Erhart Krumpholz † 
(17.11.1912 – 22.11.2008)

von Karl-Heinz Bendix

Wieder gilt es, Abschied zu nehmen von einem wichtigen Mann der langen Zschopauer Sport-Tradition:
Erhart Krumpholz ist am 22. November diesen Jahres wenige Tage nach seinem 96. Geburtstag in einem Pflegeheim in Marienberg verstorben.

Er wurde am 17.11.1912 in Wilkau bei Zwickau geboren, und schon während seiner KFZ-Mechaniker-Lehre stand für ihn fest, dass er Motorsportler werden wollte.           Nach einer damals typischen Anfangszeit im Zuverlässigkeitssport bekam er 1936 den Rennsport-Fahrerausweis, und er begann gleich in der „Königsklasse“ auf einer 500er BMW, die er selbstverständlich ganz allein für die Einsätze vorbereitete. Er benötigte drei Jahre im damals extrem stark umkämpften Ausweissport, bis er die ersehnte Lizenz für die Saison 1939 bekam. Doch wie bei vielen anderen durchkreuzte der Krieg die Rennsport-Karriere-Träume.

Kaum waren die gröbsten Folgen des Kriegs beseitigt, und der Rennsport begann wieder zu existieren ab 1948, da war Erhart Krumpholz natürlich gleich wieder dabei. Selbstverständlich hat ihm der Krieg und seine Folgejahre praktisch ein Jahrzehnt im Sport genommen, aber das galt damals natürlich nicht nur für ihn, sondern für alle Sportler.
Als in Zschopau nach der russischen Demontage feststand, dass die Motorrad-Produktion wieder aufgenommen werden wird, war er gleich von Anfang an dabei, und 1949 konnte er bereits einen Job als Versuchsfahrer ergattern. Die Weiterentwicklung der DKW RT 125 wird sehr bald von offizieller Seite als sporttauglich eingeschätzt, und so entsteht bei der zentralen KFZ-Entwicklung der DDR in Chemnitz eine 125er Rennmaschine für den Fahrer Harald Linke. Die Zschopauer wollten da natürlich nicht zurückstehen, und unter Leitung von Ing. Kurt Kämpf wird in sogenannten Feierabend-Aktivitäten ebenfalls ein Rennmodell auf Basis der RT 125 erarbeitet, wobei sich Hermann Weber’s RT 125-Motor als dankbares „Frisier-Objekt“ erweist, zumindest nach damaligen Maßstäben. Die italienischen Viertakter schienen zu dem Zeitpunkt nämlich noch so unerreichbar weit vorn, was die Leistungsentwicklung betraf, aber die wurden nördlich der Alpen erst etwas später an den Start geschoben.

Erhart Krumpholz war einer der Ersten, wenn nicht sogar der Erste, der die in Zschopau präparierte 125er Rennmaschine fuhr, aber eine offizielle Werksmaschine war das noch nicht. In der damaligen Sport-Organisation war eine Sportbeteiligung direkt durch die Werke nämlich vorerst nicht vorgesehen. Zudem hingen die Trauben in der 125er Klasse damals in der DDR sehr hoch, denn Bernhard „Petrus“ Petruschke, der Vorkriegs-DKW-Werksfahrer, hatte sich mit direkter Unterstützung des Ost-Berliner Ministers Selbmann eine RT 125 für den Rennsport präpariert und dominierte damit die 125er Klasse. Trotzdem schlägt er in der 125er DDR-Meisterschaft 1950 die Zschopauer 125er unter Erhart Krumpholz nur um einen einzigen Punkt.

