Flotter Dreier die Story der Suzuki XR11 und ihrer Fahrer |
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Teil 3 - 1975 |
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Amerika Das Team für die USA-Rennen
wurde für 1975 nochmals umgestellt. Paul Smart und Cliff Carr mussten gehen,
dafür sollte Dave Aldana nun fest ins Team einsteigen. Der extrovertierte (er
trug zuweilen einen Rennanzug mit aufgemaltem Knochengerüst) und als Witzbold
im Fahrerlager bekannte Aldana hatte im Vorjahr den verletzten Paul Smart
ersetzen sollen Im Vorjahr hatte
sich Aldana auf der John Player Norton achtbar geschlagen.
Nach seiner (scheinbaren)
Genesung war Gary Nixon wieder dabei und natürlich auch Barry Sheene. Neu
kam Teuvo “Tepi“ Lansivuori dazu, der mit Sheene zusammen in Europa das
Werksteam in der 500er Weltmeisterschaft bilden sollte. Noch jemand war neu,
ein ganz junger amerikanischer Fahrer namens Patrick “Pat“ Hennen, für
seine Furchtlosigkeit, aber vor allem für sein Fahrtalent schon gut bekannt
auf der anderen Seite des großen Teichs. Wie schon in den Vorjahren war auch
diesmal nur für das Rennen in Daytona ein weiterer Fahrer verpflichtet
worden, Hurley Wilvert. Er hatte im Jahr zuvor auf der Werks H2R Kawasaki das
Rennen als Dritter hinter Agostini und Roberts beendet und das, obwohl er erst
zwei Jahre zuvor vom Mechanikerjob, er hatte Paul Smarts Maschinen betreut, in
die Fahrerriege umgesattelt hatte. Das Kawa Team hatte zwar 1974 nur noch Yvon
DuHamel unter einem festen Vertrag gehabt, in Daytona aber wurde nochmal ein
großes Aufgebot an den Start gebracht und so konnte Wilvert 1974 auf’s
Treppchen fahren.
Merv Wright, wie im Vorjahr für den Einsatz der Suzukis in den USA verantwortlich, wollte diesmal nichts dem Zufall überlassen. Man wollte der Yamaha Übermacht unter Führung von Vorjahresmeister Kenny Roberts und den gerade auf der Szene erschienenen wassergekühlten Kawasakis mit Yvon Duhamel gut vorbereitet entgegentreten. Im Dezember 1974 stellte Suzuki einige neue XR11 für eine intensive Trainingssitzung in Daytona zur Verfügung. (Wright fiel dabei auf, dass zwei der Maschinen laut den Begleitpapieren für einen gewissen Mr. P. Read bestimmt waren).
Daytona Bedingungen lassen
sich nun mal in keinem Labor der Welt duplizieren, der einzige Ort auf der
Welt, wo man diese Bedingungen simulieren kann, ist Daytona selbst. Also zogen
Sheene, Länsivuori und Aldana mit den Dunlop Technikern für zehn Tage im
Dezember nach Daytona. Nun war es im Dezember natürlich viel kälter dort am
Atlantik als zum Zeitpunkt des Rennens im März. Das Hauptproblem für die
Reifen und in geringerem Maße auch für die Ketten ist natürlich Hitze. Aber
besser so zu testen, als alles dem Zufall zu überlassen. Im März war dann
klar, dass Mr. Read nicht für’s Suzuki Team fahren sollte. Man begab sich kurz vor dem
Rennen dann nochmals nach Daytona zum Reifentest. Für Barry Sheene sollte
dieser Test beinahe das Ende seiner Karriere bedeuten, es hätte auch das Ende
seiner irdischen Existenz sein können. Nicht viele Menschen überleben einen
Sturz bei einer Geschwindigkeit von 270 km/h! Mehrere Rippenbrüche, ein
gebrochener Oberschenkel und eine
angeknackste Wirbelsäule sowie verschiedene Schnitt- und Schürfwunden
brachten ihn nicht auf die Startlinie des Rennens, sondern ins
Halifax-Hospital von Daytona!
