Man muss dazu ins Jahr 1939 zurückschauen. Jaap de Wit aus Zenderen war ein vielseitiger Motorsportler mit eindrucksvollen Ergebnissen: 1930 und 1931 Niederländischer Meister 250ccm Geländesport 1934 Niederländischer Meister 250ccm Motocross und 1946 Meister im Straßenrennen auf einer 125ccm Werks -Eysink. De Wit entdeckte die Rennstrecke 1939, sein Plan musste wegen der deutschen Besetzung zuerst einmal auf Eis gelegt werden. Aber auch der Zweite Weltkrieg konnte nicht verhindern, dass Jaap de Wit im stillen Kämmerlein weiter über die Verwirklichung seiner Ideen nachdachte. 1945 war die deutsche Herrschaft zu Ende, und der Realisierung seines Traums stand nun nichts mehr im Wege. Die Leidenschaft von de Wit war so groß, dass er loszog, um einzelne Mopeds aufzuspüren und mit einigen Freunden als Erste die später weithin bekannte Strecke zu befahren. Dies war der Anfang der Straßenrennen von Tubbergen, wir schreiben den Beginn des Jahres 1946.
Es wurde ein Komitee aus Mitgliedern der umliegenden Motorclubs gebildet. Die örtlichen Obrigkeiten standen dem Motorsportgeschehen anfänglich skeptisch gegenüber, wurden aber bald darauf selbst zu Anhängern der Idee der Straßenrennen in Tubbergen.
Die ersten offiziellen Rennen für Junioren und Senioren waren 1946 an Himmelfahrt geplant, aber die Genehmigung durch den KNMV erlaubte erst einen Start am 28. September 1946.
Die 9230 Meter lange Strecke mit Start und Ziel in Albergen führte über Tubbergen und Fleringen. Der "Grote Prijs van Twenthe" wurde ein großer Erfolg. In den Ergebnislisten der Senioren finden sich folgende Sieger: 125ccm Wim Zijlaard Rotterdam auf einer van Es, 250ccm Lo Simons Rijswijk (Excelsior), 350ccm Lous van Rijswijk Den Haag (Velocette) und 500ccm Piet Knijnenburg Wassenaar (BMW).
Im selben Jahr (1946) bekam Tubbergen mit Herrn Kolenbrander einen neuen Bürgermeister, der die Rennen mit ganzem Herzen unterstützte und dafür sorgte, dass es keine Probleme mit der Genehmigung der Strecke durch die Gemeinde gab.
Durch die perfekte Organisation der Rennen genehmigte der KNMV ab 1949 belgischen Fahrern die Teilnahme am Rennen. Man nannte die Veranstaltung daher 1949 "Benelux-races".
Unter den Belgiern war es vor allem Auguste Goffin, der sehr erfolgreich war. Goffin gewann 1949 die 500ccm Klasse mit einer Triumph und 1951 auf einer 500er Norton 500ccm.
1950 wurde die Veranstaltung dann zum internationalen Motorradspektakel mit ausländischen Stars. In den folgenden Jahren erlangte Tubbergen über die Landesgrenzen hinaus einen guten Namen, und so wurden die Rennen immer öfter von Motorradfirmen zum Testen der Werksrennmaschinen genutzt. So startete zum Beispiel 1953 eine Werks-Gilera mit dem 125ccm Weltmeister Nello Pagani und 1955/56 die NSU und DKW Werksteams. Die Stars zu Beginn der 50er Jahre in Tubbergen waren u.a.1951 Benoit Musy, Schweiz, 250ccm Moto Guzzi, Bob Matthews, der 1951 mit einer 350ccm Velocette gewann, und 1952 konnte der Neuseeländer Dene Hollier sowohl die 350er wie auch die 500er Klasse gewinnen. 1953 starteten die ersten deutschen Werksteams, und DKW gewann die 250ccm Klasse mit August Hobl vor seinem britischen Teamgefährten Len Parry. Parry gewann auf einer DKW auch die 350ccm Klasse. Der Sieg bei den 500ern ging an den Australier Keith Campbell, den späteren 350er Weltmeister (1957 Moto-Guzzi).
