die Story der Suzuki XR11 und ihrer Fahrer

Teil 2

1974

Seite2



Das Yamaha Problem

Die neue Vierzylinder Yamaha für die große Formel hatte man nach dem ersten Auftritt der fast baugleichen 500er im Vorjahr in Paul Ricard (mit Saarinen im Sattel) schon mit Spannung erwartet. Dabei sollte es noch heftige Diskussionen um dieses Motorrad geben. Vom eigentlich offensichtlichen Verstoß gegen die Regeln wurde in Amerika nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen - wir erinnern uns, dass Suzuki zwei Jahre zuvor wegen einer Buchstabenfuchserei ein halbes Jahr von der amerikanischen Meisterschaft ausgeschlossen wurde. Aber die Zuschauer wollten halt heiße Zweikämpfe sehen und die brandneue, hochinteressante Yamaha kam gerade recht, um die Sache noch anzuheizen. Die Fahrer wollten Preisgelder sehen und die Veranstalter am besten jede Menge Zuschauer. In den USA lässt man sich das Geschäft nicht gern kaputtmachen. Das Daytona Rennen war allerdings sowieso als sogenanntes "offenes Rennen" ausgeschrieben. Es wurde auch in nur einem Lauf ausgefahren, so dass die AMA Rules eigentlich nur für die regelkonformen Teilnehmer Geltung hatten - allerdings hätte man dann auch nur diese Maschinen in die Meisterschaftswertung nehmen dürfen.

Der Deutsche Siegfried Güttner, 
Privatfahrer mit kanadischer Lizenz ,  landete 1974 in Daytona auf Platz 4.
Heute ist Siggi auf einer Aermacchi bei VFV-Veranstaltungen unterwegs

"King" Kenny Roberts, 
Daytona 1974,
Yamaha TZ70
0

Zur Homologation musste es von einem Serienmotorrad mindestens 200 Stück geben. Motorgrundaufbau, Zylinderzahl und Anordnung, Zylinderform und -guss, Kraftübertragung (Kette, Kardan), Steuerschlitzanzahl beim Zweitakter, Ventiltrieb beim Viertakter mussten der Serie entsprechen. Der Rahmen, die Bremsen und die Federelemente sowie die Räder durften, der Sicherheit wegen, den Rennzwecken angepasst und verändert oder ausgetauscht werden. Diese auf dem FIM Kongress im Herbst 1971 verabschiedeten Regeln begründeten die Formel 750 in Europa. In Amerika ging die AMA Formel immer vom Vorhandensein einer Serien-Straßenmaschine als Homologationsvoraussetzung aus, nach Abgleich der Formel mit der FIM mit einer Mindeststückzahl von 200 Stück. 
Der Japanische Verband FMJ hatte die YZR700 aber, die FIM Regeln sehr schräg auslegend, homologiert. 

Yamaha hatte wohl auf der Tokio Motorshow seit 1972 immer wieder eine Vierzylinder Zweitaktmaschine gezeigt. Diese GL750 genannte Maschine machte auch einen serienreifen Eindruck, nur wurde sie nie in Serie gebaut. Vielleicht wollte man sie ja bauen und hatte Gründe es nicht zu tun. So blieb sie nur ein Versuchsballon (genau wie die Wankel RZ201), andere, vielleicht sogar die FIM, sollten wohl an die Serienmaschine glauben. 


Yamaha GL 750 Prototyp

Konsequenterweise hätte man dann bei fehlender Voraussetzung auch die 700er Rennmaschine nicht bauen dürfen. Diese aber gab es als Serie, mit mehr als 200 Stück. In Japan war man der Ansicht damit die Regeln eingehalten zu haben.
Die Amerikaner ließen die Yamaha trotz des Regelverstoßes ungeschoren. Die besten Zugpferde für die Veranstaltungen saßen schließlich auf 700er Yamahas. Kenny Roberts, Gene Romero, Don Castro und gerade in Daytona zum erstenmal Giacomo Agostini. Dessen mit Spannung erwarteter erster Auftritt auf einer Yamaha Zweitaktrennmaschine war für ein paar tausend Zuschauer extra gut, er hat sie nicht enttäuscht. Wenn diese Leute nicht antraten, konnte man die Veranstaltungen vergessen, das schien auch die Suzuki Mannschaft zu wissen, von einem Protest ist nichts bekannt!

Motorradtester Franz Josef Schermer
auf AGO's Yamaha TZ700, 
Yamaha Werksmechaniker Vince French hat's erlaubt, Zolder 1974

Die Europäer sehen solche Dinge bekanntlich enger. Der FIM Kongress, Ende März 1974 in Genf abgehalten, musste sich mit dem Hinweis eines "Außenstehenden" befassen, der wissen wollte, dass nach den Internationalen Sportgesetzten eine Zulassung der Yamaha YZR(TZ)700 zu den Rennen des FIM Formel 750 Cups nicht zulässig wäre.

