Die Friedel Münch Story

 Das Leben des begnadeten Technikers und Konstrukteurs Friedel Münch prägte die Einstellung „geht nicht, gibt es nicht“. Lange bevor japanische Motorradfirmen an Vierzylinder-Straßenbikes dachten, baute der hessische Kfz-Meister das erste Big Bike. Als er 1966 seine „Mammut“ vorstellte, stand die Fachwelt Kopf. Bis heute hat dieses außergewöhnliche Motorrad mit dem Vierzylinder-NSU-Automotor nichts von seiner Faszination verloren und wenn alles gut geht, gibt es ab 2001 sogar ein Nachfolgemodell.


Münch-4 TTS 1200


Münch-Mammut-2000

Sein Handwerk hat Friedel Münch von der Pike auf gelernt. Während des Zweiten Weltkrieges absolvierte er nach dem Schulabschluss eine Kraftfahrzeugschlosser-Ausbildung. Gleich zweimal war der begabte Techniker Reichssieger im Berufswettkampf und gelangte so in die finanziellen Vorzüge der Begabtenförderung. Kurz vor seinem 18. Lebensjahr musste auch er wie viele seiner Altersgenossen die letzten Kriegstage zur Wehrmacht. Seinen Dienst absolvierte Münch beim technischen Personal der Luftwaffe.
Nach Kriegsende wagte er den Sprung in die Selbständigkeit. Bei seinem Vater, der in Nieder-Florstadt bei Friedberg eine Horex-Vertretung und eine Aral-Tankstelle betrieb, richtete sich Münch Junior in den Kellerräumen eine kleine Werkstatt ein. Hier werkelte er an allen möglichen Motorrädern herum und legte den Grundstock für eine zukünftige Existenz. In der gut eingerichteten „Schrauberbude“ konnte er alles reparieren, was ihm unter die Finger kam. Da Neuteile aber kaum zu bekommen waren, musste der begabte Kfz-Schlosser oft improvisieren.
 Nach dem Motto „geht nicht, gibt es nicht“ brachte der Jungunternehmer alles, was nicht mehr lief, wieder zum Laufen. Nach der Währungsreform blühte die Wirtschaft an allen Ecken und Enden wieder auf. Auch Friedel Münch konnte sich vor Aufträgen kaum retten.
 So „ganz nebenher“ schaffte er beim Christiani-Lehrgang in Konstanz die Maschinenbau- und Elektronikprüfungen mit der Note „sehr gut“ und fand darüber noch die Zeit, seine 500er Horex S5 für seinen ersten Renneinsatz vorzubereiten. Im Frühjahr 1948 war es soweit. Der junge Heißsporn beteiligte sich 20jährig mit der frisierten Einzylinder-Horex bei einem Rennen auf dem Hockenheimring. Schon im Training verblüffte er die gesamte Konkurrenz mit einem Rundenschnitt von 147,2 km/h. Doch im Rennen kam er nicht weit. Nur wenige Runden nach dem Start flogen ihm die „Brocken“ um die Ohren. In dem knüppelharten Renneinsatz war der betagte Stoßstangen-Motor einfach überfordert. Also konstruierte und baute der Pfiffikus den Motor um. Der Ölkreislauf wurde auf Trockensumpfschmierung - 5 Liter Ölhaushalt! - mit einem zusätzlichen Ölfilter umgebaut. Bei den nächsten Rennen hielt nun das Triebwerk. Aber die Konkurrenz schlief auch nicht.
Nun war mehr Leistung gefragt. Da aber der Stoßstangen-Motor schlicht am Ende war, zeichnete Münch für den 500er Dampfhammer einen neuen Zylinderkopf mit zwei obenliegenden Nockenwellen. Den Antrieb übernahm eine Königswelle. Mit großen finanziellen Opfern setzte er diese Idee in die Tat um. Da diese Maschine nur noch wenig mit dem ursprünglichen Horex-Triebwerk zu tun hatte, nannte er sie „Münch-Spezial“. Nach einem Rennsturz musste der angehende Rennfahrer den Sturzhelm aber vorzeitig „an den Nagel hängen“ und verborgte fortan die Rennmaschine an talentierte Nachwuchsfahrer.

