Wer hat nicht von einer Egli geträumt? Wer hatte nicht das MRD1 Poster in seinem Jugendzimmer hängen und war fasziniert von den Leistungsdaten? 180 PS und gemessene 297 km/h. Wohlgemerkt vor 40 Jahren, als andere Top 1000er gerade mal etwa die Hälfte der Leistung hatten und die 200 knapp überschritten. Wer wollte nicht das „Motorrad wie auf Schienen“, wenn er mit seinem Japanerfahrwerk über die Straßen gewackelt ist? Haben wir nicht alle die Testberichte in den einschlägigen Magazinen verschlungen und diese roten Wunderwerke, gefertigt mit Schweizer Präzision, bestaunt? Leider hatte das Motorrad mit dem oft kopierten vernickelten Zentralrohrrahmen, der verwindungssteifen Egli-Gabel aus Elektron und den Egli-Rädern aus dem gleichen Material auch einen Preis, der in etwa dem von drei Serien Tausendern entsprach.
Somit blieb dieses Superbike mit Straßenzulassung für die meisten Enthusiasten auch ein Traum.
Wer sich aber diesen Traum erfüllt hat, wusste, dass eine Egli jeden Pfennig – oder sollte ich besser Rappen sagen – wert war. Ich selbst habe mir 1984 meine erste Egli gekauft und bin bis heute der Marke treu geblieben.
Hinter all dem stand Fritz W. Egli, der sich, nachdem er mit seiner selbstgebauten Egli-Vincent 1968 Schweizer Meister wurde, von Anfragen, ob er nicht auch für andere Motorräder ein Fahrwerk bauen könnte, so überhäuft wurde, dass er in Bettwil seine eigene Firma gründete. Fortan half er schnellen Fahrern auf der Straße und im Rennsport, das Leistungspotenzial ihrer Motoren durch das überlegene Egli-Fahrwerk auch auf den Asphalt zu bringen. Schnell zeigte sich, dass selbst die leistungsstärksten Serienmotoren das Egli-Fahrwerk unterforderten. Hierauf wurden auch Leistungssteigerungen der verschiedensten Arten angeboten. Turboaufladung, Wassereinspritzung, Lachgas etc. klangen damals eher nach dem Versuchslabor der NASA als nach einer kleinen aber feinen Manufaktur in der Schweiz.
Fritz ist ein sehr vielseitiger Mann. So hat er neben seinen Motorrädern auch mit den verschiedensten Techniken experimentiert und tut dies heute noch. Nachbarn haben mir einmal erzählt, dass nachts das gesamte Gebäude in Bettwil von Blitzen erleuchtet wird und schallende Donnerschläge das gesamte Dorf aufwachen lassen. Hat Fritz etwa auch versucht künstliches Leben zu erschaffen? Wohnt vielleicht nun Frankensteins Monster in seinem Keller? Die Antwort ist realer, aber nicht weniger beeindruckend. Fritz Egli hat an der Weiterentwicklung des Tesla Prinzips gearbeitet, der Übertragung von Energie ohne physikalische Leitungen.
Mit Egli Motorrädern wurden verschiedene Geschwindigkeitsrekorde aufgestellt. Die gemessenen Werte der MRD1 wurden erst zwanzig Jahre später übertroffen. Aber als Mann der Tat war es Fritz nicht genug, dass seine Maschinen Weltrekorde brachen. Im Alter von 70 Jahren ist er nach Bonneville in den USA geflogen und hat dort auf dem legendären Salzsee mit einem selbstgebauten Egli-Gespann mehrere Geschwindigkeits-Weltrekorde aufgestellt.
Wohlgemerkt ist er diese Rekorde selbst gefahren!
Am 30.06.2019 hat Fritz W. Egli seinen 82. Geburtstag in Bettwil gefeiert und Freunde dazu eingeladen. Nach der langen Anreise – manche machten sich sogar aus dem hohen Norden Deutschlands auf dem Weg - fand ein erstes Sammeln in einem Hotel in der Nähe statt, wo wir uns bei kühlen Getränken von der Anreise unter Temperaturrekorden erholen konnten.
Am nächsten Morgen machten wir uns unter Führung von Claus Stickann auf den Weg nach Bettwil, um zunächst eine Werksführung von Alexander Frei zu bekommen. Alexander wies uns in aktuelle technische Entwicklungen der Firma Egli ein, die er vor mehreren Jahren von Fritz Egli übernommen hat. Besonders faszinierend war hier die Egli 500 Rennmaschine, mit der das Egli Team mehrfach und erfolgreich an der Classic TT auf der Isle of Man teilgenommen hat. Angetrieben wird diese Egli von einem selbstkonstruiertem Einzylindermotor, der optisch an den Vincent Comet Motor angelehnt ist. Während der Führung konnten wir den Sound des Motors immer wieder genießen, da auf dem Leistungsprüfstand weiter nach der letzten Leistungsoptimierung gesucht wurde.
Begeisternd war es auch zu sehen, mit welcher Liebe Egli Maschinen aller Modelle und jeden Alters durch das Egli Team fachmännisch restauriert werden. Alexander Frei konnte den bekannten Egli-Sammler und Spezialisten Hans Peter Walser für sein Team gewinnen, der die Firma besonders im historischen Bereich mit Rat und Tat unterstützt.
Alexander gewährte den Freunden von Fritz auch einen Ausblick in die Zukunft der Egli-Produktion, indem er uns den noch geheimen Prototypen einer weiteren Egli mit selbst entwickeltem Motor „ertasten“ ließ. Diese Entwicklung bleibt natürlich bis zur offiziellen Vorstellung geheim. Ich möchte den Lesern aber hier schon mal nahelegen, für den offiziellen Verkaufsstart ein paar finanzielle Reserven bereit zu halten. Sicher wird die Produktion ebenso schnell ausverkauft sein, wie dies bei den Maschinen der Sonderserie „Fritz W" 2017 bereits nach kürzester Zeit der Fall war.
Nach der sehr interessanten und spannenden Werksführung ging es zum gemütlichen Teil über. Bei Grillspezialitäten und diversen Getränken wurde Fritz W. Egli gefeiert, und er gab einige Anekdoten aus seinem ereignisreichen Leben zum Besten. Dabei wurden wir liebevoll von seiner Frau versorgt, und das Egli Team stand uns für weitere Fragen und Benzingespräche zur Verfügung. Trotz Erkrankung ließ das Egli-Urgestein Jörg Lindemann es sich nicht nehmen uns persönlich zu begrüßen. Dies zeigt die hohe Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen und unterstreicht die Freundschaft, die sich zwischen vielen Fahrern und der Firma Egli über die Jahre entwickelt hat.
Fritz nahm sich für jeden seiner Gäste Zeit für ein Gespräch, beantwortete auch technische Fragen mit seiner außergewöhnlichen Fachkenntnis und schwelgte mit manchem von uns in gemeinsamen Erinnerungen. Es wurde viel geredet und auch gelacht, und manchmal blitzte aus Fritz' Augen immer noch der Schalck, wenn er schmunzelnd aus seinem bewegten Leben erzählte. Auch mit 82 ist er sich treu geblieben: ein Genie, manchmal ein Rebell und mit Ecken und Kanten – aber immer geradlinig.
Es war ein toller Tag, den wir gemeinsam mit Fritz W. Egli erleben durften, und ich wünsche ihm noch viele solcher Tage.
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