Flotter Dreier  

die Story der Suzuki XR11
und ihrer Fahrer

Teil 2 - 1974


von Karl Hübben

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Im ersten Teil habe ich über die Jahre 1972 und 1973 geschrieben, diesmal werde ich mich auf das Jahr 1974 beschränken, da in diesem Jahr die Geschichte sehr verzweigte Wege geht und selbst bei oberflächlicher Betrachtung noch einen erheblichen Umfang annimmt. Eine ganze Menge Raum nimmt auch der Streitfall um die im Jahr 1974 auf den Rennstrecken erscheinende TZ700/750 Yamaha. Zu den Jahren 1975 und 1976 kommen wir dann demnächst in Teil drei.

Europa

Nach seinem Erfolg im FIM Formel 750 CUP war Barry Sheene zum Hoffnungsträger auserkoren worden. Seine vertraglichen Bindungen für das Jahr 1974 waren so umfangreich, dass man ihn auch als Allheilmittel bezeichnen könnte. Zuerst einmal blieb sein Vertrag mit dem Castrol Suzuki GB Team bestehen, er bekam, genau wie sein Kollege Stan Woods, der seine 1973er Maschine weiter verwendete, eine modifizierte 1973er XR11.

So sahen die europäischen 74er XR11 aus, 
1973er Rahmen modifiziert , hier die Maschine von Marcel Ankone
vom niederländischen Importeur NIMAG

(Übrigens, das habe ich im ersten Teil der Geschichte nicht erwähnt, XR ist der Code für die Werksrenner ab etwa 1970 und steht für eXperimental Racer, die Bezeichnung TR 750 steht für die allgemeine Bezeichnung Track Racer 750ccm) Die Modifikationen bezogen sich auf eine leichte Leistungssteigerung durch geringfügige Änderungen am Auspuff. Die zum Teil schon im Vorjahr eingeführten Festsattelbremszangen in Magnesiumausführung wurden jetzt an allen XR11 verwendet. Diese wurden aber, wie im Jahr zuvor die Serienbremssättel, von den Fahrern, die keine japanischen Mechaniker im Team hatten, also den Engländern, gegen Exemplare der Firma Lockheed getauscht und zur Tarnung mit Suzuki Aufklebern versehen!. Außerdem gab es eine neue Sitzbank mit Spoilerkante. Mit diesen Maschinen sollten die geplanten Formel 750 Rennen, die MCN Superbike Serie und natürlich auch die Transatlantic Match Races gegen eine amerikanische Fahrerauswahl bestritten werden. Nebenher gab es auch noch Rennen zur ACU Championship, der englischen Motorradmeisterschaft. 

Aber trotz dieser Fülle an Aufgaben sollte weitere Unterstützung neben der Bereitstellung der Maschinen ausbleiben, Unterstützung vor allem in Form von intensiver Betreuung und ausreichender Ersatzteilversorgung. Die Tatsache, den Fahrern nur die Maschinen hinzustellen und weiter keine Hilfe zu leisten, war, nach dem Erfolg im Vorjahr, völlig unverständlich. Rex White, als Teamchef im Vorjahr maßgeblich am Erfolg von Suzuki GB in der Formel beteiligt, ärgerte sich über diese Verschwendung der gesammelten Erfahrungen und warf daraufhin das Handtuch. Er zog sich, vom lauen Engagement des Importeurs enttäuscht, nach Nord-Wales zurück. Dort stieg er in die Tuning Firma von Barry Hart ein, die im Vorjahr das Suzuki Team nach Kräften unterstützt hatte. Gary Maylan, Suzuki England’s Service Manager, übernahm die Verantwortung für den Renneinsatz. 

