Vincentsammler Kurt Schupp |
Tauchte in den fünfziger Jahren irgendwo eine englische 1000er Vincent Black Shadow auf, war die Sensation perfekt. Sie war das exklusivste und schnellste Serien-Motorrad der Welt. Zwar schloss das Vincentwerk bereits 1955 die Tore, doch die Legende lebt weiter. Kurt Schupp in Niederwetz besitzt weltweit die schönsten Exponate. |
Motorräder kennt Kurt Schupp seitdem er ein Dreikäsehoch war. Als Kind durfte er - im Beiwagen eingemummelt - seine Eltern zu Rennveranstaltungen und Motorradtreffen begleiten. Sein Vater kannte viele berühmte Rennfahrer persönlich. „Sehr gut erinnere ich mich an den Lauf zur Deutschen Meisterschaft 1948 auf dem Schottenring“, plaudert der Hesse aus seinen Erlebnissen. „Damals war ich noch keine 18 Lenze alt, durfte aber schon die NSU-Werksrennmaschine von Heiner Fleischmann zum Vorstart schieben. Heute kann sich kaum jemand vorstellen, was damals los war, über 200.000 Motorsportfans waren zu diesem Rennen gekommen. Seit diesem Tag“, fährt Kurt Schupp fort, „hat mich der Motorradbazillus richtig erwischt.“ Gleich nachdem er mit 18 Jahren den 1er Führerschein bestanden hatte, war sein erstes Motorrad eine Imme R 100. Doch die meiste Erfahrung sammelte der inzwischen ausgelernte Elektrotechniker auf „geborgten“ Maschinen. „Mein Vater hatte nämlich eine Motorradwerkstatt, und so ergab sich immer mal die Gelegenheit zu einer `Testfahrt`“, verrät Kurt Schupp mit einem verschmitzten Grinsen. „In einer englischen Motorradfachzeitung entdeckte ich eines Tages einen Bericht über die 1000er Vincent Black Shadow. Die Maschine wurde mit 55 PS angegeben und sollte 200 Sachen laufen. Mein Vater und ich waren sofort von der englischen Lady begeistert. Für mich stand damals fest, so ein Motorrad muss ich irgendwann mal besitzen.“ Doch es sollte noch bis 1960 dauern, ehe sich sein Wunsch erfüllte. Inzwischen bewegte Schupp von der 250er NSU Max, über die 350er Victoria Bergmeister bis zur Zündapp KS 601 fast alle schweren Maschinen, die damals auf deutschen Straßen anzutreffen waren. Vom Autofahren wollte er nichts wissen. Als er 1958 beim Elefantentreffen auf dem Nürburgring zwei englische Vincent Fahrer kennen lernte, wurde sein Vorhaben, bald auch so eine Maschine zu besitzen, nur noch bestärkt. Nun darf man sich aber nicht vorstellen, dass Vincent Motorräder an jeder Ecke zu haben waren. Schließlich hatte das Werk ja bereits 1955 die Tore geschlossen und nach Auskunft des damaligen Importeurs Lohmann & Louis (heute Detlev Louis) in Hamburg waren gerade fünf Maschinen nach Deutschland importiert worden. Im Anzeigenteil der Fachzeitschrift „DAS MOTORRAD“ entdeckte Schupp 1960 zufällig das Inserat: „...Verkaufe einmalige Vincent Black Lightning... Berlin 50...“. Jetzt gab es für den mittlerweile gut informierten Vincentkenner kein Zurück mehr. Zwar war es für ihn kaum vorstellbar, dass es sich wirklich um eine echte Black Lightning handelte - von dieser Rennausführung mit 80 PS hatte man ja nur 16 Maschinen gebaut! Doch als er in Berlin vor dem Motorrad stand, erkannte er sofort: es ist tatsächlich eine echte Black Lightning. Schnell wurden sich Käufer und Verkäufer handelseinig. Die Renn-Vincent war in einem tadellosen Zustand und sogar für den Straßenverkehr zugelassen. Zu dem Motorrad erhielt Schupp eine große Kiste mit allen möglichen Verschleißteilen, sowie fein säuberlich eingepackt, alle Originalrennteile. Würde heute so ein Handel zustande kommen, stände die Fachwelt Kopf. Denn außer Kurt Schupps Black Lightning gibt es weltweit nur noch drei dieser Werksrennmaschinen. Entsprechend hoch darf man sich den Wert dieses Exponates vorstellen. Doch damals war die Situation eine ganz andere. Es war ja die Zeit, in der Motorradfahrer als „arme Schweine“ bezeichnet und allerorten nur belächelt wurden. Kurt Schupp war das aber egal. Er besaß jetzt sein Traumbike, von dem im Prospekt über die Höchstgeschwindigkeit stand: „not tested“. Wie schnell die Renn-Vincent aber wirklich war, demonstrierte 1948 der englische Rennfahrer Rolli Free auf dem Bonneville Salzsee in Utah (USA). Nur mit einem Halbschalenhelm, Turnhose und Turnschuhen „bekleidet“ fuhr er langliegend 252 Stundenkilometer! |
