Kann das zusammenpassen, ein Hochschul-Dozent und ein schnelles Motorrad? Das, was für viele zwei Welten bedeutet, sieht der Wissenschaftler Claus Pelling überhaupt nicht so eng. Sein Beruf und Motorradfahren gehören für ihn zusammen, und in beidem ist er Perfektionist. Man kann unheimlich gut und humorvoll mit ihm diskutieren. Über Gott und die Welt und - übers Motorradfahren. Er verschlingt Proust, schwärmt für Furtwängler und hat einen Sarg in seinem Wohnzimmer stehen. Einen Sarg aus Ägypten, sorgfältig umhüllt von einer Glasvitrine. Und unten, in der Garage, wartet eine Egli-Kawasaki. Sie wartet auf Dr. Claus Pelling, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max Planck Institut für Biologie und Privatdozent an der Tübinger Universität. Verwirrt wehrt er ab, als wir nach dem Gebiet seiner Dozentur fragen: „Oh, das ist schwierig, ich gucke lieber mal nach.“ Nach einigem Wühlen in Akten findet er schließlich, was er sucht: Privatdozent für Zellbiologie und Genetik. Claus Pelling gehört zu den Motorradfahrern, denen ihr Hobby zur Passion geworden ist, Er zählt nicht zu den Fahrern, die sonntags "oben ohne" irgendwelche Promenaden runterbrausen, um Mädchen anzumachen, die Stunde um Stunde dieselbe Kurve durchfahren, um ein sportliches "Aufsetzen" zu provozieren, die aber wiederum kaum wissen, wie man Ventile einstellt. Claus Pelling kennt seine Maschine in- und auswendig, lauscht auf jedes fremd klingende Geräusch, tüftelt mit der Perfektion eines Forschers, wie er welche Kurve anfährt. In Fachkreisen anerkannter Wissenschaftler und zugleich engagierter Motorradfan - wie paßt das zusammen? Muß man nicht mit Motorenöl an den Händen geboren sein, um ein guter Motorradfahrer werden zu können? Claus Pelling ist Sprößling einer gutbürgerlichen Familie. Vater und Großvater waren Mediziner im kühlen Norden, die Hausmusik wurde eifrig gepflegt. Den Hang zur dickköpfigen Individualität und zum Abenteurertum hat er aber doch wohl ein bißchen geerbt. Sein Großvater betrieb noch mit 93 Jahren seine Landarztpraxis und trimmte sich bis ins hohe Alter hinein durch regelmäßige Bäder in der gar nicht so warmen Ostsee. Und die Patienten staunten. Am Selbstverständlichen und Durchschnittlichen ist auch Enkel Claus nicht besonders interessiert. Er genoß zwar die Bildungsmöglichkeiten, die sich ihm zu Hause boten, er wurde dabei ein Verehrer von Mörike, Plato, Proust, Horaz, Shakespeare („Es gibt nur 30 Werke, die man wirklich lesen muß“), er schätzt besonders Bach, Mozart, Schubert, die Beatles, in Maßen sogar den „alten Krachmacher“ Beethoven, und er rennt furchtbar gerne in Museen, aber „man braucht schließlich auch was zum Austoben“. Bevor Pelling verrät, wie er eigentlich zum Motorradfahren gekommen ist, winkt er ab. „Nichts überstürzen. Wir legen erst einmal ein Bläserkonzert auf. Zum Anheizen.“ Mal so geschwind über sein Hobby zwischen Tür und Angel plaudern, während die Zeit im Nacken sitzt, möchte er nicht. Klassische Musik gehört dazu, ein guter Wein, die Atmosphäre daheim im sorgfältig eingerichteten Wohnzimmer. Die Person Claus Pelling will nicht gespalten werden in einen Motorradfahrer einerseits und einen Wissenschaftler und Schöngeist auf der anderen Seite. Und so stehen neben wertvollen ägyptischen Figuren, die er in jahrelanger Suche zusammengetragen hat und einer Unmenge von Büchern Gegenstände, die so gar nicht dazwischen passen wollen: Sturzhelme, Lederhandschuhe, Kolben, an der Wand eine Fotokollage mit für Pelling wichtigen