Die 500er Seeley XR05 waren verkauft worden und wurden durch wassergekühlte XR05 ersetzt, um auch in der Shellsport Serie wieder antreten zu können. Außerdem hatte Sheene noch einen Werksvertrag zum Einsatz der neuen XR14 Vierzylinder Grand Prix 500er Rennmaschine, die 1974 ihr erstes Einsatzjahr im europäischen Grand Prix Zirkus hatte. Er sollte, zusammen mit Jack Findlay als zweitem Fahrer, die Entwicklung der Maschine im Renneinsatz vorantreiben. Diese Aufgabe hatte absolute Priorität, und da einige Terminüberschneidungen mit Formel 750 Rennen feststanden, war an Titelverteidigung kaum zu denken. Zusammen mit Guido Mandracchi bildete Jack Findlay daneben auch 1974 wieder das italienische Suzuki Europa Racing Team mit Einsätzen in der Formel 750. Der holländische Importeur NIMAG B.V. in Amsterdam bekam eine XR11 für seinen Fahrer Marcel Ankone. Auch diese Maschine war, wie alle anderen Anfang 1974 nach Europa gelieferten XR11, ein modifiziertes 1973er Modell. Ankone sollte auch in der Formel 750 starten und an den nicht zur Meisterschaft zählenden Rennen teilnehmen, von denen es gerade in Holland und Belgien (Chimay, Mettet, Assen...) einige gab.

Das Suzuki USA Team 1974,
  v.l. Nixon, Sheene, Carr, Araoka und Smart 
und natürlich XR11 mit Speichen(!
)

Ken Araokas XR11 in Daytona, deutlich erkennbar 
der Tank für die Kettenschmierung unter dem Sitz

Amerika

Um endlich den ersehnten Daytona Sieg ins Haus zu holen, wurde durch Suzuki USA für die amerikanische AMA Serie gleich eine ganze Reihe von Fahrern neu verpflichtet. Allen voran natürlich diesmal Barry Sheene, aber direkt neben ihm Gary Nixon, Cliff Carr und Paul Smart, als einziger aus dem 1973er Team. Nixon und Carr kamen vom Kawasaki Team Hansen, das sich aus der AMA Grand National Championship weitestgehend zurückgezogen hatte. Nur Yvon DuHamel, der neben anderen Spitznamen auch der Superfrog (frog: amerikanisch für Frankokanadier) genannt wurde, verblieb als einziger werksunterstützter Kawa-Fahrer übrig. 

Yvon "Superfrog" Duhamel's Werks Kawasaki H2R - nein, mit seinem Spitznamen hat die grüne Farbe nichts zu tun!
Daytona 1974

Vervollständigt wurde das Suzuki Team, zumindest für Daytona, durch den Werkstestfahrer Ken Araoka. Ron Grant verließ nach acht Jahren das Suzuki USA Team. 

Extra für Daytona waren neue Rahmen gefertigt worden, die wegen der abgesenkten Fahrersitzposition den Spitznamen "low-boy" bekamen. Für den Daytona Einsatz waren diese noch mit einem großen Nachlauf an der Vorderachse und extra großem Radstand ausgerüstet. Der Rahmen ähnelte der Konstruktion für die wassergekühlte XR05 und bildete durch seine eng um den Motor geführten Rohrschleifen eine stabilere Einheit. Der tiefere und weiter nach vorn gerückte Schwerpunkt verbesserte das Handling beim Bremsen und vor allem beim Einlenken in Kurven etwas.
Die Maschine wurde wieder leichter, u.a. waren jetzt auch die Vergaser aus Magnesium gefertigt, genauso wie die zum erstenmal verwendeten amerikanischen Morris Gussräder. Auspuffanlage und Steuerzeiten wurden gegenüber dem Vorjahr  nur geringfügig verändert. 


oben: "low boy", 
unten: "high boy"

Eine neue Gabel mit 37mm Standrohrdurchmesser gab es außerdem. Eine Besonderheit extra für Daytona gab es noch: eine automatische Kettenschmiervorrichtung, die bei Betätigung der Hinterradbremse jedesmal etwas Schmieröl aus einem Tank auf die Kette spritzte.



2002 - Stan und sein alter Arbeitsplatz

2002 - Ex NIMAG TR750 Fahrer 
Marcel Ankone 
fühlt sich wieder wie zu Hause

Zum Start der AMA Saison in Daytona war das Suzuki Team unter besonderen Druck geraten, nachdem nicht weniger als 30 Yamaha YZR700 zum Training für das 200 Meilen Rennen angetreten waren.


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