Bei vielen Gelegenheiten düste Kurt Schupp mit seiner Vincent zu Motorradtreffen oder besuchte Rennveranstaltungen. Während der Woche bewegte er seine Zweitmaschine, eine BMW R 68. Doch der Fahrspaß mit der exotischen englischen Lady währte nur ein dreiviertel Jahr. Als er eines Tage etwas unachtsam über einen Bordstein fuhr, setzte die Maschine auf und dabei verknickte die Ölleitung. Von diesem Malheur merkte er aber erst, als es schon zu spät war. Wenige Kilometer nach diesem Missgeschick blieb seine Vincent mit einem kapitalen Motorschaden liegen. Damit war dieser Vincent-Traum fürs erste, und wenn man es genau nimmt, bis heute, ausgeträumt. Denn Kurt Schupp entschloss sich, die ehemalige Rennmaschine in den Originalzustand zurückzuversetzen. Bis es allerdings soweit war, musste er zuvor den Motor reparieren, und hierfür brauchte er dringend Ersatzteile. Auf der Suche nach den benötigten Teilen wurde er in England fündig. Bei dieser Gelegenheit knüpfte er auch erste Kontakte zu dem Vincent Owners´ Club. Ohne ausreichende Englischkenntnisse war aber ein Gedankenaustausch fast unmöglich. Und so sollte es bis 1964 dauern, dass er in den Owners´ Club aufgenommen wurde. Inzwischen stand seine Black Lightning top-restauriert im Wohnzimmer. Eigentlich nichts Besonderes, nur befand sich der Raum im 2. Stock! Es sollte noch einmal knapp zehn Jahre vergehen, bis Schupp zum zweiten Mal das „Vincentfieber“ packte. In der Schweiz kaufte er 1973 eine 500er Einzylinder Vincent Comet, und 1976 folgte eine 1000er Black Shadow. Mit diesem „Schwarzen Schatten“ machte er nun die Gegend um Wetzlar unsicher. Doch bei diesen Maschinen blieb es nicht. Jetzt ging es Schlag auf Schlag. Als er von einem Clubkollegen aus der Schweiz erfuhr, dass Fritz W. Egli - er war in der damaligen Zeit der Vincent-Guru schlechthin - sein komplettes Arsenal abgeben wollte, griff Schupp sofort zu. Aus diesem Ersatzteilstock konnte der emsige Bastler etwa acht Motorräder zusammenbauen und damit den Grundstock für seine heute weltgrößte Vincentsammlung legen. Inzwischen spricht Kurt Schupp tadellos Englisch und kümmert sich als erster Vorsitzender des Vincent Owners´ Club/ Deutschland um die Belange der 40 Clubmitglieder und organisiert alljährlich das Vincenttreffen. Etwa 250 bis 300 Maschinen gibt es nach seiner Schätzung in Deutschland. Weltweit umfasst der Club 1800 Mitglieder, und der Maschinenbestand wird auf 4500 Fahrzeuge beziffert. |
„Schloss Vincent“ Sind Museen vielfach in ehrwürdigen Palästen oder geräumigen Hallen untergebracht, wird das „Schloss Vincent“ in Niederwetz als Geheimtip handelt. Schmuckstück der Schuppschen Sammlung ist zweifellos seine Black Lightning. Die älteste Maschine ist die Vincent-HRD Serie A Comet Baujahr 1937. Von dieser Vorkriegs-500er mit 26 PS wurden nur 444 Maschinen gebaut. Gleich daneben steht eine Comet Serie C, wie sie 1952 das Werk in Stevenage verließ. Dieser beliebte 500er Dampfhammer leistete 28 PS und beschleunigte die Maschine mit ihren Passagieren auf über 150 km/h. Gleich 50 Sachen schneller war die Black Shadow Serie C, die bereits 1949 eine Spitzengeschwindigkeit von 200 km/h erreichte. Heute ist es sicherlich schwer vorstellbar, was es damals bedeutete, mit solch einem Motorrad durch die Gegend zu fahren. Gab es doch kaum eine Straße, auf der man wirklich so schnell hätte fahren können. Der 1000er V-Motor leistete 55 PS, und von diesem „Schwarzen-Schatten“ wurden nur 1400 Maschinen produziert. Dagegen ist die Rapide Serie C aus dem gleichen Jahr schon fast ein „Großserienfahrzeug“. Von dieser 1000er mit 45 PS verließen 4001 Maschinen das Werk. Als sehr selten darf die top restaurierte Grey Flash Serie C aus dem Jahr 1950 bezeichnet werden. Von dieser 500er Rennmaschine verließen insgesamt nur 25 Maschinen die geheiligten Hallen. Der auf dem Comet-Triebwerk basierende Rennmotor leistete 35 PS und trieb die Fuhre auf fast 190 km/h. Ein Hauch von Rennatmosphäre schwebt über den beiden Egli-Vincents. Bei der 500er handelt es sich um eine reinrassige Rennmaschine, und die daneben stehende 1000er Egli-Vincent war 1968 sicherlich die schnellste Straßenmaschine. Je nach Übersetzung erreichte sie bis zu 240 km/h. Der getunte Black Shadow Motor leistete 73 PS bei 6500/min. |
Damit Kurt Schupp seinen Besuchern die Vincent-Technik bis ins kleinste Detail erklären kann, hat er eine 1000er Rapide bis zur letzten Schraube zerlegt, alle Bauteile penibel gesäubert und dann an die holzvertäfelten Wände platziert. Darüber hinaus zeigt eine Bildergalerie alle Vincent-Modelle, und jede Menge weiterer Dokumentationen spiegeln die einst so ruhmreiche Nobelmarke wieder. |
Fotos + Text: Winni Scheibe |
Kurt Schupp - 2017 † |