Die technische Kommission untersuchte den Fall und kam zu dem Schluss, der Mann hat recht! Wie gesagt, die Maschine war schon im November 1973 vom japanischen Verband als 750er Formelmaschine zugelassen worden. Sie war bereits durch die weltweite Fachpresse gegangen und hatte obendrein zu diesem Zeitpunkt schon in Daytona ein Rennen gewonnen, nur aufgefallen war es keinem der Verantwortlichen. Was die über 200 neuen Besitzer des Yamaha-Renners über die ganze Sache gesagt haben, ist wohl nicht ganz druckreif. Auch die Fachpresse sprach von „unglaublichen Beschlüssen", von einem „Schildbürgerstreich". Aber eigentlich konnte die FIM gar nicht anders entscheiden, denn die Formel 750 basierte auf der sog. Genfer Konvention von 1949, als erstmals nach dem Krieg und auch 1974 noch gültig, als integrierende Ausgangsbasis für „seriennahe" Rennmaschinen ein straßenzulassungsfähiges Serienmodell gefordert wurde. Dies wurde als Homologationsvoraussetzung Nr.1 durch die FIM festgelegt. Als man später bei der Formel 750 von Serienmaschine sprach, war die Sache also eigentlich unmissverständlich.

The Beast

Einfach aber Effektiv,

Yamaha Vierzylindermotor

 

Als dann das sog. Bureau Central der FIM, dem alle Kommissionspräsidenten angehören, zusammentrat, da musste die englische Delegation nicht erst darauf hinweisen, dass eine Teilnahme oder der Erfolg eines YZR700 Fahrers bei einem FIM Cup Rennen ihren sofortigen Protest hervorrufen würde.

Dies bedeutete faktisch das Ende der Formel 750 in Europa. In Imola beeilte man sich den bereits kurz bevorstehenden Lauf als offenes Rennen nach Daytona Vorbild umzumodeln. Von den sieben geplanten Läufen fanden tatsächlich nur drei statt.

Dass es 1974 überhaupt zu Formel 750 Rennen in Europa kam, hing von einer Initiative der Vertreter der AMA, also des amerikanischen Verbandes (der auch in der FIM vertreten war), und der ACU, des nationalen englischen Verbandes, ab. Am 13.Juni setzte man sich in London mit den interessierten Herstellern zusammen und formulierte einige grundlegende Änderungen. Die Zahl der mindestens zu produzierenden Maschinen sank auf 25, diese mussten käuflich zu erwerben sein. Es musste sich um komplette Maschinen und nicht nur um Motoren handeln, der Minimalhubraum wurde jedoch auf 300ccm (vorher 250ccm) beschränkt. Diese Änderungen wurden auch so vom Kongress beschlossen.

Der damalige Leiter der technischen Kommission, der deutsche Zweitaktprofessor H.W. Bönsch, versuchte in der Ausgabe 25/1974 der Zeitschrift das Motorrad das Dilemma darzustellen und den Kompromiss zu verkaufen, „man habe ja keine verkappte 750er Grand Prix Klasse gewollt, aber man könnte die Käufer der Yamaha nicht vor den Kopf stoßen, die Regeln wären auch nicht konkret genug beschrieben gewesen (?!). Die 25er Stückzahlgrenze solle andere Hersteller anreizen mitzumachen."

Der schnelle Stein des Anstoßes:

Yamaha TZ700
Daytona 1974


An dieser Stelle meine Meinung: Man schaffte durch die Zulassung der 700er Yamaha sehr wohl eine neue Grand-Prix Klasse, nicht umsonst wurde die Formel am Ende des folgenden Jahres zur Weltmeisterschaft erhoben. Die Maschinen von BMW, BSA, Harley-Davidson, Honda, Kawasaki, MV Agusta, Suzuki, Triumph und einigen anderen Herstellern stammten für jeden Zuschauer nachvollziehbar von einer Straßenmaschine ab, nur eben die Yamaha nicht. Die 25 Stück Regel animierte keinen einzigen Hersteller zum Mitmachen, wenn Yamaha schon Hunderte Maschinen an den Mann gebracht hatte, lohnten sich die Entwicklungskosten für eine solche reinrassige Rennmaschine gar nicht, während Yamaha mit jeder verkauften YZR700 zur Deckung der Kosten seiner Rennaktivitäten beitrug. Der Mehraufwand für die 700er war wegen der mehr als engen Verwandtschaft zur 500er ja auch nicht sehr groß gewesen. Jetzt könnte man sagen, das hätten die anderen ja auch gekonnt, stimmt nicht, die anderen hatten sich ja an die Regeln gehalten!

Es kam wie es kommen musste, die Formel verkam ab 1977 vollständig zum Yamaha-Cup. Das hatte zwar interessante Rennen auf vergleichbarem und bezahlbarem Material zur Folge. Aber die Herstellervielfalt und der Bezug zur vom Zuschauer gefahrenen Serienmaschine und der Einstieg in die Klasse durch den Umbau einer solchen Maschine, der eigentliche Grund der Formel 750, war nun völlig verloren gegangen. Das baldige Ende war abzusehen und kam.
Eigentlich wollte ich ja nur über die Geschichte der XR11 schreiben, aber das Yamaha Problem beendete ja auch die Karriere der XR11, die schon ab 1975 leistungsmäßig ins Hintertreffen geriet. Die Geschichte der Dreizylinderrennmaschinen ist somit auch nur ein Teil der Formel 750 Geschichte.


 Seite  1  | 


Classic Motorrad  ©1999-2008
 All rights reserved.