 Die „Münch-Spezial“ sorgte aber nicht nur auf der Rennstrecke für Furore, auch bei Horex in Bad Homburg wurde man auf den jungen Techniker aufmerksam. Und da das Motorrad-Werk nur 20 km von seinem Heimatort entfernt war, nahm Münch 1955 das Angebot, in der Versuchs- und Rennabteilung zu arbeiten, gerne an. Doch nach sechsmonatigem „Angestelltendasein“ kehrte Münch in seine „eigenen vier Wände“ zurück. Hier konnte er sich bedeutend besser entfalten und war obendrein sein eigener Herr. Neben den Einzylinder-Maschinen von Horex hatte es ihm besonders der neue Imperator-Motor angetan. Dieses 400 ccm Zweizylinder-Triebwerk mit einer obenliegenden Nockenwelle eignete sich hervorragend zum Tunen. Für den Renneinsatz bohrte er den Zylinderblock auf 500 ccm auf, polierte Ein- und Auslasskanäle, tauschte den Original-Vergaser gegen einen Weber-Doppelvergaser und baute die Ölbadkupplung auf Trockenkupplung um. Mit der „scharfen“ Renn-Nockenwelle und offenen Renntüten brachte es das Triebwerk auf beachtliche 48 PS.


500er-Münch-Renn-Horex


500er Münch Straßen-Horex

 Als 1956 das Horex-Werk für immer seine Tore schloss, kaufte Münch die gesamten Fertigungsvorrichtungen für die Motorenproduktion plus Ersatzteilstock auf. Nun konnte er nicht nur alle dringend benötigten Teile selber nachbauen, sondern auch komplette Motoren erstellen. 
Bei der Vorbereitung der Renntriebwerke griff er auf einen umfangreichen Erfahrungsschatz zurück. Kein geringerer als der spätere sechsfache Gespannweltmeister Klaus Enders fuhr mit einer 500er „Münch-Horex“ seine ersten Erfolge nach Hause.
Aber nicht nur mit dem Warten und Tunen von Motorrädern beschäftigte sich der Zweiradspezi. Anfang der sechziger Jahre tüftelte er bereits ein Vierzylinder-Aggregat aus.


DOHC-Vierzylinder-Zeichnung

Die Idee für diesen Motor kam ihm in der Horex-Rennabteilung. Dort hatte er nämlich einen Zylinderkopf für einen Vierzylinder-Motor entdeckt, dieses Projekt wurde bei Horex aber nie zu Ende geführt. Für Münch war dieser Vierzylinder-Motor eine riesige Herausforderung. Den Zylinderblock setzte er aus zwei Imperator-Zylinderblöcken zusammen, konstruierte und baute vier stabile Pleuel sowie die Kurbelwelle und ließ den Motorblock gießen. Der mit zwei obenliegenden Nockenwellen ausgestattete Reihenmotor sollte bei 12000/min bis zu 60 PS leisten. Da sich Münch nur sporadisch mit der Herstellung dieses Triebwerkes beschäftigen konnte, zögerte sich die Fertigstellung allerdings immer wieder hinaus.

Inzwischen wurden die Motorräder im Rennsport, aber auch auf der Straße, immer schneller. Dagegen hinkte die Leistungsfähigkeit der Bremsanlagen arg hinterher. Diesem Manko rückte Münch ebenfalls zu Leibe.


Norton mit Münch-Bremse

Seine „Münch-Rennbremse“ war 1964 eine echte Sensation. Die Duplex-Bremse hatte einen Durchmesser von 250 mm und die Belagbreite betrug 45 mm. Bremstrommel und Bremsteller waren aus Gewichtsgründen aus Elektronguss gefertigt, nur der Bremsring war aus einer Speziallegierung in die Trommel eingeschrumpft. Mit wenig Handkraft ließ sich das Vorderrad auch bei hoher Geschwindigkeit zum „Wimmern“ bringen. Bis zur Einführung von serienmäßigen Scheibenbremsanlagen (Honda CB 750 Four, 1968), war die „Münch-Bremse“ das Maß der Dinge. Das Nachrüstrad mit 18-Zoll-Felge kostete damals 450 Mark.