Was war geschehen? Es gibt,
eigentlich ein Zufall, eine Filmaufnahme von diesem Horrorunfall (“Barry
Sheene Daytona 1975“), normalerweise werden solche Trainings unter Außschluß
der Öffentlichkeit durchgeführt. Das Filmteam wollte Barry Sheene durch die
Saison 1975 zu den großen Rennen begleiten und war deshalb vor Ort um diesen
Sturz im Bild festzuhalten, allerding ist es dem Kameramann wegen des hohen
Tempos nicht möglich gewesen mit dem stürzenden Sheene mitzuschwenken, so daß
“nur“ der Ansatz zu diesem Wahnsinnsabflug auf Film gebannt ist. Die
Presse berichtete von einem geplatzten Reifen! Wenn man den Film Bild für
Bild ansieht, dann kann man kurz vor dem Ausscheren des Hinterrades etwas vom
hinteren Teil der Maschine nach oben davonfliegen sehen. George Vukmanovich,
Hurley Wilverts Mechaniker, war bei der Untersuchung der Maschine beteiligt,
seine Aussage deckt sich mit den Interviews, die später von anderen
Beteiligten und Augenzeugen gegeben wurden insofern, als es auf keinen Fall
ein Defekt am Motor oder am Getriebe war. Die Kolben, die Kurbelwelle und der
Primärtrieb waren in perfektem Zustand, auch im Getriebe hatte nichts
gefressen oder geklemmt. Vukmanovich sagt aber auch, daß der Reifen am nächsten
Tag immer noch seinen Luftdruck gehalten habe. Es fand sich links vorne an der
Innenseite der Hinterradschwinge als einziges Anzeichen eines Defekts eine
Scheuerspur. Der einzige wirklich nachweisbare technische Defekt fand sich an
einem der extra für Daytona verwendeten federbelasteten Kettenspanner (wie
sie früher auch bei Moto-Cross Maschinen wegen des großen Durchhangs der
Kette bei ausgefederten Hinterrad verwendet wurden). Eine solche Feder war
gebrochen und der Verdacht lag nahe, daß sich der lose Kettenspanner
vielleicht seitlich in den Reifen gearbeitet hatte und dort die nachgewiesene
Laufflächenablösung verursacht hatte. So ein Defekt war schon einmal
aufgetreten, allerdings ohne Folgen für den Reifen und den Fahrer. Man
verbesserte diese Teile jedenfalls nach Sheene’s Unfall. So ganz zufrieden
sein konnte man mit dieser Erklärung, wie sie in Ray Battersbys Buch “Team
Suzuki“ von George Vukmanovich abgegeben wurde, aber nicht sein. Ich habe
Merv Wright noch einmal gebeten mir seine Sicht dieses Unfalls zu schildern
und seine Theorie, wie er selbst seine Erklärung nennt, klingt sehr viel
warscheinlicher. Merv Wright:“ Sheene solllte nach einigen Abstimmungsrunden einen 200 Meilen
Dauertest fahren, unter Rennbedingungen sozusagen! Um die tatsächliche Längung
der Kette über die Distanz zu messen bzw. festzustellen ob es überhaupt möglich
war mit einer Kette durchzufahren, wurde das Hinterrad an seiner Maschine in
die vorderste Position montiert, d.h. mit einer möglichst kurzen Kette! Es
war eigentlich kein besonders heißer Tag, er war auch erst ein paar Runden
gefahren, so daß Uberhitzung oder eine zu starke Dauerbelastung
ausgeschlossen werden können. Meiner Meinung nach hat das Wachstum der Reifen
bei dieser Geschwindigkeit unter der zusätzlichen Belastung der überhöhten
Kurve zum Unfall geführt! In dieser vordersten Position montiert, geriet der
Reifen in Berührung mit der, sich im vorderen Bereich verjüngenden, Schwinge
und die Überhitzung durch das Scheuern verursachte die Laufflächenablösung
und damit Sheenes Verhängnis. Wir haben auf der Strecke auch einen, sich
immer mehr verbreiternden, schwarzen Strich gefunden. Barry Sheene vertrat später
vor der Presse sogar die Ansich, nicht nur sein Hinterreifen, aucht sein
Vorderreifen sei geplatzt, diese Fehleinschätzung war aber in seiner
damaligen Lage eher leicht verzeihlich. Die Presse lag aber, Überraschung, Überraschung,
auch damals schon oft falsch!“ Das Pech klebte also schon wieder am Suzuki Team und es muß eigentlich schon klar sein, daß es auch diesesmal nichts wurde mit dem Sieg in Daytona. Als nächster Kandidat fiel Gary Nixon aus, der sich tapfer mit großen Schmerzen in beiden Unterarmen einen 29. Startplatz erkämpfte. Er hatte sich die Arme im Vorjahr bei Testfahrten in Japan mehrfach gebrochen. Er trat zum Rennen nicht mehr an, da man im Krankenhaus festgestellt hatte, daß seine Arme unter der Belastung des Trainings schon wieder an denselben Stellen gebrochen waren, statt der japanischen Bonsai-Schrauben bekam er jetzt die amerikanische “heavy-duty-Lösung“ (Orginalzitat Gary Nixon!) in die Knochen montiert. Seinen Spitznamen “Ironman“ hatte ich bereits erwähnt. So trat dann das Team Suzuki USA am 9.3.1975 nur noch mit vier statt sechs Fahrern in Daytona an: Aldana, Lansivuori, Hennen und Wilvert. Genau wie 1972 hatte man nach dem Vorfall mit Sheene aus Sicherheitsgründen wieder zu Goodyear Reifen gewechselt, Dunlop zog von sich aus dann vor dem Rennen alle Reifen zurück und Good-Year mußte die Reifen für alle Teilnehmer bereitstellen. Aber es nutzte alles nichts, Tepi Länsivuori hatte schon einige Zeit geführt, als er zum Nachtanken und Kettespannen an die Box kam,“nach dem Ausfall von Sheene und Nixon stand er wohl sehr unter Druck“ meinte Merv Wright zu mir,“ er hat es wohl übertrieben als er versuchte die Spitze zurück zu erobern“ denkt Merv Wright heute über den Grund für Länsivuoris Sturz in der folgenden Runde..
