Motobi Spring Lasting 200
von Manfred Woll

 
klacks motobiDer legendäre „Motorrad“-Redakteur „Klacks“ Leverkus hatte als ausgemachter Viertakt-Freund ein gespaltenes Verhältnis zum Zweitakter im Motorrad. Eine Ausnahme aber ließ er gelten, nämlich dann, wenn es sich um einen Zweitakt-Zweizylinder von Adler oder von Ilo handelte. Freilich gab es aber in den fünfziger Jahren solche spritzigen Zweizylinder auch aus Italien, von Motobi, CM und Rumi. Während sich für Klacks aber niemals die Chance bot eine Rumi oder CM zu jagen, verspielte er am Nürburgring im Herbst 1957 die Möglichkeit, einer 200er Motobi Spring Lasting auf den Zahn zu fühlen. Zu viele schnelle Viertakt-Krafteier hatte damals das Pesaroer Versuchsteam zum Ring mitgebracht, so dass sich der schnelle Ernst lieber mit diesen Einzylindern abgab und das Bewerten des Zweizylinder-Zweitakters seinem Chef Carl Hertweck überließ. Hätte er sie nur mal probiert! Diese Beschleunigung, dieser Ton und dieses den Viertakt-Krafteiern absolut ebenbürtige Fahrverhalten – es hätte ihn wohl überzeugt, denn das Leistungsgewicht der Spring Lasting gab der Maschine aus Pesaro darüber hinaus ein klares Plus gegenüber der von Ernst so geschätzten, aber deutlich schwereren Adler. Ein Jahr später, bei der Fernfahrt Brüssel-Prag-Brüssel, bewunderte er die 250er Spring Lasting des Belgiers Jules Nies, hielt sie sogar im Foto fest, bekam aber nie mehr die Gelegenheit, solch einen Zweitakt-Zweizylinder aus Pesaro zu fahren und ihn dem „Motorrad“-Leser nahezubringen.

Gut sechzDSC 0466 2ig Jahre später wird dieses Versäumnis nachgeholt, nun kann sich der interessierte Leser ausgiebig mit dieser Maschine aus Pesaro vertraut machen, denn sie wurde auf acht Seiten im neu erschienenen „Klassik Motorrad“ vorgestellt, was Technik, Historie und Fahreindrücke betrifft. Dabei wird aufgezeigt, wie Norbert Riedels Zweizylinder-Imme als Design-Vorbild diente und wie der schon Anfang 1952 vorgestellte Prototyp aufgrund technischer Probleme erst zwei Jahre später in den Verkauf kam, auch wie danach die Entwicklung verlief, bis hin zum Ende der Fertigung 1959. Hier wird erstmals dargelegt, wie es zur „schwebenden“ Motoraufhängung kam, wie es in neueren Zeitschriftenartikeln zu Motorversionen kam, welche es historisch nie gab und welchen Schwachpunkt diese ansonsten grundsolide Konstruktion mit sich herumträgt.
DSC 0433 2 Wie in Beiträgen dieser Zeitschrift üblich, wird die Maschine in eindrücklichen Aufnahmen präsentiert, sie schaffte es gar, das Titelblatt Format füllend in Besitz zu nehmen. Bei diesen Fotodarstellungen kam ihr natürlich zu Gute, dass die italienischen Designer der fünfziger Jahre ganz andere Freiheiten hatten als im Rest von Europa, und mit diesen Freiheiten gingen sie auch gekonnt um. Ähnlich war es ja auch mit den italienischen Autos, die waren ja über viele Jahrzehnte in dieser Disziplin tonangebend. Es wäre aber zu wenig, die Wertung dieser Motobi nur auf ihr Design und ihren Motor zu beschränken, nein, auch das Fahrwerk war seiner Zeit voraus. Was von MZ mit der 1981 neu erschienenen ETZ eindeutig belegt wird, denn die hatte einen mit der Motobi fast identischen Zentralpressrahmen, dazu vorne ebenfalls eine Telegabel und hinten eine Schwinge, was zu einem hervorragenden Fahrverhalten der Zschopauerin führte, nur konnte das die Spring Lasting schon knapp dreißig Jahre früher ebenso.


Dieses in Deutschland zu seiner Zeit fast unbekannte Feuerzeug hätte für hiesige Interessenten doch einiges zu bieten gehabt, scheiterte aber am fehlenden Importeur, an hohen Zöllen und an einem – bis zu gewissem Grad sogar verständlichen .- Vorbehalt der deutschen Motorradfahrer an der italienischer Technikqualität. Im Falle unserer Spring Lasting kann hier eine späte, aber gerechte Wiedergutmachung dieser damaligen Meinung erfolgen. Und der „Klacks“? Der hätte wohl reumütig seine Zweitaktvoreingenommenheit nach Kennenlernen der Spring Lasting zurückgenommen. Zumindest mit einer 125er Motobi Ardizio Gran Sport Speciale konnte er 1991 auf den Straßen im Pfälzer Wald ausgiebig mit einem Zweitakter aus Pesaro Bekanntschaft machen, spät, aber immerhin. Und als er nach einer ausgiebigen Testfahrt den kleinen Renner wieder abstellte, zeigte ein breites, ein sehr breites Grinsen, dass der Eindruck durchaus positiv war. Sooo weit von der am Nürburgring 1957 gefahrenen Formel 3 Catria war die doch gar nicht weg. Wetten, dass er nach einer anschließenden Fahrt mit der Spring Lasting mindestens genauso gegrinst hätte?

 DSC 0467 2DSC 0484 2

2019 01 01 KlassikMotorrad

Text + Fotos: Manfred Woll