Mitte der sechziger Jahre war der Zweiradmarkt in Deutschland fast auf den Boden gesunken. Doch Friedel Münch glaubte weiter an das Motorrad. Zwar war sein Vierzylinder-Motor immer noch nicht ganz fertig, doch die Idee, ein eigenes Straßenmotorrad auf die Räder zu stellen, ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Für dieses Vorhaben war aber sein Rennmotor kaum geeignet. Um seinen Plan dennoch zu verwirklichen, musste er sich nach einem bereits vorhandenen Motor umsehen. Denn das geplante Motorrad sollte alle Normen sprengen. Es sollte hubraum- und leistungsstark, robust, langlebig und reparaturfreundlich sein, über ein gutes Handling verfügen und selbstverständlich auch gespanntauglich werden. Auf der Suche nach einem geeigneten Antriebsaggregat stieß der emsige Tüftler auf den Vierzylinder-Reihenmotor vom eben vorgestellten 1000er NSU-Prinz.


NSU-Prinz

Dieses luftgekühlte Auto-Triebwerk bot sich geradezu an. Mit 55 PS stand der Motor gut im Futter und bot darüber hinaus eine optimale Basis, um noch einige Pferdestärken zusätzlich zu mobilisieren.


NSU-Motorzeichnung

Im Geiste stand das Motorrad bereits schon vor ihm. Doch bis es soweit war, sollte es doch noch etliche Probleme geben.
Da Friedel Münch kein Interesse hatte, dieses Triebwerk einfach in einen BMW-, Norton- oder Zündapprahmen einzubauen, entschied sich der „technische Hans Dampf in allen Gassen“, die erforderlichen Teile um den Motor herum selber herzustellen. Ein Arbeitsaufkommen, das aber nur nebenbei erledigt werden konnte, denn die Betreuung der Kundenmaschinen hatte nicht nur Vorrang, mit ihr wurde schließlich das Einkommen für seinen Betrieb gesichert. Doch wer Friedel Münch je kennen gelernt hat, weiß, dass es für ihn nie einen „Feierabend“ gegeben hat. Oft genug wurde bis spät in die tiefe Nacht gewerkelt. Stück für Stück entstand ein Motorrad, das für Aufsehen sorgen sollte.
Nach klassischem Vorbild des Doppelschleifen-Rahmens wurde das Chassis aus Präzisions-Stahlrohr zusammengeschweißt. Um das Fahrzeuggewicht so niedrig wie nur möglich zu halten, ließ Münch ohne Rücksicht auf Kosten die Rohlinge für Schwinge, Gabeltauchrohre und Gabeljoche sowie einige Motorgehäuse aus hochwertigem Elektronguss fertigen. Diese im Flugzeugbau verwendete Magnesiumlegierung lässt sich hervorragend bearbeiten, ist leichter als Aluminium, aber trotzdem stabiler. Einziger Nachteil von Elektronguss ist die Korrosionsempfindlichkeit. Daher muss die Oberflächenlackierung immer einwandfrei in Ordnung sein. Anderenfalls kann es passieren, dass das Material brüchig wird. Die anschließende Weiterbearbeitung der Gussrohlinge erfolgte in seiner Werkstatt. Bei dem Vorderrad konnte er auf seine bewährte Duplex-Rennbremse mit 18 Zoll Hochschulterfelge zurückgreifen, hinten wurde der 4.00 x 18 Pneu auf ein Speichenrad mit Trommelbremse gezogen. Trotz 5 mm starker Speichen war das Rad, wie sich jedoch später herausstellte, der gewaltigen Motorleistung nicht gewachsen. Bereits nach 500 Kilometern lösten sich die Speichen-Nippel, und das Rad wurde instabil. Vom ursprünglichen NSU-Motor konnte Münch effektiv nur noch das Motorgehäuse mit der Kurbelwelle, Zylinderblock sowie Zylinderkopf verwenden. Die Ölwanne, Primärantrieb, Getriebegehäuse, sowie Vergaser- und Auspuffanlage mussten nicht nur neu konstruiert, sondern auch hergestellt oder organisiert werden. Die 5,5 Liter fassende Ölwanne, das Primär- und Getriebegehäuse wurden aus Elektronguss gefertigt.