Wilverts Maschine ging in der 17. Runde fest, wahrscheinlich infolge Abmagerns wegen Spritmangel. Er hätte in der 18. Runde zum Tanken kommen müssen. Pat Hennen stürzte in der 18. Runde, als ihm der Vorderreifen beim harten Anbremsen platzte. Nur Dave Aldana blieb von den US Suzuki Boys übrig. Und da genau wie in den Jahren zuvor die Suzuki-Tankstops nicht gerade eine sichere Sache waren, musste es Dave Aldana im wahrsten Sinne des Wortes ausbaden. Georg Vukmanovich erinnert sich an den Abend vor dem Rennen, als man versuchte die Tankstops noch einmal zu üben. Es gelang kein einziges Mal richtig. Im Rennen gelang es erst recht nicht, die Nerven! Eine Zeitung schrieb später, Aldana hätte bei jedem Stop wohl ein Spritdusche bekommen. Er wurde 27. in diesem Rennen. Auch die Europäer nahmen ja
an diesem als 1. Lauf zur FIM Formel 750 ausgeschriebenen Rennen teil. So kam
Marcel Ankone vom holländischen Importeur NIMAG als 20. und damit bester
Suzuki Fahrer überhaupt ins Ziel. Er erzählte mir, daß er sich nicht
schlecht gewundert hätte über die abgescheuerte Verkleidungsunterseite. Die
Maschine hatte durch die in den Steilkurven zusammengepresste Federung mit der
Verkleidung aufgesetzt. Boet van Dulmen schaffte auf seiner 1974er XR11 den
23. Platz. Stan Woods wurde wegen denselben Kettenproblemen, wie sie
Lansivuori hatte, vorzeitig aus dem Rennen genommen und nur noch als 42.
gewertet. Es sollte einfach nicht sein, das Rennen gewann Gene “Burritto“
Romero auf einer Yamaha TZ750 vor Steve Baker und Johnny Cecotto, beide
ebenfalls auf Yamaha.
Am 3.8.1975, also fünf Monate später, kam es dann zum zweiten Straßenrennlauf um die AMA Grand National Championship in Laguna Seca, Aldana hatte sich auf den dritten Platz vorgearbeitet, als eine abgebrochene Zündkerzenelektrode alle Chancen auf einen Podestplatz schon im ersten Lauf zerstörte. Hennen wurde trotz einiger Probleme mit der Fahrwerksabstimmung Fünfter. Zum Rennen in Lake Ontario am
5.10.1975 waren alle Suzuki Reiter wieder vereint, mit Ausnahme von Sheene. Er
hatte sich bei einem Unfall mit einem Minibike im Fahrerlager von Cadwell Park
das andere Bein gebrochen. So endete seine Saison wie sie begonnen hatte, im
Krankenhaus!