Tubbergen 1950
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Bob Matthews 1951
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Tubbergen 1952
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Erfolgreich waren Anfang der 50er Jahre auch die holländischen Fahrer: beim ersten internationalen Rennen 1950 Lous van Rijswijk, 350ccm Velocette und Piet Knijnenburg 500ccm auf BMW, 1954 Lo Simons 350ccm AJS und in der 500ccm Klasse Piet Knijnenburg auf BMW. Bis 1954 fanden die Rennen an einem Samstag im August statt, aber auf Wunsch der Unternehmervereinigung und des Fabrikantenrings der Provinz Twente wurden die Rennen durch den Stiftungsvorstand auf den Pfingstmontag vorverlegt. Der Grund dafür war die Tatsache, dass viele Mitarbeiter der Firmen die Rennen am Samstag sehen wollten. Die Fünftagewoche war noch nicht eingeführt, und eine solche Masse an Fehltagen hätte bedeutet, dass die Arbeit in den Fabriken und Betrieben zum Stillstand gekommen wäre.
In den Jahren 1955-1957 wurde die 250ccm Klasse durch die NSU Werksteams mit Wolfgang Brand, Hans Baltisberger und Helmut Hallmeier geprägt. Helmut Hallmeier konnte 1957 auch die 350ccm Klasse mit einer NSU gewinnen. Auch tschechische CZ/Jawa Werksmaschinen tauchten 1955 in Tubbergen zum ersten Mal auf und gewannen mit Frantisek Bartos (CZ) die 125ccm und Frantisek Stastny (Jawa) die 500er Klasse.
Große Auftritte in Tubbergen hatten 1957 die ostdeutschen MZ-Werksfahrer. Ernst Degner und Horst Fügner gewannen die 125 und 250ccm Klasse. Fügner stellte dabei einen Rundenrekord auf, der jahrelang unerreicht blieb.
Große Namen sind damals in Tubbergen gestartet. So zum Beispiel der Engländer Rob Fitton, der zwischen 1953 und 1969 in jedem Jahr am Start war. Er war in Tubbergen besonders erfolgreich. 1955 gewann er die 350ccm mit Velocette, 1963 die 500er auf Norton, 1964 und 1965 die 350ccm Klasse (Norton) und 1966 und 1967 die 500ccm auf seiner perfekt präparierten, privaten Norton.
Wir erinnern uns auch gerne an den Deutschen Ernst Hiller (BMW) und den Engländer Frank Perris (Norton), die zwischen 1957 und 1960 viele Tausende Zuschauer mit ihren unglaublichen Zweikämpfen begeisterten.
Ernst Hiller war in Tubbergen sehr erfolgreich: Er gewann 1957 und 1959 die 500ccm Klasse mit seiner BMW und 1970 mit einer Kawasaki Dreizylinder Zweitakter. 1972 wurde er mit der Kawasaki Zweiter hinter dem Gewinner Piet van der Wal. Auch eine große Anzahl deutscher Fahrer sorgte in Tubbergen für Furore: 1958 und 1960 der Deutsche Willi Scheidhauer, der mit einer Ducati die 125er Klasse gewann. Sein Landsmann Horst Kassner gewann 1958 die Klasse 250ccm auf NSU und 1959 mit der 350ccm (Norton) vor Frank Perris.
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F. Perris vor H. Kassner
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Günter Beer gewann 1960 und 1961 mit einer Adler und anschließend 1963 und 1965, nun aber mit einer japanischen Honda. Der deutsche 500ccm BMW Werksfahrer Ernst Riedelbauch dominierte 1956 in der Königsklasse. Rudolf Gläser gewann 1962 mit einer Norton. Der rasenden Bürgermeister Karl Hoppe aus Diekholzen (bei Hildesheim) war einer der ganz großen Privatfahrer in Tubbergen. 1962, 1963 und 1966 konnte er mit einer 350ccm AJS gewinnen, und 1967 und 1968 gelang ihm ein Sieg mit einer schnellen Aermacchi. 1969 war Karl Hoppe mit der 4 Zylinder 500ccm URS-Solomaschine (Seeley-Fahrwerk, Motor von Helmut Fath) am Start und konnte die 500er Klasse gewinnen.
Des weiteren waren auch die Österreicher mit Ladislaus Richter und Bert Schneider auf diesem Straßenkurs erfolgreich: Richter gewann 1960 mit einer 500ccm (Norton). 1960 und 1961 gewann Rudolf Thalhammer die 350ccm Klasse auf Norton, und 1967 gelang ihm mit einer Aermacchi ein weiterer Sieg in der 250ccm Klasse.