 Der Primärantrieb erfolgte über Stirnräder, und eine Mehrscheiben-Trockenkupplung übertrug die Motorkraft an das modifizierte Horex-Vierganggetriebe. Den Endantrieb übernahm eine offenlaufende Rollenkette. Knapp ein Jahr werkelte Friedel Münch Abend für Abend und Wochenende für Wochenende an diesem Motorrad, das eigentlich schon gar nicht mehr seine Maschine war. Der französische Motorradhändler und Rennfahrer Jean Murit hatte sie ihm - bevor das Bike einen Meter gefahren hatte - bereits abgekauft.
Am 27.2.66 war es endlich soweit. Im kleinen Kreis von Fachleuten und einigen Journalisten stellte Münch seinen Prototyp vor. Das gewaltige Aussehen dieses „Auto-Motorrades“ brachte ihr gleich den Namen „Mammut“ ein.


 Mammut-Logo

Diese Bezeichnung ist der Maschine bis heute treu geblieben. Zwar durfte dieser Name nie offiziell verwendet werden, da er anderweitig bereits geschützt war, doch das störte weder die Münchfahrer, noch die, die von ihr sprachen.
Bevor die Maschine endgültig ihre Reise nach Frankreich antrat, ließ es sich Friedel Münch aber nicht nehmen, mit ihr nach Neckarsulm ins NSU-Werk zu fahren. Vom Generaldirektor Dr. G.S. von Heydekampf über den technischen Direktor Dipl.-Ing. Viktor Frankenberger bis hin zum NSU-Testfahrer und Ex-Geländemeister Werner Sautter drängelte sich eine Heerschar von interessierten Schaulustigen um das Motorrad. Die Begeisterung und Anerkennung für die von Friedel Münch geleisteten Arbeit war bei den NSU-Machern riesengroß. „Das schnellste deutsche Motorrad wird von einem NSU-Motor angetrieben“, schwärmte ein Firmen-Mitarbeiter in der Runde.

 Da die Teileversorgung für die nächsten Jahre sichergestellt war, brauchte sich Münch um die Weiterproduktion seiner „Mammut“ keine Sorge zu machen. Denn bei dem Prototyp sollte es ja schließlich nicht bleiben. Die zweite Münch-4 -Fahrgestellnummer 001- , wie das Bike ab jetzt offiziell hieß, unterschied sich aber in vielen Detailänderungen vom Vorgänger.
Herausragende Änderung war das neue Hinterrad aus Elektronguss mit integrierter Ø 250 mm Duplex-Trommelbremse.

 Dieses mächtige „Schaufel-Rad“ löste das anfällige Speichenrad ab und wurde zum Markenzeichen der „Mammut“. Die Münch-4 war das erste Straßenmotorrad, das mit einer Gussfelge ausgestattet wurde. Mit der Konstruktion der neuen Hinterradschwinge, bei der der linke Holm als Kettenkasten diente, war Münch seiner Zeit ebenfalls weit voraus. In diesem geschlossenen Kasten lief die Antriebskette immer gut geschmiert in 90er Getriebeöl. Durch die Vollkapselung war sie vor Spritzwasser und Straßenschmutz perfekt geschützt.


Oelbad-Kettenkasten  

 Musste bei anderen „Kettenmaschinen“ die Kette alle Naselang gefettet und gespannt werden, brauchte bei der Münch-4 - je nach Fahrweise - lediglich alle 500 bis 1000km die Kette nur gespannt werden. Für diese Wartungsarbeit war im unteren Gehäuse eine mechanische Spannervorrichtung untergebracht. Ohne Lösen der Hinterradachse und Verschieben des Hinterrades, wie sonst üblich, ließ sich mit nur wenigen Handgriffen die Kette spannen. Mit diesem Trick war gewährleistet, dass die Radspur immer exakt fluchtete.
 Die Führung des Vorderrades mit der bewährten „Münch-Bremse“ übernahm die selbstgefertigte Telegabel mit 40 mm Standrohrdurchmesser. Ein weiteres Münch-Merkmal wurde der gewaltige Scheinwerfertopf aus Elektronguss mit den eingebauten Auto-Doppelscheinwerfern vom NSU-TT, sowie das Fahrzeugheck, das ebenfalls aus Elektronguss hergestellt war. In dieser Radabdeckung, die gleichzeitig als Sitzbankunterbau diente, war im rechten Seitenkasten die Batterie und im linken Kasten ein Teil der elektrischen Anlage sowie das Bordwerkzeug untergebracht. Als Antriebsaggregat diente nun der 1100er NSU-Motor mit 55 PS bei 6000/min. Der Primärkasten war komplett überarbeitet, um eine verstärkte Kupplung sowie einen E.-Starter unterzubringen.
So, wie sich die Münch-4 im Herbst 1966 auf der IFMA in Köln präsentierte, wurde sie, abgesehen von kleinen Änderungen, bis 1976 gebaut.