Motorradbildem aus dem Jahre 1977. Dominierend jedoch fällt immer wieder der kastenförmige, mit meergrünen Hieroglyphen eng beschriebene Sarg ins Auge, 4000 Jahre alt, extrem selten, aus Mittelägypten, der Sarg der Dame Tefj-Ib. 1958 zog Claus Pelling mit seinem Doktorvater nach Tübingen. Er hat sich das Schwabenländle nicht ausgesucht, sondern sein Beruf wollte es so. Irgendwann lebte er sich ein im Universitätsstädtchen, obwohl er die Schwaben gern mit etwas Abstand charakterisiert: „Ein Schwabe macht das, was andere Schwaben machen: samstags Autos putzen, daß die Fluten in den Dörfern anschwellen. Nicht unbedingt nach den eigenen Bedürfnissen leben.“ Pelling hat aber auch einige positive Seiten an den Häusles-Bauem entdeckt: „Das schönste an den Schwaben, find ich, ist das Verbohrte, Grüblerische, romantisch Schwermütige.“ Pelling widmete sich erst einmal mit Konzentration seinem Beruf. Er spezialisierte sich darauf, Riesenchromosomen (Chromosomen sind Strukturen, die die Erbanlagen in den Zellen enthalten) zu untersuchen, ein für Genetik und Molekularbiologie sehr wichtiges Material. An ein eigenes Motorrad war noch nicht zu denken. Zwar hatte Claus Pelling bereits „Blut geleckt“ - als 22jähriger Student durfte er einmal die NSU Max eines Freundes ausprobieren -, aber noch fuhr er sein Fahrrad. Erst 1973/74 wurde es dann richtig Ernst mit seiner neu erwachten Neigung. Claus Pelling klapperte Verleihfirmen ab und investierte so ein paar tausend Mark. Das reichte gerade aus zur Beurteilung der gefahrenen BMWs, Hondas und Kawasakis. Die Odyssee endete dann mit dem Kauf einer 900er Kawasaki - dies schon im Hinblick auf die zukünftige Egli. „Ich habe gedacht: Wenn in meinem Alter (damals immerhin schon über 40) noch eine eigene Maschine, dann aber auch eine richtige.“ Im Winter 75/76 erfolgte dann der Egli-Umbau. Pelling wäre nicht Perfektionist, wollte er sich einfach so auf die neugekaufte Egli setzen und davonbrausen. Er wollte der Maschine ins Herz sehen, wollte sich sensibilisieren für ihre Eigenarten, für ihren Charakter. „Die damalige Egli-Kawa war keineswegs die perfekte Traummaschine wie sie etwa von der Presse dargestellt wurde. Meine Egli heute steht meilenweit über der ersten Ausführung des Jahres 1976. Das ist natürlich das Verdienst von Herrn Egli, der jedes Jahr etwas anderes, Entscheidendes am jeweils neuen Maschinen-Jahrgang verbessert (z. B. Stoßdämpfer, Egli-Racing-Gabel, weitere Rahmenversteifungen etc.). Wenn irgendetwas Ernsthaftes an meiner Maschine nicht stimmt, stehe ich gleich bei Herrn Egli vor der Tür.“ Beim Bauen und Basteln in Tübingen hilft ihm ein anderer Motorradfreund, Hartmuth Sitter aus Esslingen, stolzer Besitzer einer Egli-Honda - und „technisch sehr bewandert“. Doch nicht nur die Technik will Claus Pelling in den Griff bekommen, auch an seiner Fahrpraxis feilt er ständig. Gleich, nachdem er die Maschine erstanden hatte, suchte er nach einem „Lehrmeister“. Er fand ihn in Peter Frohnmeyer, Ex-Tübinger Motorrad-Rennfahrer. Auf dem Programm der beiden steht in diesem Jahr noch ein Ausflug zum Nürburgring und eine mehrtägige Alpenrundfahrt, da mit Pelling endlich seine Abneigung vor Spitzkehren verliert. Niemand soll ihm nachsagen können, er fahre nur so ein bißchen rum, zum Zeitvertreib, weil ihm nichts Besseres einfallt. Claus Pelling hängt mit ebenso viel Liebe an seiner Egli wie an seinem Beruf. Und in beidem will er so gut wie möglich sein.
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