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John Dodds 1971 König
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Theo Louwes 1970 Kawasaki
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Billie Nelson 1971 Hannah-Paton
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Dann gab es noch den späteren Weltmeister (1963/64 Suzuki 50 und 125) Hugh Anderson aus Neuseeland. Er gewann 1961 in Tubbergen mit einer 500er Norton. In diese Reihe gehören auch der Deutsche Walter Scheimann, 1964 Sieger mit einer 125er (Honda) und einer 500er (Norton), Dieter Braun 1969 und 1971 mit seiner Zweizylinder 125ccm Suzuki und 1975 350ccm Yamaha, der in Lindenfels lebende Australier John Dodds (1968 500ccm Norton), Jack Findlay (1975 500ccm Yamaha) und Eric Hinton, der 1966 mit einer Bultaco die 250ccm Klasse gewann. Die Engländer waren auch vertreten durch Trevor Barnes, 1964 250ccm Moto Guzzi, Paul Smart 1970 250ccm Yamaha, Lewis Young 1969 350ccm Aermacchi und Jerry Lancaster, der 1970 Sieger in der 125ccm Klasse Yamaha) wurde.
1968 und 1969 gewann der Schwede Kent Andersson mit einer 250ccm Yamaha. Andersson wurde dann 1973 und 1974 Weltmeister bei den 125ern. Sein talentierter Landsmann Leif Gustafsson konnte 1975 die 250ccm Klasse (Yamaha) gewinnen. 1972 gewann Derek Chatterton 350ccm (Yamaha).
Der Italiener Alberto Pagani, Sohn des Exweltmeister Nello Pagani, gewann 1971 bis 500ccm auf der italienischen Zweizylinder Linto. Takazumi Katayama aus Japan war 1976 auf Yamaha der Schnellste in der 250ccm Klasse.
Nach all diesen illusteren Namen sollen auch folgende Fahrer nicht unerwähnt bleiben: Fred Stevens, Rodney Gould, Ron Chandler, Dave Simmonds, Barry Sheene, der Südafrikaner Edwin-Martin Grant (Teilnehmer 1956), John Smith (Sieger 1965, 500ccm Norton), der Italiener Giuseppe Visenzi (Gewinner1965, 125ccm Honda) und Alan North, der die 350ccm Klasse 1981 gewann.
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Chas Mortimer
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Stan Woods 1970
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Peter Williams - Arter Matchless 1970
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Barry Sheene's Bewerbung
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Barry Sheene 1970 Bultaco
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Alan North
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Tony Rutter
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Paul Smart 1970
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Jerry Lancaster 1971 |
Nach all diesen erfolgreichen, internationalen Fahrern ist es an der Zeit die holländischen Fahrer vorzustellen, die in Tubbergen seit den 50er Jahren erfolgreich waren.
1961 gewann Jan Huberts (125ccm Honda) und 1968 auf einer 125ccm MZ.
Cees van Dongen hat nicht weniger als sieben Mal gewonnen. 1963, 1964 und 1965 auf einer 50ccm Kreidler, 1966 und 1967 (125ccm Honda), 1972 (125ccm Yamaha), 1962 in der 250ccm Klasse mit einer Honda.
Gerade die 50ccm Rennen, die "borrelglaasje klasse" oder "Schnapsglasklasse", wurde von den Niederländern dominiert. Aalt Toersen 1965 und 1966 (Kreidler), 1970 (50ccm Jamathi), Paul Lodewijkx 1967 (Jamathi), Jan de Vries 1971 und 1972 50ccm Kreidler (Weltmeister 50ccm 1971-1973) und Nico Polane, der Sieger 1975 und 1976 auf Kreidler.
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Der einzige ausländische Sieg in der 50er Klasse ging 1977 an den 4maligen Weltmeister der 50er und 80er, den Schweizer Stefan Dörflinger.
Sein schneller Landsmann Hans Müller konnte drei Siege erringen: 1980, 1981 mit einer 125ccm MBA und 1981 mit einer 250ccm MBA.
Theo Bult aus Lonneker gewann 1969 in Tubbergen mit einer 350ccm Yamaha die nationalen Rennen, und gleich im folgenden Jahr konnte er das interationale Rennen in Tubbergen vor dem Engländer Paul Smart gewinnen.