Wirkte der Prototyp mit den Chromschutzblechen, dem hinteren Speichenrad und den schlanken vier Auspuffrohren noch ausgesprochen filigran, verdiente die Münch-4 nun ihren Beinamen „Mammut“ zu Recht. Fahrfertig brachte sie 260 kg auf die Waage. Auf Grund des Gewichtes und der hohen Sitzposition war sie aber nichts für „Hanswürste“. Motorradfahrer unter 1,70 Meter hatten ihre liebe Not, sicher mit den Füßen den Asphalt zu erreichen. Beim Rangieren waren ordentliche Muskeln erforderlich. Doch war der Koloss einmal am Rollen, war das Gewicht schnell vergessen, und im Fahrbetrieb entpuppte sich das Handling als außerordentlich gut, die Straßenlage war perfekt. Zielgenau ließ sie sich genau dahin dirigieren, wohin ihr Fahrer die Nase richtete. In puncto Motorcharakteristik setzte das NSU-Triebwerk vollkommen neue Maßstäbe. Da Friedel Münch die Schwungmasse auf ein Minimum reduziert hatte, hing der Motor wie eine Turbine am Gas. Wurden die Drosselklappen der zwei Weber-Doppelvergaser voll aufgerissen, drehte der Motor blitzartig hoch. In sensationellen 4,5 Sekunden beschleunigte sie von 0 auf 100 km/h und nach 20 Sekunden standen 180 km/h auf dem Tacho. Begleitet wurde dieses Inferno von einem aggressiven Ansauggeräusch aus den offenen Vergasern und einem tiefen Gebelle, das aus den beiden Frankfurter-Töpfen kam. Kaum spürbar waren die Motorvibrationen. Das Triebwerk lief seidenweich. Heute ist es nur schwer vorstellbar, welchen Fahreindruck dieses Vierzylinder-Motorrad hinterließ. Ganz gleich wo dieses Ungetüm auftauchte, für Aufregung war sofort gesorgt. Mit der „Mammut“ machte man keine Show, sie war die Show!

 Von der Münch-4 mit dem 1100er Motor wurden bis 1968 etwa 30 Maschinen gebaut.


1100er

In jedem Motorrad steckte eine kleine Verbesserung; von einer Serienfertigung konnte daher keine Rede sein, was sich im Laufe der späteren Produktion nie ändern sollte. Keine Münch glich der anderen!

Immer noch kümmerte sich Friedel Münch um die Horex-Kundschaft und konnte in seinem Betrieb fast jeden Fremdauftrag erledigen. Die Fahrzeugproduktion lief am Rande mit. Doch insgeheim wünschte er sich, ausschließlich nur noch sein Motorrad zu bauen. Ein Zufall kam diesem Wunsch entgegen. Der amerikanische Verleger und Motorradfan Floyd Clymer hatte aus der Ferne alle Ereignisse, die mit der „Mammut“ in Verbindung standen, genauestens verfolgt.

Ab 1968 stieg Clymer finanziell ins Motorradgeschäft ein. Inzwischen war die Firma Münch auf 14 Mitarbeiter gewachsen, und im gleichen Jahr zog der Betrieb nach Ossenheim in eine als Werkstatt umgebaute ehemalige Schmiede um. Hier musste sich die Münch-4 einer gründlichen Modellpflege unterziehen. Anstelle der Eigenbau-Telegabel sorgte nun die qualitativ gleichwertige Rickman-Gabel mit 41,3 mm Strandrohrdurchmesser für die Federarbeit.


Rickman-Gabel  

Nach schlechten Erfahrungen mit den bisher verwendeten englischen Kunststofftanks stellte Münch den ehemaligen Hoske-Mitarbeiter Gustav Beckmann ein. Jetzt konnte man individuell nach Kundenwunsch die Tanks - von 24 bis 45 Liter - im eigenen Betrieb herstellen.

