Box 24 in Brünn, Juni 1995
oder
Wer sagt, daß Honda Wasser zum Kühlen braucht ?

1995-Bruenn-Box-24

moto-aktiv-logoAuch dieser Artikel betrifft die SMT (Serienmaschinentrophy) von MOTO aktiv . Wie üblich, fanden sich im Laufe des Vorabends vor dem Training in Brünn einige Fahrzeuge in der Box zusammen. "Habt Ihr noch einen Platz in der Box ?" Mögliche Antworten auf diese Fragen können unterschiedlich ausfallen, etwa "Klar, wir rücken was zusammen !" oder "Also weißt Du, eigentlich gern, aber meine Oma kommt noch und deren Rollstuhl ist so breit...". Jederzeit Verständnis bringe ich dafür auf, wenn Leute ihr Zelt in der Box aufgestellt haben oder einen Anhänger dort vor einem möglichen Regenguß schützen. Dann sehe ich sofort ein: Hier ist kein Platz mehr. Genauso, wenn zwar nur ein Mopped herinnensteht, dafür Werkzeug in einer Menge, daß man einen Formel 1-Rennstall ausrüsten und Ersatzteile, daß man 3 neue Moppeds damit konstruieren könnte.

Also, es fanden sich zwei Einzylinder ein - man kennt sich, weil auch wir mit einem einsamen Zylinder unterwegs sind und - auch ganz praktisch - man hat die Konkurrenz etwas im Blick und zwei 600er. Eine MuZ Skorpion hatte den Frank Schubert im Schlepptau, eine etwas traurig dreinschauende Honda XBR hatte Ralph Pfaff als Ihren Fahrer für den Sprint auserkoren, auf das 4-Stunden-Rennen wollte die MuZ beide mitnehmen. Beim Anblick der XBR fragte man sich unwillkürlich, welches Scheunentor ihr wohl kürzlich im Weg war. Es muß jedenfalls ziemlich stabil gewesen sein. Einige Teile waren nur noch rudimentär vorhanden, der im Normalzustand etwas bauchige Tank hatte den Bauch etwas eingezogen. Bei manchen Fahrzeugen ist ein Glasdeckel über dem Drehzahlmesser montiert - warum eigentlich ? Angabegemäß funktioniert er auch so. Das mit dem freiliegenden Zeiger des Drehzahlmessers hat mich fasziniert, bei der besseren Kühlung wird vielleicht der Motor nicht so heiß !? Das Scheunentor stand übrigens in Val de Vienne - seien wir diskret und fragen nicht weiter !

Die erste 600er hatte Markus Menzel mitgebracht, eine ehemalige Yamaha Cup-Maschine aus 94, Schrauber Peter Bode war gleichzeitig zweiter Fahrer. Zur zweiten 600er kommen wir gleich.

Ein Blick in die Nachbarbox war erfreulich, der schon abgeschriebene Formel 1-Lauf rückte wieder in erreichbare Nähe. Da stand nämlich ein Fernsehgerät mit erstaunlich gutem Empfang. Das war merkwürdig, erklärte sich aber durch das Kabel, das aus ihm herauslungerte. Ein Blick in die Boxengasse brachte die Erkenntnis, daß die Nachbarn ihre Box goldrichtig gewählt hatten. Denn da und nur da stand ein Regenabflußrohr, welches sich für die Montage einer Satellitenantenne mittels "Täip" geradezu aufdrängte. Man gönnt sich ja sonst nix ! Nachdem wir in der uns eigenen Zurückhaltung erst brav durch die Maschen des Drahtzauns zwischen den beiden Boxen hindurchgelunst hatten, rückten wir langsam den Nachbarn auf die Pelle, die Gegenwehr war gering. Nur der Blaumannmensch, der immer neue Moppeds herankarrte, rangierte damit um uns herum und schien ein wenig genervt. Gwunna hat de Schumi – wie immer!