Aber auch die anderen Fahrer
waren nicht gerade topfit, denn man hatte einige Tage vor dem Rennen schon
einmal in Lake Ontario trainiert. Lansivuori laborierte mit einem
angebrochenen Handknochen, auch im Fuß war irgendetwas verknackst, Ontario
Trainingsunfall! Nixon hatte sich einen Knochen in der Schulter gebrochen,
Ontario Trainingsunfall! Aldana grün und blau am ganzen Körper und arg
mitgenommen, na klar, Ontario Trainingsunfall! Nur Hennen war wohlauf, er
startete im ersten Lauf von der Pole. Aldana fand keinen Leerlauf mehr auf der
Startlinie und gab auf. Pat Hennen ging in Führung, wurde aber von Kenny
Roberts überholt und balgte sich mit seinem Teamkollegen Nixon um den zweiten
Platz. Roberts gewann den ersten Lauf vor Nixon und Hennen, Lansivuori war
schon früh der Motor geplatzt. Im zweiten Lauf kam Hennen nur auf den zwölften
Rang, Nixon bekam Probleme mit dem Kupplungsausrücker. Als er dann den
sechsten Gang nicht mehr einlegen konnte und auch noch Flammenrückschläge
aus den Vergasern ihm die Beine ankohlten, gab er drei Runden vor der
Zielflagge auf. Dies war das Ende einer Dekade
von Suzuki-Engagement in Amerika. Suzuki USA gab nach dem Rennen den Rückzug
aus der Meisterschaft bekannt, und eigentlich war es ein ziemlich schmählicher
Rückzug. Nach dem letzten Lauf zur
Meisterschaft bat die Redaktion der Zeitschrift Cycle das Suzuki Management
um eine XR11, weil man einen detailierten Technikbericht über die Maschine
bringen wollte. Wider Erwarten wurde der Wunsch erfüllt, man ließ sich bei
Suzuki ein einziges Mal in die Karten schauen, wohlwissend, dass man im nächsten
Jahr ja nicht mehr antreten würde und der Nachfolger der XR11 gewissermaßen
schon in den Startlöchern stand. Bei Suzuki USA war man wohl der Meinung,
damit keine großen Geheimnisse mehr zu verraten. So wurde also eine XR11 und
zwar die von Pat Hennen bei der Cycle Redaktion abgeliefert, natürlich im
Beisein eines Suzuki Mechanikers, Ken Bailey. Dieser war durch Geoff Perry zum
Rennsport gekommen und wie Perry hatte er vorher als Flugzeugmechaniker in
seinem Heimatland Neuseeland gearbeitet. Das Motorrad wurde zerlegt und
die Unterschiede zur Serienmaschine detailiert herausgearbeitet, besonders
interessant waren dabei die Aussagen über das Zündsystem der XR11. Als die
Redakteure von Ken Bailey wissen wollten, wo denn der Zündzeitpunkt des
Rennmotors liege, da konnte Bailey nur mit den Schultern zucken: Er wisse
das wirklich nicht, der sei fest eingestellt und nicht zu verändern.
Angepasst werde das Leistungsverhalten über verschiedene Zündsteuergeräte,
je nachdem ob bessere Beschleunigung oder mehr Spitzenleistung gefordert sei (bleibt noch anzumerken, dass die Zündanlage von Nippon Denso simultan
arbeitet, d.h. alle Kerzen feuern immer zugleich). Eine weitere Maßnahme
zur Anpassung waren nach Baileys Aussage Kopfdichtungen mit verschiedener
Dicke und verschieden stark abgefräste Zylinderköpfe. Auf weitere technische Aspekte der XR11 will ich hier aber nicht eingehen, das ist genug
Stoff für eine eigene Geschichte. Diese Maschine von Pat Hennen sollte als
einzige der noch in Amerika vorhandenen Maschinen als Museumsstück überleben.
Jener Zeitungsartikel, der erst im Februar 1976 erschien, war der Schlusspunkt
der amerikanischen XR11-Geschichte.
Es war aber nicht das Ende für
Leute wie Pat Hennen und Suzuki, der der erste US-Amerikaner werden sollte,
der einen Grand-Prix in der 500er Königsklasse gewinnen konnte. Auch für
Merv Wright sollte es mit Suzuki nicht zu Ende sein, ganz im Gegenteil, er
sollte als Teammanager in Europa noch Erfolge erringen, die er sich in seinen
kühnsten Träumen wohl nicht hätte vorstellen können. Gary Nixon sollte
zwar 1977 auch auf einer TZ750 noch einmal in der AMA Serie teilnehmen, aber
auch er ging zunächst einmal mit seinem Tuner Erv Kanemoto nach Europa und
wurde fast der erste amerikanische Weltmeister überhaupt, denn die Formel 750
war für 1976 ja zur Weltmeisterschaft erhoben worden. Aber er sollte es mit
seiner wassergekühlten Kawasaki KR750 eben nur fast werden! |
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