Besonderes Augenmerk schenkte Münch dem neuen NSU 1200 TT Motor. Von Haus aus leistete das Triebwerk 65 PS bei 5500/min. Mit „scharfen“ Nockenwellen des NSU-TTS Motors, polierten Ein- und Auslasskanälen sowie Anhebung der Verdichtung von 9,5:1 auf 10,5:1 steigerte der routinierte Tuner die Motorleistung auf 88 PS bei 6500/min.


1200er mit 88PS  

  Verkraftete der Motor diesen Leistungszuwachs problemlos, zeigte sich die Trocken-Kupplung überfordert. Wer beim Anfahren die Kupplung zu lange schleifen ließ, konnte im Nu die Beläge verheizen. Erst als verstärkte Sinterbeläge verbaut wurden, war das Problem einigermaßen behoben. Die Motorräder für den Export wurden unter dem Namen „Clymer-Munch MAMMOTH IV“ im Land der unbegrenzten Möglichkeiten verkauft.


Clymer-Logo  


Münch-4-Logo  

 Die gute Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Teilhaber Clymer und steigende Nachfrage ließen bald neue Pläne reifen.


Münch-4-Prospekt

Doch dann kam eine schwere Krankheit des Geschäftspartners dazwischen. Als Nachfolger stieg der amerikanische Millionärssohn George Bell ins Geschäft ein. Für zwei Millionen Mark wurde im Industriegebiet von Altenstadt bei Friedberg die Münch-Motorradfabrik errichtet. Jetzt konnte sich Friedel Münch ausschließlich auf die Produktion seiner Motorräder konzentrieren. Das Primärgehäuse wurde so verändert, dass eine größere Kupplung eingebaut werden konnte. Nach dieser Modifikation gab es mit verbrannten Belägen keinen Ärger mehr.
 Über der neuen Münchfabrik stand jedoch kein guter Stern. Als die Verkäufe in den USA rapide nachließen, musste Ende 1971 die Münch KG Konkurs anmelden. Bell trennte sich „über Nacht“ von Münch, doch nach seinem selbst gesetzten Leitspruch „geht nicht, gibt es nicht“ suchte und fand Friedel Münch in dem Verpackungshersteller Hassia einen neuen Partner. Von finanziellen Sorgen weitgehend entlastet, widmete sich Friedel Münch nun wieder vorrangig der Weiterentwicklung seiner Mammut. 

Auffälligste Änderung ab dieser Zeit war das neue Heckteil und die Frontpartie.


Münch mit neuem Heck  

 Der hintere Rahmenausleger mit der Radabdeckung aus Elektronguss wurde weggelassen und durch ein neues selbsttragendes Heckteil aus Elektronguss, an das die beiden Koni-Federbeine direkt angeschraubt wurden, ersetzt. Wem der mächtige Doppelscheinwerfer nicht gefiel, konnte das Bike statt dessen mit einem großen Rundscheinwerfer und separaten Honda-Instrumenten bestellen.


Rundscheinwerfer

Auf Kundenwunsch konnte der Hubraum auf 1300 ccm erweitert werden.

 Mittlerweile waren 40 Leute in der Motorradfabrik beschäftigt, die sich über Arbeitsmangel kaum beschweren konnten. Die Nachfrage war für das kleine Werk gewaltig. In einem Monat lag der Produktionsrekord bei 30 Maschinen, und manche Münch-4 Kunden mussten monatelange Lieferzeit in Kauf nehmen.
In Zusammenarbeit mit der Firma Kugelfischer entwickelte Münch erstmalig für ein Straßenmotorrad
eine Einspritzanlage.


Schnitt-Motor

Nach dieser Modifizierung stieg die Motorleistung auf knapp 100 PS. Ab 1973 gab es die Münch-4 TTS mit Vergasern (88 PS) oder als TTS-E mit Einspritzanlage (96 PS).