1951 erarbeitet sich Erhard Krumpholz seine bislang besten Platzierungen, aber es reicht immer noch nicht zur 125er DDR-Meisterschaft. Denn obwohl die Zschopauer 125er deutlich schneller wurde, machte ein Ausfall beim Sachsenring-Rennen einen Strich durch Erhart Krumpholz’ Meisterschaftsträume. So ging der Titel sehr zum Leidwesen aller IFA-Fahrer an den Berliner Jochen Seidel auf der „JSB“, einen Eigenbau auf Puch-Basis.
Dennoch fährt unser Erhart einige bemerkenswerte Rennen in der 51er Saison. Im Westen wird er den am Rennsport Interessierten durch seinen mutigen Fight gegen den legendären DKW-Werksfahrer Ewald Kluge schlagartig bekannt beim ersten deutschen Nachkriegs-Grand Prix auf der Stuttgarter Solitude, der allerdings noch nicht zur WM zählt. Ganz vorn fährt der kommende deutsche Meister H.P. Müller auf der Ingolstädter DKW ziemlich unbedrängt dem Sieg entgegen, denn der Lokalmatador Otto Daiker auf der zwar schon sehr leistungsfähigen, aber immer noch unzuverlässigen NSU Rennfox ist froh, seinen zweiten Platz nach Hause fahren zu können. Um den dritten Platz auf dem Treppchen kämpfen jedoch Ewald Kluge und Erhard Krumpholz Rad an Rad während des ganzen Rennens, und das sachkundige Stuttgarter Publikum ist fasziniert von dem Duell, in dem ein zu dem Zeitpunkt unbekannter „Nobody“ den seinerzeit äußerst beliebten DKW-Star bis zum Zielstrich unaufhörlich attackiert. Ewald Kluge rettet einen knappen Vorsprung von 1,4 Sekunden nach der Renndistanz von 92 km auf der schwierigen Solitude vor 400.000 Zuschauern ins Ziel und sichert sich damit den dritten Platz, aber Erhart Krumpholz distanziert seinen damaligen DDR-Erzrivalen „Petrus“ um mehr als eine Minute, und erst dann kommt Heiner Dietrich auf der zweiten Rennfox auf Platz sechs ins Ziel. Die DDR-Zweitakter haben gezeigt, was sie bereits 1951 zu leisten imstande waren.
Erhart Krumpholz siegt mit der Zschopauer 125er in dem Jahr noch in Schleiz und wird Zweiter beim ungarischen GP in Budapest.

1952 ist dann Erhart Krumpholz’ großes Jahr, in dem er seinen alten Widersacher Bernhard Petruschke die 125er DDR-Meisterschaft abnimmt, wobei die Zuverlässigkeit der Zschopauer 125er und seine Konzentration auf den Titel sich perfekt ergänzen. „Petrus“ war es dieses Mal, der einige Ausfälle hinzunehmen hatte, weil seine neue „ZPH“ mit dem wegweisenden Drehschieber-Motor von Daniel Zimmermann unter den üblichen „Kinderkrankheiten" zu leiden hatte.

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Erhart Krumpholz war stets gut gelaunt
und fröhlich, nicht nur wie hier in seiner
besten Saison 1952.

Nach der 52er Saison ändert sich so gut wie alles in der 125er Klasse des DDR-Rennsports, denn das Potenzial des Zimmermann’schen Drehschieberkonzepts war klar zu erkennen, aber es konnte in der bisherigen Struktur der kleinen Gruppe um Zimmermann natürlich nicht gegen die Industrie zur vollen Reife entwickelt werden. Der schon genannte für die KFZ-Industrie zuständige Ost-Berliner Minister Selbmann zog daraus die notwendigen Konsequenzen und transferierte die Drehschieber-Konstruktion von Daniel Zimmermann gegen dessen Widerstand nach Zschopau und den bisherigen Piloten Bernhard Petruschke gleichfalls mit dorthin. In Zschopau wird endlich eine offizielle Sportabteilung unter Leitung des überaus befähigten Ing. Walter Kaaden eingerichtet, die die Drehschieber-Konstruktion mit den Mitteln des Industrie-Unternehmens weiter zu entwickeln hat. Drei offizielle Fahrer beschäftigt nun die offiziell „Rennkollektiv“ genannte Zschopauer Rennabteilung: natürlich den Titelverteidiger Erhart Krumpholz, sowie die Nachwuchsfahrer Horst Fügner und Siegfried Haase.

