor- und Nachteile der einzelnen Konzepte eines Vierzylinder-Motors schälte sich dann der bekannte quer liegende Vierzylinder, eigentlich ein Zwei-Zweizylinder-Motor, heraus. Das Management von INA Schaeffler hatte uns gestattet, nach Feierabend im Büro zu bleiben, damit wir die ersten Entwürfe und Zeichnungen anfertigen konnten. Oftmals verließen wir das Büro erst gegen Mitternacht, so sehr hatte uns die Aufgabe gefesselt. Helmut Fath mit seiner visionären Begabung neben seinem Gespür für das Machbare und sein handwerkliches Geschick gab uns quasi das Lastenheft vor. Sein wichtigstes Kredo war die Minimierung der Reibungsverluste. Rollenstößel, Wälzlager, wo es nur ging, „möglichst keine“ Kolbenringe, dann aber auch die Möglichkeit, beide Kurbelwellen nach der Entfernung der Ölwanne nach unten ausbauen zu können etc.
Es gab immer wieder Diskussionen über die Ausführungsmöglichkeiten des Motors, wobei das zur Verfügung stehende Budget wie ein Damoklesschwert über uns schwebte bzw. über dem gesamten Projekt. Einmal kam Peter auf mich zu und meinte, wir sollten ein Konzept entwickeln, bei dem wir ohne Gussteile auskämen, Die Kosten für die Gussmodelle würden unser Budget bei weitem sprengen. Schließlich konnte ein Modellbauer gefunden werden, der genug Begeisterung aufbrachte und die - zugegebenermaßen nicht einfachen – Modelle innerhalb des Budgets anfertigte.
Als die Zeichnungen im wesentlichen abgeschlossen waren, verließ ich 1964 INA Schaeffler und siedelte in die Gegend von Düsseldorf um und war somit nur noch sporadisch in das Projekt involviert, während Peter bis zum letztlich erfolgreichen Start des Motors der geistige Vater blieb. Im Nachhinein kann ich ersehen, welches Gedankengut er noch eingebracht hat, wenn irgendwelche Schwierigkeiten auftraten. Er konnte sie alle ausnahmslos innerhalb des bestehenden Konzeptes verwirklichen, so die Verstärkung der Kurbelwellen, die Doppelzündung, die doppelten Einlasskanäle, um nur einige der Verbesserungen zu nennen.
Ich selbst bewunderte Peter immer als einen außergewöhnlich begabten Ingenieur, zu dem ich stets aufblickte als mein großes Vorbild. Peter hatte bei allen anstehenden Problemen und deren Lösungsmöglichkeiten oft quasi eine zweite, höhere Betrachtungsweise parat, die so genannte Kuhn’sche zweite Ebene, die oftmals das Problem in einem ganz anderen, weiteren Bereich erscheinen ließ – oder dann auch nur die Bemerkung „Warum machen wir das nicht einfach so?“ So ganz entwaffnend daher gesagt.
Peter Kuhn wurde nach Zwischenstationen an der Uni Saarbrücken und bei INA Industriewerke Schaeffler Professor für Maschinenkonstruktionslehre an der TU Karlsruhe. Dort hat ihm Felix Wankel die Weiterführung seines Instituts angeboten, dessen geistiger Vater er bis zu seinem Ende als technischer Berater war. Auch dort hat er mit herausragenden technischen Lösungen geglänzt, die ich bei meinen Besuchen bei ihm in Weinheim bestaunen und bewundern konnte, z.B. eine verstellbare Axialkolbenpumpe ohne Todvolumen bei Null-Förderung, die sich auch für die Verdichtung von Gasen verwenden ließ. Auch in seinem Nachlass finden sich Ideen im Zusammenhang mit der URS, die nicht zur Ausführung gelangten, aber immer wieder seine geniale Begabung erkennen lassen.
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