Vergaser-Motor


Einspritz-Motor

Trotz dieser Bemühungen wurde es bald immer schwieriger, die Mammuts an den Mann zu bringen. Inzwischen gab es eine Reihe von japanischen und italienischen Bikes, die hervorragende Fahrleistungen besaßen und noch dazu als Großserien-Maschinen preislich erheblich günstiger lagen. Die geschäftliche Ehe mit dem Hassia-Konzern dauert bis Ende 1973, und wieder stand Friedel Münch vor der Frage, wie es mit seinem Betrieb weitergehen soll. Die Münch GmbH musste zum zweiten Mal Konkurs anmelden, und Friedel Münch büßte mit dem Verlust seines Privatvermögens. Für 1,2 Millionen Mark kaufte der Frankfurter Münchfahrer und Geschäftsmann Heinz W. Henke die gesamte Konkursmasse samt den Rechten an dem Münch Firmennamen. Zwar konnten die "Mammuts" nun weitergebaut werden, doch der geistige Vater und eben noch selber Fabrikant, war jetzt nur noch Technischer Leiter. Gut zwei Jahre funktionierte diese Zusammenarbeit, dann trennte man sich. '
Ab dieser Zeit muss die Münch-Geschichte zweigleisig betrachtet werden. Bleiben wir zuerst bei Henke und der Münch-4. Die unter Henke gefertigten „Mammuts“ hatten mit dem „Urvieh“ nicht mehr viel gemeinsam. Die echten Münch-Fans können der neuen Generation nichts abgewinnen und lediglich drei „Mammuts“ wurden unter der neuen Regie gebaut.


Henke-Münch  

 Anfang 1980 stellte man bei Henke die Produktion ein. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden insgesamt 478 Münch-4 Motorräder gebaut.
In den nächsten vier Jahren blieb es ziemlich ruhig um das Big Bike. 1984 kaufte Münchfan Jens Hallhuber aus Boltersen den gesamten Warenbestand, die Fertigungseinrichtungen, Gussformen nebst Namensrechten dem Firmeneigner Henke ab.

Im Oktober 1985 gründete der rührige Jungunternehmer den Münch-4-Club e. V. - der heuer etwa 80 Mitglieder zählt - und brachte eine eigene Clubzeitung heraus. Am 30. 9. 1991 verstarb Jens Hallhuber im Alter von 36 Jahren. Heute kümmert sich die Firma DBH Motorrad Technik in Lüneburg um die Belange der Münch-Kundschaft.


DBH-Team


rechts Hallhuber

 Für die Club-Angelegenheiten ist Wilhelm Groh zuständig - 
er besitzt auch das
„Friedel Münch Museum“  in Walldorf.


Wilhelm Groh  

Nun aber wieder zurück zu Friedel Münch. Mit seinem langjährigen Mitarbeiter Roland Witzel gründete er 1977 in Nidderau-Erbstadt die Horex-Motorrad GmbH. Viele der alten Motorradkunden hielten Münch die Treue. Ob nur zu einer regelmäßigen Inspektionen, einer Reparatur oder irgendeiner technischen Verbesserung, bald standen zahlreiche „Mammuts“ nicht bei Henke, sondern bei Münch in der Werkstatt.
 In den folgenden Jahren tüftelte er einige Modellverbesserungen aus. Er ließ neue Gussfelgen anfertigen und rüstete die umgebauten Fahrzeuge mit Scheibenbremsen aus.


Gussfelge - Scheibenbremse  

 Ein neuer Alu-Zylinder vergrößerte den Hubraum auf 1400 oder 1600 Kubikzentimeter. Um die Leistung zusätzlich weiter zu steigern, konstruierte er an sieben Münch-4 TTS-E einen Turbolader. Dieser auf 1400 ccm umgebaute ehemalige NSU-Automotor leistete nach dieser Kur beachtliche 142 PS.
Aber nicht nur mit der Weiterentwicklung seiner „Mammuts“ beschäftigte sich der Handwerksmeister. In mühevoller Arbeit stellte er ohne fremde Hilfe drei Motorräder mit dem Namen „Horex 1400 TI“ -TURBO-INJECTION- auf die Räder. In das neue Zentralrohr-Chassis war wie früher ein Vierzylinder-NSU-Motor eingebaut. Diese Bikes hatten sehr viel Ähnlichkeit mit der Münch-4, wirkten aber noch viel gewaltiger. Der Hubraum war auf 1400 ccm erhöht, und das Triebwerk war mit einer Einspritzanlage und Abgas-Turbolader ausgerüstet. Bei 0,55 bar Ladedruck leistete der Motor 143 PS bei 7000/min.
Auf Wunsch seines amerikanischen Freundes Paul Watts setzte Münch noch mal eins oben drauf. Speziell für den ersten Vorsitzenden des amerikanischen Münch-Clubs baute er ein Motorrad der Superlative. Die „Titan 1800“ ähnelt wieder stark der legendären Mammut, strotzte aber mit gewaltiger Motorleistung.