Nun zur zweiten 600er. Es war eine 91er CBR, noch deutlich als solche zu erkennen, obgleich die Zeit ihre Spuren an ihr hinterlassen hatte. Fahrer 1 - Wolf Jürgen - ist ein verschmitzter Sunnyboy, hat immer mit einem flotten Spruch parat, und der Herrscher über das Werkzeug, Speedy, ist auch ein lieber Kerl. Sie kommen aus der Nähe von Gera, also aus den „eingemeindeten Territories“ und waren zum ersten Mal bei einer Veranstaltung von MOTO aktiv. Klar, daß wir unsere Hilfe anboten. Der zweite Fahrer sollte „in der Nacht aus Irland eingeflogen werden“ (!?). Bei diesem Team müssen wir uns einen Moment lang aufhalten: Das Design der Maschine könnte bei einem Ostereiermalwettbewerb entstanden sein, sowohl die Gestaltung als auch der Farbauftrag gaben mir diese Assoziation. Der Tank hatte ein schönes Air-Brush-Bild, fein mit Klarlack überzogen und sicher zumindest bei langweiligen Pace-Car-Runden für den Fahrer eine netter Zeitvertreib. Eins ist noch erwähnenswert hinsichtlich des dahinter stehenden bemerkenswetten Engagements für unsere Umwelt: Die Startnummern waren nicht etwa aus Polyvinylchlorid oder einem ähnlichen schwer vergänglichen Material mit schwer umweltverdaulichem Klebstoff, Weichmachern pp., sondern wurden mit scharzem, sicher auf Wasserbasis bestehenden und somit umweltverträglichem Lack durch die ruhige Hand des Fahrers aufgemalt, der sich somit auch als Künstler zu erkennen gab.

Aber zu unser aller Mitgefühl hatte der Motor der Maschine bedauerlicherweile ein größeres Problem: Er litt unter Wasserverlust, die allgemeine Mutmaßung traf zuerst die Zylinderkopfdichtung als Schuldige. Da eine Ersatzdichtung nicht im Vorrat war, machten sich die Jungs auf zu einem Spaziergang durchs Fahrerlager, um dabei tatsächlich eine zu ergattern.

Jetzt stand einer ordentlichen Bastelei nichts mehr im Wege, zumal es draußen auch schon dunkel und somit genau die richtige Zeit für sowas angebrochen war. Die beiden gingen also ans Werk, begleitet von unseren sicher nicht immer sachdienlichen Ratschlägen (Man kennt das ja: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen !). Unsere Campingstühle waren in Richtung Ort der Aktivitäten ausgerichtet, das Getränk nicht mehr Cola und die innere Haltung entsprach dem Motto: „Arbeiten macht Spaß ! Stundenlang könnt´ich zusehen !“

Zu unserer Rechtfertigung muß allerdings gesagt werden, daß wir keine Schadenfreude hatten, sondern für die beiden hofften, sie würden es wieder hinbekommen. Daher packten wir auch ein bißchen mit an. Insbesondere Peter hielt es nicht lange auf seinem Platz: Was so ein richtiger Schrauber ist, den jucken halt die Finger. Markus gefiel das nicht so gut, schließlich handelte es sich um die direkte Konkurrenz und - man muß praktisch denken: Wer nicht fährt, kann sich auch nicht vor dir plazieren. Seine Hoffnungen auf den Ausgang der Schrauberei waren also durchaus zwiespältig.

Irgendwann war dann das ganze Drumherumgerümpel ab und der Kopf runter und es wurde begutachtet und gemutmaßt und diagnostiziert und dann wurde wieder gebastelt („Der Einbau erfolgt in umgekehrter Reihenfolge“) und die beteiligten Teile waren wieder dran und drauf. Die Fahrprobe am nächsten Tag ergab mehrfache Erkenntnisse: Beim Team, daß die Bastelei nix geholfen hat, das Motorrad aber trotzdem fährt und bei uns, daß Wolf mit dem schon etwas angejahrten Motorrad (Tschuldigung !) schon im Regen sauschnell ist. Das Letztere hat uns gefallen ! Markus hat diesbezüglich wieder zwiespältige Gefühle - wer schnell fährt, könnte sich vor dir plazieren !

Es wurde wieder Abend, die Motorenexperten hatte neue Vermutungen hinsichtlich der Ursachen des Defekts aus den reichhaltigen Erfahrungen langer Schrauber-leben zusammengetragen, somit genau die richtige Zeit ... Zum zweiten Mal Werkzeugklappern, Campingstühle, Bier, lästerliche Kommentare, Gewurschtel ab, Kopf runter, Kopf rauf, Ergebnis siehe oben.