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Der „Boss“ des IFA-„Rennkollektivs“ Walter Kaaden und seine drei Werksfahrer in der ersten Saison:
Horst Fügner, Siggi Haase und Erhart Krumpholz

Der 1953er Saisonverlauf erweist sich als schwierig für die Mannschaft um Walter Kaaden, denn es galt, eine vertraglich festgelegte Anzahl Production Racer für die Betriebssport-Gruppen bereit zu stellen. Das führte dazu, dass Bernhard Petruschke sich die 125er DDR Meisterschaft zurückholen konnte, weil die Vorbereitung der Zschopauer Werksmaschinen unter dem Aufbau und der Vorbereitung zu vieler Motorräder litt. Petruschke fuhr jedoch nach wie vor seine ZPH, die er nun mit den Mitteln der Zschopauer Infrastruktur vorbereiten konnte, und trotz seines Alters war er immer noch in Top-Form, ein echter Racer durch und durch. Horst Fügner wurde Vize-Meister, und für Erhart Krumpholz blieb nach einer mit viel Renn-Pech durchsetzten Saison nur ein ex aequo-Platz drei. Er gehörte nun wie auch Petruschke zur alten Racer-Generation, und die Jungen drängten mit Macht nach.

Erhart Krumpholz schaut sich einen Production Racer der in den ersten drei Jahren der 125er Motorrad-WM dominierenden Marke Mondial an. Niemand glaubte zu dem Zeitpunkt daran, dass der simple Zweitakt-Rennmotor nach dem Verbot der Aufladung jemals die Viertakter verdrängen könnte. Doch es dauerte nur wenige Saisons, bis IFA-MZ bis in die Weltspitze vorstoßen konnte.

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Trotzdem gelang es den beiden Alten im 125er DDR-Rennsport auch 1954 noch einmal, den Nachwuchs in Schach zu halten, aber erneut holte der nun voll ins Zschopauer Team integrierte „Petrus“ den 125er DDR-Titel, und Erhart Krumpholz musste sich damit begnügen, die jungen Werksfahrer Horst Fügner und Siggi Haase auf die Plätze verwiesen zu haben.  

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Wer wusste, dass sogar der deutsche Spitzenfahrer jener Jahre, Werner Haas, jemals auf einer 125er IFA gesessen hat?
Die Sitzprobe auf Erhart Krumpholz' Maschine hat beiden offensichtlich viel Spaß gemacht.

Bernhard Petruschke wechselte nach der 1955er Saison in das Management des Zschopauer Teams, doch Erhart Krumpholz blieb immer noch im Sattel der Zschopauer Werksmaschinen. 1956 wurde er noch einmal DDR-Vizemeister in der 125er Klasse, aber die gezielte Förderung des DDR-Nachwuchses brachte etliche Talente nach vorn, wie zum Beispiel Ernst Degner, Walter Brehme und Werner Musiol. Da Erhart Krumpholz nun bereits 44 Jahre alt war, wurde es Zeit für ihn, den Generationen-Wechsel aktiv einzuleiten. Lange Zeit waren seine für die 125er Klasse geradezu prädestinierte Jockey-Figur, seine durchtrainierte Physis und seine Kenntnis der Technik der Zschopauer 125er seine schwer im Rennsport zu schlagenden Vorteile, doch nun merkte er selbst, dass es Zeit war für eine Neuorientierung.

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1956 erreichte die MZ Re 125 die Form, dass die künftige Teilnahme an der kompletten WM-Saison sinnvoll erschien. Die Karriere von Erhart Krumpholz hingegen – hier zu sehen am Sachsenring – neigte sich dem Ende zu, denn schließlich war er bereits 44 Jahre alt, aber physisch immer noch topfit.  

Er blieb selbstverständlich dem Rennsport treu und arbeitete weiter in der Sportabteilung. Aber sein Schwerpunkt bewegte sich in Richtung Nachwuchsförderung und Werbung. Er dokumentierte die Rennen nun mit seiner Kamera und in den Wintermonaten zeigte er das GP-Flair bei Dia-Vorträgen in den Betriebssportgruppen. Wer damals dabei war, schwärmt heute noch davon.