Titan-1800 von Paul Watts  

Der auf 1800 ccm gebrachte Vierzylinder-Motor mit Einspritzanlage wurde von einem Wankel-Kompressor aufgeblasen und leistet nun sogar 150 PS bei 7800/min. Den Wert dieses Fahrzeugs gab sein Erbauer mit 60.000 Mark an.

Doch die Krönung seines Schaffens verwirklichte Friedel Münch nach dem Umzug 1987 in die neue Werkstatt in Laubach bei Schotten. Unterstützt von seinem Sohn Rainer verdiente er hier zwar in erster Linie das Geld mit Lohnarbeiten, konstruierte und fertigte aber sozusagen nebenher, in zweijähriger Bauzeit, die bis dahin wohl größte und mächtigste Münch „Mammut“.
Nach dem Motto „machen, was machbar ist“ steckte er sein gesamtes Wissen in dieses Projekt. Das Vierzylinder-NSU-Triebwerk war kaum noch wiederzuerkennen. Der Zylinderkopf stammte vom VW K70 und den Luft-ölgekühlten Zylinderblock mit Zweiliter-Hubraum hatte Münch selber hergestellt. Auch die Kurbelwelle war selber gefertigt. Wird das Triebwerk nur mit der Einspritzanlage gefahren, leistet der Motor  „zahme“ 108 PS, durch elektrisch-mechanisches Zuschalten des Wankel-Halbwalzen-Kompressors lässt sich die Leistung aber kurzzeitig bis auf 154 PS steigern. Ebenfalls aus dem Automobilbau stammt das vollsynchronisierte Vierganggetriebe mit Rückwärtsgang. Der Endantrieb erfolgt über eine Rollenkette im geschlossenen Ölbadkasten.


Friedel-Münch-Titan-2000  

 Ähnlich gewaltig wie die Antriebseinheit wurde das Zentralrohr-Chassis mit zwei Unterzügen ausgelegt. Die Führung des Vorderrades übernimmt eine selbstgebaute hydraulisch-pneumatische Telegabel mit 50 mm Standrohrdurchmesser. Damit das Vorderrad ordentlich verzögert werden kann, hat Münch gleich vier Bremszangen an die Gabel konstruiert. In den Kraftstofftank passen 38 Liter Sprit, und ist das Fahrzeug vollgetankt, bringt es stattliche 368 kg auf die Waage. Um seinem Besitzer das Aufbocken zu erleichtern, lässt sich der Hauptständer hydraulisch betätigen. Auf die Fragen nach dem Wert will und kann Friedel Münch keine Angaben machen. Die „TITAN-2000“ wird wohl tatsächlich das letzte Motorrad, das Friedel Münch im Laufe der letzten vierzig Jahre gebaut hat, bleiben. Dachte man jedenfalls damals, doch bekanntlich kommt vieles ganz anders als man denkt...

 Mitte 1991 erlitt der nimmerruhende Konstrukteur einen Schlaganfall. Nach fast halbjährigem Hospitalaufenthalt gings dann aber wieder steil bergauf. „Arbeit ist die beste Therapie“, so das Original-Zitat von Friedel Münch. Und was dabei rausgekommen ist, sehen wir nun kurz vor der Jahrtausendwende, die Münch Mammut 2000. Lassen wir uns überraschen. 

             Münch-Galerie:


MV-Münch


Daytona-Bombe


Münch3-Prototyp


Titan 2000


Scheiber-Spezial


Münch-Gespann


Turbo-Münch  


Sport-Münch  

und  
Winni Scheibe

 
mit seiner Münch-4 TTS 1200,  1972

Text:  Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, Archiv, Münch

 

www.classic-motorrad.de