Nachdem mich die Nachricht vom Ableben des hoch betagten Tuningkünstlers erreichte, erinnerte ich mich wieder an meinen ersten Besuch bei ihm, zusammen mit dem Motobi-Spezialisten Valerio Forlani, im Spätherbst 1991. Anlässlich dieses Besuches entstand ein kleiner Bericht, der aber seinerzeit neben dem Motobi-Test keinen Platz mehr in der entsprechenden Zeitschrift fand und somit in der Schublade endete. In dieser Zeit startete Primo sein Engagement in der Veteranenszene mit der Wiederauflage seines „6 Bolzen Zylinderkopfes“ für die 250er Motobi, danach mit der Fertigung des kompletten Rennmotors, was schließlich zu einer Fertigung von kompletten Rennmotorrädern führen sollte. Dieser damalige Bericht, der sowohl einen Rückblick auf seine Laufbahn als Techniker und Rennfahrer, als auch einen momentanen Eindruck seiner Tätigkeit gab, soll hier erscheinen, zur Erinnerung und in Verehrung dieses großen „Mago della messa a punto“.
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„Zanzani, Alubremsscheiben der Weltmeister“. Nur dies kleine Schild neben der Blechtür an der großen grauen Halle, in der noch mehrere andere Firmen ihren Sitz haben, weist auf die Werkstatt des berühmten Tuning-Altmeisters hin. Kein Firmenlogo, kein Motorradsymbol - sind wir hier wirklich richtig? Mein Begleiter Valerio öffnet die Tür und da steht er auch schon. Ein prüfender Blick über den Rand seiner Brille, dann ein erkennendes Lächeln: “Ciao Valerio“, grüßt er den Motobi-Kollegen aus alter Zeit und schüttelt auch mir die Hand, leicht ergraut, etwas korpulent geworden, aber sonst immer noch unverkennbar der PS-Macher von einst. Sein Weg war geradlinig: 1923 in Forli geboren, lernte er den Beruf des Drehers und war im Zweiten Weltkrieg als Flugzeugmechaniker tätig. Anfang der fünfziger Jahre machte er sich mit einer Laverda-Vertretung selbständig und begann die 75er und 100er OHV-Motoren dieser Marke zu tunen und auch bei Wettbewerben einzusetzen. Rennerfahrung hatte er schon vorher gesammelt, im Sattel einer selbst gestrickten 350er Matchless und dann mit einer 125er Zweitakt-Morini. Richtig erfolgreich wurde er dann aber erst mit den kleinen Laverdas und einem eigenen Rennteam, dem auch sein Bruder Bruno angehörte. Bruno gewann sogar die 100er Klasse der 1954er Motogiro d’Italia und dieses Bravourstück sollte ein Jahr später Primo wiederholen. Doch es kam anders: Nach einem frühen Ausfall und ohne jede Chance gegen die neuen 100er Ducatis (Im Ziel lagen 6 Ducatis in Front, Ducati dominierte in dieser Klasse und nur einzelne Laverdas und Ceccatos schafften es ins Ziel), beendete er seine Fahrerlaufbahn und verlegte sich in der Folge voll aufs Motortuning. Solch einen Viertaktspezialisten suchte zu dieser Zeit die Firma Motobi im nahe gelegenen Pesaro, um die erstaunlich schnellen Viertakt-Stosstangenmotoren ganz nach vorn zu bringen und zu Weihnachten 1957 bekam schließlich Primo diese Aufgabe zugesprochen. „Das Äußere unseres Motors muss bleiben“, sagte ihm Generaldirektor Mario Dini Ciacci, „alles was darinnen ist, steht Ihnen frei zu ändern.“ Das Ergebnis dieser Aufgabenstellung ist Legende geworden, manifestiert in zahllosen Siegen und Meisterschaften, doch wollen wir wissen, was Primo persönlich als seinen größten Erfolg ansieht. „Einmal die erdrückende Überlegenheit der erstmals eingesetzten 125er in der neuen „Competizione Junior“-Klasse 1961 und dann der Wunsch Renzo Pasolinis, nach eine paar Proberunden auf der 1967er 6-Bolzen 250er Motobi, dieses Motorrad neben der 350er 4-Zylinder Benelli einzusetzen. Dies ließ die Geschäftsleitung aber nicht zu.“ Kompetenzgerangel in der Motobi/Benelli Geschäftsleitung war es auch, was Primo 1969 zum Gehen veranlasste, mit der offiziellen Erlaubnis seiner alten Firma, die Motobi-Renngeschäfte privat weiterführen zu dürfen. 1970 konnte er seinen letzten Motobi-Erfolg feiern, als der von ihm betreute Paolo Isnardi die 175er Meisterschaft der Junioren gewann. Damit war aber die Viertaktära endgültig vorbei und Primo wurde Cheftechniker beim Team Yamaha-Diemme, wo er den späteren Weltmeister Mario Lega betreute. Danach baute er seine Firma in der jetzigen Form auf und begann eine erfolgreiche Bremsscheibenfertigung. Heute leitet bereits einer seiner Söhne die mit hochwertigen CNC-Maschinen bestückte Werkstatt, in der Vater Primo aber immer noch am Werkeln ist. Auch der in Pesaro lebende Jörg Möller lässt hier wichtige Rennteile fertigen! Dem Motorradfahren ist der Altmeister immer treu geblieben, wovon die Vierzylinder Honda in der Werkstattecke Zeugnis ablegt, aber seit dem tödlichen Motorradunfall seines Bruders Bruno 1971 ist die Begeisterung etwas der Ernüchterung gewichen. Trotzdem, das Interesse auch an der alten Zeit wird durch die Neufertigung einiger wichtiger Teile dokumentiert: Hier liegt ein Unterbrecher-Primärdeckel, dort ein 6-Bolzen-Kopf……… Ja, ich glaube der Zanzani-Aufkleber wird noch so manche Veteranenrennmaschine zieren dürfen und der Meister möge uns noch lange erhalten bleiben. Er lacht, „Va bene, aber mein eigentliches Hobby ist die Jagd und dort oben in den Bergen bin ich gerade dabei, mein Wochenendhaus fertig zu stellen, da kannst Du mich dann mal besuchen“, sagt er zu Valerio und klopft ihm freundschaftlich auf die Schulter. Als wir mit „Ciao Valerio, ciao Manfred“ verabschiedet werden, glaube ich schon, das Grollen der 250er Rennmotobi vernehmen zu können und das Lächeln von Primo sagt mir, dass sich dann die Konkurrenz in dieser Klasse verdammt warm anziehen muss! |