In der Klasse 250ccm waren die Rollen getauscht. Hier gewann Smart vor Theo Bult. Ein Jahr später konnte Bult auf grandiose Weise beide Klassen auf seiner Yamsel gewinnen.
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Auch für Will Hartog erklang in Tubbergen der "Wilhelmus", die niederländische Nationalhymne. Hartog Spitzname war "Witte Reus", der weiße Riese, weil er immer im strahlend weißen Lederkombi gestartet ist. Er gewann 1972 mit einer Yamaha die 250ccm Klasse.
Piet van der Wal gewann 1972 die 500ccm mit einer Kawasaki. Henk van Kessel (Weltmeister 50ccm 1974) gewann 1976 mit einer Condor die 125ccm Klasse.
Auch Fahrer aus der Region um Tubbergen wie Marcel Ankoné konnten sich in Tubbergen eindrucksvoll in Szene setzen. Der Oldenzaler gewann 1976 mit seiner 500ccm Suzuki.
"Jumping Jack" Jack Middelburg feierte 1977 einen Doppelsieg auf Yamaha in der 350er und auf Suzuki in der 500er Klasse, was er auch 1978 wiederholen konnte.
Auch Boet van Dulmen konnte Siegerkränze mit nach Hause nehmen, u.a. nach seinem Sieg 1976 auf einer 350er Yamaha und 1979 durch seinen Doppelsieg in zwei Läufen der Formel 200, auch auf Yamaha.
Der letzte Niederländer, der in Tubbergen gewinnen konnte, war 1981 Willem Zoet auf seiner 500ccm Suzuki, der beim letzten Rennen auf diesem Straßenrennkurs beide Läufe gewinnen konnte.
Erwähnenswert sind auch die Erfolge der regionalen Fahrer in den Junioren- und nationalen Klassen: 1947 Bennie Schipper Vriezenveen 250ccm, 1948-1955 Hein Oude Avenhuis Albergen 125ccm, Ben Jansema Hengelo 1952-1953 350ccm, Gerrie ten Cate Hardenberg 1952-1953 500ccm, 1965 Frans Holtkamp Hengelo 250ccm, 1966 Hennie Jansen Manderveen 350ccm, 1971 Willy Stamsnieder Geesteren 350ccm, 1976 Bennie Wilbers Tubbergen 125ccm, 1976 Hessel Bosch Enschede 250ccm, 1978-1979 Henny Wevers Almelo 250ccm, und 1978 Johan Siemerink Delden 350ccm.
Die Rennen von 1972 wurden von einem schweren Unfall überschattet. Der Hilversumer Fahrer Leo Commu verunglückte auf tragische Weise, und auch ein Zuschauer verlor bei diesem Rennen sein Leben. Nach diesem Jahr beschloss man in der Regionalversammlung von Overijssel, dass die Rennen wegen der Behinderung des Pfingstreiseverkehrs nicht mehr an diesem zweiten Pfingsttag stattfinden dürften. Man bekam zwar die Erlaubnis die Veranstaltung an einem anderen Tag durchzuführen, dies entfachte aber starken Widerstand, da man befürchtete, dass die Besucherzahlen stark zurückgehen würden. Auch 1975 wurde der Antrag, die Pfingstmontagstradition fortzusetzen, wieder abgelehnt und die Organisatoren mussten tatsächlich bis 1979 warten, bis die Rennen wieder am Pfingstmontag im Kalender standen. Allerdings war die Austrahlung, die die Rennen vor 1972 gehabt hatten, verloren gegangen.
1984 war die letzte Veranstaltung in Tubbergen. Zum einzigen Mal fanden die Rennen auf der 3780 Meter langen Strecke zwischen Geesteren und Tubbergen statt.
Auch wegen der Unzufriedenheit der Fahrer, hauptsächlich aber wegen der Sicherheit, waren dies die letzten Rennen. Die Gewinner: 80ccm Hans Spaan (Casal), 125ccm Boy van Erp (MBA), 250ccm Peter Looyesteyn (Waddon), 350ccm Duke Wille (Yamaha) und 500ccm Rob Punt (Suzuki). Nach 37 Jahren bedeutete dies das Ende der Rennen in Tubbergen. Alle Motorradsport-Liebhaber werden sich immer gerne daran erinnern.
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