Markus´ Zwiespältigkeit nagte an ihm, doch plötzlich war ihm etwas in den Sinn gekommen, was die Angelegenheit in völlig anderem Licht erscheinen ließ: Die Aktivitäten von Peter könnten sich kontraproduktiv auswirken ! Einen dement-sprechenden Auftrag erteilte er offiziell seinem Schrauber: „Daß Du mir ja einen Defekt einbaust, und den dürfen sie auf keinen Fall finden !“ Rein von der Logik her war die Idee gut, mußten wir einschließlich der Betroffenen anerkennen. Die allerdings erklärten, des würd auch nix nutzen, sie würden mit ohne Wasser eh´ schneller fahren als Markus mit mit, und erklärten das Rennen am nächsten Tag zum Wet-Race. Dann wär auch Wasser da, das würd schon klappen. Jenseits der Kabbeleien war das Problem allerdings immer noch vorhanden, mittlerweile war schon eher Nacht als Abend.

Das unterhaltsame Ambiente in Box 24 drohte langsam beendet zu sein, als eine neue Person den Unterhaltungswert wieder aufpäppelte. Ohne richtig mit „Hallo“ oder etwas ähnlichem angekommen zu sein, war er einfach plötzlich da, wirkte ein wenig unheimlich mit schwarzer Lederjacke und Kopftuch im Seeräuber-Look, etwas wortkarg, blickte ernst, liess sich das Maschinenproblem ungefähr 5 Sekunden lang in englisch schildern und war schon selbst am Schrauben. Unser erlahmendes Interesse war wieder aufgeflammt und seine Identität dann auch klar: Es war der 2. Fahrer. Roger Maher ist Ire und arbeitet auf einer Baustelle in Gera. Wolf hatte ihn bei einem Motorradhändler dort getroffen und sich mit ihm kurzerhand für dieses Rennen hier verabredet. Er wußte von ihm nur, daß er schon Rennen gefahren ist, es war von abenteuerlichen Strecken in Irland und vom Vorhandensein zweier OW01 die Rede.

Zum dritten Mal schrauben... Ihr ahnt das Ergebnis: sie haben keinen Defekt gefunden, wohl aber eine ans Geniale grenzende Wasserstandsanzeige konstruiert: Ein durchsichtiger Plastikschlauch vor der Nase des Fahrers plaziert sollte anzeigen, wann die Flüssigkeit zur Neige geht. Fraglich war nur, ob Roger dies viel kümmern würde. Er wollte nämlich unbedingt fahren, „Maschin´ kaputt“ würde er vielleicht erst bei kollaptischen Erscheinungen akzeptieren. Wolf schärfte ihm daher ein: „not making motor dead“ und „come in, when water is empty“. Roger nickte zwar brav, hinterließ aber bei dieser Problematik insgesamt eher einen teilnahmslosen Eindruck oder, wie soll ich es sagen, man wußte nicht so genau, wie verläßlich dieser Vorsatz im Ernstfall ausfallen würde.

Seit längerem war Roger wie gesagt kein Rennen gefahren und daher ganz heiß darauf. Beim Training am nächsten Morgen kam das deutlich zum Vorschein: Angriffsoptik: das Seeräubertuch passt auch gut unter den giftgrünen Helm, eine nagelneue Kushitani-Kombi im Papageien-Design und ladenfrische Kniepads vervollständigten die Ausrüstung ! Den Spaß am Fahren verdeutlichte die Tatsache, daß die Knieschleifer nach kaum 10 Runden komplett weggeschrubbt waren und die Kombi an einem Bein ebenfalls. Und seine Zeiten sahen so aus, daß Markus wahrscheinlich die Stirn in Dreifachfalten gelegt hat. Merkwürdigerweise hielt der Wasserstand.

Das blieb auch beim Rennen so. Sie gingen zwar mit gehöriger Skepsis ins Rennen, hatten wegen der vielen Bauerei nur alte Reifen und alte Brems“steine“ montiert, auch Roger freute sich über den Regen, weil´s den in Irland hin und wieder hat, waren beide ziemlich eilig unterwegs und der vorzeitige Abbruch des Rennens kam ihnen wegen Reifen- und Bremszustand auch entgegen. Die Wertung sah sie auf dem 5. Platz und damit äußerst happy ! Gelungener Einstand bei den schlechten Bedingungen - Respekt !

Übrigens fehlt noch die Auflösung des reparaturtechnischen Rätsels: Deckel vom Kühler undicht !


Text + Fotos: Thomas Claar

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