Einmal noch steigt er doch wieder in den Sattel einer MZ-Rennmaschine, und zwar im Alter von bereits 50 Jahren beim Sachsenring-GP 1962. In dem Jahr wurde die Weltmeisterschaft auch für die 50 ccm-Klasse ausgeschrieben, und MZ entwickelte dafür über den Winter die RE 50. Das Projekt störte aber eher die sowieso schon knappen Ressourcen der Zschopauer Sportabteilung, die sich schließlich auch noch mit einer großen Stückzahl an GS-Maschinen zu beschäftigen hatte. So wurde das Projekt am Saisonanfang nicht fertig, und auch zum Heim-GP auf dem Sachsenring war der Stand der Leistungsentwicklung noch nicht wirklich konkurrenzfähig. Erhart Krumpholz war selbst mit 50 Lenzen immer noch ein Leichtgewicht und damit bestens geeignet für das „Rennerle“, und so bot man sie ihm für den ersten 50er GP auf dem Boden der DDR an. Die MZ-Spitzenfahrer sollten selbstverständlich in der Achtel- und Viertelliter-Klasse punkten. Die beiden an den Start geschobenen RE 50 hatten mit dem Rennausgang an der Spitze nichts zu tun und kamen auf Platz acht und neun ins Ziel, wobei Walter Brehme die Zielflagge vor Erhart Krumpholz sah. Heute könnte man sagen, dass Erhart seine Rennkarriere immerhin mit einer „Top Ten“-Platzierung bei einem WM-Lauf beenden konnte, aber damals ging man bescheidener damit um.

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Erhart Krumpholz' letztes Rennmotorrad,
die MZ RE 50 auf dem Sachsenring 1962

Erhart Krumpholz förderte zudem bereits seit einigen Jahren systematisch die Rennsport-Karriere seines Sohnes Dieter, so dass der bereits 1962 in den Kreis der Zschopauer Förderung der Club-Fahrer kam. 1964 war es dann soweit, dass Dieter Krumpholz           einer der drei Nachwuchsfahrer auf den Achtgang-125er Werksmaschinen wurde, zusammen mit Heinz Rosner und Klaus Enderlein. In Finnland konnte er seinen ersten WM-Punkt ergattern zu einer Zeit, als es in der Klasse von japanischen Werksmaschinen nur so wimmelte. Bei seinem Heimrennen am Sachsenring gelingt ihm 1965 mit einem zweiten Platz in einer Regenschlacht hinter dem Sieger Frank Perris auf dem Suzuki-Twin der Sprung auf Platz zwei des Treppchens. Die Karriere-Aussichten des wirklich talentierten Dieter Krumpholz waren ausgezeichnet, doch dann kam alles ganz anders als es von seinem Vater und „Trainer“ Erhart geplant war: Dieter Krumpholz verunglückte am 22. April 1966 auf einer Fahrt mit einem Testmotorrad in der Nähe von Flöha tödlich.

Erhart Krumpholz brauchte natürlich Zeit, um diesen Schicksalsschlag zu überwinden, aber dann war er später nach dessen Verarbeitung dennoch wieder der stets gut gelaunte und fröhliche Mensch, als den ich ihn viele Jahre später kennen lernen durfte.
Kraftfahrzeuge blieben sein Interessensgebiet, und er blieb weit über das übliche Rentenalter als Kraftfahrer für das MZ-Werk aktiv. Selbst im hohen Alter interessierten ihn immer noch die Diskussionen über den aktuellen Rennsport, und bei den Gesprächen über seine eigene Karriere konnte er immer manche lustige Anekdote aus den frühen Jahren des DDR-Rennsports zum Besten geben.

In den letzten Jahren verschlechterte sich seine früher kaum zu erschütternde Gesundheit fortwährend, so dass sein Ableben nun als Erlösung von den Gebrechen des hohen Alters gedeutet werden sollte.
Wir werden ihn als den liebenswerten Senior des DDR-Rennsports in dankbarer Erinnerung behalten.

www.classic-motorrad.de trauert mit den Angehörigen.


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