Der Beginn der Motobi-Legende
von Manfred Woll

 

2020 Motobi 09Dem an historischen Motorrädern interessierten Leser eines der berühmten Krafteier aus Pesaro vorzustellen, hieße Eulen nach Athen tragen. Nachdem „Motorrad“-Redakteur „Klacks“ Leverkus diese formal überaus gelungenen Einzylinder in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre mehrfach vorgestellt hatte, der schweizer Rennfahrer Werner Maltry sie im großen Stil importierte und schließlich der rührige deutsche Importeur Fritz Alexander sie in nennenswerten Stückzahlen in die Bundesrepublik einführte, war die Marke Motobi auch hier in aller Munde.

Im Gegensatz zur heutigen, sehr an der Historie interessierten Motorradgemeinde, war damals der Blick der Motorradfahrer aber ausschließlich nach vorn gerichtet und niemand fragte nach den Wurzeln dieser italienischen Motorradmarke. In Ermangelung diesbezüglicher Publikationen war es heute nicht einfach, diesen Beginn zu erarbeiten, doch nun ist diese Historie dokumentiert und kann in „Klassik Motorrad“ Heft 2/2020 nachgelesen werden. Es war einer der Benelli-Söhne, Giuseppe, der sich Ende der vierziger Jahre, zusammen mit seinem Sohn Luigi auf eigene Füße stellte und ein 98er Leichtmotorrad entwarf, dessen Rahmenkonstruktion auf einem im Kriege erteilten Patent von Luigi beruhte. Dabei war dieses Leichtmotorrad sehr einfach aufgebaut und erinnert heute in keiner Weise an die bei uns bekannten „Krafteier“.

Bei aller Einfachheit wartete diese „B 98“ aber mit zwei raffinierten Technikdetails auf, betreffend die Hinterradfederung und die Drehschieber-Einlassteuerung. Ab 1951 im Verkauf, durchlief dieses Modell eine stetige Weiterentwicklung, bis zur Ausführung 1953, dem Motorrad, welches in „Klassik Motorrad“ vorgestellt wird. Dabei fehlt auch nicht der Fahreindruck und natürlich wird der Motor – dessen Einlassystem als „Duplice Alimentazione“ nochmals verfeinert wurde – in allen Einzelheiten vorgestellt. Es ist das erste Mal überhaupt, dass solch ein Motor zerlegt gezeigt und analysiert wird und diese Tatsache sollte Grund genug sein, das Interesse der Technik-Freaks zu wecken.

Aber nicht nur ein tiefer technischer Einblick in diese Konstruktion erfolgt, auch die technische Entwicklung Stufe für Stufe und die Marktresonanz dieser unter dem Firmennamen „Moto-B“ angebotenen Motorräder wird ausführlich dargelegt. „Moto-B“? Ja, „Benelli“ war ja dem Familienunternehmen vorbehalten und „Moto-B“ erstmal eine Verlegenheitslösung, bevor 1955 dann die mundartliche Sprechweise dieses Markennamens zu „Motobi“ führte. Vielleicht wird diese Frühgeschichte auch etwas verschämt unter der Decke gehalten, da sie Anfangs keine Erfolgsgeschichte war und 1953 gar in die roten Zahlern führte? Erst die 1954 in den Verkauf gekommenen Nachfolgemodelle sollten den Durchbruch auf dem Markt bringen, aber das ist eine andere Geschichte....

Hätte solch eine „B 125“ damals in Deutschland eine reelle Marktchance gehabt? Na ja, schöner anzusehen als die bei uns üblichen „Krafträder“ war sie schon, aber auf der technischen Seite hätte sie gegen eine Adler M 125, eine Zweitakt-Fox, eine mit dem ILO TZ 125 befeuerte Bücker oder gar eine Puch 125 TL einen schweren Stand gehabt. Mit dem Gewichtsvorteil und dem handlichen Fahrwerk hätte sie aber gepunktet – am besten der Leser macht sich selbst ein Bild und entscheidet dann abschließend. Und vielleicht, vielleicht hätte die „B 125“ hierzulande überzeugt und wäre in der Rückschau heute zur Legende geworden wie die späteren „Krafteier“? Wer weiß?


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Text + Fotos: Manfred Woll